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Urteilskopf

119 Ib 311


34. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 11. Oktober 1993 i.S. X. gegen Kantonales Steueramt Zürich und Bundessteuer-Rekurskommission des Kantons Zürich (Verwaltungsgerichtsbeschwerde)

Regeste

Art. 129 Abs. 1 BdBSt; Art. 4 BV; Art. 6 EMRK; Hinterziehung der direkten Bundessteuer: Anwendbarkeit der EMRK; Grundsatz ne bis in idem; Verjährung der Strafverfolgung; angemessene Verfahrensdauer; öffentliche Verhandlung; persönliche Anhörung.
1. Das Verfahren wegen Hinterziehung der direkten Bundessteuer (Art. 129 Abs. 1 BdBSt) fällt unter Art. 6 EMRK (E. 2).
2. Grundsatz ne bis in idem:
- wenn bereits ein Verfahren wegen Steuerbetrug (Art. 130bis BdBSt) durchgeführt (und eingestellt) worden ist (E. 3b und c);
- wenn der Steuerpflichtige bereits wegen Hinterziehung der kantonalen Steuern bestraft worden ist (E. 3d).
3. Enthält Art. 134 BdBSt hinsichtlich der Verjährung der Strafverfolgung für Hinterziehung eine Lücke (E. 4a)? Grundsätze, die beim Fehlen einer ausdrücklichen Regelung heranzuziehen sind (E. 4b, c).
4. Angemessene Verfahrensdauer:
- Beginn der Frist (E. 5a).
- Angemessene Dauer (E. 5b-d).
5. Öffentliche Verhandlung im Verfahren vor der Rekurskommission. Verzicht des Steuerpflichtigen auf öffentliche Verhandlung? (E. 6b-e).
6. Persönliche (mündliche) Anhörung:
- im Verfahren vor der Rekurskommission (E. 7b);
- nicht im Verfahren vor der Verwaltungsbehörde, die erstinstanzlich Steuerbussen auszufällen hat (E. 7c).

Sachverhalt ab Seite 313

BGE 119 Ib 311 S. 313
X. war zusammen mit seinem Bruder Teilhaber an der Kommanditgesellschaft X. & Co. Er wurde am 11. Juni 1982 für die direkte Bundessteuer 1981/82 entsprechend seiner Steuererklärung eingeschätzt.
Am 14./15. Januar 1986 wurden die Geschäftsbücher der Kommanditgesellschaft einer steueramtlichen Revision unterzogen. Dabei ergab sich, dass die Mietzinse für die vom Steuerpflichtigen bewohnte Wohnung den Erfolgsrechnungen 1975-1981 belastet worden waren.
Am 7. März 1986 leitete deshalb die Kantonale Steuerverwaltung Zürich gegen den Steuerpflichtigen ein Nachsteuerverfahren betreffend die kantonalen Steuern ein, und am 11. Dezember 1987 eröffnete auch die Abteilung Direkte Bundessteuer des Kantonalen Steueramtes Zürich für die direkte Bundessteuer 1981/82 ein Verfahren wegen Steuerhinterziehung (Art. 129 Abs. 1, 132 des Bundesratsbeschlusses über die Erhebung einer direkten Bundessteuer vom 9. Dezember 1940; BdBSt; SR 642.11). Am 25. April 1988 gab die Abteilung Direkte Bundessteuer dem Steuerpflichtigen Gelegenheit, um sich zum Vorwurf zu äussern, dass er in der Bemessungsperiode Mietzinse im Betrag von durchschnittlich Fr. 22'021.-- der Gesellschaft belastet und auf diese Weise Fr. 5'808.-- an direkten Bundessteuern hinterzogen habe. Mit Verfügung vom 6. Juli 1988 auferlegte sie ihm wegen Hinterziehung der direkten Bundessteuer 1981/82 eine Nachsteuer in der erwähnten Höhe und eine Busse von Fr. 8'712.--.
Der Steuerpflichtige führte Beschwerde bei der Bundessteuer-Rekurskommission des Kantons Zürich. Mit Entscheid vom 11. März 1992 bestätigte die Beschwerdeinstanz den Nachsteuerbetrag, doch setzte sie die Busse auf Fr. 4'000.-- herab.
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt der Steuerpflichtige, der Entscheid der Bundessteuer-Rekurskommission und die Nachsteuer- und Bussenverfügung der Abteilung Direkte Bundessteuer des Kantonalen Steueramtes Zürich seien aufzuheben; eventuell sei die Sache an die kantonalen Behörden zurückzuweisen oder es sei von einer Strafe Umgang zu nehmen.
Die kantonalen Instanzen und die Eidg. Steuerverwaltung beantragen Abweisung der Beschwerde (soweit auf die Beschwerde einzutreten sei).
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut und weist die Sache zu neuem Entscheid an die Bundessteuer-Rekurskommission zurück.
BGE 119 Ib 311 S. 314

Erwägungen

Aus den Erwägungen:

2. Der Beschwerdeführer beruft sich in verschiedener Hinsicht auf die Verfahrensgarantien des Art. 6 EMRK. Diese Garantien sind nur wirksam, soweit ein Gericht "über zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen oder über die Stichhaltigkeit der (...) erhobenen strafrechtlichen Anklage zu entscheiden hat" (Art. 6 Ziff. 1 EMRK). Ob Art. 6 EMRK auf Steuerhinterziehungsverfahren wie das vorliegende Anwendung findet, ist im folgenden zu prüfen.
a) Das Bundesgericht hat sich bis heute nicht klar zur Anwendbarkeit des Art. 6 EMRK auf Steuerhinterziehungsverfahren ausgesprochen. Die Rechtsprechung der kantonalen Gerichte (vgl. dazu die Nachweise bei KÄLIN/SIDLER, Verschuldensgrundsatz und Öffentlichkeitsprinzip: Die Strafsteuer im Lichte von Verfassung und EMRK, ASA 60 S. 169 ff.) ist in dieser Frage ebenfalls nicht einheitlich.
Das Bundesgericht hat zwar mehrmals festgestellt, die Hinterziehungsbusse sei eine echte Strafe, weshalb bei der Beurteilung der Schuld oder Nichtschuld oder bei der Bemessung der Busse strafrechtliche Grundsätze zu beachten seien (BGE 114 Ib 30 ff.; Urteil vom 7. Dezember 1984, StE 1985, B 101.21, Nr. 2 E. 3a). Es liess jedoch in BGE 114 Ib 32 E. 8b wie auch in einem weiteren Urteil vom 19. Dezember 1990 (ASA 60 S. 662 E. 3b) die Frage offen, ob Art. 6 EMRK auf Steuerstrafverfahren bzw. Hinterziehungsverfahren Anwendung findet. Im Entscheid BGE 116 IV 266 führte das Bundesgericht aus, die Rechtsnatur der Hinterziehungsbusse sei umstritten, doch werde in neuerer Zeit ihr Strafcharakter zunehmend und zu Recht bejaht. Ob es sich beim Hinterziehungsverfahren um eine Strafsache im Sinne von Art. 6 EMRK handelt, musste freilich damals nicht beurteilt werden, weil ein Verfahren wegen Steuerbetrugs und nicht wegen Steuerhinterziehung zur Diskussion stand. Auch in BGE 117 Ib 369 ff. nahm das Bundesgericht zur Anwendbarkeit von Art. 6 EMRK auf das Hinterziehungsverfahren bei der direkten Bundessteuer nicht klar Stellung, obschon es die Steuerbusse als echte Strafe bezeichnete (E. 4d) und prüfte, ob die Haftung der Erben für die vom Erblasser begangene Steuerhinterziehung (Art. 130 Abs. 1 BdBSt) vor der Konvention standhält (E. 5).
Einzig in einem nicht publizierten Entscheid (Urteil vom 5. Juli 1990 i.S. J.) bejahte das Bundesgericht die Anwendbarkeit von Art. 6 EMRK auf ein kantonales Steuerhinterziehungsverfahren und hob den angefochtenen Entscheid wegen Verletzung der Europäischen
BGE 119 Ib 311 S. 315
Menschenrechtskonvention auf. Im Entscheid vom 19. Dezember 1990 (ASA 60 S. 662 E. 3) liess das Bundesgericht die Frage der Anwendbarkeit der Konvention auf solche Verfahren hingegen wieder offen.
b) Die Lehre ist in dieser Frage ebenfalls gespalten. In der Steuerrechtsdoktrin herrscht die Ansicht vor, die Hinterziehungsbusse bzw. die Strafsteuer (nach kantonalem Steuerstrafrecht) sei keine reine Strafe, sondern eine verwaltungsrechtliche Sanktion eigener Art. Begründet wird diese Auffassung vor allem damit, dass der Strafsteuer auch Schadenersatzfunktion zukomme, indem sie u.a. als Ausgleich für Steuerausfälle diene, die durch die für eine beschränkte Zahl von Jahren erhobene Nachsteuer nicht gedeckt würden (OSKAR BOSSHARDT, Die neue zürcherische Einkommens- und Vermögenssteuer, S. 212 f.; ERNST BLUMENSTEIN, Das System des Steuerrechts, 3. Aufl. 1971, S. 331; REIMANN/ZUPPINGER/SCHÄRRER, Kommentar zum Zürcher Steuergesetz, Band IV, N 14 zu den Vorbemerkungen zu §§ 185-193, N. 6 zu § 188; ZUPPINGER/BÖCKLI/LOCHER/REICH, Steuerharmonisierung, S. 285; weitere Literaturhinweise bei FELIX RICHNER, Wandel und Tendenzen im Zürcher Steuerhinterziehungsrecht, ASA 61 S. 559 FN 9, und URS R. BEHNISCH, Das Steuerstrafrecht im Recht der direkten Bundessteuer, S. 16 FN 147; vgl. auch BLUMENSTEIN/LOCHER, System des Steuerrechts, 4. Auflage 1992, S. 292 f., wonach die heute noch vorherrschende Ansicht in der Schweiz dahingehe, dass der Hinterziehungsbusse auch Schadenersatzfunktion zukomme).
In der neueren Lehre wird demgegenüber - vor allem unter straf- und verfassungsrechtlichem Einfluss - zunehmend die Meinung vertreten, bei der wegen Steuerhinterziehung ausgesprochenen Busse oder Strafsteuer handle es sich um eine echte und reine Strafe, auf die Art. 6 EMRK Anwendung finde (ANDREAS DONATSCH, Zum Verhältnis zwischen Steuerhinterziehung und Steuerbetrug nach dem Steuerharmonisierungs- und dem Bundessteuergesetz, ASA 60 S. 294; KÄLIN/SIDLER, a.a.O., ASA 60 S. 171; KÄLIN/SIDLER, Die Anwendbarkeit von Art. 6 EMRK auf kantonale Steuerhinterziehungsverfahren, ASA 57 S. 547; KÄNZIG/BEHNISCH, Die direkte Bundessteuer, 2. Auflage 1992, N. 10, 11 f. zu Art. 129 BdBSt; MARTIN ZWEIFEL, Das rechtliche Gehör im Steuerhinterziehungsverfahren, ASA 60 S. 451, 453; MARTIN ZWEIFEL, Die rechtsstaatliche Ausgestaltung des Steuerhinterziehungsverfahrens vor Verwaltungsbehörden, Steuerrecht im Rechtsstaat, Festschrift für Francis Cagianut, S. 224; vgl. neustens RICHNER, a.a.O., S. 562 f. und 564, mit weiteren Hinweisen
BGE 119 Ib 311 S. 316
in FN 30; gegen die Auffassung von der Schadenersatzfunktion der Steuerstrafe bereits WALTER ROBERT PFUND, Das Steuerstrafrecht, Basel 1954, S. 22 ff., und PETER BÖCKLI, Harmonisierung des Steuerstrafrechts, ASA 51 S. 103, 107).
c) Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte musste bisher nicht entscheiden, ob ein Strafsteuerverfahren den Garantien des Art. 6 EMRK unterliegt. Demgegenüber erklärte die Europäische Kommission für Menschenrechte im Fall von Sydow gegen Schweden die Beschwerde als zulässig und bekundete damit, dass sie die Anwendbarkeit der Konvention auf Hinterziehungsverfahren (hier Strafzuschlag auf der Einkommenssteuer) nicht zum vornherein ausschliesst (Beschwerde Nr. 11464/85, EuGRZ 1988 S. 329). Ebenso bezeichnete die Kommission im Fall Bendenoun gegen Frankreich einen dem Beschwerdeführer wegen Steuerhinterziehung auferlegten Strafzuschlag zur Einkommenssteuer im Lichte der vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte angewandten Kriterien als Strafe im Sinne von Art. 6 EMRK (Beschwerde Nr. 12547/86, Bericht vom 10. Dezember 1992).
d) Bei der Beurteilung der Frage, ob es im vorliegenden Hinterziehungsverfahren um die Stichhaltigkeit einer gegen den Beschwerdeführer erhobenen Anklage im Sinne von Art. 6 Ziff. 1 EMRK geht, sind die vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entwickelten Kriterien heranzuziehen. Danach kommt es zunächst darauf an, ob die Norm über die Zuwiderhandlung nach dem Rechtssystem des betreffenden Staates dem Strafrecht angehört. Diesem Gesichtspunkt kommt allerdings nur eine relative Bedeutung zu. Von grösserer Tragweite ist die Natur der vorgeworfenen Handlung sowie die Art und Schwere der angedrohten Sanktion (Urteil Engel vom 8. Juni 1976, Publications de la Cour européenne des Droits de l'Homme, Série A, Vol. 22, Ziff. 82, deutsche Übersetzung in EuGRZ 1976 S. 232 f.; Urteil Öztürk vom 21. Februar 1984, Série A, Vol. 73, Ziff. 52 = EuGRZ 1985 S. 67; Urteil Campbell und Fell vom 28. Juni 1984, Série A, Vol. 80, Ziff. 71 = EuGRZ 1985 S. 538; Urteil Demicoli vom 27. August 1991, Série A, Vol. 210, Ziff. 32 f. = EuGRZ 1991 S. 476 f.; Urteil Weber vom 22. Mai 1990, Série A, Vol. 177, Ziff. 31 f. = EuGRZ 1990 S. 265 f.; vgl. auch BGE 117 Ia 188).
e) Art. 129 (wie übrigens auch Art. 131 Abs. 2) BdBSt richtet sich gegen die Hinterziehung der direkten Bundessteuer und setzt den Steuerpflichtigen einer Sanktion aus, einer Geldbusse, die präventiv und repressiv wirken soll. Eine solche Sanktion fällt - auch wenn
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sie nicht in einer Freiheitsstrafe besteht - nach der Praxis des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte unter das Strafrecht (Fall Öztürk, a.a.O., Ziff. 53). Die steuerrechtlichen Bestimmungen über die Hinterziehung haben zudem allgemeinen Charakter und richten sich an alle Bürger in ihrer Eigenschaft als Steuerpflichtige. Geschütztes Rechtsgut ist der Fiskalanspruch des Staates. Eine solche Rechtsnorm unterscheidet sich von Strafnormen, welche die Vermögensansprüche Privater schützen, nicht grundsätzlich.
Die strafrechtliche Natur der dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Übertretung ergibt sich auch aus Art und Schwere der angedrohten Sanktion. Die Busse beträgt beim Hinterziehungsversuch bis zu Fr. 20'000.-- (Art. 131 Abs. 2 BdBSt); beim vollendeten Delikt kann sie sich bis auf das Vierfache des entzogenen Steuerbetrages belaufen (Art. 129 Abs. 1 BdBSt). Die Schwere dieser Sanktionen zeigt, dass sie sich für den Betroffenen in gleicher Weise auswirken können wie eine strafrechtliche Verurteilung.
Dass die Widerhandlung von den Verwaltungsbehörden verfolgt und geahndet wird, kann nicht entscheidend sein. Bei der Beurteilung der Frage, ob es sich um eine "strafrechtliche Anklage" im Sinne von Art. 6 EMRK handelt, ist nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte nicht eine formelle, sondern eine materielle Betrachtungsweise zugrunde zu legen. Danach gilt als Anklage jede amtliche, von der zuständigen Behörde ausgehende Bekanntgabe des Vorwurfs, eine Straftat begangen zu haben (vgl. das erwähnte Urteil Öztürk, Ziff. 55, mit Hinweisen). Das gilt nach der Praxis des Gerichtshofes auch bei eigentlichen Verwaltungsstrafverfahren (z.B. Urteil Deweer vom 27. Februar 1980, Série A, Vol. 35, Ziff. 41 ff. = EuGRZ 1980 S. 671 f.). Einen solchen Vorwurf erheben die Steuerbehörden jeweils, wenn sie ein Steuerhinterziehungsverfahren einleiten. Bei der Steuerbusse wegen Steuerhinterziehung im Recht der direkten Bundessteuer handelt es sich demnach um eine Strafe im Sinne von Art. 6 EMRK.
f) Die bisherige Rechtsprechung ist somit dahingehend zu verdeutlichen, dass Art. 6 EMRK auf Verfahren, in denen über eine Hinterziehungsbusse nach Art. 129 BdBSt zu entscheiden ist, Anwendung findet. Die Garantien des Art. 6 EMRK sind im vorliegenden Verfahren deshalb zu beachten. Das muss auch gelten, soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung von Art. 4 des Protokolls Nr. 7 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (SR 0.101.07; im folgenden: Protokoll Nr. 7 zur EMRK), der
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ebenfalls Garantien zugunsten des Beschuldigten im Strafverfahren enthält, geltend macht.

