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Urteilskopf

106 IV 80


28. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 18. Februar 1980 i.S. G. und K. gegen Generalprokurator des Kantons Bern (Nichtigkeitsbeschwerde)

Regeste

Art. 18 Abs. 3 StGB; Art. 36 Abs. 1 der Verordnung über die Unfallverhütung bei Sprengarbeiten vom 24. Dezember 1954.
Wo besondere Normen ein bestimmtes Verhalten gebieten, bestimmt sich das Mass der dabei zu beachtenden Sorgfalt in erster Linie nach diesen Vorschriften. Das schliesst aber nicht aus, dass, namentlich bei Lückenhaftigkeit des Spezialgesetzes, der Vorwurf der Fahrlässigkeit auch auf allgemeine Rechtsgrundsätze wie etwa den allgemeinen Gefahrensatz gestützt werden kann (E. 4).

Erwägungen ab Seite 81

BGE 106 IV 80 S. 81
Aus den Erwägungen:

4. a) Die Vorinstanz geht in ihrem Urteil davon aus, dass die Einhaltung der Sorgfaltsregeln rechtlich begründet sein müsse, sei es durch Gesetz, Vertrag oder allgemeine Rechtsgrundsätze, namentlich auch die Regel, dass derjenige, welcher einen Gefahrenzustand schaffe, alles Zumutbare tun müsse, damit die Gefahr zu keiner Verletzung fremder Rechtsgüter führe (sog. allgemeiner Gefahrensatz). Entsprechend stützt das Obergericht seinen Entscheid primär auf die Vorschriften der Verordnung des Bundesrates über die Unfallverhütung bei Sprengarbeiten vom 24. 12. 1954 (SR 832.314.11) und subsidiär auf jenen allgemeinen Gefahrensatz ab, weil die genannte Verordnung nicht alle Bereiche regle.
Dem halten die Beschwerdeführer entgegen, der allgemeine Gefahrensatz finde keine Anwendung, wo eine lex specialis nähere Vorschriften für ein bestimmtes Verhalten vorsehe. Würden diese eingehalten oder sei ihre Unterlassung nicht kausal oder lasse eine solche Regel verschiedene Auslegungen zu, so dürfe die strafrechtliche Kausalität, bzw. die Schuld nicht über den generellen Begriff des allgemeinen Gefahrensatzes herbeigeführt werden.
b) Dass dort, wo besondere Vorschriften ein bestimmtes Verhalten gebieten, die Frage, ob der Täter pflichtgemäss oder pflichtwidrig gehandelt habe, primär nach jenen Bestimmungen zu beantworten ist, liegt auf der Hand. Das schliesst aber nicht aus, dass daneben auch der erwähnte allgemeine Rechtsgrundsatz Platz greifen kann; denn nicht jeder Verstoss gegen eine gesetzliche Verhaltensnorm rechtfertigt den Vorwurf der Fahrlässigkeit, wie umgekehrt ein solcher begründet sein kann, auch wenn nicht gegen eine bestimmte Verhaltensregel verstossen wurde (BGE 85 IV 48 für das Gebiet des Strassenverkehrs). Die Vorsicht, zu der ein Täter verpflichtet ist, wird letztlich durch die konkreten Umstände und seine persönlichen Verhältnisse bestimmt (Art. 18 Abs. 3 StGB; nicht veröffentlichtes Urteil i.S. F. vom 7.6.1979 betr. Dienstvorschriften für Strassenbahnpersonal). In diesem Rahmen ist aber neben speziellen Verhaltensregeln auch der allgemeine Gefahrensatz beachtlich, zumal naturgemäss nicht
BGE 106 IV 80 S. 82
alle denkbaren tatsächlichen Gegebenheiten in Vorschriften gefasst werden können. Im vorliegenden Fall verstösst deshalb das Vorgehen des Obergerichtes nicht gegen Bundesrecht.

Inhalt

Ganzes Dokument
Regeste: deutsch französisch italienisch

Erwägungen 4

Referenzen

BGE: 85 IV 48

Artikel: Art. 18 Abs. 3 StGB