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Urteilskopf

117 Ib 135


19. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 24. April 1991 i.S. Verkehrsclub der Schweiz gegen L. Bau AG, Gemeinderat Risch und Regierungsrat sowie Verwaltungsgericht des Kantons Zug (Verwaltungsgerichtsbeschwerde)

Regeste

Art. 9 und Art. 55 USG, Art. 34 Abs. 1 und 3 RPG; Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) für ein Parkhaus und ein Einkaufszentrum; Anwendung von kantonalem Baurecht und Bundesumweltschutzrecht.
1. Gegen einen Baubewilligungsentscheid, der wegen Verletzung des Umweltschutzrechts des Bundes beanstandet wird, ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde zulässig. Abgrenzung zur staatsrechtlichen Beschwerde (E. 1b, d). Beschwerdeberechtigung der Umweltschutzorganisationen, wenn die UVP-Pflicht umstritten ist (E. 1c).
2. Das massgebliche Verfahren zur Durchführung einer UVP für ein Parkhaus und ein Einkaufszentrum wird durch das kantonale Recht bestimmt, welches hier das Baubewilligungsverfahren vorsieht (E. 2b).
3. UVP-Pflicht für ein neues Parkhaus: Die Berechnung der Pflichtparkplätze richtet sich ausschliesslich nach kantonalem, im Rahmen der staatsrechtlichen Beschwerde zu prüfendem Recht (E. 3a). Für die Beurteilung der UVP-Pflicht ist auf die konkrete Anzahl der vorgesehenen Parkplätze abzustellen; Problem des Rechtsmissbrauchs (E. 3b).
4. UVP-Pflicht für ein neues Einkaufszentrum: Solange die Verkaufsfläche unter dem in der Verordnung über die UVP festgelegten Schwellenwert bleibt, besteht keine UVP-Pflicht. Falls eine nachträgliche Nutzungsänderung zusammen mit der bisherigen Verkaufsfläche zu einer Überschreitung des Schwellenwerts führt, so löst diese Nutzungsänderung die UVP-Pflicht für die gesamte Verkaufsfläche aus (E. 4).

Sachverhalt ab Seite 136

BGE 117 Ib 135 S. 136
Der Gemeinderat Risch erteilte der L. Bau AG am 9. Mai 1989 die Baubewilligung für einen Büro- und Gewerbebau mit zwei Wohnungen auf dem Grundstück GBP Nr. 1028, Riedstrasse 3 in Rotkreuz. Mit separatem Entscheid vom gleichen Tag wies er eine Einsprache, mitunterzeichnet vom Verkehrsclub der Schweiz (VCS), Sektion Zug, ab. Das in der Industriezone Rotkreuz geplante Gebäude wurde - soweit hier von Interesse - unter folgenden Bedingungen bewilligt:
"6. Parkplätze
Gemäss Bauordnung resp. bisheriger Praxis sind total 288 Parkplätze erforderlich. Entlang der Forren- und Industriestrasse sowie Riedstrasse und auf den Trottoirs dürfen keine Fahrzeuge abgestellt werden.
BGE 117 Ib 135 S. 137
Vorhandene Parkplätze:
Tiefgarage
294
Aussenplätze
5 (Besucher-PP)
---
299 Parkplätze
===
Die Lagerflächen im 3. Untergeschoss dürfen nicht als Parkplätze genutzt
werden.
14. Zweckbestimmung:
Die Nutzung der (BGF-) Flächen ist zur Zeit unbekannt. Der Regierungsratsbeschluss vom 26. Februar 1974 betr. Planung und Bau von Einkaufszentren ist einzuhalten. U.a. sind keine (Lebensmittel-) Grossverteiler zulässig."
Gegen den Einspracheentscheid des Gemeinderats und die von ihm erteilte Baubewilligung erhob der VCS Verwaltungsbeschwerde beim Regierungsrat des Kantons Zug. Dieser trat in seinem Entscheid vom 24. Oktober 1989 auf die Beschwerde nicht ein und hielt fest, den Umweltschutzorganisationen stehe das Beschwerderecht gegen Verfügungen über Anlagen nur zu, sofern diese der Umweltverträglichkeitsprüfung unterlägen. Der Regierungsrat überprüfte die Berechnung der Parkplätze und kam zum Ergebnis, dass 282 Pflichtparkplätze erstellt werden müssten. Er führte in seinem Entscheid aus, mit der Bewilligung von 299 Parkplätzen ergebe sich einerseits, dass die nach der Bauordnung geforderte Anzahl Pflichtparkplätze erstellt werde und andererseits für die Anlage keine Umweltverträglichkeitsprüfung erforderlich sei. Damit sei der VCS nicht zur Beschwerde legitimiert.
