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Urteilskopf

87 I 490


78. Auszug aus dem Urteil vom 24. März 1961 i.S. Bank X. gegen Eidg. Bankenkommission.

Regeste

Unterstellung unter das Bankengesetz; Aufhebung wegen Änderung der Verhältnisse.
1. Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde (Erw. I 1, II 1).
2. Zuständigkeit der Bankenkommission (Erw. I 2-6).
3. Voraussetzungen der Unterstellung. Unterscheidung zwischen der Bank und der bankähnlichen Finanzgesellschaft einerseits, der industriellen und kommerziellen Finanzgesellschaft anderseits. Aufhebung der Unterstellung einer Finanzgesellschaft, welche industriellen oder kommerziellen Charakter angenommen hat (Erw. II 2-5).
4. Ist bei der Aufhebung der Unterstellung eine Übergangsordnung zu treffen? (Erw. II 6).

Sachverhalt ab Seite 491

BGE 87 I 490 S. 491

A.- Die Bank X., eine Aktiengesellschaft, wurde im Jahre 1950 gegründet. Ihre Statuten bestimmen in Art. 2:
"Die Gesellschaft bezweckt die Pflege des Immobilien- und Hypothekargeschäftes in der Schweiz, die Anlage und Verwaltung von Kapitalien in allen Formen sowie alle Arten von Bankgeschäften, insbesondere:
a) Annahme von Geldern;
b) Erwerbung von Liegenschaften;
c) Erteilung von Krediten;
d) Diskontierung von Wechseln, Obligationen und Forderungen;
e) Aufbewahrung und Verwaltung von Wertschriften und Wertgegenständen, Vermögensverwaltung, Testamentsvollstreckung;
f) Übernahme und Vermittlung von Anleihen;
g) dauernde oder vorübergehende Beteiligung an Banken oder anderen Unternehmungen.
In Art. 32 der Statuten wurde die Absicht der Aktiengesellschaft festgehalten, von der Kollektivgesellschaft Y. & Co. einige überbaute oder zur Überbauung bestimmte Liegenschaften zu erwerben.
Die eidg. Bankenkommission teilte dem Verwaltungsrat der Bank X. kurz nach deren Gründung mit, dass die Statuten die Bedingungen von Art. 3 Abs. 1 und 2 des BG über die Banken und Sparkassen vom 8. November 1934
BGE 87 I 490 S. 492
erfüllen und die neue Gesellschaft daher als Bank ins Handelsregister eingetragen werden könne.

B.- Die Revisionsstelle, welche die Jahresrechnungen der Bank X. zu prüfen hatte, wies in ihren Berichten wiederholt darauf hin, dass die Bank von Y., dem Hauptaktionär, beherrscht werde und lediglich eine "Kapitalvermittlungsstelle" für die von ihm abhängige Bauunternehmung Y. & Co. sei.
Nachdem die eidg. Bankenkommission vom Revisionsbericht für das Jahr 1959 Kenntnis genommen hatte, hob sie mit Entscheid vom 30. August/8. September 1960 gestützt auf Art. 1 Abs. 1, 2 und 4 sowie Art. 23 Abs. 3 lit. a des Bankengesetzes die Unterstellung der Bank X. unter dieses Gesetz auf und stellte fest, dass infolgedessen nach Art. 1 Abs. 3 desselben Gesetzes die Gesellschaft weder in der Firma noch in der Bezeichnung des Geschäftszweckes noch in Geschäftsreklamen den Ausdruck "Bank" in irgendeiner Wortverbindung verwenden dürfe.
In der Begründung des Entscheides wird ausgeführt, die Bank X. sei, "soweit sie nicht einfach eine Immobiliengesellschaft ist, zum mindesten etwas Analoges wie eine industrielle oder kommerzielle Finanzgesellschaft des Y., bzw. der von ihm beherrschten Gesellschaften".

C.- Die Bank X. erhebt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, diesen Entscheid aufzuheben, ihre Unterstellung unter das Bankengesetz zu bestätigen und ihr weiterhin zu gestatten, sich als Bank zu bezeichnen.
Es wird geltend gemacht, die eidg. Bankenkommission sei gar nicht befugt, die Unterstellung einer Firma unter das Bankengesetz nachträglich aufzuheben. Das Gesetz sehe einen solchen Widerruf nicht vor; er sei unzulässig. Im vorliegenden Falle bestehe auch kein Grund, die Unterstellung aufzuheben. Die Beschwerdeführerin sei nach wie vor eine Bank im Sinne des Gesetzes, wie sich aus ihren Statuten und ihrer Geschäftsführung ergebe.

