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Urteilskopf

121 IV 216


35. Urteil des Kassationshofes vom 14. Juli 1995 i.S. M. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich (Nichtigkeitsbeschwerde)

Regeste

Art. 110 Ziff. 4, 317 Ziff. 1 Abs. 2 StGB; Falschbeurkundung im Amt.
Unterschiede zwischen den Tatbeständen der privaten Falschbeurkundung und der Falschbeurkundung im Amt nach neuem Recht (E. 2).
Der Amtsvormund handelt jedenfalls bei der Erstellung von Inventar und Berichten sowie der Rechnungslegung nach Vormundschaftsrecht als Beamter (E. 3).
Die Täuschungsabsicht ergibt sich aus dem Willen des Täters, die Urkunde als wahr zu verwenden. Dass eine Person tatsächlich getäuscht wird, ist nicht erforderlich (E. 4).

Sachverhalt ab Seite 217

BGE 121 IV 216 S. 217

A.- Das Obergericht des Kantons Zürich erklärte M. mit Urteil vom 19. April 1994 in zweiter Instanz der Falschbeurkundung im Amt im Sinne von Art. 317 Ziff. 1 Abs. 2 aStGB schuldig und verurteilte ihn zu sieben Monaten Gefängnis mit bedingtem Strafvollzug unter Auferlegung einer Probezeit von zwei Jahren. Von den Vorwürfen des Amtsmissbrauchs und der Veruntreuung sprach es ihn frei. Die Zivilansprüche der Geschädigten verwies es auf den Zivilweg.
Eine gegen dieses Urteil erhobene kantonale Nichtigkeitsbeschwerde wies das Kassationsgericht des Kantons Zürich mit Beschluss vom 23. November 1994 ab, soweit es darauf eintrat.

B.- Gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Zürich vom 19. April 1994 führt M. eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde, mit der er Antrag auf Aufhebung des angefochtenen Entscheids und Rückweisung der Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz stellt.