Diesen Regierungsratsentscheid zog der VCS mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Verwaltungsgericht des Kantons Zug weiter. Dieses hiess die Beschwerde mit Urteil vom 5. April 1990 im Sinne der Erwägungen teilweise gut. In den Erwägungen wurde "die Nutzung des Büro- und Gewerbebaus als Verkaufsfläche des Detailhandels in den anderen Geschossen als im Erdgeschoss" von einer weiteren Baubewilligung abhängig gemacht. Im übrigen wurde die Beschwerde gegen die Baubewilligung abgewiesen, soweit auf sie einzutreten war. Das Verwaltungsgericht bejahte die Beschwerdelegitimation des VCS gestützt auf Art. 55 i.V.m. Art. 9 USG und hielt fest, das Beschwerderecht erstrecke sich nicht nur auf Verfügungen betreffend ortsfeste Anlagen, wenn von der Behörde die UVP-Pflicht bejaht werde, sondern insbesondere auch auf die Rüge, die UVP-Pflicht sei zu Unrecht verneint worden. Weiter führte es aus, es genüge, um allen Eventualitäten und den Bedenken des Beschwerdeführers Rechnung zu tragen, die Bewilligung zur Nutzung als Verkaufslokalitäten des Detailhandels
BGE 117 Ib 135 S. 138
vorzubehalten. In diesem zusätzlichen Baubewilligungsverfahren über die zulässige Nutzung müsse einerseits die Verkaufsfläche im Büro- und Gewerbebau gesamthaft berücksichtigt werden. Andererseits könne das Erdgeschoss von diesem Vorbehalt ausgenommen werden, da es nicht die Bruttogeschossfläche von 5000 m2 erreiche. Sollte allerdings die Nutzung als Verkaufsfläche für den Detailhandel in anderen Geschossen beantragt werden, so wäre die Verkaufsfläche gesamthaft zu erfassen. Mit einem solchen Vorbehalt werde der relativen Unbestimmtheit der Gebäudenutzung Rechnung getragen.
Gegen dieses Urteil des Verwaltungsgerichts führt der VCS Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht und beantragt die Aufhebung des angefochtenen Entscheids. Zudem verlangt er, die Vorinstanz bzw. die Beschwerdegegner seien anzuweisen, eine Umweltverträglichkeitsprüfung zu veranlassen bzw. durchzuführen.

Erwägungen

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1. Das Bundesgericht prüft von Amtes wegen und mit freier Kognition, ob es auf eine Verwaltungsgerichtsbeschwerde eintreten kann (BGE 116 Ib 162 E. 1, BGE 115 Ib 350 E. 1 mit Hinweis).
a) Der Beschwerdeführer ficht den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Zug mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht an.
Gemäss Art. 97 OG i.V.m. Art. 5 VwVG ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde zulässig gegen Verfügungen, die sich auf öffentliches Recht des Bundes stützen oder hätten stützen sollen, sofern diese von den in Art. 98 OG genannten Vorinstanzen erlassen worden sind und keiner der in Art. 99-102 OG oder in der Spezialgesetzgebung vorgesehenen Ausschlussgründe gegeben ist. Dies gilt auch für Verfügungen, die sowohl auf kantonalem bzw. kommunalem wie auch auf Bundesrecht beruhen, falls und soweit die Verletzung von unmittelbar anwendbarem Bundesrecht in Frage steht (BGE 116 Ib 163, BGE 115 Ib 350 E. 1b, 385 E. 1a, mit weiteren Hinweisen; vgl. auch BGE 116 Ia 266 f.).
Der Beschwerdeführer rügt die Verletzung von Art. 9 des Bundesgesetzes über den Umweltschutz vom 7. Oktober 1983 (Umweltschutzgesetz, USG), von Vorschriften der Verordnung über die Umweltverträglichkeitsprüfung vom 19. Oktober 1988 (UVPV) sowie von Bestimmungen des kantonalen Rechts.