D.- Die eidg. Bankenkommission schliesst auf Abweisung der Beschwerde.
BGE 87 I 490 S. 493

Erwägungen

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

I. Zuständigkeit der eidg. Bankenkommission.

I.1. In der Beschwerde wird in erster Linie die Befugnis der Bankenkommission zum Erlasse der angefochtenen Entscheidung bestritten mit der Begründung, die Behörde habe damit den ihr im Bankengesetz zugewiesenen Zuständigkeitsbereich überschritten. Dieser Einwand kann nach Art. 24 Abs. 2 BankenG mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde geltend gemacht werden. Er ist vorweg zu prüfen.

I.2. Die Befugnisse der Bankenkommission sind in Art. 23 Abs. 3 BankenG aufgezählt. Lit. a daselbst bestimmt, dass sie die Entscheidungen nach Art. 1 Abs. 4 trifft, und lit. c, dass sie die Feststellungen nach Art. 3 Abs. 3 macht.
Gemäss Art. 1 Abs. 4 entscheidet die Kommission im Zweifel, ob ein Unternehmen dem Gesetz untersteht. Daraus geht klar hervor, dass sie zuständig ist, darüber zu befinden, ob ein Unternehmen, das eben erst gegründet worden ist oder bisher dem Gesetz nicht unterstellt war, ihm untersteht oder nicht. Sie hat nach dieser Bestimmung "im Zweifel" einen förmlichen Entscheid hierüber zu fällen, welcher nach Art. 24 Abs. 1 lit. a BankenG der Verwaltungsgerichtsbeschwerde unterliegt.
Indessen ist die Bankenkommission nicht nur zu solcher Entscheidung im Zweifel zuständig, sondern sie hat in allen Fällen, wo Anlass dazu besteht, die Frage zu prüfen, ob ein Unternehmen, das bisher dem Gesetz nicht unterstellt war, ihm untersteht oder nicht, wenn auch das Ergebnis der Prüfung nach dem Gesetz nicht immer, sondern eben nur im Zweifel in einem eigens diese Frage betreffenden beschwerdefähigen Entscheide festzuhalten ist. In der Tat bestimmt Art. 3 Abs. 3 BankenG, dass bei der Gründung einer Bank oder bei der nachträglichen Umwandlung eines Unternehmens in eine Bank der Bankenkommission
BGE 87 I 490 S. 494
die Gesellschaftsverträge, Statuten und Reglemente zur Prüfung einzureichen sind und die Bank weder ihre Tätigkeit aufnehmen noch ins Handelsregister eingetragen werden darf, bevor die Kommission festgestellt hat, dass die Anforderungen von Art. 3 Abs. 1 und 2 an die innere Organisation einer Bank erfüllt sind. Diese Feststellung der Kommission beruht auf der Voraussetzung, dass die betreffende Firma dem Bankengesetz untersteht; sie enthält zugleich eine Entscheidung über die Vorfrage der Unterstellungspflicht, wenn diese Frage nicht schon Gegenstand einer besonderen Entscheidung nach Art. 1 Abs. 4 BankenG war.
Das Gesetz geht also davon aus, dass überall dort, wo sich die Frage erhebt, ob ein Unternehmen, das ihm bisher nicht unterstellt war, ihm unterstehe oder nicht, die Bankenkommission einen Feststellungsentscheid hierüber zu treffen hat. Die Vollziehungsverordnung vom 26. Februar 1935 sieht denn auch vor, dass die Kommission die zur Abklärung dieser Frage erforderlichen Erhebungen vorzunehmen und ein öffentliches Verzeichnis anzulegen hat, in das die nach dem Ergebnis ihrer Prüfung dem Gesetz unterstehenden Firmen aufzunehmen sind (Art. 1 und 2).
Im vorliegenden Fall hat die Bankenkommission unmittelbar nach der Gründung der Bank X. festgestellt, dass deren Statuten die Bedingungen von Art. 3 Abs. 1 und 2 BankenG erfüllen und dass die Gesellschaft daher als Bank ins Handelsregister eingetragen werden könne. Damit hat die Kommission zugleich entschieden, dass die Beschwerdeführerin dem Bankengesetz unterstellt sei. Diese Entscheidung hat Rechtskraft erlangt, doch hat die Bankenkommission die Unterstellung später, durch den angefochtenen Entscheid, wieder aufgehoben. Es fragt sich, ob die Kommission nach dem Gesetz zu einer solchen Anordnung zuständig ist.

