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Urteilskopf

140 IV 133


18. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. X. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen, Untersuchungsamt Gossau (Beschwerde in Strafsachen)
1B_406/2013 vom 16. Mai 2014

Regeste

Art. 90 Abs. 2, 3 und 4, Art. 90a Abs. 1 lit. a und b SVG; Art. 263 Abs. 1 lit. d StPO; Sicherungs-Einziehungsbeschlagnahme eines geleasten Motorfahrzeuges ("Via sicura").
Die Einziehungsvoraussetzungen von Art. 90a Abs. 1 lit. a und b SVG sind nicht vom Beschlagnahmerichter im Untersuchungsverfahren abschliessend zu beurteilen. Für eine Beschlagnahme genügt, dass im aktuellen Verfahrensstadium nicht ausgeschlossen scheint, dass der Strafrichter die materiellen Einziehungsvoraussetzungen bejahen könnte. Besteht der Tatverdacht einer qualifiziert groben Verkehrsregelverletzung (im Sinne von Art. 90 Abs. 3 und 4 SVG), sind die Voraussetzungen von Art. 90a Abs. 1 lit. a SVG grundsätzlich erfüllt. Im Beschlagnahmeverfahren kann offenbleiben, ob diese Bestimmung bei qualifiziert groben Verkehrsregelverletzungen auch noch ein kumulatives Erfordernis der "Skrupellosigkeit" verlangt. Unter dem Gesichtspunkt von Art. 90a Abs. 1 lit. b SVG prüft der Beschlagnahmerichter, ob der Lenker mit dem benutzten Motorfahrzeug künftig die Verkehrssicherheit gefährden bzw. ob die Einziehungsbeschlagnahme des Fahrzeuges geeignet sein könnte, den Lenker vor weiteren groben Verkehrswidrigkeiten abzuhalten. Eine Sicherungs-Einziehungsbeschlagnahme ist auch bei Motorfahrzeugen im Eigentum von Dritten grundsätzlich zulässig, wenn das verwendete Fahrzeug weiterhin für den Lenker verfügbar und die Beschlagnahme dazu geeignet ist, weitere grobe Verkehrsregelverletzungen zu verhindern bzw. zumindest zu verzögern oder zu erschweren (E. 3 und 4).

Sachverhalt ab Seite 134

BGE 140 IV 133 S. 134

A. Die Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen, Untersuchungsamt Gossau, führt eine Strafuntersuchung gegen X. wegen des Verdachts der qualifiziert groben Verletzung von Verkehrsregeln (Art. 90 Abs. 3 SVG). Dem Beschuldigten wird vorgeworfen, er habe am 16. Juli 2013 als Lenker eines Motorrades auf der Letzistrasse in Ganterschwil (Höhe Hochfeld, Fahrtrichtung Lütisburg) die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h um mindestens 71 km/h (nach Sicherheitsabzug) überschritten. Mit Verfügung vom 17. Juli 2013 beschlagnahmte die Staatsanwaltschaft das verwendete (geleaste)
BGE 140 IV 133 S. 135
Motorrad als Beweismittel, zur Kostendeckung und im Hinblick auf eine richterliche Einziehung (Art. 90a SVG). Eine vom Beschuldigten dagegen erhobene Beschwerde wies die Anklagekammer des Kantons St. Gallen am 3. Oktober 2013 ab.

B. Gegen den Entscheid der Anklagekammer gelangte der Beschuldigte mit Beschwerde vom 13. November 2013 an das Bundesgericht. Er beantragt im Hauptstandpunkt die Aufhebung des angefochtenen Entscheides bzw. der Beschlagnahme.
(...)
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
(Auszug)

Erwägungen

Aus den Erwägungen:

2. Der Beschwerdeführer macht (in der Hauptsache) geltend, die Voraussetzungen einer strafprozessualen Einziehungsbeschlagnahmung seien nicht erfüllt. Insbesondere sei ihm keine skrupellose Fahrweise vorzuwerfen und erscheine die Beschlagnahme unnötig und unverhältnismässig. Im Eigentum eines Dritten stehende Gegenstände dürften ohnehin nicht eingezogen werden. Er rügt u.a. eine Verletzung von Art. 90 Abs. 3 und Art. 90a Abs. 1 SVG, Art. 263 Abs. 1 lit. d StPO sowie Art. 9, Art. 26 und Art. 29 BV.

