Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet. Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
 
Urteilskopf

106 IV 38


12. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 28. Januar 1980 i.S. B. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Graubünden (Nichtigkeitsbeschwerde)

Regeste

Art. 251, 335 Ziff. 2 StGB.
Wer zur Täuschung der Steuerbehörden eine gefälschte Urkunde verwendet, von der er weiss, dass sie auch zu anderen als steuerlichen Zwecken gebraucht werden kann, ist nicht nach dem Fiskalstrafrecht, sondern nach Art. 251 StGB zu beurteilen.

Erwägungen ab Seite 39

BGE 106 IV 38 S. 39
Aus den Erwägungen:

1. In der Nichtigkeitsbeschwerde wird an sich nicht bestritten, dass der Beschwerdeführer mit der Errichtung und Übergabe der zwei fingierten Quittungen alle Tatbestandselemente von Art. 251 StGB erfüllt hat. Diese Bestimmung soll aber nicht anwendbar sein, weil der Beschwerdeführer der Meinung gewesen sei, die Quittungen würden nur zum Zwecke der Steuerhinterziehung verwendet; es komme daher ausschliesslich das Fiskalstrafrecht zur Anwendung.
a) Im kantonalen und eidgenössischen Fiskalstrafrecht gibt es besondere Strafnormen, welche Urkundendelikte zu steuerlichen Zwecken mit einer geringeren Strafe bedrohen (Art. 335 Ziff. 2 StGB, Art. 15/16 VSrR) und nach dem Grundsatz der Spezialität dem Art. 251 StGB vorgehen. Die Tragweite dieses Vorranges des Fiskalstrafrechts gegenüber Art. 251 StGB wurde in der Rechtsprechung nach dem Verwendungszweck der Urkunde abgegrenzt (BGE 92 IV 45). So ist ausschliesslich nach Steuerstrafrecht zu beurteilen, wenn die Urkunde ihrer Natur nach nur für die Steuerbehörden bestimmt ist, wie z.B. der Lohnausweis (BGE 81 IV 166 ff.). Dagegen bleibt Art. 251 StGB anwendbar, wenn die Urkunde nach ihrer Objektiven Beweisbestimmung zugleich andern als steuerrechtlichen Zwecken dient, wie dies z.B. beim Vertrag über einen Grundstückkauf (BGE 84 IV 167) oder der ordentlichen Geschäftsbuchhaltung und ihren Bestandteilen (BGE 101 IV 57, BGE 91 IV 191 f.) der Fall ist. In BGE 103 IV 36 wurde diese Abgrenzungsregel etwas erweitert; Art. 251 StGB findet danach stets Anwendung, wenn eine zur Steuerhinterziehung verwendete gefälschte Urkunde objektiv auch anderen als steuerlichen Zwecken dienen kann. In dem dort zu beurteilenden
BGE 106 IV 38 S. 40
Fall wurde festgehalten, die Bestätigung von Provisionszahlungen sei objektiv nicht ausschliesslich ein Steuerbeleg, sondern könne auch als Quittung dienen und sei als solche nach der Verkehrsübung allgemein zum Beweis geeignet, weshalb Art. 251 StGB anzuwenden sei. Diese Erwägungen treffen auch im vorliegenden Fall zu. Die vom Beschwerdeführer erstellten fingierten Quittungen waren nicht nur als Steuerbelege verwendbar, sondern konnten als allgemein zum Beweis geeignete Schriftstücke die verurkundeten Zahlungen auch zu andern Zwecken belegen.
b) Einzuräumen ist, dass die in BGE 103 IV 39 /40 umschriebene Abgrenzung eine erhebliche Beschränkung des Anwendungsbereiches der milderen Normen des Fiskalstrafrechts zur Folge hat, wenn man für die Bestrafung nach Art. 251 StGB genügen lässt, dass eine zur Steuerhinterziehung verwendete falsche oder unwahre Urkunde objektiv auch zu anderen als steuerlichen Zwecken verwendbar ist. Diese rein objektive Betrachtungsweise reicht aber nicht aus. Vom Standpunkt des Schuldstrafrechts aus ist zudem erforderlich, dass der Täter sich der weitergehenden Beweiseignung des Schriftstücks bewusst war. Die Anwendung des Art. 251 StGB setzt also voraus, dass der Täter ausser der steuerlichen Verwendung zumindest die Möglichkeit eines nicht fiskalischen Gebrauchs des Dokuments erkannte und die Verwirklichung dieser Möglichkeit - auch wenn er sie nicht wollte - nach den Umständen nicht ausschliessen konnte. In den bereits erwähnten Beispielen der Verurkundung eines Grundstückkaufs und der Buchhaltung ist diese Voraussetzung in der Regel ohne weiteres gegeben.
Im vorliegenden Fall begnügte sich die Vorinstanz nicht mit der Feststellung der Objektiven Eignung der beiden Quittungen zu nicht fiskalischer Verwendung. Sie stellt in Würdigung der gesamten Umstände auch fest, der Beschwerdeführer habe um diese anderweitige Verwendungsmöglichkeit der quittierten Rechnungen gewusst und keineswegs ausschliessen können, dass sie möglicherweise auch für andere als steuerliche Zwecke verwendet werden. Aufgrund dieser für den Kassationshof verbindlichen tatsächlichen Feststellungen ist die Verurteilung gemäss Art. 251 StGB begründet.

Inhalt

Ganzes Dokument
Regeste: deutsch französisch italienisch

Erwägungen 1

Referenzen

BGE: 92 IV 45, 81 IV 166, 84 IV 167, 101 IV 57 mehr...

Artikel: Art. 251, 335 Ziff. 2 StGB, Art. 335 Ziff. 2 StGB