3. Der Beschwerdeführer beruft sich auf den Grundsatz ne bis in idem. Er macht geltend, die Bezirksanwaltschaft Pfäffikon habe bereits wegen Steuerbetrugs gegen ihn ermittelt und das Verfahren eingestellt; überdies sei er wegen Hinterziehung der kantonalen Steuern bestraft worden. Einer Bestrafung wegen Steuerhinterziehung gemäss Art. 129 Abs. 1 BdBSt stehe deshalb das Prinzip ne bis in idem entgegen.
a) Nach ständiger Rechtsprechung folgt das Prinzip ne bis in idem aus dem eidgenössischen Strafrecht. Es hat überdies verfassungsrechtlichen Rang und leitet sich aus Art. 4 BV ab (BGE 118 IV 271 E. 2; BGE 116 IV 264 f.). Das Prinzip ne bis in idem findet neuerdings seine Grundlage auch im Protokoll Nr. 7 zur EMRK, das für die Schweiz am 1. November 1988 in Kraft getreten ist, sowie in dem für die Schweiz seit 18. September 1992 in Kraft stehenden Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte vom 16. Dezember 1966 (UNO-Pakt II; SR 0.103.2; AS 1993 750). Danach darf niemand "wegen einer strafbaren Handlung, wegen der er bereits nach dem Gesetz und dem Strafverfahrensrecht eines Staates rechtskräftig verurteilt oder freigesprochen worden ist, in einem Strafverfahren desselben Staates erneut vor Gericht gestellt oder bestraft werden" (Art. 4 Ziff. 1 Protokoll Nr. 7 zur EMRK; fast gleichlautend Art. 14 Abs. 7 UNO-Pakt II). Einer zweiten Verfolgung der gleichen Tat steht somit prozessual die materielle Rechtskraft entgegen (BGE 118 IV 271; BGE 116 IV 264 f.).
b) Soweit der Beschwerdeführer geltend macht, dem Verfahren wegen Steuerhinterziehung stehe die rechtskräftig abgeschlossene Untersuchung wegen Steuerbetrugs entgegen, ist das aus eidgenössischem Strafrecht hergeleitete Prinzip ne bis in idem nicht verletzt. Der Beschluss über die direkte Bundessteuer sieht ausdrücklich zwei verschiedene Verfahren vor und weist die Verfolgung der Steuerhinterziehung den Steuerbehörden und die Ahndung des Steuerbetruges den strafrichterlichen Behörden zu (Art. 132, 133bis BdBSt). Art. 130bis Abs. 1 zweiter Satzteil BdBSt bestimmt für den Steuerbetrug zudem ausdrücklich: "die Bestrafung wegen Steuerhinterziehung bleibt vorbehalten". Durch diese Regelung wird die Tragweite des bundesrechtlichen Grundsatzes für die direkte Bundessteuer konkretisiert (BGE 116 IV 268). Die Frage, welche Tragweite dem aus eidgenössischem Strafrecht abgeleiteten Prinzip ne bis in idem zukommt, stellt sich deshalb nicht.
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Soweit es um den aus Art. 4 BV hergeleiteten Grundsatz ne bis in idem geht, ist das Bundesgericht gemäss Art. 114bis Abs. 3 BV an die Bundesgesetzgebung, zu welcher auch der Bundesratsbeschluss über die direkte Bundessteuer gehört (BGE 117 Ib 369 E. 1a), gebunden. Es könnte daher nur feststellen, dass die Regelung im Widerspruch zur Verfassung steht. Den angefochtenen Entscheid selbst könnte es jedoch nicht aufheben (BGE 116 IV 268).
Fragen kann sich somit nur, ob allenfalls der Grundsatz, wie er in Art. 4 des Protokolls Nr. 7 zur EMRK und in Art. 14 UNO-Pakt II enthalten ist, verletzt ist.
c) Die Anwendung des Prinzips ne bis in idem setzt voraus, dass sich das Verfahren gegen die gleiche Person richtet. Erforderlich ist ferner, dass die ihr vorgeworfene Tat bzw. strafbare Handlung bereits Gegenstand des ersten Verfahrens gebildet hat. Die bundesgerichtliche Rechtsprechung leitet - in Übereinstimmung mit einem Teil der Lehre - aus dem Grundsatz ne bis in idem überdies ab, dass dem Richter im ersten Verfahren die Möglichkeit zugestanden haben muss, den Sachverhalt unter allen tatbestandsmässigen Punkten zu würdigen (Urteile vom 14. Juni 1990, ASA 59 S. 645, und vom 19. Dezember 1990, ASA 60 S. 669; ROBERT HAUSER, Kurzlehrbuch des Strafprozessrechts, 2. Auflage 1984, S. 243; RICHNER, a.a.O. [vorn E. 2b], S. 600 f., mit weiteren Hinweisen).
Die zuletzt genannte Voraussetzung trifft hier aufgrund der beschränkten Beurteilungskompetenz der verschiedenen Behörden nicht zu. Die Steuerbehörden, welche die Strafe für die Steuerhinterziehung festzusetzen haben, sind sachlich nicht zuständig, über den Steuerbetrug zu befinden, und die strafrichterlichen Behörden, welche den Steuerbetrug verfolgen, sind zur Bestrafung wegen Steuerhinterziehung nicht befugt. Insoweit ist die Beurteilungskompetenz der zuerst entscheidenden Behörde immer beschränkt. Nur beide Behörden zusammen können den Sachverhalt in seiner Gesamtheit und unter allen rechtlichen Gesichtspunkten beurteilen. Aus Art. 4 BV folgt nicht, dass eine einzige Behörde sowohl über die Steuerhinterziehung als auch über den Steuerbetrug zu entscheiden hat (vgl. die erwähnten Urteile in ASA 59 S. 645 und ASA 60 S. 669). Ebensowenig lässt sich aus Art. 4 des Protokolls Nr. 7 zur EMRK oder aus Art. 14 des UNO-Paktes II ableiten, dass über die beiden Tatbestände in einem einzigen Verfahren zu befinden ist.
In BGE 116 IV 267 f. hat der Kassationshof des Bundesgerichts allerdings festgestellt, dass der Steuerbetrugstatbestand des
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Art. 130bis BdBSt wie ein qualifizierter Tatbestand auf dem Grundtatbestand der Hinterziehung aufbaue und beide Strafbestimmungen das gleiche Rechtsgut schützen. Ob daraus abzuleiten ist, der Steuerbetrug konsumiere die Steuerhinterziehung, so dass eine Bestrafung des Steuerbetrugs auch den weniger weit gehenden kriminellen Unwert der Steuerhinterziehung abdeckt und einer Bestrafung der Steuerhinterziehung die Bestrafung wegen Steuerbetrugs entgegensteht (so MARTIN ZWEIFEL, Aktuelle Probleme des Steuerstrafrechts, ZStrR 111/1993 S. 18, 20), braucht hier nicht entschieden zu werden. Es genügt die Feststellung, dass das Verfahren wegen Steuerbetrugs gegen den Beschwerdeführer eingestellt worden ist. Dadurch, dass nicht eine einzige Behörde sowohl über die Steuerhinterziehung als auch über den Steuerbetrug entschieden hat, ist der Grundsatz ne bis in idem nicht verletzt.
d) Zu prüfen bleibt, ob das Prinzip ne bis in idem einer Bestrafung wegen Hinterziehung der direkten Bundessteuer deshalb entgegensteht, weil der Beschwerdeführer bereits wegen Hinterziehung der kantonalen Steuern bestraft worden ist, wie er geltend macht.
Die Frage ist zu verneinen. Für die kantonalen Steuern und für die direkte Bundessteuer ist zwar nur eine Steuererklärung auszufüllen. In Frage stehen jedoch zwei Steuern, zu deren Erhebung verschiedene Gemeinwesen - Bund und Kanton - befugt sind. Es handelt sich um verschiedene Steuerhoheiten, die ihre jeweiligen Steueransprüche je mit einem Steuerstrafrecht zu schützen haben (RICHNER, a.a.O., S. 605 f.). Insofern geht es um den Schutz verschiedener Rechtsgüter und besteht zwischen den bundesrechtlichen Tatbeständen einerseits und den kantonalen Tatbeständen anderseits echte Konkurrenz. Dass dem Bürger kein Anspruch auf eine einmalige Besteuerung und damit auch kein Anspruch auf eine einmalige Bestrafung zusteht, ergibt sich bereits aus der föderalistischen Struktur des Staatswesens, wie es in Art. 3 BV verankert ist. Von einer Doppelbestrafung aufgrund des gleichen Delikts kann aus diesem Grunde nicht die Rede sein.

