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Urteilskopf

83 IV 200


59. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 24. Oktober 1957 i.S. Schweizerische Bundesbahnen und Gemeinderat Uster gegen Meier.

Regeste

1. Art. 6 BG betr. Handhabung der Bahnpolizei vom18.Februar1878,Art. 37, 43 Abs. 1 und 5 Transportreglement vom 24. Juni 1949. Benutzung der Bahn ohne gültigen Fahrausweis; Berechnung der Geltungsdauer von Bahnbilleten.
2. Art. 20 StGB. Rechtsirrtum; zureichende Gründe verneint.

Sachverhalt ab Seite 201

BGE 83 IV 200 S. 201

A.- Am 14. Februar 1957 fuhren die Eheleute Hans und Ruth Meier mit einem Zug der SBB von Zürich nach Uster. Dem mit der Kontrolle der Fahrausweise betrauten Kondukteur wiesen sie zwei Retourbillete vor, die am 4. Februar 1957 gelöst worden waren und während zehn Tagen, somit bloss bis zum 13. Februar 1957, zur Hin- und Rückfahrt berechtigten. Der Aufforderung des Schaffners, die Geltungsdauer der Fahrausweise gegen Bezahlung eines Zuschlages verlängern zu lassen, gaben sie keine Folge.

B.- Am 6. Juni 1957 sprach der Einzelrichter in Strafsachen des Bezirksgerichtes Uster Hans und Ruth Meier von der Anklage der Übertretung des Art. 6 des Bundesgesetzes betreffend Handhabung der Bahnpolizei (BPG) vom 18. Februar 1878 in Verbindung mit Art. 43 Abs. 1 und 5 des Reglementes über den Transport auf Eisenbahnen und Schiffen (Transportreglement = TR) vom 24. Juni 1949 frei.

C.- Gegen dieses Urteil erhoben die Schweizerischen Bundesbahnen und der Gemeinderat von Uster Nichtigkeitsbeschwerde.

Erwägungen

Aus den Erwägungen:

2. Wer auf Bahnböfen oder in Bahnzügen usw. sich ein Verhalten zuschulden kommen lässt, das durch bundesrätlich genehmigte und veröffentlichte Reglemente verboten ist, soll mit Busse belegt werden, wenn eine Abmahnung seitens eines Bahnangestellten ohne Erfolg geblieben ist, oder auch, wenn zwar eine Abmahnung nach den Umständen nicht erfolgen konnte, der Fehlbare aber nach den Verhältnissen die Unzulässigkeit seiner Handlungsweise kennen musste (Art. 6 BPG).
Art. 37 des bundesrätlichen Transportreglementes vom 24. Juni 1949 bestimmt, dass der Reisende bei Antritt der Fahrt mit einem gültigen Fahrausweis versehen sein muss. Wer keinen gültigen Ausweis vorweisen kann, hat unbeschadet der bahnpolizeilichen oder strafrechtlichen Folgen ausser dem Fahrpreis einen Zuschlag zu bezahlen (Art. 43
BGE 83 IV 200 S. 202
Abs. 1 TR). Zahlt der Reisende nicht sofort, so hat er nach Abs. 5 dieser Bestimmung keinen Anspruch auf Weiterreise.
a) Gegen das Verbot, ohne gültigen Fahrausweis die Bahn zu benützen, vergeht sich nach diesen Bestimmungen der Reisende nicht erst, wenn er, vom Kondukteur erfolglos zur Lösung eines Billets und zur Nachzahlung aufgefordert, die Reise unbefugt fortsetzt, sondern schon mit dem Antritt der Fahrt ohne gültigen Ausweis, sofern er nach den Verhältnissen die Unzulässigkeit seines Verhaltens erkennen musste. Auch verlangt Art. 6 BPG in diesem Falle keine vorgängige Abmahnung eines Bahnangestellten. Es ist daher ohne Belang, ob der Kondukteur die Beschwerdegegner bei der Billetkontrolle aufforderte, entweder zu zahlen oder auszusteigen. Selbst wenn eine Aufforderung zum Verlassen des Zuges nicht ergangen sein sollte, berechtigte das die Beschwerdegegner keinesfalls zur Weiterfahrt, noch konnte eine solche Unterlassung die bereits begangene Übertretung ungeschehen machen (vgl. Art. 49 Abs. 2 lit. a TR; fernerBGE 38 I 176ff.). Diese lag, wie die Beschwerdeführer dem vorinstanzlichen Urteil mit Recht entgegenhalten, nicht in der Zahlungsverweigerung, sondern in der Missachtung des reglementarischen Verbotes, die Bahn ohne gültigen Fahrausweis zur Fahrt zu benutzen.
b) Der Einwand der Beschwerdegegner, sie hätten in guten Treuen angenommen, der Tag, an dem das Billet gelöst werde, sei bei Berechnung der zehntägigen Frist entsprechend der Regel des Art. 77 Abs. 1 OR nicht mitzuzählen, hält nicht stand. Die Geltungsdauer von Fahrausweisen bemisst sich nicht nach den Bestimmungen des OR, sondern nach Art. 39 Abs. 4 TR, wonach der erste Geltungstag einzurechnen ist. Das entspricht herkömmlicher allgemeiner Überzeugung (vgl. OSER/SCHÖNENBERGER, Kommentar N. 3 zu Art. 77 OR). Den Beschwerdegegnern kann daher nicht zugute gehalten werden, sie hätten aus zureichenden Gründen angenommen, die am 4. Februar gelösten Billete berechtigten sie noch am 14. Februar 1957
BGE 83 IV 200 S. 203
zur Fahrt. Selbst wenn sie anfänglich zu einer solchen Annahme begründeten Anlass gehabt hätten, was nach dem Gesagten nicht zutrifft, käme ihnen Rechtsirrtum (Art. 20 StGB) jedenfalls insoweit nicht zugute, als sie ohne gültigen Ausweis weiterfuhren, nachdem sie der Kondukteur auf die Ungültigkeit ihrer Billete aufmerksam gemacht und zu deren Verlängerung sowie zur Bezahlung des Zuschlages aufgefordert hatte.
Strafbar ist zudem nicht nur die vorsätzliche, sondern auch die fahrlässige Übertretung bahnpolizeilicher Vorschriften (BGE 35 I 192).

Inhalt

Ganzes Dokument
Regeste: deutsch französisch italienisch

Sachverhalt

Erwägungen 2

Referenzen

Artikel: Art. 20 StGB, Art. 6 BPG, Art. 77 Abs. 1 OR, Art. 77 OR