3. Strafprozessuale Beschlagnahmen im Hinblick auf eine richterliche Einziehung setzen voraus, dass ein hinreichender, objektiv begründeter konkreter Tatverdacht besteht (Art. 197 Abs. 1 lit. b i.V.m. Art. 263 Abs. 1 lit. d StPO). Die Zwangsmassnahme muss ausserdem vor dem Verhältnismässigkeitsgrundsatz standhalten (Art. 197 Abs. 1 lit. c und d sowie Abs. 2 StPO). Einziehungsbeschlagnahmen sind auch aufzuheben, falls eine strafrechtliche Sicherungs- oder Ausgleichseinziehung des beschlagnahmten Gegenstandes oder Vermögenswertes aus materiellrechtlichen Gründen bereits als offensichtlich unzulässig erscheint (BGE 140 IV 57 E. 4.1.1 S. 61 f.; BGE 139 IV 250 E. 2.3.4 S. 255; BGE 137 IV 145 E. 6.4 S. 151 f.; BGE 124 IV 313 E. 4 S. 316; s. auch BGE 128 I 129 E. 3.1.3 S. 133 f.; BGE 126 I 97 E. 3d/aa S. 107).

3.1 Die im vorliegenden Fall massgebliche Anlasstat erfolgte am 16. Juli 2013. Der angefochtene Entscheid und die (am 17. Juli 2013) erstinstanzlich verfügte Einziehungsbeschlagnahme stützen sich auf die am 1. Januar 2013 im Rahmen des Handlungsprogramms des Bundes für mehr Sicherheit im Strassenverkehr ("Via sicura") in
BGE 140 IV 133 S. 136
Kraft getretenen Bestimmungen über die Sicherungseinziehung von Motorfahrzeugen (Art. 90a Abs. 1 SVG). Die altrechtlichen Bestimmungen von Art. 69 Abs. 1 StGB betreffend Sicherungseinziehung gelangen hier nicht mehr zur Anwendung (vgl. Urteil 1B_113/2013 vom 5. Dezember 2013 E. 3.2).

3.2 Im Rahmen des Handlungsprogrammes "Via sicura" hat der Gesetzgeber die Strafbestimmungen des SVG per 1. Januar 2013 verschärft. Dabei hat er zu den beiden bisherigen Kategorien von Verkehrsregelverletzungen - der als Übertretung strafbaren einfachen (Art. 90 Abs. 1 SVG) und der als Vergehen strafbaren groben Verkehrsregelverletzung (Art. 90 Abs. 2 SVG) - eine dritte Kategorie von als Verbrechen strafbaren, besonders bzw. qualifiziert groben Verkehrsregelverletzungen hinzugefügt (Art. 90 Abs. 3 SVG). Danach wird mit Freiheitsstrafe zwischen einem und vier Jahren bestraft, wer durch vorsätzliche Verletzung elementarer Verkehrsregeln das hohe Risiko eines Unfalls mit Schwerverletzten oder Todesopfern eingeht, namentlich durch besonders krasse Missachtung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit, waghalsiges Überholen oder Teilnahme an einem nicht bewilligten Rennen mit Motorfahrzeugen. In Art. 90 Abs. 4 SVG wird sodann aufgelistet, welche Geschwindigkeitsübertretungen in jedem Fall nach Abs. 3 geahndet werden. Motorfahrzeug im Sinne des SVG ist jedes Fahrzeug mit eigenem Antrieb, durch den es auf dem Erdboden (unabhängig von Schienen) fortbewegt wird (Art. 7 Abs. 1 SVG). Wird, was dem Beschwerdeführer als Motorradlenker vorgeworfen wird, die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h um mindestens 60 km/h überschritten, liegt eine qualifiziert grobe Verkehrsregelverletzung im Sinne von Abs. 3 vor (Art. 90 Abs. 4 lit. c SVG; BGE 139 IV 250 E. 2.3.1 S. 253).