4. Der Beschwerdeführer macht geltend, die ihm vorgeworfene Hinterziehung der direkten Bundessteuer 1981/82 sei heute verjährt. Nach seiner Ansicht ist, da der Beschluss über die direkte Bundessteuer keine Vorschrift über die Verjährung der Strafverfolgung bei der Steuerhinterziehung enthält, die Lücke nach den allgemeinen Bestimmungen des Schweizerischen Strafgesetzbuches zu schliessen (Art. 333 Abs. 1 StGB).
BGE 119 Ib 311 S. 321
a) Gemäss Art. 134 BdBSt erlischt das Recht, das Hinterziehungsverfahren einzuleiten, fünf Jahre nach Ablauf der in Frage kommenden Veranlagungsperiode. Eine Vorschrift, wonach das einmal eingeleitete Verfahren wegen Hinterziehung der direkten Bundessteuer innert einer bestimmten Frist abzuschliessen wäre, besteht hingegen nicht. Befristet wird ausdrücklich nur die Einleitung des Verfahrens. Die frühere Praxis leitete daraus in Übereinstimmung mit der Doktrin ab, dass für das Hinterziehungsverfahren keine Frist für die absolute Verjährung gelte (Urteil vom 8. Mai 1953, ASA 22 S. 170; I. BLUMENSTEIN, Die allgemeine eidgenössische Wehrsteuer, Bern 1943, S. 292; KÄNZIG, Wehrsteuerkommentar, 1. Aufl. 1962, Bemerkungen zu Art. 134 BdBSt; s. auch das Urteil vom 3. Juli 1980, ASA 54 S. 670 E. 3b).
Ob an dieser Rechtsprechung festgehalten werden kann, erscheint fraglich. Das Institut der Verjährung ist im öffentlichen Recht als allgemeiner Rechtsgrundsatz auch dann anerkannt, wenn eine ausdrückliche Bestimmung darüber fehlt. Das gilt in erster Linie für die Verjährung öffentlichrechtlicher Geldforderungen (BGE 112 Ia 262 E. 5; BGE 101 Ia 21 f. E. 4a), sodann aber auch für die Verjährung von Ansprüchen ohne vermögensrechtlichen Einschlag (BGE 117 IV 241 f.; weitere Hinweise bei RHINOW/KRÄHENMANN, Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung, Ergänzungsband, S. 96). Auch Strafansprüche des Staates müssen irgendeinmal verjähren. Das gilt für das Verwaltungsstrafrecht und das Abgaberecht ebenso. Das Bundesgesetz vom 22. März 1974 über das Verwaltungsstrafrecht (VStrR; SR 313.0) wie auch die neuen Bundesgesetze über die direkte Bundessteuer (DBG; SR 642.11; AS 1991 1184) und über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden (StHG; SR 642.14; AS 1991 1256), beide vom 14. Dezember 1990, setzen Fristen, bei deren Ablauf die Strafverfolgung wegen Hinterziehung der Abgabe relativ und absolut verjährt (Art. 11 Abs. 2 VStrR; Art. 184 DBG; Art. 58 StHG). Dass das Hinterziehungsverfahren, wenn es nach Art. 134 BdBSt einmal eingeleitet worden ist, keiner Verjährung mehr unterliegen soll, wurde denn auch verschiedentlich kritisiert (so bereits von BÖCKLI, a.a.O. [vorn E. 2b], S. 138; ferner KÄNZIG/BEHNISCH, a.a.O., N. 6 zu Art. 134 BdBSt; RICHNER, a.a.O., S. 606/607).
Die Frage, ob der Beschluss über die direkte Bundessteuer in dieser Hinsicht eine Lücke aufweist, wie vereinzelt angenommen wird (KÄNZIG/BEHNISCH, a.a.O., mit Berufung auf MARKUS BINDER, Die Verjährung im schweizerischen Steuerrecht, Diss. Zürich 1985,
BGE 119 Ib 311 S. 322
S. 18 ff./36 ff.) und wie auch der Beschwerdeführer geltend macht, kann indessen offenbleiben, wie sich aus den folgenden Erwägungen ergibt.
b) Falls der Beschluss über die direkte Bundessteuer eine Lücke enthält, weil der Gesetzgeber es unterlassen hat, die Frage der Verjährung bei der Strafverfolgung wegen Hinterziehung explizit zu regeln, so wäre die Lücke vom Richter in der Art des Gesetzgebers nach allgemeinen Rechtsprinzipien zu füllen. Dabei ist in erster Linie auf die Ordnung, die andere Erlasse für verwandte Fälle aufgestellt haben, zurückzugreifen (BGE 112 Ia 263 E. 5, mit Hinweisen).
Die Verjährungsvorschriften des Schweizerischen Strafgesetzbuches sind indes - entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers - auf die Verfolgung der Steuerhinterziehung nach Art. 129 BdBSt nicht anwendbar. Bei der Steuerhinterziehung handelt es sich um eine Übertretung im Sinne des Strafgesetzbuches (Art. 101 StGB). Gemäss Art. 109 StGB verjährt die Verfolgung einer solchen in einem Jahr. Die Frist kann durch Untersuchungshandlungen zwar unterbrochen werden, doch beträgt die absolute Verjährungsfrist in diesem Falle höchstens zwei Jahre (Art. 72 Ziff. 2 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 102 StGB). Demgegenüber befristet Art. 134 BdBSt die Einleitung des Hinterziehungsverfahrens auf fünf Jahre. Art. 134 BdBSt ist deshalb als spezielle Vorschrift zu betrachten, welche es nicht erlaubt, die allgemeinen Bestimmungen des Strafgesetzbuches über die Verjährung für das Hinterziehungsverfahren heranzuziehen (Art. 333 Abs. 1 StGB).
Das gleiche muss auch für die Regelung im Verwaltungsstrafrecht des Bundes gelten. Die Frist von fünf Jahren für die relative Verjährung der Strafverfolgung bei Hinterziehung von Abgaben (Art. 11 Abs. 2 VStrR) ist nicht länger als die Einleitungsfrist des Art. 134 BdBSt, was als Hinweis gelten muss, dass die Verjährungsbestimmung des Verwaltungsstrafrechts auf das Recht der direkten Bundessteuer nicht hilfsweise (analog) angewendet werden kann (im gleichen Sinn KÄNZIG/BEHNISCH, a.a.O., N. 6 zu Art. 134).
c) In Betracht fällt sodann die Regelung im neuen Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer. Danach verjährt die Strafverfolgung für die vollendete Steuerhinterziehung zehn Jahre nach Ablauf der Steuerperiode, für die der Steuerpflichtige nicht oder unvollständig veranlagt wurde (Art. 184 Abs. 1 lit. b DBG). Die Verjährung wird durch jede Strafverfolgungshandlung unterbrochen, doch kann sie nicht um mehr als die Hälfte ihrer ursprünglichen Dauer hinausgeschoben werden (Art. 184 Abs. 2 DBG). Eine Steuerhinterziehung
BGE 119 Ib 311 S. 323
verjährt somit nach dem Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer in 15 Jahren nach Ablauf der betreffenden Steuerperiode.
Diese Ordnung stimmt mit derjenigen im Bundesgesetz über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden (Art. 58 Abs. 2 und 3 StHG) überein und entspricht von den in Betracht fallenden Lösungen der Konzeption der direkten Bundessteuer auch am besten. Es ist anzunehmen, dass sich der Gesetzgeber für eine ähnliche Lösung ausgesprochen hätte, wenn er die Strafverfolgungsverjährung im geltenden Bundesratsbeschluss hätte regeln wollen. Sofern der Erlass diesbezüglich eine Lücke enthält, wäre deshalb auf die Lösung abzustellen, die der Gesetzgeber im Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer vorgesehen hat (ebenso KÄNZIG/BEHNISCH, a.a.O., N. 9 zu Art. 134 BdBSt).
d) Die hier in Frage stehende Steuerhinterziehung betrifft die Veranlagungs- und Steuerperiode 1981/82. Das Nach- und Strafsteuerverfahren wurde von der Abteilung Direkte Bundessteuer des Kantonalen Steueramtes am 11. Dezember 1987 - innerhalb der Frist des Art. 134 BdBSt - eingeleitet und die Verjährungsfrist seither wiederholt unterbrochen. Die absolute Verjährung von 15 Jahren würde Ende 1997 eintreten. Die Rüge, wonach die Steuerhinterziehung heute als verjährt zu betrachten sei, erweist sich daher als unbegründet.

