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Urteilskopf

125 V 80


12. Urteil vom 12. März 1999 i.S. Visana gegen Eidg. Departement des Innern

Regeste

Art. 13 Abs. 3 KVG: Entzug der Bewilligung zur Durchführung der sozialen Krankenversicherung in acht Kantonen auf Ersuchen der Krankenkasse.
- Der Bewilligungsentzug umfasst neben der obligatorischen Krankenpflegeversicherung zwangsläufig auch die freiwillige Taggeldversicherung gemäss Art. 67 ff. KVG.
- Wird die Bewilligung auf Ersuchen der Krankenkasse entzogen, entspricht es dem Regelungsziel von Art. 13 Abs. 3 KVG, dass der Versicherer für eine bestimmte Zeit von der Durchführung der obligatorischen Krankenpflegeversicherung ausgeschlossen werden kann. Im vorliegenden Fall wurde die vom Eidg. Departement des Innern verfügte Dauer des Bewilligungsentzuges (zehn Jahre) als bundesrechtskonform erachtet.
Art. 60 Abs. 1 KVG; Art. 78 Abs. 4 KVV: Reserveverwendung bei Rückzug von der Durchführung der sozialen Krankenversicherung. Es besteht keine gesetzliche Grundlage für eine Verpflichtung der Krankenkasse, für alle vom Entzug der Bewilligung betroffenen Versicherten den Betrag, der den gesetzlichen Reserven gemäss Art. 78 Abs. 4 KVV entspricht (15% des jeweiligen kantonalen Prämiensolls per Ende 1998), an die Gemeinsame Einrichtung KVG zu bezahlen. Die Auffassung, die Kasse müsse jedem (erzwungenermassen) austretenden Versicherten eine Reserve mitgeben, widerspricht den Grundsätzen des Umlageverfahrens; denn es werden für und bezogen auf die einzelnen Versicherten keine Reserven gebildet.
Art. 110 Abs. 1 OG: Ausdehnung des Schriftenwechsels auf andere Beteiligte. Abweisung des Gesuchs von drei Krankenkassen und der vom Bewilligungsentzug betroffenen Kantone um Beiladung, da eine Rückwirkung des Urteils auf die Rechtsbeziehungen zwischen Parteien und Gesuchstellern nicht in Frage steht.

Sachverhalt ab Seite 82

BGE 125 V 80 S. 82

A.- Nach Kontakten mit dem Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) im Frühsommer 1998 fasste der Stiftungsrat der Krankenkasse Visana (nachfolgend: Visana) an seiner Sitzung vom 30. Juli 1998 den Beschluss, sich in den acht Kantonen Appenzell I.Rh., Appenzell A.Rh., Genf, Glarus, Graubünden, Jura, Neuenburg und Thurgau aus der obligatorischen Krankenpflegeversicherung zurückzuziehen. Am 26. August 1998 reichte die Visana zusammen mit den Prämientarifen für 1999 dem BSV das schriftliche "Gesuch um Bewilligung der Sistierung der Durchführung der obligatorischen Krankenpflegeversicherung" in den erwähnten Kantonen ein. Zwecks Gewährung des rechtlichen Gehörs beraumte das BSV mit Schreiben vom 26. August 1998 eine Besprechung mit der Visana auf den 3. September 1998 an. Am 16. September 1998 verfügte das Eidg. Departement des Innern (EDI) den Entzug der Bewilligung der Visana "für die Durchführung der sozialen Krankenversicherung nach Art. 1 Abs. 1 KVG" in den acht Kantonen "per 31. Dezember 1998", wobei das Dispositiv im Einzelnen Folgendes anordnete:
1. Bewilligungsentzug
1.1 Entzug der Bewilligung der Stiftung Visana per 31. Dezember 1998 zur Durchführung der sozialen Krankenversicherung gemäss Art. 1 Abs. 1 KVG in den acht Kantonen.
1.2 Feststellung, dass in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung das Versicherungsverhältnis der betroffenen Versicherungspflichtigen mit dem Bewilligungsentzug per 31. Dezember 1998 endet.
1.3 In der freiwilligen Taggeldversicherung (nach Art. 67 ff. KVG) beschränkt sich der Bewilligungsentzug auf Einzelversicherte mit Wohnsitz in einem der acht Kantone; gegenüber Kollektivversicherten gilt der Bewilligungsentzug, sofern einer der acht Kantone "Standortkanton des Vertragsnehmers" ist.
2. Auflagen
2.1 Keine Bewilligungserteilung an die Visana zur Durchführung der sozialen Krankenversicherung gemäss Art. 1 Abs. 1 KVG vor dem 1. Januar 2009 in den acht Kantonen.
BGE 125 V 80 S. 83
2.2 Verpflichtung der Visana, für alle vom Bewilligungsentzug betroffenen Versicherten (massgeblicher Bestand: 31. Dezember 1998) denjenigen Betrag an die Gemeinsame Einrichtung KVG zu bezahlen, der den gesetzlichen Reserven gemäss Art. 78 Abs. 4 KVV per 31. Dezember 1998 entspricht, somit 15% des jeweiligen kantonalen Prämiensolls, fällig am 15. Januar 1999; Weisung an die Gemeinsame Einrichtung KVG bezüglich Verwendung dieses Betrages.
2.3 Anpassung aller Bestimmungen über das Tätigkeitsgebiet durch die Visana per 1. Januar 1999 in sämtlichen betroffenen Erlassen, Einreichung der geänderten Bestimmungen bis zum 31. Oktober 1998.
2.4 Jederzeitige Gewährleistung der Versichertenrechte durch die Visana (namentlich Recht auf freie Wahl des Versicherers) und individuelle Information aller betroffenen Versicherten; ausdrückliches Verbot, im Rahmen dieses Rückzuges bis am 31. Dezember 1998 direkt oder indirekt Versicherte gemäss Ziff. 1.1 anderen Versicherern zu vermitteln.
2.5 Verpflichtung der Visana, aus der freiwilligen Taggeldversicherung ausscheidende Versicherte über ihr Recht auf Freizügigkeit oder - im Falle der Kollektivversicherten - über ihr Recht auf Übertritt in die Einzelversicherung aufzuklären.
2.6 Verpflichtung der Visana, sämtliche Informationsmittel an die betroffenen Versicherten der Aufsichtsbehörde vor deren Einsatz zur Prüfung zuzustellen. Zurverfügungstellung der Publikationswege der Visana für die direkte und persönliche Information der betroffenen Versicherten durch die Aufsichtsbehörde.
2.7 Verpflichtung der Visana, die korrekte Abwicklung des Rückzuges einschliesslich Berechnung der Reservezahlungen durch eine qualifizierte Revisionsstelle in näher umschriebener Weise auf eigene Kosten mit Pflicht zur Zwischenberichterstattung per 30. November 1998 überprüfen zu lassen.
2.8 Verpflichtung der Visana, für vor dem 1. Januar 1999 erfolgte Behandlungen aus eigenen Rückstellungen nach Massgabe der bundesrechtlichen Vorschriften zu Gunsten der Versicherten zu leisten.
2.9 Verpflichtung der Visana, Leistungen an Versicherte zu erbringen, die mangels Erfassung durch die Beitrittskontrolle noch nicht einem neuen Versicherer zugewiesen werden konnten.
2.10 Verpflichtung der Visana, die für die Beitrittskontrolle per 1. Januar 1999 notwendigen Versichertendaten der Aufsichtsbehörde und den mit der Einhaltung der Beitrittskontrolle betrauten kantonalen Stellen zur Verfügung zu stellen.
3. Aufschiebende Wirkung einer allfälligen Verwaltungsgerichtsbeschwerde
3.1 "Die aufschiebende Wirkung einer eventuellen Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Eidgenössische Versicherungsgericht sollte sich gestützt auf Art. 111 in Verbindung mit Art. 132 OG auf die vorstehende Ziff. 2.2 des Dispositivs beschränken."
BGE 125 V 80 S. 84