I.3. Der Beschwerdeführerin ist zuzugeben, dass die Bankengesetzgebung - im Gegensatz etwa zur Ordnung des Fabrikwesens (Art. 2 FG und Ausführungsbestimmungen)
BGE 87 I 490 S. 495
und der obligatorischen Versicherung bei der SUVA (Art. 29 ff. Verordnung I über die Unfallversicherung) - nirgends ausdrücklich vorsieht, dass eine rechtskräftig gewordene Unterstellung unter das Gesetz nachträglich wieder aufgehoben werden kann.
Indessen ergibt sich aus dem System des Bankengesetzes, dass dies unter bestimmten Voraussetzungen zulässig sein muss. Das Gesetz umschreibt in Art. 1 Abs. 1 und 2 einerseits die Arten des Betriebes, welche die Unterstellung eines Unternehmens des Finanzgewerbes begründen, und anderseits diejenigen, welche die Unterstellung ausschliessen. Danach muss jedenfalls dann, wenn ein Unternehmen von der einen zur anderen Kategorie übergeht, auch die Lösung der Frage der Unterstellungspflicht sich ändern. Das bestätigt Art. 3 Abs. 3 BankenG für den Fall, wo ein Unternehmen, das bisher keine Bank war, sich in eine solche umwandelt: Es wird dem Gesetz, dem es bisher nicht unterstand, infolge dieser Änderung unterstellt. Ebenso fällt die Unterstellung eines Unternehmens dahin, wenn es den Charakter einer Bank, der seine Unterstellung zur Folge hatte, verliert. In diesem Sinne hat sich das Bundegericht bereits in BGE 62 I 278 (unten) ausgesprochen.
Der Wortlaut von Art. 1 Abs. 4 BankenG steht dieser Auffassung nicht entgegen. Er ist nicht auf den Fall beschränkt, wo sich fragt, ob eine Unternehmung, die bisher dem Gesetz nicht unterstellt war, ihm zu unterstellen sei. Vielmehr sagt die Bestimmung allgemein, dass die Bankenkommission im Zweifel zu entscheiden hat, "ob ein Unternehmen diesem Gesetz untersteht". Diese weite Fassung ist entsprechend dem System des Gesetzes so zu verstehen, dass darunter auch die Entscheidung über die zu Zweifeln Anlass gebende Frage fällt, ob ein Unternehmen, das dem Gesetz unterstellt worden ist, seinen Charakter derart gewandelt hat, dass seine Unterstellung nicht mehr gerechtfertigt und daher als hinfällig zu erklären ist. Damit ist auch festgestellt, dass für diese
BGE 87 I 490 S. 496
Entscheidung ebenfalls die Bankenkommission zuständig ist.

I.4. Die Beschwerdeführerin wendet ein, die Zulassung der nachträglichen Aufhebung einer rechtskräftigen Unterstellung unter das Gesetz hätte eine Rechtsungleichheit zur Folge, weil die Bankenkommission nur in vereinzelten Fällen, bei Missständen, den Revisionsbericht erhalte (Art. 23 Abs. 3 BankenG) und ihr daher meistens die Art der Geschäftsführung der Banken nicht näher bekannt sei.
Dieser Einwand hält nicht stand. Die Bankenkommission überprüft den Betrieb aller dem Gesetz unterstellten Unternehmen auf Grund der ihr zur Verfügung stehenden Unterlagen, insbesondere der Jahresrechnungen, die veröffentlicht werden müssen (Art. 24 Vollziehungsverordnung); findet sie, dass ein Anlass dazu besteht, so verlangt sie den Revisionsbericht ein (Art. 23 Abs. 3 lit. i BankenG), und wo sie feststellt, dass das Unternehmen nicht mehr eine Bank ist, hebt sie die Unterstellung auf.