5. Der Beschwerdeführer macht unter Berufung auf Art. 6 Ziff. 1 EMRK auch geltend, das gegen ihn geführte Strafverfahren habe zu lange gedauert. Die Hinterziehung betrifft die Veranlagungsperiode der Jahre 1981/82. Dass Strafuntersuchungen und Strafverfahren ohne unnötige Verzögerungen zu Ende geführt werden, gehört zu den Rechten des Beschuldigten; das in diesem Zusammenhang zu beachtende Beschleunigungsgebot ist vom Bundesgericht bereits aus Art. 4 BV abgeleitet worden (BGE 113 Ia 420). In gleicher Weise garantiert Art. 6 Ziff. 1 EMRK, dass über die Sache innert einer angemessenen Frist entschieden werden muss. Auch wenn die Hinterziehung nicht verjährt ist, ist der Einwand, das Verfahren habe zu lange gedauert, doch zu prüfen. Denn die Vorschriften über die Verjährung, die ausschliesslich auf eine bestimmte Dauer seit der Tat abstellen, sind auf das Beschleunigungsgebot, wie es sich aus Art. 6 Ziff. 1 EMRK ergibt, nicht zugeschnitten (BGE 117 IV 127).
a) Die Frist, deren Angemessenheit zu beachten ist, beginnt bei Strafverfahren im Zeitpunkt der "Anklage". Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte stellt hierfür auf die offizielle amtliche
BGE 119 Ib 311 S. 324
Mitteilung der zuständigen Behörde an den Beschuldigten, dass ihm vorgeworfen werde, eine Straftat begangen zu haben, ab. In der Regel ist das die Mitteilung, dass ein Ermittlungsverfahren, eine Voruntersuchung, eingeleitet werde (Urteil Eckle vom 15. Juli 1982, Série A, Vol. 51, Ziff. 73 = EuGRZ 1983 S. 379; Urteil Corigliano vom 10. Dezember 1982, Série A, Vol. 57, Ziff. 34/35; vgl. MIEHSLER/VOGLER, in: Internationaler Kommentar zur Europäischen Menschenrechtskonvention, N. 313 zu Art. 6 EMRK; VELU/ERGEC, La Convention européenne des droits de l'homme, Bruxelles 1990, S. 440 N. 517). Diese Grundsätze sind auf Steuerstrafverfahren entsprechend anwendbar. So betrachtete die Europäische Menschenrechtskommission im Falle Huber die sich auf die steuerrechtlichen Verpflichtungen des Beschwerdeführers erstreckenden Ermittlungen der Steuerbehörden, in deren Verlauf sich erst der Verdacht einer Straftat ergab, nicht als fristauslösend (Bericht vom 8. Februar 1973, Décisions et rapports [DR] 2, 40 Ziff. 71/72). Hingegen nahm sie in einem andern Fall, in dem die Steuerbehörden von Anfang an Ermittlungen wegen des Verdachts möglicher Straftaten geführt und den Steuerpflichtigen darauf hingewiesen hatten, den Fristbeginn mit den ersten Ermittlungshandlungen der Steuerbehörden an (unveröffentlichter Entscheid, zitiert nach MIEHSLER/VOGLER, a.a.O., N. 313 zu Art. 6 EMRK).
Massgebender Zeitpunkt ist somit auch in Steuerstrafverfahren die Aufnahme der ersten eigentlichen, auf die Steuerstraftat gerichteten Ermittlungen der Steuerbehörden oder die Mitteilung, dass ein entsprechendes Ermittlungsverfahren eingeleitet werde. Das ist hier nicht bereits die Prüfung der Geschäftsunterlagen der Kommanditgesellschaft im Rahmen der allgemeinen steueramtlichen Revision vom 14./15. Januar 1986, weil sich dort der Verdacht einer Steuerstraftat erst ergab. Massgeblich ist vielmehr die Mitteilung der Steuerbehörde an den Beschwerdeführer, dass gegen ihn ein Verfahren wegen Steuerhinterziehung eingeleitet werde, weil der Beschwerdeführer sich in jenem Zeitpunkt mit dem Vorwurf konfrontiert sah, eine Steuerhinterziehung begangen zu haben. Fragen kann sich nur, ob auf die Verfügung der Abteilung Direkte Bundessteuer des Kantonalen Steueramtes Zürich vom 11. Dezember 1987, mit der das Hinterziehungsverfahren für die direkte Bundessteuer eingeleitet wurde, oder bereits auf die Mitteilung des Kantonalen Steueramtes an den Beschwerdeführer vom 7. März 1986, dass das Hinterziehungsverfahren betreffend die kantonalen Steuern eröffnet werde, abzustellen ist.
BGE 119 Ib 311 S. 325
Die Frage, welcher Zeitpunkt in Betracht kommt, kann indessen offenbleiben. An der Beurteilung ändert nichts, auch wenn angenommen wird, die massgebende Verfahrenseinleitung falle mit der zeitlich ersten Verfügung vom 7. März 1986 betreffend die kantonalen Steuern zusammen.
b) Die Angemessenheit der Verfahrensdauer ist in jedem Fall nach den besonderen Umständen der Sache unter Berücksichtigung der Kriterien zu beurteilen, die sich aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte ergeben. Bestimmte Zeitgrenzen, die, wenn sie überschritten sind, ohne weiteres eine Verletzung von Art. 6 EMRK bewirken, sind vom Gerichtshof nicht festgelegt worden, obschon eine besonders lange Frist ein Anhaltspunkt für eine verzögerliche Behandlung durch die Behörden bilden kann. Unter diesem Gesichtspunkt sind der Umfang und die Schwierigkeit des Falles zu gewichten. Sodann ist in Betracht zu ziehen, ob die Behörden und Gerichte oder der Beschwerdeführer durch ihr Verhalten zur Verfahrensverzögerung beigetragen haben (BGE 119 Ia Nr. 26 E. 4b, mit Hinweisen zur Strassburger Rechtsprechung; ferner Urteile des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte i.S. H. vom 8. Juli 1987, Série A, Vol. 120, Ziff. 71 ff.; Guincho vom 10. Juli 1984, Série A, Vol. 81, Ziff. 31 ff. = EuGRZ 1985 S. 639 ff.; Zimmermann und Steiner vom 13. Juli 1983, Série A, Vol. 66, Ziff. 24 ff.). Als weiteres Kriterium ist die Bedeutung der Angelegenheit für den Betroffenen zu werten (Urteil des Gerichtshofes i.S. X. vom 31. März 1992, Série A, Vol. 234-C, Ziff. 46 f., und Bock vom 29. März 1989, Série A, Vol. 150, Ziff. 48).