BGE 117 Ib 135 S. 139
b) Die Rügen der Verletzung des Umweltschutzrechts des Bundes sind gemäss Art. 54 USG nach den allgemeinen Rechtsmittelbestimmungen des OG und des VwVG zu beurteilen. Das Verwaltungsgericht des Kantons Zug stellt eine Vorinstanz im Sinne von Art. 98 lit. g OG dar. Sein im vorliegenden Verfahren angefochtenes Urteil ist eine Verfügung im Sinne von Art. 5 VwVG, soweit es sich auf Art. 9 USG sowie auf die Verordnung über die Umweltverträglichkeitsprüfung stützt. Es ist keiner der Ausschlussgründe von Art. 99 ff. OG gegeben. Insbesondere geht es nicht um eine Bau- oder Betriebsbewilligung für technische Anlagen im Sinne von Art. 99 lit. e OG, da diese Bestimmung das technische Funktionieren einer Anlage und nicht deren umweltschutzrechtliche Auswirkungen betrifft (BGE 115 Ib 352, 460; vgl. BGE 100 Ib 223 ff.). An der Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde ändert auch der Umstand nichts, dass der angefochtene Entscheid im Rahmen eines Baubewilligungsverfahrens ergangen ist. Raumplanerische Entscheide sind nach Art. 34 Abs. 3 RPG, zwar unter Vorbehalt von zwei in Art. 34 Abs. 1 RPG genannten Ausnahmen, der verwaltungsgerichtlichen Überprüfung durch das Bundesgericht entzogen. Art. 34 Abs. 3 RPG gilt indessen nur für die richterliche Überprüfung der Anwendung von raumplanerischen kantonal- und bundesrechtlichen Normen selbst, dagegen nicht für andere unmittelbar anwendbare Bundesrechtsbestimmungen (BGE 115 Ib 460 E. 1b mit Hinweis).
Das angefochtene Urteil stützt sich in seiner Hauptbegründung ausschliesslich auf das genannte Umweltschutzrecht des Bundes, und nur in einem Eventualstandpunkt befasst es sich mit kantonalem Recht. Soweit sich der angefochtene Entscheid auf Bundesrecht stützt, ist er mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde anfechtbar. In diesem Verfahren sind auch auf unselbständiges kantonales Ausführungsrecht zum Bundesrecht gestützte Anordnungen zu überprüfen (BGE 116 II 240 E. 1c, BGE 112 Ib 44 E. 1d, BGE 108 Ib 380 f. E. 1a) sowie auf übrigem kantonalem Recht beruhende Anordnungen, die einen hinreichend engen Sachzusammenhang mit der im Rahmen der Verwaltungsgerichtsbeschwerde zu beurteilenden Frage des Bundesverwaltungsrechts aufweisen (BGE 116 Ib 10, 173 f., BGE 111 Ib 202 E. 2). Soweit dem angefochtenen Entscheid hingegen selbständiges kantonales Recht ohne den genannten engen Sachzusammenhang zum Bundesrecht zugrunde liegt, steht ausschliesslich die staatsrechtliche Beschwerde zur Verfügung (BGE 117 Ib 11 E. 2a, b mit Hinweisen; BGE 116 Ib 10, BGE 103 Ib 146 E. 2a,
BGE 117 Ib 135 S. 140
314 E. 2b, BGE 99 Ib 326 E. 1b; WALTER KÄLIN, Das Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde, Bern 1984, S. 269 f.; FRITZ GYGI, Bundesverwaltungsrechtspflege, Bern 1983, S. 92 ff.; PETER SALADIN, Das Verwaltungsverfahrensrecht des Bundes, Basel und Stuttgart 1979, S. 78 ff.; vgl. BGE 116 Ib 180 E. 1c, BGE 115 Ib 461 E. 1d, BGE 114 Ib 217 E. 1d, je mit Hinweisen).
c) Soweit gegen Verfügungen der kantonalen oder Bundesbehörden über die Planung, Errichtung oder Änderung von ortsfesten Anlagen, für die eine Umweltverträglichkeitsprüfung nach Art. 9 USG erforderlich ist, die Verwaltungsbeschwerde beim Bundesrat oder die Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht zulässig ist, steht das Beschwerderecht auch den gesamtschweizerischen Umweltschutzorganisationen zu, sofern sie mindestens zehn Jahre vor Einreichung der Beschwerde gegründet wurden (Art. 55 Abs. 1 USG). Gemäss Art. 55 Abs. 2 USG bezeichnet der Bundesrat die zur Beschwerde berechtigten Organisationen. Diese können auch von den Rechtsmitteln im kantonalen Bereich Gebrauch machen (Art. 55 Abs. 3 USG). Der VCS ist vom Bundesrat in der Verordnung über die Bezeichnung der beschwerdeberechtigten Umweltschutzorganisationen vom 27. Juni 1990 (VBUO, SR 814.016) als beschwerdeberechtigte Umweltschutzorganisation anerkannt worden.