Erwägungen

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1. a) Der Beschwerdeführer schloss am 8. Juli 1983 mit der Aufsichtskommission des "Zweckverbandes Amtsvormundschaft für Erwachsene des Bezirkes Bülach" einen Anstellungsvertrag. In Beschlussform wurde festgehalten, dass der Beschwerdeführer aufgrund der Wahl durch die Jahresversammlung des Zweckverbandes vom 18. Mai 1983 mit Wirkung ab 1. September 1983 als Amtsvormund angestellt werde. Die Vormundschaftsbehörde Opfikon errichtete mit Beschluss vom 14. Februar 1991 für L. eine Beistandschaft gemäss Art. 392 Ziff. 1 sowie Art. 393 Ziff. 2 ZGB und
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ernannte den Beschwerdeführer zum Beistand. Im Laufe seiner Tätigkeit stellte der Beschwerdeführer fest, dass L. bei der Schweizerischen Bankgesellschaft, Filiale St. Gallen, ein Tresorfach unterhielt. Am 28. Juni 1991 liess er dieses Fach gewaltsam öffnen und nahm dessen Inhalt an sich. Im Tresorfach fanden sich Edelmetalle im Wert von rund Fr. 115'000.--. Ein Inventar dieser Vermögenswerte nahm er erst in den Räumen der Amtsvormundschaft Opfikon im Beisein von dort angestellten Zeugen auf. Nach der Inventaraufnahme legte der Beschwerdeführer den Fund im Tresor der Amtsvormundschaft Opfikon ab. Er unterliess es jedoch, darüber einen Nachtrag zum Beistandsinventar vom 17. Mai 1991 zu erstellen, so dass dieses die bestehenden Aktiven und Passiven nicht mehr wahrheitsgetreu wiedergab. Nach dem Ableben des verbeiständeten L. verheimlichte er die Existenz der in St. Gallen vorgefundenen Edelmetalle weiterhin, und führte diesen Sachverhalt weder im Buchhaltungsabschluss per 31. Dezember 1991 noch im Schlussbeistandschaftsbericht für die Zeit vom 14. Februar bis 31. Dezember 1991 an.
Aufgrund dieses Sachverhalts verurteilte die Vorinstanz den Beschwerdeführer wegen qualifizierter Falschbeurkundung gemäss Art. 317 Ziff. 1 Abs. 2 aStGB. Sie nahm an, er habe als Beamter im Sinne von Art. 110 Ziff. 4 StGB gehandelt. Der Beschwerdeführer sei vom "Zweckverband Amtsvormundschaft für Erwachsene des Bezirkes Bülach" als Amtsvormund gewählt und durch einen mit der Aufsichtskommission des erwähnten Verbandes geschlossenen Vertrag als Amtsvormund angestellt gewesen. Der Zweckverband, ein Zusammenschluss von Gemeinden zur gemeinschaftlichen Besorgung einzelner Zweige der Gemeindeverwaltung, sei als öffentlichrechtliche Körperschaft ausgestaltet und diene der gemeinsamen Lösung von einzelnen Gemeindeaufgaben. In diesem Sinne erscheine ein Angestellter eines Zweckverbandes als Beamter im Sinne von Art. 110 Ziff. 4 StGB. Dass der Beschwerdeführer privatrechtlich angestellt gewesen sei, ändere daran nichts. Die Beamteneigenschaft hänge nicht davon ab, ob die dem Funktionär übertragenen Aufgaben auch von Privaten besorgt werden könnten. Der Amtsvormund werde eigens für die Erfüllung vormundschaftlicher Aufgaben angestellt oder gewählt und stehe daher zum Gemeinwesen in einem wesentlich engeren Verhältnis als der private Vormund. Er werde nur dann bestellt, wenn sich nicht die Wahl eines geeigneten Verwandten- oder Vertrauensvormundes aufdränge, weil kein solcher vorhanden sei oder weil
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ein wichtiger Grund gegen seine Ernennung und zugunsten des Amtsvormundes spreche. Auch dies lasse auf ein engeres Verhältnis des Amtsvormundes zum Staat schliessen und rechtfertige eine unterschiedliche Behandlung von Amts- und Privatvormund. Ausserdem brauche die Tätigkeit eines Beamten nicht notwendig hoheitlicher Natur zu sein.
b) Der Beschwerdeführer macht geltend, er habe nicht als Beamter im strafrechtlichen Sinne gehandelt. Er sei verwaltungsrechtlich in seiner Funktion als Amtsvormund nicht Beamter, sondern Angestellter eines Zweckverbandes gewesen. Eine Vormundschaft sei eine typisch privatrechtliche Einrichtung. Pflicht des Vormundes sei es, im Interesse seines Mündels zu handeln, nicht im Interesse des Staates. Wohl liege es letztlich auch im Staatsinteresse, dass Personen in der Besorgung ihrer Angelegenheiten vertreten würden, die dazu nicht selbst in der Lage seien. Dies bedeute jedoch nicht, dass ein Vormund mit der Vertretung seines Mündels öffentliche Interessen wahrnehme. Sei jedoch der private Vormund nicht Beamter, dann könne es auch ein Amtsvormund nicht sein. Einzelvormund und Amtsvormund erfüllten die genau gleichen Aufgaben und hätten in bezug auf die einzelnen Mündel dieselben Funktionen. Wenn die Beamtenstellung im Strafrecht massgeblich über Funktion und Tätigkeit definiert werde, die beim Amtsvormund denjenigen des privaten Vormundes entsprächen, ergebe sich in klarer Weise, dass der Amtsvormund kein Beamter im strafrechtlichen Sinne sei.

2. Gegenstand des Beschwerdeverfahrens bildet die Frage, ob der Beschwerdeführer sich in seiner Eigenschaft als Amtsvormund der Falschbeurkundung im Amt strafbar gemacht hat, indem er die vorgefundenen Edelmetalle weder im Buchhaltungsabschluss noch im Schlussbeistandsbericht aufgeführt hat. Wollte man annehmen, aus der Stellung als Amtsvormund ergebe sich die Möglichkeit einer Falschbeurkundung im Amt nicht, führte dies entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers nicht zu einem Freispruch. Vielmehr wäre in diesem Fall sein Verhalten unter dem Gesichtspunkt der privaten Falschbeurkundung gemäss Art. 251 Ziff. 1 aStGB zu prüfen.
Die kantonalen Instanzen haben den Fall vor dem Inkrafttreten der Änderungen des Vermögens- und Urkundenstrafrechts beurteilt. Die unter dem alten Recht geltende Mindeststrafdrohung von 6 Monaten Gefängnis für die Urkundenfälschung im Amt ist mit dieser Revision des StGB aufgehoben worden. Die Strafdrohungen für die private Urkundenfälschung und die Urkundenfälschung im Amt sind nach dem heute geltenden Recht für den Regelfall die gleichen. Unterschiede zwischen den beiden Tatbeständen
BGE 121 IV 216 S. 220
bestehen abgesehen vom Täterkreis insofern, als weiterhin nur Art. 251 Ziff. 1 StGB die Absicht der Schädigung an Vermögen oder anderen Rechten bzw. der Verschaffung eines unrechtmässigen Vorteils fordert. Dies erlangt indes in der Regel keine praktische Bedeutung, da sich die besondere Vorteilsabsicht nach dem weiten Verständnis der Rechtsprechung nicht nur aus dem angestrebten Ziel, sondern auch schon aus den verwendeten Mitteln ergeben kann (vgl. BGE 121 IV 90 E. 2 mit Hinweisen). Praktisch bedeutsame Unterschiede liegen nach dem neuen Recht einzig darin, dass nur bei der privaten Urkundenfälschung ein privilegierter Fall vorgesehen ist (Art. 251 Ziff. 2 StGB) und Fahrlässigkeit nur bei der Urkundenfälschung im Amt strafbar ist (Art. 317 Ziff. 2 StGB).