3.3 Nach Art. 90a Abs. 1 SVG kann der Strafrichter die Einziehung eines Motorfahrzeugs anordnen, wenn (lit. a) damit eine grobe Verkehrsregelverletzung in skrupelloser Weise begangen wurde, und (lit. b) der Täter durch die Einziehung von weiteren groben Verkehrsregelverletzungen abgehalten werden kann. In der Botschaft des Bundesrates zum Handlungsprogramm "Via sicura" wird dazu ausgeführt, die Einziehung stelle einen Eingriff in die von Art. 26 BV geschützte Eigentumsgarantie dar und sei nur in Ausnahmefällen verhältnismässig und gerechtfertigt. Ihre Zulässigkeit hänge stark vom Einzelfall ab. Nicht jede grobe Verkehrsregelverletzung solle automatisch zur Sicherungseinziehung des Tatfahrzeugs führen. Von dieser Möglichkeit dürfe nur Gebrauch gemacht werden, wenn die
BGE 140 IV 133 S. 137
Verkehrsregelverletzung in skrupelloser Weise begangen worden sei und die Einziehung geeignet sei, den Täter von weiteren groben Verkehrsregelverletzungen abzuhalten; das urteilende Gericht sei verpflichtet, darüber eine Prognose abzugeben (BBl 2010 8447 ff., 8484 f. Ziff. 1.3.2.23; BGE 139 IV 250 E. 2.3.2 S. 253 f.).

3.4 Mit dem neuen Art. 90a SVG wollte der Gesetzgeber die (nach Art. 69 StGB an sich schon bisher mögliche und in verschiedenen Kantonen auch praktizierte) Sicherungseinziehung und Verwertung von Motorfahrzeugen auf Bundesebene einheitlich regeln. Die Einziehungsvoraussetzungen von Art. 90a Abs. 1 lit. a SVG dürften bei qualifiziert groben Verkehrsdelikten (im Sinne von Art. 90 Abs. 3 und Abs. 4 SVG) in der Regel erfüllt sein. Eine mögliche Einziehung ist aber nicht auf diese Fälle beschränkt, sondern fällt auch bei (nicht qualifiziert) groben Verkehrsregelverletzungen im Sinne von Art. 90 Abs. 2 SVG in Betracht (BGE 139 IV 250 E. 2.3.3 S. 254). Für die kumulativ zu erfüllende Einziehungsvoraussetzung von Art. 90a Abs. 1 lit. b SVG kann an die bisherige Praxis angeknüpft werden: Im Hinblick auf eine Sicherungseinziehung des beschlagnahmten Motorfahrzeuges hat der Beschlagnahmerichter (im Sinne einer Gefährdungsprognose) zu prüfen, ob das Fahrzeug in der Hand des Beschuldigten künftig die Verkehrssicherheit gefährdet bzw. ob die Beschlagnahme geeignet ist, ihn vor weiteren groben Verkehrsregelverletzungen abzuhalten (BGE 139 IV 250 E. 2.3.3 S. 254; BGE 137 IV 249 E. 4.4. S. 255; Urteil 1B_113/2013 vom 5. Dezember 2013 E. 3.3; je mit Hinweisen). Die materiellen Voraussetzungen einer allfälligen Sicherungseinziehung (Art. 90a Abs. 1 lit. a und b SVG) hat der Beschlagnahmerichter noch nicht abschliessend zu beurteilen. Dies bleibt vielmehr dem Straf- und Einziehungsrichter vorbehalten (BGE 139 IV 250 E. 2.3.4 S. 254 f.; Urteil 1B_113/2013 vom 5. Dezember 2013 E. 3.5).