Vor dem Gemeinderat Risch ist der VCS zunächst lediglich durch seine kantonale Sektion Zug als Verfahrenspartei aufgetreten. Das Verwaltungsgericht geht davon aus, die Sektion Zug habe als Vertreterin der gesamtschweizerischen Organisation des VCS gehandelt, auch wenn dies nicht ausdrücklich gesagt worden sei. Diese Betrachtungsweise des Verwaltungsgerichts ist entgegen der Meinung der Gemeinde Risch zutreffend und entspricht der Rechtsprechung des Bundesgerichts zu Art. 55 USG (BGE 116 Ib 429 E. 3d).
Im angefochtenen Urteil wird sodann zutreffend dargelegt, das Beschwerderecht im Sinne von Art. 55 USG erstrecke sich nicht nur auf Verfügungen über ortsfeste Anlagen, in welchen die UVP-Pflicht bejaht, sondern insbesondere auch auf Verfügungen, in welchen eine UVP-Pflicht verneint werde. Nach der Praxis des Bundesgerichts betrifft die Rüge, Art. 9 USG sei zu Unrecht nicht angewendet worden, eine materielle Rechtsfrage. Der VCS ist nach Art. 55 USG legitimiert, diese Rüge zu erheben (BGE 116 Ib 425 E. 2, BGE 115 Ib 339 f. E. 3, BGE 114 Ib 353 f. E. 5a, BGE 112 Ib 306 E. 12e, 441 E. 7e).
BGE 117 Ib 135 S. 141
d) Rügen betreffend die Verletzung selbständigen kantonalen Rechts können mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde nur bei engem Sachzusammenhang mit der in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde zu prüfenden Frage des Bundesverwaltungsrechts vorgebracht werden. Im übrigen steht ausschliesslich die staatsrechtliche Beschwerde zur Verfügung (s. vorne E. 1b). Das gilt insbesondere für die im vorliegenden Fall zur Diskussion stehenden bau- und planungsrechtlichen Rügen (Art. 34 Abs. 1 und 3 RPG; BGE 114 Ib 348). Die Bezeichnung des eingereichten Rechtsmittels als Verwaltungsgerichtsbeschwerde soll dem Beschwerdeführer dabei nicht zum Nachteil gereichen (vgl. BGE 116 Ib 171 f., BGE 115 Ib 352, BGE 114 Ib 349 E. 1 mit Hinweis). Indessen ist zu beachten, dass sich das Beschwerderecht nach Art. 55 USG und Art. 12 NHG nicht auf die staatsrechtliche Beschwerde erstreckt. Die Beschwerdeberechtigung nach Art. 55 USG ist auf die Verwaltungsbeschwerde beim Bundesrat und die Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht beschränkt und gilt somit ebensowenig für die staatsrechtliche Beschwerde wie diejenige, die in Art. 12 NHG vorgesehen ist (BGE 113 Ia 249 E. 2 mit Hinweisen). Trotz fehlender Legitimation in der Sache selbst kann der VCS jedoch mit staatsrechtlicher Beschwerde die Rüge der Verletzung von Verfahrensrechten, welche ihm im kantonalen Verfahren zustehen, erheben, sofern dies auf eine formelle Rechtsverweigerung hinausläuft (BGE 114 Ia 312 f. E. 3c mit Hinweisen; nicht publiziertes Urteil vom 1. Juni 1983 i.S. Ligue suisse pour la protection de la nature, Vallée de Joux, E. 2b). Das wird aber im vorliegenden Fall nicht geltend gemacht. Eine entsprechende Verletzung von Verfahrensvorschriften ist auch nicht ersichtlich. Ein weitergehendes Beschwerderecht steht dem Beschwerdeführer im Bereich der staatsrechtlichen Beschwerde von Bundesrechts wegen nicht zu.
e) Die vorliegende Beschwerde des VCS ist somit lediglich als Verwaltungsgerichtsbeschwerde entgegenzunehmen. Da sämtliche formellen Voraussetzungen dieses Rechtsmittels erfüllt sind, ist darauf einzutreten.