I.5. Ferner macht die Beschwerdeführerin geltend, die nachträgliche Aufhebung einer rechtskräftigen Unterstellung unter das Bankengesetz sei auch aus Gründen der Rechtssicherheit nicht zulässig; das Vertrauen in das schweizerische Bankwesen würde erschüttert, wenn die Bankgläubiger und auch die "Bankgesellschafter" auf die durch die Unterstellung eines Unternehmens unter das Bankengesetz begründete Rechtslage nicht bauen könnten, des besonderen Schutzes, den ihnen dieses Gesetz gewähre, von einem Tag auf den anderen beraubt würden.
Aber die Rechtskraft einer Entscheidung, welche feststellt, das ein Unternehmen dem Bankengesetz untersteht, kann der Behörde jedenfalls dann, wenn die tatsächlichen Verhältnisse sich derart gewandelt haben, dass die Unterstellung nicht mehr gerechtfertigt ist, grundsätzlich nicht entgegengehalten werden. Allerdings besteht unter Umständen die Gefahr, dass durch Aufhebung der Unterstellung
BGE 87 I 490 S. 497
Geldgeber den besonderen Schutz verlieren, den ihnen das Bankengesetz bisher gewährte. Ihr ist allenfalls durch Anordnung geeigneter Übergangsmassnahmen zu begegnen. Sie kann aber kein Grund sein, eine Unterstellung, die nach den bestehenden tatsächlichen Verhältnissen nicht mehr begründet ist, entgegen dem System des Gesetzes aufrecht zu erhalten.

I.6. Die Beschwerdeführerin ist einzig auf Grund ihrer Statuten, noch vor Aufnahme ihrer Geschäftstätigkeit, dem Bankengesetz unterstellt worden. Dagegen stützt sich der angefochtene Entscheid nicht auf ihre Statuten, sondern auf die Art ihrer Geschäftsführung, wie sie sich insbesondere aus dem Revisionsbericht für das Jahr 1959 ergibt. Er stellt auf die seit der Unterstellung eingetretene Entwicklung der Verhältnisse ab und schliesst daraus, dass die Unterstellung der Beschwerdeführerin nicht mehr begründet ist. In einem solchen Fall ist aber die Bankenkommission, wie oben ausgeführt wurde, nach Art. 1 Abs. 4 BankenG zuständig, die Unterstellung als hinfällig zu erklären.

II.1. Materielle Beurteilung.
Die Beschwerdeführerin bestreitet sodann, dass der angefochtene Entscheid in der Sache selbst gesetzmässig sei. Auch dieser Einwand kann mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde vorgebracht werden. Art. 24 Abs. 1 lit. a BankenG lässt dieses Rechtsmittel allgemein zu gegen Entscheidungen der Bankenkommission über die Unterstellung einer Firma unter das Gesetz. Diese Bestimmung ist gleich wie Art. 23 Abs. 3 lit. a als Hinweis auf Art. 1 Abs. 4 zu verstehen. Unter sie fallen auch Entscheide der Bankenkommission über die Frage, ob ein Unternehmen, das dem Bankengesetz bisher unterstellt war, ihm weiterhin untersteht oder nicht. Das Bundesgericht hat daher diese Frage hier zu überprüfen.

II.2. Nach Art. 1 Abs. 1 BankenG unterstehen diesem
BGE 87 I 490 S. 498
Gesetz die Banken, Privatbankiers und Sparkassen sowie diejenigen bankähnlichen Finanzgesellschaften, die sich öffentlich zur Annahme fremder Gelder empfehlen (Satz 1); alle diese Unternehmen gelten als Banken im Sinne des Gesetzes (Satz 2). Nach Art. 1 Abs. 2 sind dem Gesetz insbesondere nicht unterstellt: a) bankähnliche Finanzgesellschaften, die sich nicht öffentlich zur Annahme fremder Gelder empfehlen, unter Vorbehalt der Art. 7 und 8 (Verhältnis zur Nationalbank); b) industrielle und kommerzielle Finanzgesellschaften, auch wenn sie sich öffentlich zur Annahme fremder Gelder empfehlen.
Ob ein Unternehmen sich selbst als Bank bezeichnet oder nicht, ist für die Beurteilung der Frage der Unterstellungspflicht unerheblich. Das Bankengesetz stellt in Art. 1 Abs. 1 und 2 nicht auf die Bezeichnung, sondern auf die Art der Tätigkeit des Unternehmens ab. Wenn ein Unternehmen danach dem Gesetz nicht untersteht, so darf es, wie Art. 1 Abs. 3 ausdrücklich bestimmt, weder in der Firma noch in der Umschreibung des Geschäftszweckes noch in Geschäftsreklamen den Ausdruck "Bank" oder "Bankier" in irgendeiner Wortverbindung verwenden. Die in der Botschaft des Bundesrates vom 2. Februar 1934 geäusserte Auffassung, dass der Name "Bank" oder "Bankier" zur Unterstellung unter das Gesetz genüge (BBl 1934 I S. 183), steht nicht im Einklang mit dieser - im wesentlichen schon im Entwurf des Bundesrates vorgesehenen - Ordnung. Diese Bezeichnungen und die damit verbundenen Vorteile im Verkehr mit dem Publikum sind den Unternehmen vorbehalten, welche die in Art. 1 Abs. 1 und 2 BankenG umschriebenen Voraussetzungen der Unterstellung erfüllen.