3. a) Unter Beamten werden gemäss Art. 110 Ziff. 4 StGB Beamte und Angestellte einer öffentlichen Verwaltung und der Rechtspflege verstanden. Als Beamte gelten auch Personen, die provisorisch ein Amt bekleiden oder angestellt sind, oder die vorübergehend amtliche Funktionen ausüben.
Nach der Rechtsprechung ist Beamter im Sinne dieser Bestimmung auch, wer für das öffentliche Gemeinwesen amtliche Funktionen auszuüben hat, ohne dass er zu ihm in einem Dienstverhältnis stünde. Andererseits gilt trotz vorübergehender Ausübung amtlicher Funktionen nicht als Beamter, wer zum Gemeinwesen nicht in einem Verhältnis der Abhängigkeit steht (BGE 76 IV 150 E. 1 mit Hinweisen). Entscheidend für die Beamtenstellung ist, ob die übertragene Funktion amtlicher Natur war, d.h. ob sie zur Erfüllung einer dem Gemeinwesen zustehenden öffentlichrechtlichen Aufgabe übertragen wurde (BGE 70 IV 212 E. II./1, BGE 71 IV 139 E. 1). In BGE 76 IV 150 E. 1 liess das Bundesgericht offen, ob ein Vormund als Beamter zu behandeln ist oder nicht; es schloss jedoch aus dem Umstand, dass (der damals noch in Kraft stehende) Art. 52 Ziff. 2 sowie Art. 140 Ziff. 2 aStGB den Vormund neben dem Beamten nennen, das Strafgesetzbuch lasse ihn nicht als Beamten gelten. Ferner nahm es an, es ergebe sich auch aus Art. 51 und 53 StGB, dass der Vormund nicht Beamter sei, da das Gesetz im umgekehrten Fall davon ausginge, dass die in Art. 53 StGB vorgesehene Entziehung der vormundschaftlichen Gewalt schon als Amtsenthebung im Sinne von Art. 51 StGB geregelt wäre (BGE a.a.O.). Im übrigen hat die Stellung des Vormunds, abgesehen davon, dass er von der Behörde ernannt und überwacht wird, nach der Rechtsprechung mit der eines Beamten nur wenig gemein. Seine Tätigkeit erschöpft sich in der Betreuung des Mündels, wie sie sonst vom
BGE 121 IV 216 S. 221
Familienoberhaupt oder anderen Angehörigen ausgeübt wird. In den meisten Fällen besteht seine Hauptaufgabe in der Verwaltung des Mündelvermögens (BGE 76 IV 150 E. 1, BGE 95 II 37 E. 1).
b) Das Schrifttum misst ebenfalls dem Merkmal der Funktion im Dienst der Öffentlichkeit entscheidende Bedeutung zu, wobei keine Rolle spielen soll, ob es sich dabei um eine besoldete Tätigkeit oder um ein Ehrenamt handelt; gleichgültig soll auch sein, ob die öffentlichrechtlichen Aufgaben hoheitlicher Natur sind (TRECHSEL, Schweizerisches Strafgesetzbuch, Kurzkommentar, Art. 110 N. 11; STRATENWERTH, Schweizerisches Strafrecht, Bes. Teil II, 4. Aufl. 1995, § 56 N. 5; REHBERG, Strafrecht IV, S. 257 f.; SIEBER, Der Begriff des Beamten im Schweizerischen Strafgesetzbuch, ZStR 82/1966, S. 79; SIEBER, Der Begriff des Beamten im Schweizerischen Strafgesetzbuch, Diss. Freiburg 1962, S. 233; REAL, Das Amts- und Berufsgeheimnis, ZöF 69/1972, S. 151). Da der strafrechtliche Begriff des Beamten ein rein funktioneller Begriff sei, mache es keinen Unterschied, ob der Betreffende öffentlich- oder privatrechtlich angestellt, auf Amtszeit oder vorübergehend gewählt und ob er haupt- oder nebenamtlich tätig sei (REHBERG, a.a.O., S. 258). Nach überwiegender Auffassung in der Literatur ist der Vormund kein Beamter im Sinne des Strafgesetzbuches (SCHWANDER, Das Schweizerische Strafgesetzbuch, S. 506 N. 774; SIEBER, Diss., S. 321, 323; REAL, a.a.O., S. 153; SCHULTZ, Persönlichkeitsschutz und Freiheitsrechte im Vormundschaftswesen ..., ZfV 43/1988, S. 121; vgl. auch SCHNYDER/MURER, Berner Kommentar, N. 24, 60 f. zu Art. 360 ZGB; a.M. RIGHETTI, Il funzionario nel diritto penale svizzero, Rep. 94/1961, S. 18). Für den Amtsvormund unterscheidet SCHULTZ nach dessen Beziehungen: Soweit seine Stellung im Gemeinwesen, dem er angehört, in Frage steht, ist er als Beamter anzusehen; sind hingegen seine Beziehungen zu einem seiner Mündel zu beurteilen, erscheint er nicht als Beamter. Die Tatsache, dass die vom Zivilgesetzbuch geregelte Vormundschaft von einem Amtsvormund ausgeübt werde, vermöge sie nicht in eine verwaltungsrechtliche Beziehung zu verwandeln und verleihe dem Amtsvormund gegenüber dem Mündel keine anderen als die vom Zivilgesetzbuch begründeten Befugnisse (SCHULTZ, a.a.O., S. 121 Anm. 1; für Gleichbehandlung von Einzelvormund und Amtsvormund auch REAL, a.a.O., S. 153). Derselben Auffassung ist auch SIEBER, der im blossen Führen von Vormundschaften oder allenfalls auch von Beistandschaften in grösserer Zahl keine Erfüllung öffentlichrechtlicher Aufgaben erblickt (SIEBER, Diss., S. 326 f.).
