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Urteilskopf

124 III 337


59. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 15. Juni 1998 i.S. A. AG gegen Schweizerische Eidgenossenschaft (Direktprozess)

Regeste

Art. 839 Abs. 3 ZGB; Sicherheitsleistung.
Kann ein zum Verwaltungsvermögen der Eidgenossenschaft gehörendes Grundstück nicht mit einem Bauhandwerkerpfandrecht belastet werden, so ist die Eidgenossenschaft deswegen nicht zur Leistung einer Sicherheit verpflichtet (E. 6a-c).

Sachverhalt ab Seite 337

BGE 124 III 337 S. 337

A.- Die Schweizerische Eidgenossenschaft hatte auf einem bundeseigenen Grundstück in St. Gallen-Bruggen für die eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (EMPA) eine Baute erstellen lassen, die ab dem 1. April 1996 bezogen wurde. Die Erstellung der Fassadenverkleidung wurde von der Schweizerischen Eidgenossenschaft der B. AG übertragen, die am 12. Oktober 1995 in Konkurs geriet. Das Feuerverzinken und das Sandstrahlen der für die Fassade erforderlichen Metallteile hatte diese der A. AG als Subunternehmerin übergeben. Wegen des Konkurses der B. AG trat die schweizerische Eidgenossenschaft vom Werkvertrag zurück und vergab die noch unerledigten restlichen Arbeiten an Dritte. Die Eidgenossenschaft verweist insoweit unbestritten darauf, dass die Konkursitin für alle von ihr und ihren Subunternehmern erbrachten Leistungen entschädigt worden ist.
BGE 124 III 337 S. 338
Dem Gesuch der A. AG auf superprovisorische Eintragung eines Bauhandwerkerpfandrechts in der Höhe von Fr. 41'743.60 nebst Zins von 7% seit dem 10. Oktober 1995 auf dem Grundstück in St. Gallen-Bruggen gab das Bezirksgerichtspräsidium St. Gallen am 20. November 1995 statt. Diese Verfügung schützte der Bezirksgerichtspräsident St. Gallen mit Entscheid vom 8. Januar 1996, erkannte auf befristete Vormerkung des Bauhandwerkerpfandrechts im Grundbuch und verwies die A. AG unter Ansetzung einer Frist auf den ordentlichen Prozessweg.

B.- Die A. AG beantragt dem Bundesgericht mit Klage, das Grundbuchamt St. Gallen anzuweisen, das provisorisch eingetragene Bauhandwerkerpfandrecht im Betrag von Fr. 41'743.60 nebst Zins von 6% seit dem 15. November 1995 und von 51/2% seit dem 1. Januar 1996 zuzüglich 1/4% Kommissionsgebühr pro Quartal definitiv einzutragen; eventuell sei die schweizerische Eidgenossenschaft stattdessen zur Sicherstellung dieses Betrages samt Kosten innert vom Gericht zu bestimmender Frist zu verpflichten.

C.- Das Bundesgericht weist die Klage auf definitive Eintragung des Bauhandwerkerpfandrechts ab und verwirft auch den Eventualstandpunkt der Klägerin

Erwägungen

aus folgenden Erwägungen:

6. Die Klägerin macht eventualiter geltend, die Beklagte sei in analoger Anwendung von Art. 839 Abs. 3 ZGB und des Bundesgesetzes über die Schuldbetreibung gegen Gemeinden und andere Körperschaften des kantonalen öffentlichen Rechts vom 4. Dezember 1947 (SchGG; SR 282.11) zur Leistung einer Sicherheit zu verpflichten. In diesem Sinn sei zwecks Vermeidung stossender Ungleichheiten eine Lücke im Gesetz zu schliessen; der Gesetzgeber habe den für die öffentliche Hand bauenden Handwerker nicht benachteiligen wollen. Nach Auffassung der Beklagten hingegen kann das dem Gebäudeeigentümer eingeräumte Recht, die Eintragung des Pfandrechts durch Leistung einer Sicherheit abzuwenden, nicht in eine Pflicht umgedeutet werden; das Gesetz sei nicht lückenhaft.
a) In Rechtsprechung und Lehre wird als unbefriedigend empfunden, dass der Bauhandwerker, wenn er für den Staat gebaut hat, schlechter dasteht, als wenn er für einen privaten Bauherrn tätig geworden ist (BGE 108 II 305 E. 1 S. 309; BGE 95 I 97 E. 4 S. 101 f.; P. GAUCH, Der Werkvertrag, 4. Aufl. Zürich 1996, Rz. 187 S. 57; P. LIVER, Rechtsprechungsbericht, Nachtrag, ZBJV 120/1984 S. 277
BGE 124 III 337 S. 339
ff.; D. ZOBL, Das Bauhandwerkerpfandrecht de lege lata und de lege ferenda, ZSR 101/1982 II S. 138 mit Fn 579; R. SCHUMACHER, Baurecht 1995, S. 98 Anmerkung 2 mit Hinw.; J.-C. DE HALLER, L'hypothèque légale de l'entrepreneur, ZSR 101/1982 II S. 253 bei und mit Fn 198; J.-F. POUDRET, Patrimoine administratif et hypothèque légale des artisans et entrepreneurs, in: Mél. H. Zwahlen, Lausanne 1979, S. 507). Daher sind verschiedene Autoren der Ansicht, es müsse eine Lücke im Gesetz gefüllt werden; wenn die vom Staat mit hoheitlicher Zweckbestimmung genutzte Liegenschaft unpfändbar sei, treffe den bauenden Staat die Pflicht, Sicherheit zu leisten (R. SCHUMACHER, Das Bauhandwerkerpfandrecht, 2. Aufl. Zürich 1982, Rz. 563 ff. S. 159 ff.; derselbe, Das Bauhandwerkerpfandrecht, recht 4/1986 S. 93 Ziff. 8, und Baurecht 1983, S. 31 Ziff. 5 f.; P. LIVER, Rechtsprechungsberichte, ZBJV 115/1979 S. 262 und 111/1975 S. 69 f.; weniger bestimmt derselbe, ZBJV 120/1984 S. 278 f.; P. GAUCH, Ein Bauwerk - Mehrere Unternehmer, ZBJV 118/1982 S. 86 f.; weniger bestimmt derselbe, Probleme von und mit Subunternehmern - Ein Beitrag zum privaten Baurecht, in: FS Meier-Hayoz, Bern 1982, S. 172 f. und Der Werkvertrag, a.a.O. Rz. 188 S. 57). Dieser Meinung hat sich das Obergericht des Kantons Aargau angeschlossen (Urteil der 1. Zivilkammer vom 11. Dezember 1982, publiziert in: AGVE 1982 Nr. 2 S. 20 ff. E. 2 bis 4, insbes. S. 23 ff. E. 3).
b) aa) Dass der vorleistungspflichtige Vertragspartner grundsätzlich das Risiko für das Ausbleiben der Gegenleistung trägt, bildet im Vertragsrecht die Regel (BGE 120 II 331 E. 5a S. 336), auf der z.B. auch Art. 171 Abs. 2 OR beruht, wonach der Abtretende ohne anderslautende Abmachung für die Zahlungsfähigkeit seines Schuldners nicht haftet. Das Bauhandwerkerpfandrecht bildet eine Ausnahme von der geschilderten Regel: Es privilegiert die Forderung des Bauhandwerkers dadurch, dass er diese dinglich absichern kann, und das zu Lasten eines Grundstückes, das nicht seinem Vertragspartner und Schuldner zu gehören braucht (W. WIEGAND, Bauhandwerkerpfandrechte an öffentlichen Grundstücken, Anmerkung zu BGE 108 II 305 f., recht 1/1983 S. 102 und 105; vgl. Votum Gauch, ZSR 101/1982 II S. 696). Wenn der Richter dieses Privileg, das der Gesetzgeber für den privaten Bereich mit Art. 837 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB geschaffen hat, im öffentlichen zumeist nicht gelten lässt, so trägt er damit bloss dem privatrechtlichen Grundsatz Rechnung, wonach der Gläubiger, der für seine Forderung keine Sicherheit erlangen kann, das Risiko des Ausbleibens der Gegenleistung
BGE 124 III 337 S. 340
tragen muss. Die Verweigerung des Privilegs samt damit verbundener Rechte gebietet die Rechtsordnung, nach der mit privatrechtlichen Instituten im öffentlichen Interesse liegende Aufgaben des Staates in keiner Weise beeinträchtigt werden dürfen (POUDRET, a.a.O. S. 507 und 510; WIEGAND, a.a.O. S. 103 f. und 105; ZOBL, a.a.O. S. 140 unten und S. 141 in Fn 588; IMBODEN/RHINOW, Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung, 6. Aufl. Basel 1986, Nr. 115 B IV insbes. lit. d, S. 811 f.; RHINOW/KRÄHENMANN, Ergänzungsband, Basel 1990, Nr. 115 B IV, S. 352).