II.3. Die Bank im engeren Sinne (Art. 1 Abs. 1 Satz 1 BankenG) besitzt Räumlichkeiten, die dem Publikum geöffnet sind; im allgemeinen verfügt sie über Schalter, an denen sie Geschäfte mit ihren Kunden abwickelt. Schon diese Einrichtungen und die von ihr gewählte Geschäftsfirma
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veranlassen in der Regel das Publikum, ihr Gelder anzuvertrauen, so dass sie vielfach keine anderen Massnahmen zu treffen braucht, um fremde Gelder zu erhalten. Darin unterscheidet sie sich von der bankähnlichen Finanzgesellschaft, die ihre Bereitschaft, solche Gelder entgegenzunehmen, dem Publikum auf andere Weise - durch Zeitungsinserate, Rundschreiben oder sonstige Auskündigung (Art. 3 Vollziehungsverordnung) - zu erkennen gibt. Im allgemeinen ist die Tätigkeit der eigentlichen Bank auch mannigfaltiger als diejenige der bankähnlichen Finanzgesellschaft.
Das Bankengesetz ist - unter Vorbehalt der Art. 7 und 8, auf die Art. 1 Abs. 2 lit. a verweist - auf Finanzgesellschaften nur anwendbar, wenn sie ihre Absicht, fremde Gelder anzunehmen, dem Publikum auf irgendeine Weise bekunden, sei es nach Art der Banken, sei es sonstwie. Indessen genügt es für die Unterstellung unter das Gesetz nicht, dass diese Voraussetzung erfüllt ist; schliesst doch Art. 1 Abs. 2 lit. b BankenG industrielle und kommerzielle Finanzgesellschaften von der Unterstellung aus, auch wenn sie sich öffentlich zur Annahme fremder Gelder empfehlen. Es kommt ausserdem darauf an, ob die Finanzgesellschaft industriellen oder kommerziellen oder aber Bankcharakter hat, wie sich aus Art. 1 Abs. 1 und 2 des Gesetzes ergibt.