2. Gemäss Art. 9 Abs. 1 USG hat eine Behörde vor ihrem Entscheid über die Planung, Errichtung oder Änderung von Anlagen, welche die Umwelt erheblich belasten können, die Umweltverträglichkeit zu prüfen.
a) Im vorliegenden Fall sind nach Auffassung des Gemeinderats für das Bauvorhaben der Beschwerdegegnerin gemäss Bauordnung bzw. bisheriger Praxis total 288 Parkplätze erforderlich.
BGE 117 Ib 135 S. 142
Der Gemeinderat bewilligte indessen auf Wunsch der Bauherrschaft 299 Parkplätze. Im Baugesuch ist unter der Rubrik "Verkauf" eine Fläche von "ca. 5 200.00 m2" eingetragen. Die Bauherrschaft erklärte jedoch bereits im kantonalen Verfahren, das Gebäude könne, so wie es geplant sei, nicht als Einkaufszentrum genutzt werden.
Das umstrittene Bauvorhaben liegt ausserhalb der Kernzone. Hier darf nach dem Regierungsratsbeschluss betreffend Planung und Bau von Einkaufszentren vom 26. Februar 1974 ein Einkaufszentrum mit einer Netto-Ladenfläche von zusammen 2000 m2 oder mehr nur aufgrund eines Bebauungsplans erstellt werden. Um die Einhaltung dieser Vorschrift sicherzustellen, hat der Gemeinderat Risch unter Ziff. 14 der Bedingungen der Baubewilligung die Einhaltung dieser Bebauungsplanpflicht vorbehalten. U.a. seien keine (Lebensmittel-) Grossverteiler zulässig. Das Verwaltungsgericht hat die Bedingungen der Baubewilligung weiter ergänzt und vorgeschrieben, die Nutzung des Büro- und Gewerbebaus als Verkaufsfläche des Detailhandels in den anderen Geschossen als im Erdgeschoss werde von einer weiteren Baubewilligung abhängig gemacht.
b) Für die Beantwortung der Frage, ob eine Anlage die Umwelt "erheblich belasten könne" (Art. 9 Abs. 1 USG), ist nicht von Bedeutung, ob bereits von anderen Anlagen Einwirkungen ausgehen und wie sich diese in Zukunft entwickeln werden. Die Vorbelastung der Umwelt und die nach dem Bau der neuen Anlage voraussichtlich verbleibende Belastung sind im Rahmen der Umweltverträglichkeitsprüfung selbst abzuklären bzw. abzuschätzen (Art. 9 Abs. 2 lit. a und c USG); sie bilden somit Gegenstand der Prüfung und sind nicht Kriterien für die Prüfungspflicht an sich (BGE 115 Ib 346, 495, BGE 114 Ib 354, 113 Ib 232 f.).
Mit der Regelung in Art. 9 USG wollte der Gesetzgeber kein zusätzliches, selbständiges Verfahren einführen. Die vorgeschriebenen Abklärungen sollen im Rahmen der bereits bestehenden Entscheidungsverfahren erfolgen (Urteil vom 23. Februar 1988 in Umweltrecht in der Praxis (URP) 1988, S. 244 mit Hinweisen, BGE 112 Ib 441 E. 7e). Das geht auch deutlich aus der Verordnung über die Umweltverträglichkeit (UVPV), namentlich aus dessen Anhang hervor. Mit dem Verwaltungsgericht ist davon auszugehen, dass die Frage der UVP-Pflicht im vorliegenden Verfahren aufgrund von Art. 5 Abs. 1 UVPV im Rahmen des Baubewilligungsverfahrens zu prüfen ist.
BGE 117 Ib 135 S. 143
Gestützt auf Art. 9 Abs. 1 USG hat der Bundesrat in der Verordnung über die Umweltverträglichkeitsprüfung die Anlagen bezeichnet, welche der Umweltverträglichkeitsprüfung unterliegen. Gemäss Art. 1 UVPV sind die entsprechenden Anlagen im Anhang dieser Verordnung aufgeführt. Für das vorliegende Verfahren sind die Ziff. 11.4 und 80.5 des Anhangs UVPV von Interesse. Danach unterliegen "Parkhäuser und -plätze für mehr als 300 Motorwagen" (Ziff. 11.4) und "Einkaufszentren mit mehr als 5000 m2 Verkaufsfläche" (Ziff. 80.5) der UVP-Pflicht. In beiden Fällen ist das im Sinne von Art. 5 UVPV "massgebliche Verfahren" durch das kantonale Recht zu bestimmen. Wie erwähnt wurde dafür im vorliegenden Fall von den kantonalen Instanzen zu Recht das Baubewilligungsverfahren gewählt.