Nach Liver (ZBJV 120/1984 S. 279 f., 115/1979 S. 262 und 111/1975 S. 69) ist der bauende Staat, auf dessen Liegenschaften ein Bauhandwerkerpfandrecht nicht eingetragen werden kann, verpflichtet, den Subunternehmer als mittelbaren Baugläubiger zu entschädigen, weil die Regelung von Art. 837 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB, die auf dem Gedanken der Absicherung einer bestehenden vertraglichen Schuld durch eine entsprechende Grundpfandverschreibung beruhe, auf ein gesetzliches Forderungsrecht des Bauhandwerkers gegenüber dem Gemeinwesen reduziert werde; aus diesem Recht könne auch die Pflicht zur Leistung einer Sicherheit nach Art. 839 Abs. 3 ZGB abgeleitet werden. Wollte das Bundesgericht diese rechtliche Konstruktion übernehmen, müsste es unweigerlich neue Ungleichheiten in Kauf nehmen: Weshalb dieses gesetzliche Forderungsrecht nicht auch einem für einen privaten Bauherrn tätig gewesenen Handwerker zustehen sollte, falls dessen Eintragungsanspruch scheitert, begründet Liver nicht. Zudem sind auch keine Gründe dafür ersichtlich, weshalb das bauende Gemeinwesen (im Gegensatz zum privaten Grundeigentümer) trotz Verneinung des Pfandrechts eine Sicherheit leisten und die in Art. 839 Abs. 3 ZGB dem Grundeigentümer unmissverständlich als Alternative eingeräumte Möglichkeit, die Grundpfandverschreibung durch Leistung einer Sicherheit abzuwenden, zu einer Pflicht des Gemeinwesens werden soll.
Weiter kann entgegen der Ansicht von Ch. Schroff (Das Bauhandwerkerpfandrecht auf öffentlichen Grundstücken, ZBJV 117/1981, S. 145 f.) auch Art. 11 SchGG nicht zur Füllung einer Lücke herangezogen werden, weil nach dieser Bestimmung die Umwidmung einer mit einem Pfand belasteten Liegenschaft aus dem Finanzvermögen in das Verwaltungsvermögen vorausgesetzt wird, während in Fällen wie dem vorliegenden die Zweckbestimmung bereits vorlag, als das Bauhandwerkerpfandrecht beansprucht wurde (ZOBL, a.a.O. S. 140; diesem beipflichtend WIEGAND, a.a.O. S. 103 in Fn 8).
BGE 124 III 337 S. 341
bb) Die Ansicht, es liege eine Lücke vor, erweist sich nach dem Gesagten weiterhin als unzutreffend (BGE 116 Ib 367 E. 6d S. 377; BGE 108 II 305 E. 1; 103 II 227 E. 5). Sie ist nur aus dem eingeengten Vergleich des für den Staat bauenden Subunternehmers mit demjenigen für einen Privaten tätigen verständlich und verkennt, dass die Füllung einer Lücke erst erwogen werden kann, wenn feststeht, dass die Rechtsordnung - anders als hier - lückenhaft ist (Art. 1 Abs. 1 und 2 ZGB; BGE 122 I 253 E. 6a; BGE 122 III 414 E. 2b; BGE 120 III 131 E. 3b; BGE 118 II 199 E. 2a; BGE 117 II 494 E. 6a).
c) Das Vorliegen einer Lücke kann schliesslich auch nicht damit begründet werden, der Gesetzgeber habe bei Liegenschaften der öffentlichen Hand nicht das Pfandrecht, sondern bloss die Zwangsverwertung verhindern wollen (SCHUMACHER, a.a.O. Rz. 568 bis 570 S. 162; derselbe, Votum, ZSR 101/1982 II S. 679). Dass die Expertenkommission den Antrag auf Ausschluss des Pfandrechts für öffentliche Bauten verwarf (SCHUMACHER, a.a.O. Rz. 570 S. 162), mag für den Erlass des Zivilgesetzbuches von Belang gewesen sein. Indessen ergibt sich die Nichtanwendbarkeit des Privatrechts aus dessen Abgrenzung vom öffentlichen Recht mit der Folge, dass der Gesetzgeber die Zulässigkeit des Bauhandwerkerpfandrechts und die Anwendbarkeit weiterer damit verbundener Rechte auf Verwaltungsvermögen des Bundes positiv hätte anordnen müssen. An der Meinung, Änderungen der Rechtslage würden dem Gesetzgeber obliegen, ist festzuhalten (BGE 108 II 305 E. 1 S. 309; ZOBL, a.a.O. S. 141 vor Fn 588; M. RENTSCH, Öffentliche Sachen, ZBGR 61/1980 S. 345; vgl. so zum Mehrfachzahlungsrisiko des Grundeigentümers auch BGE 95 II 87 E. 4 S. 92).

Inhalt

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Regeste: deutsch französisch italienisch

Sachverhalt

Erwägungen 6

Referenzen

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