Strafsteuerverfahren sind - wie Wirtschaftsstrafverfahren (Urteil des Gerichtshofes i.S. W. vom 26. Januar 1993, Série A, Vol. 254, Ziff. 41 f. ferner Urteil Eckle, a.a.O., Ziff. 37, 89; VELU/ERGEC, a.a.O., S. 444 N. 523) - vielfach kompliziert und aufwendig. Das Recht des Beschuldigten, dass der Fall mit der erforderlichen Sorgfalt umfassend abgeklärt wird, und sein Anspruch, dass das Hinterziehungsverfahren zügig vorangetrieben wird, stehen deshalb in einem gewissen Widerspruch. Das kann jedoch, wie die Strassburger Organe wiederholt erkannt haben, nicht zur Folge haben, dass deswegen der Fall nicht mit der erforderlichen Sorgfalt untersucht und beurteilt wird (Urteile des Gerichtshofes i.S. W., a.a.O., Ziff. 42, und i.S. Wemhoff vom 27. Juni 1968, Série A, Vol. 7, S. 26, Ziff. 17).
Im Recht der direkten Bundessteuer sind zudem die Zwangsmassnahmen der Steuerbehörden (unter Vorbehalt der Fälle gemäss
BGE 119 Ib 311 S. 326
Art. 133bis Abs. 3 und Art. 139 Abs. 2 BdBSt, wo das Bundesgesetz über das Verwaltungsstrafrecht zur Anwendung gelangt) beschränkt. Sie greifen schon aus diesem Grund nicht wesentlich in die Rechtsstellung des Steuerpflichtigen ein. Was Art und Schwere der in Frage stehenden Sanktionen anbelangt, so kann das Steuerhinterziehungsverfahren ebenfalls nicht mit einem eigentlichen Strafverfahren in Beziehung gesetzt werden. Es geht um reine Geldstrafen, die zwar in der Höhe beträchtlich sein können, die sich aber hinsichtlich ihrer Auswirkungen von vornherein nicht mit einer Freiheitsstrafe vergleichen lassen. Für den Steuerpflichtigen geht es im wesentlichen darum zu wissen, ob er nach Abschluss des Verfahrens eine bestimmte Geldsumme zu bezahlen hat.
Die Frage, welches die angemessene Verfahrensdauer ist, muss daher insbesondere auch unter Berücksichtigung der Anzahl Fälle, die von den Steuerbehörden zu bearbeiten sind, sowie der Schwierigkeiten, welchen die Steuerbehörden in solchen Fällen begegnen, gesehen werden. Unter diesen Gesichtspunkten ist im vorliegenden Verfahren die Angemessenheit der Verfahrensdauer zu prüfen.
c) Am 7. März 1986 wurde das Verfahren wegen Hinterziehung der kantonalen Steuern eingeleitet. Rund 21 Monate später, am 11. Dezember 1987, eröffnete auch die Abteilung Direkte Bundessteuer des Kantonalen Steueramtes das Hinterziehungsverfahren für die direkte Bundessteuer. Weitere sieben Monate vergingen, bis die Abteilung Direkte Bundessteuer am 6. Juli 1988 die Nach- und Strafsteuerverfügung erliess. Im Zeitpunkt der Nach- und Strafsteuerverfügung der Abteilung Direkte Bundessteuer dauerte das Verfahren somit rund 28 Monate (sofern die Angemessenheit der Verfahrensdauer bereits ab Einleitung des Hinterziehungsverfahrens für die kantonalen Steuern zu beurteilen ist, vgl. vorn E. 5a). Diese Verfahrensdauer bis zur erstinstanzlichen Verfügung in einem einfachen Hinterziehungsverfahren, wie es hier vorliegt, erscheint als reichlich lang, auch wenn das Kantonale Steueramt am 16. September 1986 noch eine Befragung des Beschwerdeführers durchgeführt und die Abteilung Direkte Bundessteuer dem Anwalt des Beschwerdeführers die Nachsteuer- und Bussenverfügung vorerst provisorisch zur Stellungnahme zugestellt hat. In materieller Hinsicht wirft der vorliegende Fall keine besonderen Probleme auf. Der Beschwerdeführer hat, was unbestritten ist, Privataufwendungen der Gesellschaft (Mietzinse) nicht als Einkommen deklariert. Der objektive Tatbestand der Steuerhinterziehung ist klarerweise erfüllt, was damals schon ersichtlich war. Keine Probleme warf auch die Berechnung
BGE 119 Ib 311 S. 327
der sich aus dieser Nichtdeklaration ergebenden Nachsteuer auf. Fragen konnte sich nur, ob der Beschwerdeführer vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt hat. Mit besonderen Schwierigkeiten lässt sich die lange Dauer des Verfahrens vor der Abteilung Direkte Bundessteuer somit nicht erklären.
Im vorliegenden Fall ist jedoch zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer seinerseits keine besonderen Anstrengungen unternahm, damit das Verfahren beförderlich zu Ende geführt werden konnte. Im Gegenteil stellte er noch am 9. Mai 1988 - kurz vor Erlass der Nach- und Strafsteuerverfügung - ein Gesuch um Sistierung des Verfahrens, wie sich aus dem angefochtenen Entscheid ergibt. Für den Beschwerdeführer stand lediglich eine Geldstrafe, die angesichts des hinterzogenen Steuerbetrages (Fr. 5'800.--) nicht an seine berufliche oder wirtschaftliche Existenz rührt, in Aussicht. Unter diesen besonderen Umständen erscheint die Dauer des erstinstanzlichen Verfahrens noch als erträglich.
d) Was das Verfahren vor der Vorinstanz (Bundessteuer-Rekurskommission) betrifft, so dauerte es vom Zeitpunkt der Beschwerdeerhebung bis zum Erlass des Urteils zwar auch 3 Jahre und 7 Monate (4. August 1988 bis 11. März 1992). Es blieb aber vom 2. November 1988 bis 5. Oktober 1990 und wiederum vom 22. Oktober 1990 bis 24. Oktober 1991 sistiert. Aus den Akten ist ersichtlich, dass der Anwalt des Beschwerdeführers darum ersuchte, das Verfahren bis zum Entscheid des Bundesgerichts über die staatsrechtliche Beschwerde betreffend die kantonalen Steuern auszusetzen. Nachdem das Bundesgericht die Beschwerde gutgeheissen hatte, teilte der Anwalt den Behörden mit, dass das Verwaltungsgericht über die Hinterziehung der kantonalen Steuern neu entscheiden müsse; unter diesen Umständen dürfe er davon ausgehen, dass das Hinterziehungsverfahren (betreffend die direkte Bundessteuer) "einstweilen sistiert bleibt". Diesen Anträgen wurde entsprochen. Damit hat hauptsächlich der Beschwerdeführer durch sein Verhalten die lange Dauer des Verfahrens vor der Bundessteuer-Rekurskommission verursacht. Eine überlange Verfahrensdauer kann der Vorinstanz nicht vorgeworfen werden. Art. 6 Ziff. 1 EMRK ist - ebenso wie Art. 4 BV - nicht verletzt.