3.5 Eine Sicherungs-Einziehungsbeschlagnahme kann auch bei Motorfahrzeugen im Eigentum von Drittpersonen (Art. 263 Abs. 1 Ingress und lit. d StPO) grundsätzlich zulässig sein, wenn das verwendete Fahrzeug weiterhin für den Lenker verfügbar ist und die Beschlagnahme geeignet erscheint, weitere grobe Verkehrsregelverletzungen zu verhindern bzw. zumindest zu verzögern oder zu erschweren. Nach der Botschaft zum Handlungsprogramm "Via sicura" bleibe es in diesem Rahmen die Aufgabe der Rechtsprechung, im Einzelfall zu prüfen, ob die Voraussetzungen für eine Einziehung bei Drittpersonen (voraussichtlich) gegeben sind (BBl 2010 8485
BGE 140 IV 133 S. 138
Ziff. 1.3.2.23; vgl. auch THOMAS MAURER, in: StGB Kommentar, Andreas Donatsch [Hrsg.], 19. Aufl. 2013, N. 4 zu Art. 90a SVG).

4.

4.1 Die kantonalen Instanzen legen den begründeten Verdacht dar, dass der Beschwerdeführer am 16. Juli 2013 die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h um mindestens 71 km/h (nach Sicherheitsabzug) überschritten hat. In diesem Zusammenhang werden vom Beschwerdeführer keine unhaltbaren Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanz dargetan. Folglich besteht hier der Tatverdacht einer qualifiziert groben Geschwindigkeitsüberschreitung (im Sinne von Art. 90 Abs. 3 und Abs. 4 lit. c i.V.m. Art. 7 Abs. 1 SVG).

4.2 Damit sind die Voraussetzungen von Art. 90a Abs. 1 lit. a SVG grundsätzlich erfüllt (vgl. BGE 139 IV 250 E. 2.3.3 S. 254; zu dieser auch in der Literatur vorherrschend vertretenen Auffassung s. auch WOLFGANG WOHLERS, Besprechung von 1B_257/2013, forumpoenale 2014 S. 30 f.). Wie bereits erörtert, liesse diese Bestimmung (unter dem Gesichtspunkt der objektiven Tatschwere) bereits eine (nicht qualifiziert) grobe Geschwindigkeitsüberschreitung (i.S.von Art. 90 Abs. 2 SVG) als Teilvoraussetzung für eine allfällige Sicherungseinziehung genügen. Allerdings setzt Art. 90a Abs. 1 lit. a SVG für Einziehungen bei groben Verkehrsregelverletzungen ein "skrupelloses" Vorgehen voraus. Es stellt sich die Frage, ob diese kumulative (subjektive) Voraussetzung auch für Einziehungsbeschlagnahmungen wegen qualifiziert groben Widerhandlungen (i.S.von Art. 90 Abs. 3 und 4 SVG) erfüllt sein muss:

4.2.1 Art. 90 Abs. 3 (i.V.m. Abs. 4) SVG geht ausdrücklich und definitionsgemäss davon aus, dass qualifiziert grobe Widerhandlungen "in jedem Fall" eine besonders krasse und vorsätzliche Missachtung elementarer Verkehrsregeln begründen, mit welcher der Lenker das hohe Risiko eines Unfalls mit Schwerverletzten oder Todesopfern eingeht. Ob der Straf- und Einziehungsrichter das untersuchte Verhalten des Beschwerdeführers darüber hinaus auch noch als (in subjektiver Hinsicht) "skrupellos" (im Sinne von Art. 90a Abs. 1 lit. a SVG) einstufen könnte, ist (nach der dargelegten Praxis) nicht vom Beschlagnahmerichter im Untersuchungsverfahren abschliessend zu beurteilen. Es genügt, dass im jetzigen Verfahrensstadium nicht ausgeschlossen scheint, dass der Strafrichter die materiellen Einziehungsvoraussetzungen (von Art. 90a Abs. 1 SVG) bejahen könnte (BGE 139 IV 250 E. 2.3.4 S. 254 f.; Urteil 1B_113/2013 vom
BGE 140 IV 133 S. 139
5. Dezember 2013 E. 3.5). Nach dem Gesagten braucht nicht weiter vertieft zu werden, ob Art. 90a Abs. 1 lit. a SVG bei qualifiziert groben Verkehrsregelverletzungen überhaupt ein kumulatives Erfordernis der "Skrupellosigkeit" verlangt. Der Gesetzeswortlaut setzt jedenfalls (als Teilvoraussetzung für eine Sicherungseinziehung) ausdrücklich nur voraus, dass eine grobe Verkehrsregelverletzung (Art. 90 Abs. 2 SVG) in skrupelloser Weise begangen wurde.

