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Urteilskopf

104 Ia 65


15. Auszug aus dem Urteil vom 22. März 1978 i.S. J. Rizzi AG gegen Gemeinde Cazis und Regierung des Kantons Graubünden

Regeste

Art. 4 BV; kommunale Zonenplanung, Gehörsanspruch des Grundeigentümers.
Beim Erlass eines kommunalen Zonenplanes sind die betroffenen Grundeigentümer in geeigneter Form individuell anzuhören, bevor über die Zoneneinteilung ihrer Grundstücke definitiv entschieden wird. Dieser Gehörsanspruch besteht auch dann, wenn der neue Zonenplan die Nutzungsmöglichkeiten des Grundstückes gegenüber der bisher geltenden Zonenordnung nicht einschränkt.
Will die Kantonsregierung die im kommunalen Planfestsetzungsverfahren beschlossene Zoneneinteilung nicht genehmigen, so muss sie, bevor sie eine Änderung des Planes anordnet, die hievon betroffenen Grundeigentümer anhören. Eine nochmalige Anhörung ist nicht erforderlich, wenn die Betroffenen ihre Einwände gegen die von der Kantonsregierung beabsichtigte Zoneneinteilung schon im kommunalen Verfahren vorgebracht haben.

Sachverhalt ab Seite 66

BGE 104 Ia 65 S. 66
Nach dem bisherigen Zonenplan der Gemeinde Cazis aus dem Jahre 1963 lag das Grundstück Nr. 791 der Bauunternehmung J. Rizzi AG in einer bauverbotsbelasteten Grünzone. Am 21. Mai 1976 stimmte die Gemeindeversammlung von Cazis einem neuen Baugesetz und einem neuen Zonenplan zu, der das erwähnte Grundstück einer Industriezone zuweist. Die Regierung des Kantons Graubünden verweigerte indessen diesem Zonenplan, soweit er das Grundstück Nr. 791 zur Industriezone erklärt, aus Gründen des Natur- und Heimatschutzes (unmittelbare Nähe einer als Kulturdenkmal geschützten Kapelle) die nach dem kantonalen Recht erforderliche Genehmigung, was darauf hinaus läuft, dass das Areal dem übrigen Gemeindegebiet zugewiesen wird. Die J. Rizzi AG führt gegen den Entscheid der Regierung staatsrechtliche Beschwerde.

Erwägungen

Aus den Erwägungen:

2. Die Beschwerdeführerin macht, wenn auch eher beiläufig, eine Verletzung des rechtlichen Gehörs geltend. Sie führt aus, sie habe sich darauf verlassen dürfen, dass ihre Parzelle in der Industriezone belassen werde. Die Regierung habe in der Folge diese Parzelle "ausgeklammert", ohne mit der Beschwerdeführerin Rücksprache zu nehmen. Sie habe daher keine Möglichkeit zur Stellungnahme gehabt.
a) Dass die Regierung irgendwelche kantonalen Verfahrensvorschriften verletzt habe, wird in der Beschwerde nicht behauptet.
BGE 104 Ia 65 S. 67
Es kann sich nur fragen, ob das beanstandete Vorgehen mit dem unmittelbar aus Art. 4 BV folgenden minimalen bundesrechtlichen Gehörsanspruch vereinbar ist (BGE 101 Ia 310 E. 1a).
b) Der Einzelne hat im Verwaltungsverfahren unter gewissen Voraussetzungen aufgrund von Art. 4 BV Anspruch darauf, dass er vor Erlass einer in seine Rechtsstellung eingreifenden Verfügung angehört wird (BGE 99 Ia 24 f., BGE 98 Ia 8 mit Hinweisen). Im Gesetzgebungsverfahren, d.h. beim Erlass generell-abstrakter Normen, besteht jedoch seitens des Bürgers kein Gehörsanspruch (BGE 100 Ia 391). Der Erlass von Plänen vereinigt Merkmale beider Verfahrensarten auf sich. Das Bundesgericht nahm an, dass bei der Festsetzung eines städtischen Bebauungsplanes die betroffenen Grundeigentümer individuell anzuhören seien (Urteil vom 11. September 1963, publ. in ZBl 65/1964 S. 216 ff E. 3 c; zustimmend: IMBODEN/RHINOW, Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung, 5.A. Bd. I, Nr. 81 B I/a/1 und Nr. 11 B II/a; vgl. ferner BGE 96 I 237). Ob dies auch gilt, wenn es sich um einen eine ganze Region umfassenden Landschaftsschutzplan handelt, wurde in BGE 90 I 338 f. offen gelassen.
Im vorliegenden Fall steht nicht eine derartige grossräumige Planungsmassnahme in Frage. Nach der erwähnten Rechtsprechung ist davon auszugehen, dass die vom neuen kommunalen Zonenplan betroffenen Grundeigentümer in geeigneter Form zu Wort kommen müssen, bevor über die Einteilung ihrer Grundstücke definitiv entschieden wird. Ein derartiger Gehörsanspruch ergibt sich hier grundsätzlich auch aus dem kantonalen Verfahrensrecht: Nach Art. 37 Abs. 1 des Bünder Raumplanungsgesetzes vom 20. Mai 1973 muss die Gemeindebehörde vor der Abstimmung über einen Zonenplan den "Interessierten" Gelegenheit geben, "Wünsche und Anträge" einzureichen.
Die Beschwerdeführerin hatte im kommunalen Planfestsetzungsverfahren keinen Anlass, sich zu äussern, da sie mit dem Planentwurf der Gemeindebehörde, der ihr Grundstück der Industriezone zuwies, offenbar einverstanden war. Erst im Verfahren vor der Regierung ergab sich für den Fall, dass der von der Gemeinde beschlossene Zonenplan im fraglichen Punkt nicht genehmigt werden sollte, das Bedürfnis nach einer Äusserungsmöglichkeit. Man könnte sich allerdings fragen, ob der
BGE 104 Ia 65 S. 68
durch die Nichtgenehmigung des Zonenplanes betroffene Grundeigentümer auch dann angehört zu werden braucht, wenn dieser Eingriff der Genehmigungsbehörde - wie hier - die Nutzungsmöglichkeit des Grundstückes gegenüber der früher geltenden Zonenordnung nicht einschränkt, sondern nur eine im Rahmen der Zonenplanrevision seitens der Gemeinde beabsichtigte Verbesserung der Nutzungsmöglichkeiten verhindert. Das Bundesgericht hat jedoch in BGE 99 Ia 714 E. 4 festgestellt, dass ein Grundeigentümer zur Anfechtung eines Zonenplanes selbst dann befugt ist, wenn sich für seine Grundstücke gegenüber der bisherigen Ordnung materiell keine Änderung ergibt; er kann rügen, dass die bisherige Zoneneinteilung seines Areals nicht mehr den gegenwärtigen Verhältnissen entspreche. Im gleichen Sinne besteht auch ein Anspruch auf rechtliches Gehör. Will die Kantonsregierung die im Rahmen einer allgemeinen Zonenplanrevision beschlossene Einzonung eines bestimmten Grundstückes nicht genehmigen und dieses wieder dem übrigen Gemeindegebiet zuweisen, so muss sie, bevor sie den aus dem kommunalen Verfahren hervorgegangenen neuen Zonenplan entsprechend modifiziert, den betroffenen Grundeigentümer anhören. Sie darf hievon nur dann absehen, wenn die Gemeinde das fragliche Grundstücke erst auf Einsprache oder auf Antrag des Grundeigentümers hin eingezont hat und aus den vorhandenen Akten ersichtlich ist, welche Einwände der Betroffene erhebt (Urteil des Bundesgerichtes vom 8. Februar 1978 i.S. Pedrun gegen Regierung des Kantons Graubünden, E. 2).
c) Dass dieser letztere Fall hier zutreffe, wird in der Vernehmlassung der Regierung nicht behauptet. Auch die Regierung geht davon aus, dass die Beschwerdeführerin Anspruch darauf hatte, sich im Genehmigungsverfahren zur "Rückgängigmachung" der Einzonung ihres Grundstückes noch äussern zu können. Sie führt in ihrer Vernehmlassung aus, der Gemeindepräsident habe im Auftrage des zuständigen Departementssekretärs die Firma J. Rizzi AG darüber orientiert, dass die Regierung in Erwägung ziehe, die Einzonung der Parzelle Nr. 791 in die Industriezone nicht zu genehmigen. Josef Rizzi-Buchli habe als Vertreter der Beschwerdeführerin dem Gemeindepräsidenten erklärt, dass hiegegen keine Einwendungen erhoben würden und zur Zeit auch nicht die Absicht bestehe, auf der Parzelle Nr. 791 Hochbauten zu erstellen. Die Gemeinde
BGE 104 Ia 65 S. 69
Cazis bestätigt in ihrer Vernehmlassung, dass sie die Firma J. Rizzi AG im Auftrag des Departementes des Innern und der Volkswirtschaft auf die mögliche Nichtgenehmigung der Einzonung ihres Grundstücks aufmerksam gemacht habe. Es darf unter diesen Umständen als erstellt angesehen werden, dass die Beschwerdeführerin Gelegenheit erhalten hatte, ihre Einwände gegen die in Aussicht genommene Massnahme anzubringen. Wohl tat sie dies nur in mündlich-formloser Weise, doch hätte es ihr auch freigestanden, ihren Standpunkt in einer schriftlichen Eingabe darzulegen. Der minimale verfassungsrechtliche Gehörsanspruch erscheint auf jeden Fall als gewahrt. Ob der angefochtene Entscheid die erhobenen Einwände richtig und vollständig wiedergibt, ist keine Frage des rechtlichen Gehörs, sondern der materiellen Beurteilung.

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Regeste: deutsch französisch italienisch

Sachverhalt

Erwägungen 2