II.4. Die Banken und die bankähnlichen Finanzgesellschaften, die sich öffentlich zur Annahme fremder Gelder empfehlen, auf der einen Seite und die industriellen und kommerziellen Finanzgesellschaften, welche dies ebenfalls tun, auf der anderen Seite haben miteinander gemein, dass sie in verschiedenen Formen fremde Gelder entgegennehmen und Dritten zwecks Erzielung eines Gewinns, der in der Differenz zwischen den Aktiv- und den Passivzinsen besteht, wieder ausleihen. Sie unterscheiden sich voneinander in der Art der Beziehungen zu ihren Schuldnern. Dieser Unterschied ist für die Anwendung von Art. 1
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Abs. 1 und Abs. 2 lit. b BankenG massgeblich (BGE 62 I 37, 273 Erw. 2 und 3).
Die Bank und die bankähnliche Finanzgesellschaft legen die Gelder, die sie vom Publikum erhalten, zu vorteilhaften Bedingungen irgendwo an. Sie berücksichtigen grundsätzlich alle Kreditsuchenden, die ihnen solche Bedingungen bieten. Wenn sie die Kreditgewährung auf bestimmte Wirtschaftszweige (Elektrizitätswirtschaft, Transportwesen usw.) beschränken, sind sie doch bereit, mit allen Kreditsuchenden des betreffenden Wirtschaftszweiges in Verbindung zu treten. Sie nehmen darauf Bedacht, die Risiken zu verteilen.
Die industrielle oder kommerzielle Finanzgesellschaft verfolgt gegenüber ihren Schuldnern andere Ziele. Sie kann wesentliche Beteiligungen an den industriellen oder kommerziellen Unternehmungen ihrer Schuldner besitzen, so dass sie diese Unternehmungen beherrscht oder kontrolliert; insbesondere kann sie als Dach- oder Holdinggesellschaft an der Spitze eines Konzerns stehen. Sie kann auch ihrerseits von einer industriellen oder kommerziellen Unternehmung beherrscht oder einem Konzern eingegliedert sein, wobei ihre hauptsächliche Aufgabe darin besteht, den Unternehmungen, mit denen sie so verbunden ist, finanzielle Mittel zur Verfügung zu stellen. In allen diesen Fällen handelt es sich nicht um Geldverleih an unbestimmt viele, wie ihn eine Bank betreibt, sondern um Finanzierung einer bestimmten Unternehmung oder eines geschlossenen Kreises von Unternehmungen industriellen oder kommerziellen Charakters, mit den besonderen Vorteilen und Risiken, die sich daraus ergeben können.
Indessen gibt es auch Finanzgesellschaften gemischten Charakters, welche sich einerseits mit den Finanzgeschäften eines solchen beschränkten Kreises befassen und anderseits bankgewerbliche Geschäfte betreiben, insbesondere einen Teil ihrer Mittel für bankmässige Geldanlagen verwenden. Die Bankenkommission hat im Jahre 1935 in zwei (nicht
BGE 87 I 490 S. 501
durch Urteil erledigten) Streitigkeiten vor Bundesgericht die Auffassung vertreten, dass in solchen Fällen die Unterstellung unter das Bankengesetz immer begründet sei, selbst dann, wenn die Finanzgesellschaft sich nur in einem sehr beschränkten Umfange mit bankmässigen Geschäften abgibt. Inzwischen hat sie jedoch diesen Standpunkt aufgegeben. Mit Recht. Das Bankengesetz erfasst nur die Unternehmungen des Bankgewerbes, dagegen nicht die industriellen und kommerziellen Unternehmungen, insbesondere nicht die mit ihnen konzernmässig verbundenen Finanzgesellschaften, die ausschliesslich oder in der Hauptsache den Zweck verfolgen, ihnen Publikumsgelder zu verschaffen. Daher ist bei der Entscheidung über die Unterstellung von Finanzgesellschaften gemischter Art jedenfalls dann, wenn einer der Charaktere, der bankmässige oder aber der industrielle oder kommerzielle, deutlich überwiegt, auf ihn abzustellen und der andere, der nur untergeordnete Bedeutung hat oder lediglich den wahren Charakter des Betriebes verdeckt, nicht zu berücksichtigen. Diese Auslegung steht im Einklang mit Art. 1 Abs. 2 lit. c und d BankenG, wonach Börsenfirmen sowie Vermögensverwalter, Notare und Geschäftsagenten, die "keinen eigentlichen Bankbetrieb führen", sondern sich auf den Wertpapierhandel und die damit unmittelbar zusammenhängenden Geschäfte bzw. auf die Verwaltung der Gelder ihrer Kunden beschränken, dem Gesetz nicht unterstellt sind.

II.5. a) - b) (Prüfung des Charakters der Geschäftstätigkeit der Beschwerdeführerin auf Grund der Jahresrechnung 1959).
c) Die vorstehenden Feststellungen führen zum Schluss, dass im Betriebe der Beschwerdeführerin die Finanzierung der Bautätigkeit des Hauptaktionärs und der von ihm beherrschten anderen Gesellschaften gegenüber den bankmässigen Geschäften deutlich überwiegt. Daher ist die Beschwerdeführerin keine Bank oder bankähnliche Finanzgesellschaft
BGE 87 I 490 S. 502
im Sinne des Art. 1 BankenG. Sie untersteht diesem Gesetz nicht, obwohl sie sich öffentlich zur Annahme fremder Gelder empfiehlt. Sie ist gleich zu behandeln wie die industriellen und kommerziellen Finanzgesellschaften, welche Art. 1 Abs. 2 lit. b BankenG von der Unterstellung ausnimmt. Dass Y. weder eine Industrie noch einen Handel, sondern das Baugewerbe betreibt, ist unerheblich. Die Aufzählung der Ausnahmen in Art. 1 Abs. 2 BankenG ist nicht abschliessend, wie aus dem Wort "insbesondere" klar hervorgeht. Entscheidend ist, dass die Finanzierung der Bautätigkeit des Y., worauf die Beschwerdeführerin sich im wesentlichen beschränkt, nicht bankmässigen Charakter hat.
Deshalb ist grundsätzlich nicht zu beanstanden, dass die Bankenkommission im angefochtenen Entscheide die Unterstellung der Beschwerdeführerin unter das Bankengesetz als hinfällig erklärt hat.