4.2.2 Zwar macht der Beschwerdeführer geltend, in seinem Fall seien (über die qualifiziert grobe Geschwindigkeitsüberschreitung hinaus) keine zusätzlichen erschwerenden Momente erkennbar (Sichtverhältnisse, Verkehrsaufkommen, Strassenzustand, konkrete Gefährdungen von Dritten usw.). Wie oben dargelegt, hat die Vorinstanz jedoch kein Bundesrecht verletzt, indem sie im Lichte von Art. 90a Abs. 1 lit. a SVG (i.V.m. Art. 263 Abs. 1 lit. d StPO) und im jetzigen Verfahrensstadium ein Einziehungs- bzw. Beschlagnahmehindernis verneinte.

4.3 Weiter bestehen ausreichend konkrete Anhaltspunkte im Sinne von Art. 90a Abs. 1 lit. b SVG, dass das beschlagnahmte Motorrad in der Hand des Beschwerdeführers künftig die Verkehrssicherheit gefährden bzw. dass die Einziehungsbeschlagnahme geeignet sein könnte, ihn vor weiteren groben (oder gar qualifiziert groben) Verkehrsregelverletzungen abzuhalten (vgl. BGE 139 IV 250 E. 2.3.4 S. 255):

4.3.1 Die Vorinstanz legt in diesem Zusammenhang Folgendes dar: Das beschlagnahmte Motorrad sei "aufgrund des leistungsstarken, sportlichen Motors besonders geeignet für die Begehung weiterer Geschwindigkeitsüberschreitungen". Insofern sei (im Sinne einer allfälligen Sicherungs-Einziehung) von einem "gefährlichen Gegenstand" auszugehen. Hinzu komme, dass dem Beschwerdeführer als Lenker keine günstige Legalprognose gestellt werden könne. Am 28. Juni 2004 sei er wegen Verletzung von Verkehrsregeln, Vereitelung einer Blutprobe, pflichtwidrigen Verhaltens bei Unfall sowie fahrlässiger Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Wochen (bedingt vollziehbar) verurteilt worden. Wegen dieser Delikte hätten die Administrativbehörden einen Warnungsentzug des Führerausweises von 15 Monaten Dauer gegen ihn verfügt. Am 21. Juli 2010 sei er wegen grober Verletzung der Verkehrsregeln erneut strafrechtlich schuldig gesprochen (und mit einer bedingten Geldstrafe sanktioniert) worden, nachdem er (ausserorts) die zulässige
BGE 140 IV 133 S. 140
Höchstgeschwindigkeit um 39 km/h überschritten hatte. Deswegen sei ihm der Führerausweis ein weiteres mal (für vier Monate) entzogen worden. Ferner liege eine Vorstrafe vom 19. April 2013 gegen ihn vor wegen Betrugsversuchs und Irreführung der Rechtspflege. Offenbar hätten weder die strafrechtlichen Verurteilungen noch die Führerausweisentzüge Eindruck beim Beschwerdeführer hinterlassen. Während der noch laufenden Probezeit (und nur wenige Monate nach seiner letzten strafrechtlichen Verurteilung) sei er am 16. Juli 2013 erneut mit massiv übersetzter Geschwindigkeit (151 km/h anstatt höchstens 80 km/h ausserorts) gefahren. Unerheblich sei dabei, dass er die früheren Straftaten mit einem anderen Motorrad bzw. mit einem Personenwagen verübt habe. Beim aktuellen Verfahrensstand erscheine es hinreichend wahrscheinlich, dass der Beschwerdeführer mit dem beschlagnahmten Motorrad die Sicherheit von Menschen erneut gefährden könnte.