3. Das Verwaltungsgericht führt im angefochtenen Entscheid zur Frage der UVP-Pflicht im Hinblick auf Ziff. 11.4 des Anhangs UVPV (Parkhäuser und -plätze für mehr als 300 Motorwagen) aus, entscheidend sei nach Bundesrecht einzig, ob eine Anlage bewilligt worden sei, welche der UVP-Pflicht unterliege. Das Verwaltungsgericht verneinte diese Frage. Auf das Problem der kantonalrechtlichen Parkplatzpflicht und die nach diesem Recht vorzunehmende Parkplatzberechnung sei nicht einzutreten, da der Beschwerdeführer gestützt auf Art. 55 USG nicht legitimiert sei, eine Verletzung des kommunalen und kantonalen Baurechts zu rügen.
Der VCS hält dieser Betrachtungsweise entgegen, durch die Anwendung des kantonalen und kommunalen Baurechts seien Art. 9 USG, Art. 1 UVPV und Ziff. 11.4 des Anhangs UVPV umgangen worden. Das Eidgenössische Umweltschutzrecht sei somit zu Unrecht nicht angewendet worden. Erfolge diese Umgehung aufgrund einer Berechnung der Zahl der Pflichtparkplätze gestützt auf kantonales und kommunales Recht, so komme diesem keine selbständige Bedeutung in dem Sinne zu, dass dagegen nur noch die staatsrechtliche Beschwerde möglich sei.
a) Wie der Beschwerdeführer selbst zutreffend darlegt, handelt es sich bei einem Baubewilligungsentscheid, welcher sich gleichzeitig sowohl auf kantonales und kommunales als auch auf Bundesumweltschutzrecht stützt, um eine sog. gemischte Verfügung (BGE 114 Ib 347 E. 1). Diese kann im Verfahren der Verwaltungsgerichtsbeschwerde nur insoweit überprüft werden, als sie in Anwendung von Bundesumweltschutzrecht oder von kantonalem Recht ergangen ist, welches das Bundesrecht
BGE 117 Ib 135 S. 144
als unselbständiges kantonales Recht ausführt oder mit dem Bundesrecht in einem engen Sachzusammenhang steht (vgl. vorne E. 1b).
Das kantonale und kommunale Recht betreffend die Berechnung von Pflichtparkplätzen stellt nach der Praxis des Bundesgerichts selbständiges kantonales Recht dar, welches in der staatsrechtlichen Beschwerde zu überprüfen ist (vgl. BGE 116 Ia 451, BGE 112 Ia 90 E. 1b, BGE 107 Ia 74 f. E. 2b). Dies ergibt auch aus dem Baugesetz des Kantons Zug vom 18. Mai 1967 (BauG). So sollen nach § 17 Ziff. 9 BauG die kommunalen Bauordnungen entsprechend den Bedürfnissen der betreffenden Gemeinde Vorschriften über die Schaffung von Parkplätzen für Motorfahrzeuge auf privatem Grund bei Neu- und Umbauten sowie über die Höhe von allfälligen Ablösungsbeiträgen enthalten.
b) Das Bundesrecht enthält hingegen keine Vorschriften über die Berechnung von Parkplätzen. Nach der Praxis des Bundesgerichts ist beim Entscheid über die UVP-Pflicht eines Parkhaus-Projekts auf die konkrete Anzahl der vorgesehenen Parkplätze abzustellen (BGE 114 Ib 354, BGE 115 Ib 345 f.).