6. Der Beschwerdeführer beanstandet auch, dass im Verfahren vor der Bundessteuer-Rekurskommission keine öffentliche Hauptverhandlung stattgefunden habe.
a) Art. 6 Ziff. 1 EMRK enthält den Grundsatz der Öffentlichkeit des Verfahrens. Zum Öffentlichkeitsprinzip hat die Schweiz zwar
BGE 119 Ib 311 S. 328
einen Vorbehalt abgegeben, soweit ein solches Verfahren nach den kantonalen Gesetzen vor einer Verwaltungsbehörde stattfindet (AS 1974 2173). Der Vorbehalt geht davon aus, dass er auch dann zur Anwendung gelange, wenn als Gerichte konstituierte Verwaltungsbehörden über zivilrechtliche Ansprüche oder über die Stichhaltigkeit einer Anklage befinden (vgl. dazu WILDHABER, in: Internationaler Kommentar zur Europäischen Menschenrechtskonvention, N. 605, 609 f., 631 f. zu Art. 6 EMRK; ferner BGE 115 V 253 E. 4b). Im Urteil Weber (a.a.O. [vorn E. 2d], Ziff. 38) erklärte jedoch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte den Vorbehalt für ungültig, weil die Schweiz keine "kurze Inhaltsangabe des betreffenden Gesetzes" beigefügt habe. Ob der Mangel geheilt werden kann, ist umstritten (KÄLIN/SIDLER, Verschuldensgrundsatz und Öffentlichkeitsprinzip: Die Strafsteuer im Lichte von Verfassung und EMRK, ASA 60 S. 176, mit Hinweisen; s. auch BGE 118 Ia 480 E. 6 und 7 zur Ungültigkeit der "auslegenden Erklärung" der Schweiz zum Recht auf Zugang zu den Gerichten, AS 1974 2173). Hier genügt indessen die Feststellung, dass im Zeitpunkt des Entscheids der Steuerrekurskommission kein gültiger Vorbehalt der Schweiz vorlag.
b) Nach der Rechtsprechung gewährleistet das Prinzip der Öffentlichkeit der Verhandlung dem Angeschuldigten und allen übrigen am Prozess Beteiligten eine korrekte und gesetzmässige Behandlung. Die Verhandlungen sind in einem doppelten Sinn öffentlich: Gegenüber der Allgemeinheit, die, von gewissen Ausnahmen abgesehen (zum Ausschluss der Öffentlichkeit, vgl. BGE 119 Ia 104 E. 4a), den Prozess unmittelbar verfolgen kann, und gegenüber den Parteien, die an allen Prozesshandlungen des Gerichtes teilnehmen können. Damit ist auch im Gerichtswesen für Transparenz gesorgt, was zu den Grundlagen eines demokratischen Staates gehört. Der Grundsatz der Öffentlichkeit in Art. 6 Ziff. 1 EMRK erscheint somit nicht nur als Grundrecht des Einzelnen, sondern ebensosehr als Voraussetzung für das Vertrauen in das Funktionieren der Justiz (BGE 119 Ia 104 E. 4a; vgl. aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte, Urteil vom 8. Dezember 1983 im Fall Axen, Série A, Vol. 72, Ziff. 25 = EuGRZ 1985 S. 228, sowie das die Schweiz betreffende Urteil vom 22. Februar 1984 im Fall Sutter, Série A, Vol. 74, Ziff. 26 = EuGRZ 1985 S. 231 f.; s. auch ARTHUR HAEFLIGER, Die Europäische Menschenrechtskonvention und die Schweiz, S. 153).
Ein aus Art. 6 EMRK fliessender Anspruch des Rechtsunterworfenen auf Ausschluss der Öffentlichkeit besteht daher grundsätzlich
BGE 119 Ib 311 S. 329
nicht. Ein solcher Anspruch kann sich allenfalls aus Art. 8 EMRK (Schutz des Privat- und Familienlebens; vgl. FROWEIN/PEUKERT, EMRK-Kommentar, N. 87 zu Art. 6; MIEHSLER/VOGLER, a.a.O., N. 338 zu Art. 6 EMRK; HAEFLIGER, a.a.O., S. 155 f.; VELU/ERGEC, a.a.O., S. 437 N. 511; Entscheid der Europäischen Menschenrechtskommission vom 4. Juli 1978, DR 14, 231 ff.) oder aus dem ungeschriebenen verfassungsmässigen Recht auf persönliche Freiheit (BGE 119 Ia 105 E. 4b) ergeben. Das bedeutet jedoch nicht, dass eine Person auf die Öffentlichkeit der Verhandlung nicht verzichten kann. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte ging nie so weit und auch der Wortlaut oder Sinn und Zweck des Art. 6 Ziff. 1 EMRK schliessen einen solchen freiwilligen, ausdrücklichen oder stillschweigenden Verzicht nicht aus (Urteil Håkansson und Sturesson vom 21. Februar 1990, Série A, Vol. 171-A, Ziff. 66 = EuGRZ 1992 S. 10). Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes muss auch eine öffentliche Anhörung nicht stattfinden, wenn der Angeschuldigte darauf verzichtet und der Vertragsstaat auf einer solchen nicht besteht (Fall Le Compte, Van Leuven und De Meyere, Urteil vom 23. Juni 1981, Série A, Vol. 43, Ziff. 59 = EuGRZ 1981 S. 554; Fall Albert und Le Compte, Urteil vom 10. Februar 1983, Série A, Nr. 58, Ziff. 35 = EuGRZ 1983 S. 194; vgl. auch Urteil Weber, a.a.O., Ziff. 39).
c) Die Vorinstanz hat aufgrund der Akten entschieden, also keine öffentliche Hauptverhandlung durchgeführt. Sie konnte sich hierzu auf § 93 Abs. 2 des Steuergesetzes des Kantons Zürich vom 8. Juli 1951 (Fassung vom 6. Juni 1982) stützen, wonach "ein weiterer Schriftenwechsel oder eine mündliche Verhandlung" nur "ausnahmsweise" angeordnet wird. Diese Bestimmung findet auf das Verfahren vor der Bundessteuer-Rekurskommission entsprechend Anwendung (gemäss § 8 der Verordnung vom 18. August 1982 über die Durchführung der direkten Bundessteuer, Zürcher Gesetzessammlung 634.1).
§ 93 Abs. 2 des Zürcher Steuergesetzes ist keine Ausnahmebestimmung. Das Verfahren vor den kantonalen Rekurskommissionen in Steuersachen ist in den meisten Fällen - auch in den anderen Kantonen - schriftlich. Soweit ausnahmsweise eine mündliche Verhandlung stattfindet, ist sie nach der Praxis der kantonalen Rekurskommissionen zudem nur parteiöffentlich und nicht publikumsöffentlich. Der Ausschluss der Publikumsöffentlichkeit in Steuersachen ergibt sich nach schweizerischer Auffassung aus dem Schutz der Privatsphäre und dem daraus fliessenden Steuergeheimnis,
BGE 119 Ib 311 S. 330
wie es auch in Art. 71 BdBSt gesetzlich verankert ist. Ein nur parteiöffentliches Verfahren ist deshalb angezeigt, weil im Steuerprozess, und damit auch im Hinterziehungsverfahren, die wirtschaftlichen und geschäftlichen Verhältnisse des Steuerpflichtigen behandelt werden, die in seinem Interesse geheim zu halten sind (vgl. BLUMENSTEIN/LOCHER, a.a.O. [vorn E. 2b], S. 384; PETER ALTENBURGER, Schutz geheimhaltungsbedürftiger Informationen in Steuersachen: Landesbericht Schweiz, in: Cahiers de droit fiscal international, Band 76b/1991 S. 610; KÄNZIG/BEHNISCH, a.a.O., N. 29 zu Art. 132 BdBSt).
Der Verzicht des Steuerpflichtigen auf eine publikumsöffentliche Verhandlung ist im Recht der direkten Bundessteuer demnach zulässig und muss aufgrund des gesetzlich verankerten Steuergeheimnisses von den Behörden respektiert werden. Die Vertraulichkeit des Verfahrens ergibt sich zudem aus Gesetz und Praxis. Der Verzicht auf ein öffentliches Verfahren ist bei Steuerübertretungen daher häufig zu vermuten. Das gilt besonders dann, wenn die Partei durch einen Anwalt vertreten ist und keinen Antrag auf Öffentlichkeit des Verfahrens gestellt hat.
d) Diese Auffassung steht mit der Konvention und der Rechtsprechung des Gerichtshofes nicht im Widerspruch.
Ein aus Art. 6 EMRK abzuleitender Anspruch des Rechtsunterworfenen auf Ausschluss der Öffentlichkeit besteht zwar nicht. Wenn sich jedoch ein Verfahren im Einverständnis mit dem Betroffenen im geheimen abspielt und der Vertragsstaat auf einer öffentlichen Verhandlung nicht besteht, so verletzt das nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes die Konvention nicht, wie bereits dargelegt worden ist (Urteil Le Compte, Van Leuven und De Meyere, a.a.O., Ziff. 59, und Albert und Le Compte, a.a.O., Ziff. 35). Ein solcher Verzicht kann zudem ausdrücklich oder stillschweigend erfolgen (Urteil Håkansson und Sturesson, a.a.O., Ziff. 66; ferner Urteil des Gerichtshofes i.S. Schuler-Zgraggen vom 24. Juni 1993, Série A, Vol. 263, Ziff. 58). Er ist nach einigen vom Gerichtshof behandelten Fällen zudem häufig zu vermuten, wenn sich die Vertraulichkeit des Verfahrens aus dem Gesetz oder der Praxis des Vertragsstaates ergibt und der Rechtsunterworfene in Kenntnis dieser Regelung keine öffentliche Anhörung verlangt (Urteil Håkansson und Sturesson, a.a.O., Ziff. 67 und dort zitierte Urteile). Diese Vertraulichkeit des Verfahrens folgt hier aus dem in Art. 71 BdBSt gesetzlich niedergelegten Steuergeheimnis und der entsprechenden Praxis.
BGE 119 Ib 311 S. 331
e) Allerdings muss sich der Verzicht des Steuerpflichtigen aus den gesamten Umständen klar ergeben (Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, Urteil Albert und Le Compte, a.a.O., Ziff. 35 und Håkansson und Sturesson, a.a.O., Ziff. 66). Im vorliegenden Fall wies der Anwalt in der Beschwerdeeingabe an die Vorinstanz wohl auf die Rechte des Beschwerdeführers gemäss Art. 6 Ziff. 1 EMRK hin und rügte, dass der Beschwerdeführer durch die Steuerverwaltung nicht persönlich angehört worden sei. Einen ausdrücklichen Antrag, wonach das Verfahren publikumsöffentlich durchzuführen sei, stellte der Anwalt freilich nicht. Unter diesen Umständen ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer ein vertrauliches Verfahren wünschte. Die Konvention ist daher nicht verletzt, wenn sich das Verfahren im geheimen abspielte.