4.3.2 Diese Erwägungen halten vor dem Bundesrecht stand. Daran ändern auch die weiteren Vorbringen des Beschwerdeführers nichts, die Geschwindigkeitsübertretung sei auf eine "kurze Unachtsamkeit" zurückzuführen, und nicht jedes leistungsstarke Motorrad stelle einen gefährlichen Gegenstand dar. Auch aus Art. 90a Abs. 1 lit . b SVG ergibt sich demnach kein Beschlagnahmehindernis.

4.4 Nach dem Gesagten erscheint es im vorliegenden Fall durchaus möglich, dass der Strafrichter die materiellen Einziehungsvoraussetzungen (von Art. 90a Abs. 1 lit. a und b SVG) als erfüllt ansehen könnte. Zu prüfen bleibt noch, ob die verfügte Einziehungsbeschlagnahme verhältnismässig ist (Art. 197 Abs. 1 lit. c und d sowie Abs. 2 i.V.m. Art. 263 Abs. 1 lit. d StPO; BGE 139 IV 250 E. 2.4 S. 255; BGE 137 IV 249 E. 4.5 S. 256 f.). Wie bereits dargelegt, kann eine provisorische Sicherungs-Beschlagnahme auch bei Motorfahrzeugen im Eigentum von Dritten zulässig sein (vgl. Art. 263 Abs. 1 Ingress und lit. d StPO), wenn das verwendete Fahrzeug weiterhin für den Lenker verfügbar ist und die vorläufige prozessuale Zwangsmassnahme geeignet erscheint, weitere grobe Verkehrsregelverletzungen zu verhindern bzw. zumindest zu verzögern oder zu erschweren (vgl. oben, E. 3.5).

4.4.1 Die Vorinstanz erwägt in diesem Zusammenhang Folgendes: Dem Beschwerdeführer sei (nach dem Vorfall vom 16. Juli 2013) der Führerausweis vorsorglich entzogen worden. Er habe (im ausstehenden Administrativverfahren) damit zu rechnen, dass der Ausweis für
BGE 140 IV 133 S. 141
mindestens zwei Jahre entzogen bleibt. Damit dürfe er vorläufig ohnehin kein Motorfahrzeug lenken. Weder der Führerausweisentzug noch der Umstand, dass das Motorrad geleast sei, bildeten im vorliegenden Fall Beschlagnahmehindernisse. Es seien im Untersuchungsverfahren Abklärungen der Staatsanwaltschaft bei der Leasinggeberin hängig, inwiefern diese Gewähr dafür bieten könnte, dass das beschlagnahmte Motorrad nicht erneut in den Besitz des Beschwerdeführers gelangen könnte. Es sei davon auszugehen, dass sich die Staatsanwaltschaft in diesem Zusammenhang der Notwendigkeit einer "beförderlichen Verfahrensführung" bewusst sei. Die vorläufige Zwangsmassnahme erweise sich derzeit als notwendig, um die Gefährdung der Sicherheit von Menschen abzuwehren. Mildere Massnahmen seien nicht zielführend. Dies gelte insbesondere für den Vorschlag des Beschwerdeführers, das Fahrzeug sei an seinen Schwager auszuhändigen. Die vom Beschwerdeführer geltend gemachte "ideelle Beziehung" zu seinem Motorrad ändere daran nichts.

4.4.2 Der Beschwerdeführer legt in diesem Zusammenhang u.a. Folgendes dar: Zwar werde er (nach dem erfolgten vorsorglichen Führerausweisentzug) es nicht riskieren, ohne Ausweis zu fahren. Dennoch stehe ihm die Möglichkeit offen, bei einer anderen Leasinggesellschaft einen Leasingvertrag (für ein ähnliches Motorrad) abzuschliessen. Die Beschlagnahme sei daher sachlich nicht dazu geeignet, künftige Geschwindigkeitsübertretungen zu verhindern. Im Eigentum eines Dritten stehende Gegenstände dürften überdies nicht (bzw. nur unter den Voraussetzungen von Art. 70 Abs. 2 StGB) eingezogen werden.