Der Beschwerdeführer dringt mit seiner Kritik an dieser Betrachtungsweise nicht durch. Insbesondere erscheint die Verneinung der UVP-Pflicht für die bewilligten 299 Parkplätze nicht als rechtsmissbräuchlich. Wie das Eidgenössische Departement des Innern (EDI) zutreffend ausführt, besteht die UVP-Pflicht nur dann, wenn ein Parkhaus oder -platz den in Ziff. 11.4 des Anhangs UVPV genannten Schwellenwert von 300 Motorwagen übersteigt. Ein gewisser Schematismus sei der Methode, die UVP-Pflicht vom Überschreiten bestimmter Schwellenwerte abhängig zu machen, inhärent. Gleichzeitig kämen aber die Schwellenwerte als quantitative Kriterien dem Rechtssicherheitsbedürfnis entgegen. Die Rüge der Verletzung kantonalen und kommunalen Rechts bezüglich der Frage, ob ein Schwellenwert zur Bestimmung der UVP-Pflicht überschritten sei oder nicht, könne nur im Falle von Rechtsmissbrauch zulässig sein. Sonst würden die Schwellenwerte ihrer Funktion, im Interesse der Rechtssicherheit ein eindeutiges und leicht anwendbares Abgrenzungskriterium abzugeben, beraubt. Dieser Argumentation hält das Verwaltungsgericht in seiner Duplik entgegen, die Anwendbarkeit der Umweltverträglichkeitsprüfung sollte auch in der Praxis eine Frage des Bundesrechts bleiben. Es werde daran gezweifelt, dass der Einbezug des kommunalen und kantonalen Rechts im Sinne einer Prüfung des Rechtsmissbrauchs
BGE 117 Ib 135 S. 145
ein sachgerechtes Kriterium zur Auslegung materiellen oder formellen Bundesrechts sei.
Mit dem Verwaltungsgericht ist davon auszugehen, dass es für die Frage der UVP-Pflicht nicht darauf ankommen kann, ob selbständiges kantonales Recht (im vorliegenden Fall Vorschriften über die Berechnung der Pflichtparkplätze) verfassungswidrig (rechtsmissbräuchlich) angewendet worden ist. Das Problem des Rechtsmissbrauchs kann einzig bei der Beurteilung des der Prüfung der UVP-Pflicht zugrundeliegenden Sachverhalts eine Rolle spielen. Wird der Sachverhalt für die Prüfung der Frage, ob die UVP-Pflicht im Sinne von Ziff. 11.4 des Anhangs UVPV gegeben sei, rechtsmissbräuchlich zur Umgehung der UVP-Pflicht verändert, so kann darin eine Verletzung von Bundesumweltschutzrecht liegen. In einem solchen Fall würde nämlich über eine fehlerhafte Sachverhaltsfeststellung die Anwendung von Bundesumweltschutzrecht vereitelt. Im vorliegenden Fall kann davon aber keine Rede sein. Die privaten Beschwerdegegner wollen keine UVP-pflichtige Parkierungsanlage im Sinne von Ziff. 11.4 des Anhangs UVPV errichten, was ihnen von Bundesrechts wegen nicht verwehrt werden kann. Ob die Zahl der vorgesehenen Parkplätze im Lichte des selbständigen kantonalen Rechts betreffend die Berechnung der Pflichtparkplätze genüge, ist im vorliegenden Verfahren, wie erwähnt, nicht zu prüfen.
c) Die privaten Beschwerdegegner können somit durch die gewählte Ausgestaltung ihres Projekts eine Umweltverträglichkeitsprüfung ausschliessen. Dies bringt ihnen indessen nicht nur Vorteile. Falls sie in einem späteren Zeitpunkt die Zahl der Parkplätze erhöhen wollen, wird dieses Vorhaben der UVP unterliegen (Art. 2 Abs. 2 UVPV). Schon das Gesuch um die Bewilligung von zwei weiteren Parkplätzen löst die UVP-Pflicht aus. Wird später ein solches Gesuch gestellt, und ergibt sich aufgrund der UVP, dass die weitere Aufstockung der Parkplatzzahl nicht umweltverträglich und umweltschutzrechtlich unzulässig ist, können keine weiteren Parkplätze mehr erstellt werden. Spekuliert ein Bauherr darauf, die UVP-Pflicht durch etappenweises Vorgehen zu umgehen, so geht er bewusst das Risiko ein, dass er nach Erstellung einer ersten Etappe mitunter weitere Etappen nicht verwirklichen kann. Versteht man Art. 2 UVPV im vorstehend umschriebenen Sinn, was in Fällen der vorliegenden Art notwendig ist, so besteht die Gefahr des Rechtsmissbrauchs in der Regel nicht. Dafür, dass im vorliegenden Fall eine Ausnahme von dieser
BGE 117 Ib 135 S. 146
Regel anzunehmen sei, bestehen keine hinreichenden Anhaltspunkte.