BGE 121 IV 216 S. 222
c) Die Amtsvormundschaft ist eine im ZGB nicht erwähnte Einrichtung des kantonalen öffentlichen Rechts. Die Rechtsstellung des Amtsvormundes gegenüber dem Mündel ist identisch mit jener des Privatvormundes (SCHNYDER/MURER, Berner Kommentar, N. 50/53 zu Art. 360 ZGB). Der entscheidende Unterschied zwischen Einzel- und Amtsvormund liegt im Rechtsverhältnis des Amtsvormundes zum Gemeinwesen, das vom Kanton oder der Gemeinde zu bestimmen ist. Im Gegensatz zum Einzelvormund ist der Amtsvormund in aller Regel im Verhältnis zum Gemeinwesen Beamter; dies ändert am "privatrechtlichen Gehalt" seines Amtes jedoch nichts. Beiden ist gemeinsam, dass sie in einer öffentlichen Funktion materielles Privatrecht verwirklichen. Gegenüber seinem Schutzbefohlenen sind rechtliche Stellung und Aufgaben des Amtsvormundes genau dieselben wie jene des Einzelvormundes (SCHNYDER/MURER, Berner Kommentar, N. 24, 61/62, 68 und 74 zu Art. 360 ZGB).
d) Nach dem Gesagten ist der private Vormund wegen der Natur seiner Funktion, aber auch aufgrund der Systematik des Gesetzes, welches in Art. 138 Ziff. 2 StGB (Art. 140 Ziff. 2 aStGB) den Vormund und Beistand ausdrücklich neben dem Beamten und dem Mitglied einer Behörde nennt, nicht als Beamter im Sinne des Strafgesetzes zu betrachten. Dies lässt sich jedoch nicht ohne weiteres auf den Amtsvormund übertragen. Der Beschwerdeführer hat als Amtsvormund Vermögenswerte des Verbeiständeten verheimlicht und damit Pflichten über die Inventaraufnahme und Berichterstattung verletzt. Die Inventarpflicht dient nach den Bestimmungen über die Vormundschaft der Schaffung einer Grundlage für die spätere Rechnungsablage und Verantwortlichkeit. Die periodischen Berichte und Rechnungen des Vormunds sind Voraussetzung für die Kontrolle durch die Vormundschaftsbehörde, die überprüft, ob die Amtsführung des Vormunds im persönlichen und vermögensrechtlichen Interesse des Mündels erfolgt (vgl. Art. 423 ZGB). Dieselben Pflichten gelten analog auch für den Beistand (vgl. Art. 367 Abs. 3 ZGB). Die genannten Pflichten betreffen zwar in erster Linie die Beziehungen zum Verbeiständeten. Werden sie vom Amtsvormund ausgeübt, beschränken sie sich indessen nicht darauf, sondern berühren zusätzlich auch seine Stellung zum Gemeinwesen, namentlich seine besondere Treuepflicht und Vertrauenswürdigkeit. So verletzt die Urkundenfälschung im Amt nicht nur das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Echtheit bzw. Wahrheit der Urkunden, sondern auch das besondere Vertrauen, das sie Beamten und Personen öffentlichen Glaubens entgegenbringt (vgl.
BGE 121 IV 216 S. 223
BGE 95 IV 113 E. 2b). Ein solches erhöhtes Vertrauen kommt aufgrund seiner Stellung auch dem Amtsvormund zu. Denn selbst wenn nach der Rechtsprechung der Privatvormund im Volk nicht als Beamter betrachtet wird (BGE 76 IV 150 E. 1), wird doch in der Regel zwischen Amtsvormund und Vormundschaftsbehörde nicht unterschieden. Sodann sind Amtsvormundschaften im Rahmen der öffentlichen Verwaltung professionell organisiert und verfügen über eine besondere Infrastruktur, während der private Vormund meist ohne eine solche auskommen muss und auf sich gestellt ist. Die Stellung des Amtsvormunds erscheint daher als eine besondere, und an seine Verlässlichkeit werden dementsprechend - jedenfalls hinsichtlich der Erstellung von Inventar und Berichten sowie der Rechnungslegung - höhere Anforderungen gestellt. Insofern erscheinen die ihm übertragenen Pflichten als amtlicher Natur. Mit Recht hat daher die erste Instanz erkannt, das Handeln für das Vermögen und die Interessen des Verbeiständeten sei nicht nur Interessenwahrung für eine natürliche Person, sondern bedeute auch Ausübung amtlicher Pflichten und Befugnisse kraft staatlicher Ernennung unter Aufsicht und Mitwirkung der vormundschaftlichen Behörden sowie nach Massgabe öffentlichrechtlicher Bestimmungen. Die Verheimlichung der Edelmetalle durch den Beschwerdeführer stellt somit eine Verletzung von Amtspflichten dar und ist als Falschbeurkundung im Amt im Sinne von Art. 317 Ziff. 1 Abs. 2 aStGB zu beurteilen. Die Beschwerde erweist sich insofern als unbegründet.