4.4.3 Der Beschwerdeführer macht selber ausdrücklich geltend, dass er seit März 2011 "faktisch wie ein Eigentümer" über das geleaste Motorrad verfügt habe und dieses auch weiterhin benutzen wolle. Er habe es selber lackiert, und es verbinde ihn eine besondere "ideelle Beziehung" mit dem Fahrzeug. Allein dessen Anblick erfreue ihn. Als Folge der Beschlagnahme sei er psychisch angeschlagen und zu 100 % arbeitsunfähig geworden. Im Falle einer Aufhebung der Zwangsmassnahme bestehe die Möglichkeit, dass der Leasingvertrag "weiter läuft". Gegen die Kündigung des Leasingvertrages werde er sich zur Wehr setzen. Den Leasingzins bezahle er weiterhin. Bei dieser Sachlage hält die Einschätzung der Vorinstanz, es bestehe derzeit die Gefahr, dass das geleaste Motorrad wieder in die Hände des Beschwerdeführers gelangen könnte, und das Fahrzeug sei (schon angesichts seines besonderen Affektionswertes für den
BGE 140 IV 133 S. 142
Beschwerdeführer) auch nicht ohne Weiteres und rasch durch ein anderes substituierbar, vor dem Bundesrecht stand (vgl. BGE 137 IV 249 E. 4.5.2 S. 257). Die Aufrechterhaltung der vorläufigen Beschlagnahme erscheint im jetzigen Verfahrensstadium sachlich geeignet, weitere grobe (oder gar qualifiziert grobe) Verkehrsregelverletzungen durch den Beschwerdeführer zumindest zu verzögern oder zu erschweren. Die Voraussetzungen einer Beschlagnahme im Hinblick auf eine Ausgleichseinziehung von Vermögenswerten (Art. 70 Abs. 2 StGB; vgl. Urteil 1B_300/2013 vom 14. April 2014 E. 5.2) sind hier nicht zu prüfen.

4.5 Die verfügte Beschlagnahme im Hinblick auf eine mögliche richterliche Sicherungseinziehung (Art. 263 Abs. 1 lit. d StPO i.V.m. Art. 90a Abs. 1 SVG) erweist sich als bundesrechtskonform. Es braucht nicht geprüft zu werden, ob neben der Einziehungsbeschlagnahme zusätzlich auch noch die Voraussetzungen einer Kostendeckungs- (Art. 263 Abs. 1 lit. b i.V.m. Art. 268 StPO) und/oder einer Beweismittelbeschlagnahme (Art. 263 Abs. 1 lit. a StPO) erfüllt wären.

4.6 Die weiteren Vorbringen des Beschwerdeführers haben im genannten Zusammenhang keine über das bereits Dargelege hinausgehende selbstständige Bedeutung, soweit überhaupt zulässige Rügen ausreichend substanziiert werden (Art. 42 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Art. 95, Art. 97 Abs. 1 und Art. 106 Abs. 2 BGG). Nicht eingetreten werden kann insbesondere auf die Rüge, die Vorinstanz habe im Untersuchungs- und Beschwerdeverfahren Art. 389 Abs. 2 lit. b StPO "krass verletzt". Der Beschwerdeführer legt nicht dar, inwiefern diese Bestimmung (welche sich auf Ergänzungen von Beweiserhebungen des erstinstanzlichen Strafgerichtes im Haupt- und anschliessenden Rechtsmittelverfahren bezieht) hier anwendbar und verletzt sein sollte. Auch eine Verletzung der richterlichen Begründungspflicht ist nicht ersichtlich. Insbesondere musste sich die Anklagekammer nicht mit den (offensichtlich unzutreffenden) Einwänden ausdrücklich auseinandersetzen, die Staatsanwaltschaft und die Vorinstanz seien nicht zuständig gewesen, über die streitige Einziehungsbeschlagnahme zu entscheiden, und es seien die Einziehungsvoraussetzungen von Art. 70 Abs. 2 StGB zu prüfen.

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Erwägungen 2 3 4

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Artikel: Art. 90a Abs. 1 lit. a SVG, Art. 263 Abs. 1 lit. d StPO, Art. 90a Abs. 1 lit. a und b SVG, Art. 90a Abs. 1 lit. b SVG mehr...

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