4. Gemäss Ziff. 80.5 des Anhangs UVPV sind Einkaufszentren mit mehr als 5000 m2 Verkaufsfläche UVP-pflichtig. Im vorliegenden Fall wurden durch die Modifikation der Baubewilligung der Gemeinde Risch durch das Verwaltungsgericht lediglich 3900 m2 Bruttogeschossfläche für Detailhandelsgeschäfte bewilligt, nämlich das gesamte Erdgeschoss, welches sich mit einer lichten Raumhöhe von 4,5 m als Verkaufsfläche eignet. Bei dieser Ausgestaltung der Baubewilligung durch das Verwaltungsgericht liegt kein Anwendungsfall von Ziff. 80.5 des Anhangs UVPV vor, so dass im angefochtenen Urteil die UVP-Pflicht auch unter diesem Gesichtspunkt zu Recht verneint worden ist.
In den Erwägungen des angefochtenen Entscheids wird festgehalten, dass bei einem späteren Baubewilligungsverfahren betreffend "Nutzung als Verkaufsfläche für den Detailhandel in anderen Geschossen als dem Erdgeschoss" die Verkaufsfläche gesamthaft zu erfassen sei. Damit ist auch nach Auffassung des EDI sichergestellt, dass die Fläche des Erdgeschosses dannzumal voll zu berücksichtigen wäre. Eine solche gesamthafte Würdigung werde - so das EDI weiter - auch dann stattfinden müssen, wenn die einzelnen Teilanlagen verschiedenen Eigentümern gehörten. Wenn dem nicht so wäre, wären die Befürchtungen des Beschwerdeführers, dass durch die Unbestimmtheit der Nutzung im Zeitpunkt der Baubewilligungserteilung letztlich die Bestimmungen über die Umweltverträglichkeitsprüfung umgangen werden könnten, gerechtfertigt.
Diese Ausführungen sind zutreffend. Immerhin ist zu beachten, dass in der Baubewilligung die zulässige Nutzung nicht völlig offengelassen wurde. Vielmehr ist für die Parzelle GBP Nr. 1028, welche in der Industriezone liegt, ein Büro- und Gewerbebau mit zwei Wohnungen bewilligt worden. Die Nutzung des bewilligten Projekts ist somit insoweit, als dies für die Beurteilung der Zonenkonformität nach kantonalem Recht notwendig ist, bestimmt. Sie ist ferner bestimmt, soweit dies im Hinblick auf die Ziff. 11.4 und 80.5 des Anhangs UVPV bundesrechtlich notwendig ist. Eine weiter detaillierte Nutzungsbestimmung ist derzeit von Bundesrechts wegen nicht erforderlich. Werden in Zukunft für die bewilligte Bruttogeschossfläche weitere Nutzungen ins Auge gefasst, die, zusammen mit den bereits festgelegten Nutzungen, bundesrechtlich von Bedeutung werden können, so muss die Frage der
BGE 117 Ib 135 S. 147
UVP-Pflicht in einer gesamthaften Beurteilung im Rahmen eines zusätzlichen Baubewilligungsverfahrens erneut geprüft werden. Für Fälle wie den vorliegenden könnte sich der Wortlaut von Art. 2 UVPV als zu eng erweisen. Von der Bauherrschaft im gegenwärtigen Zeitpunkt einen höheren Detaillierungsgrad in bezug auf die Nutzung des Projekts zu verlangen, brächte für sie indessen zu grosse Einschränkungen. Wie bei der Parkplatzfrage ergeben sich aus der fehlenden UVP für die private Beschwerdegegnerin im Hinblick auf die künftige Nutzung ihres Gebäudes andererseits erhebliche Risiken und Einschränkungen. Soll die Nutzung des Gebäudes in einem späteren Zeitpunkt in einer unter dem Gesichtspunkt von Ziff. 80.5 des Anhangs UVPV relevanten Weise verändert werden, so muss dannzumal unter Einbezug der heute bewilligten 3900 m2 Bruttogeschossfläche für Detailhandelsgeschäfte die Frage der UVP-Pflicht erneut beurteilt werden. Die privaten Beschwerdegegner gehen demnach heute das Risiko ein, dass ihnen in Zukunft eine gewünschte Nutzung oder Nutzungsänderung aus umweltschutzrechtlichen Gründen untersagt werden könnte.
Nach diesen Ausführungen ist das angefochtene Urteil auch unter dem Gesichtspunkt von Ziff. 80.5 des Anhangs UVPV nicht zu beanstanden.
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit auf sie eingetreten werden kann.

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