4. Der Beschwerdeführer macht weiter geltend, die spätere Alleinerbin und Geschädigte habe um die Existenz des Tresorfaches in St. Gallen und dessen ungefährem Inhalt gewusst. Sie habe daher durch das Verschweigen der Existenz des Tresorfaches gar nicht getäuscht werden können, so dass er sich höchstens im Sinne von Art. 23 StGB des untauglichen Versuchs zu einer Urkundenfälschung im Amte schuldig gemacht habe.
Nach der Rechtsprechung ist Art. 317 StGB - auch in seiner neuen Fassung - erfüllt, wenn der Täter mit dem Willen zur Täuschung im Rechtsverkehr handelt (BGE 100 IV 180 E. 3a). Die Täuschungsabsicht ergibt sich dabei notwendigerweise aus dem Willen des Täters, die Urkunde als wahr zu verwenden (vgl. STRATENWERTH, Schweizerisches Strafrecht, Bes. Teil II., 4. Aufl. 1995, § 36 N. 24, 49). In diesem Sinne hat der Beschwerdeführer, wie die Vorinstanz verbindlich festgestellt hat, mit Täuschungsabsicht gehandelt. Dass eine Person tatsächlich getäuscht wird, ist nicht erforderlich (BGE 113 IV 77 E. 4). Ob die geschädigte Alleinerbin um die
BGE 121 IV 216 S. 224
Existenz der im Tresorfach aufbewahrten Vermögenswerte gewusst hat, ist somit für die Vollendung des Tatbestandes ohne Bedeutung. Die Beschwerde erweist sich auch in diesem Punkt als unbegründet.

5. (Kostenfolgen).

Inhalt

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Erwägungen 1 2 3 4 5

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