II.6. Die Bankenkommission hat in ihrem Entscheid keine Anordnungen über die Art und Weise des Übergangs von der Unterstellung zu deren Wegfall getroffen. Wenn sie dabei von der Annahme ausgegangen ist, dass das Bankengesetz keine Grundlage für solche Anordnungen biete und daher der Wegfall der nicht mehr begründeten Unterstellung unter allen Umständen von einem Tag auf den anderen einzutreten habe, so kann ihrer Auffassung nicht zugestimmt werden.
Allerdings fehlen gesetzliche Bestimmungen über die Modalitäten des Übergangs. Daraus darf jedoch nicht gefolgert werden, dass die Festlegung einer Übergangsordnung im einzelnen Fall schlechthin ausgeschlossen ist. Im Gegenteil ergibt sich aus dem System des Gesetzes, dass eine solche Ordnung vorzusehen ist, wenn und soweit sie im Hinblick auf den Grundsatz der Rechtssicherheit nach den bestehenden Umständen zur Wahrung schutzwürdiger Interessen geboten ist.
Namentlich ist nach Möglichkeit darauf Bedacht zu
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nehmen, dass die Gläubiger, welche einem Finanzinstitut im Vertrauen auf dessen Unterstellung unter das Bankengesetz Gelder anvertraut haben, den besonderen Schutz, den ihnen das Gesetz bisher dank der Unterstellung gewährt hat, infolge der Aufhebung der Unterstellung nicht unvermittelt verlieren, wenn sie ihn weiterhin nötig haben (vgl. BGE 62 I 278 unten). Sodann kann es unter Umständen erforderlich sein, auch den Interessen des bisher dem Bankengesetz unterstellten Unternehmens in angemessener Weise Rechnung zu tragen. Das Gesetz berücksichtigt diese Interessen ebenfalls, so durch die Anordnung, dass für die Durchführung bestimmter Massnahmen, welche auf die Behebung regelwidriger Zustände abzielen, angemessene Fristen einzuräumen sind (Art. 13 Abs. 2, Art. 21 Abs. 3, Art. 23 Abs. 3 lit. 1). Wenn die Unterstellung ohne Übergang dahinfällt, kann es zu ungerechtfertigten massenhaften Geldabhebungen kommen, welche die Existenz des Unternehmens gefährden. Dies sollte im Interesse aller Beteiligten soweit möglich vermieden werden.
Im vorliegenden Fall kann nicht mit Grund eingewendet werden, die Beschwerdeführerin habe durch Verwendung der unzutreffenden Bezeichnung "Bank" das Publikum irregeführt und verdiene deshalb bei der Aufhebung der Unterstellung unter das Bankengesetz keine Schonung. Es war nicht von vornherein klar, dass die Unterstellung nicht aufrecht erhalten werden kann; vielmehr bestanden in dieser Hinsicht Zweifel.
Die Frage der Übergangsordnung ist daher noch zu prüfen, bevor die Aufhebung der Unterstellung der Beschwerdeführerin unter das Gesetz wirksam wird. Es ist Sache der mit dem Bankwesen vertrauten Bankenkommission, hierüber zu befinden. Sie wird in Würdigung aller Umstände untersuchen, ob und, wenn ja, welche Übergangsmassnahmen zu treffen sind; gegebenenfalls wird sie das Erforderliche anordnen. In diesem Sinne ist ein Vorbehalt an die Abweisung der Beschwerde zu knüpfen.
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Dispositiv

Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird im Sinne der Erwägungen abgewiesen.

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Sachverhalt

Dispositiv

Referenzen

Artikel: Art. 2 FG