7. Der Beschwerdeführer rügt schliesslich, dass er im ganzen Verfahren nie persönlich angehört worden sei.
a) Die Vorinstanz hat mit dem Beschwerdeführer keine persönliche Befragung durchgeführt. Der Öffentlichkeitsgrundsatz, wie er aus Art. 6 EMRK fliesst, besagt zwar nicht, welche Prozesshandlungen an der Hauptverhandlung vorgenommen werden müssen und in welcher Form dies zu geschehen habe. Er enthält insbesondere keine Aussagen darüber, welche Beweismittel abgenommen werden müssen. Dies betrifft vielmehr die Prinzipien der Unmittelbarkeit und der Mündlichkeit, die zwar mit dem Grundsatz der Öffentlichkeit in einem gewissen Zusammenhang stehen, dabei aber Prinzipien mit durchaus je eigenständigem Gehalt darstellen (BGE 113 Ia 417 f. mit Hinweisen). Was das persönliche Erscheinen des Angeklagten betrifft, so garantiert Art. 6 EMRK - im Gegensatz zu Art. 14 Abs. 3 lit. d UNO-Pakt II - nicht ausdrücklich seinen Anspruch, bei der Verhandlung persönlich anwesend zu sein. Das Recht des Angeklagten auf persönliche Teilnahme an der Hauptverhandlung ist indessen anerkannt (VELU/ERGEC, a.a.O., S. 422 N. 483; FROWEIN/ PEUKERT, a.a.O., N. 66 zu Art. 6; MIEHSLER/VOGLER, a.a.O., N. 362 zu Art. 6 EMRK; aus der Rechtsprechung des Gerichtshofes, Urteil Colozza vom 12. Februar 1985, Série A, Vol. 89, Ziff. 27 = EuGRZ 1985 S. 634). In gleicher Weise garantiert Art. 4 BV dem Angeklagten einen unbedingten Anspruch, vor Erlass eines Entscheides, der ihn belastet oder belasten könnte, angehört zu werden, bei der Beweisabnahme anwesend zu sein und Beweisanträge stellen zu können (BGE 109 Ia 177 f.).
Ob und unter welchen Umständen der Steuerpflichtige auf eine persönliche Anhörung verzichten kann (vgl. das Urteil Colozza,
BGE 119 Ib 311 S. 332
a.a.O., Ziff. 28), braucht im übrigen nicht entschieden zu werden. In seiner Beschwerde an die Vorinstanz hat der Beschwerdeführer ausdrücklich gerügt, dass er im gesamten Verfahren noch nie angehört worden sei. Bei dieser Sachlage darf nicht angenommen werden, er habe durch die Vorinstanz nicht persönlich (mündlich) angehört werden wollen.
b) Im vorliegenden Fall ist umstritten, ob der Beschwerdeführer die Steuerhinterziehung im Sinne von Art. 129 Abs. 1 BdBSt vorsätzlich oder fahrlässig begangen hat. Vorsatz liegt vor, wenn der Steuerpflichtige die in Art. 129 Abs. 1 lit. b BdBSt bezeichneten unrichtigen Angaben mit Wissen und Willen macht. Die Abklärung dieser im subjektiven Bereich liegenden Tatsachen erfordert eine sorgfältige Abklärung der Verhältnisse im Einzelfall (Urteil vom 31. Mai 1985, ASA 55 S. 567).
Die Vorinstanz führt aus, dass der Beschwerdeführer von den Mietzinsaufwendungen der Gesellschaft gewusst habe. Diese Feststellung lässt sich ernsthaft nicht bestreiten. Weiter macht sie geltend, der Beschwerdeführer habe sich bewusst sein müssen, dass er diese Privataufwendungen in seiner Steuererklärung als Einkommen hätte angeben müssen. Unter diesen Umständen sei die Annahme begründet, dass der Beschwerdeführer mit Willen gehandelt, d.h. eine Täuschung der Steuerbehörden beabsichtigt, eine zu niedrige Veranlagung bezweckt habe. Der Vorsatz sei damit bewiesen.
Weshalb der Beschwerdeführer es unterliess, die Privataufwendungen der Gesellschaft in seiner Steuererklärung als Einkommen zu deklarieren - ob wissentlich oder aus Unvorsichtigkeit (Fahrlässigkeit) -, hat die Vorinstanz indessen nicht untersucht. Ohne eine persönliche Befragung des Beschwerdeführers - allein aufgrund der Akten - lässt sich diese Frage nicht beantworten. Auch unter diesem Gesichtswinkel drängte sich eine persönliche Befragung des Beschwerdeführers auf. Das Verfahren vor der Vorinstanz, die den Beschwerdeführer nicht persönlich angehört hat, verletzt daher Art. 6 EMRK und Art. 4 BV.
c) Dass die Abteilung Direkte Bundessteuer, die erstinstanzlich Steuerbussen auszufällen hat (Art. 132 BdBSt), den Beschwerdeführer nicht persönlich angehört und kein öffentliches Verfahren durchgeführt hat, verletzt im übrigen Art. 6 Ziff. 1 EMRK nicht. Denn ihr Entscheid kann gemäss Art. 132 Abs. 3 BdBSt mit Beschwerde bei der kantonalen Rekurskommission angefochten werden. Es handelt sich um ein vollkommenes Rechtsmittel, mit dem alle Mängel der erstinstanzlichen Verfügung sowohl in rechtlicher als auch in
BGE 119 Ib 311 S. 333
tatsächlicher Hinsicht gerügt werden können. Art. 6 EMRK gewährt kein Recht auf einen Instanzenzug oder - wo ein solcher besteht - auf Gerichtsbarkeit in allen Instanzen (MIEHSLER/VOGLER, a.a.O., N. 272 zu Art. 6 EMRK; Urteil des Gerichtshofes i.S. Kremzow vom 21. September 1993, Série A, Vol. 268-B, Ziff. 58). Insofern unterscheidet sich das Hinterziehungsverfahren vor der Abteilung Direkte Bundessteuer nicht wesentlich von einem Strafmandatsverfahren (vgl. hierzu BGE 114 Ia 150; BGE 112 Ia 302 f. E. 5d).
Das Bundesgericht besitzt demgegenüber nur beschränkte Überprüfungsbefugnis, was die Feststellung des Sachverhalts betrifft (Art. 105 Abs. 2 OG). Als einzige Rechtsmittelinstanz verfügt demnach die kantonale Rekurskommission über eine umfassende Kognition. Das Verfahren vor der Rekurskommission muss folglich den Garantien von Art. 6 Ziff. 1 EMRK genügen.
d) Aus diesen Erwägungen ergibt sich, dass der angefochtene Entscheid aufzuheben und die Sache zur Durchführung einer Befragung des Beschwerdeführers und zu neuem Entscheid an die Vorinstanz zurückzuweisen ist. Nachdem der Beschwerdeführer ausdrücklich den Antrag auf Öffentlichkeit des Verfahrens gestellt hat, muss diese Befragung öffentlich durchgeführt werden.

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