B.- Die Visana führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Rechtsbegehren um Aufhebung der Ziffern 1.3 (Weiterführung der freiwilligen Taggeldversicherung in einer geschlossenen Abteilung zu gestatten), 2.1, 2.2, 2.3 (soweit die freiwillige Taggeldversicherung betreffend), 2.4, 2.5, 2.6 (eventualiter mit der Präzisierung, dass nur die Zeitschrift "Forum" bis 31. Dezember 1998 kostenlos zur Verfügung zu stellen sei), 2.7 (eventualiter mit der Präzisierung, dass im Falle der Abweisung des Antrages zu Auflage 2.2 die Revision durch die Firma X im Rahmen der ordentlichen Jahresrevision durchzuführen sei), 2.9 und 2.10 (soweit die freiwillige Taggeldversicherung betreffend).
Ferner ersuchte sie um Gewährung der aufschiebenden Wirkung mit Bezug auf Ziff. 1.3 der Verfügung sowie für verschiedene Auflagen.
Mit Verfügung vom 2. Dezember 1998 stellte der Präsident des Eidg. Versicherungsgerichts fest, dass die Verwaltungsgerichtsbeschwerde aufschiebende Wirkung habe, soweit sie sich gegen Dispositiv-Ziff. 2.2 der angefochtenen Departementsverfügung richtet und erteilte der Verwaltungsgerichtsbeschwerde aufschiebende Wirkung, soweit sie sich gegen Dispositiv-Ziff. 1.1 und 1.3 sowie 2.3 der Departementsverfügung betreffend die freiwillige Taggeldversicherung nach Art. 67 KVG richtet. Soweit weiter gehend, wies er das Gesuch um Gewährung der aufschiebenden Wirkung ab.
Nach Erlass dieser Verfügung zur materiellen Stellungnahme aufgefordert, liess sich das EDI am 22. Dezember 1998 mit dem Antrag auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde vernehmen.

C.- Auf die Vorbringen der Parteien und die Beiladungsgesuche der Krankenkassen CSS Versicherung, SWICA Gesundheitsorganisation und Helsana Versicherungen AG (aus dem am 2. Dezember 1998 beurteilten Verfahren [BGE 124 V 393 ]) und der acht Kantone gemäss dem nachträglich eingegangenen Schreiben vom 11. Januar 1999 wird, soweit erforderlich, in den Erwägungen Bezug genommen.

Erwägungen

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1. (Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde).

2. (Beschwerdelegitimation).

3. a) Wie aus der Präsidialverfügung vom 2. Dezember 1998 hervorgeht, liegen im Streit
- der vom EDI verfügte Entzug der Bewilligung zur Durchführung der freiwilligen Taggeldversicherung ab 1. Januar 1999 und
BGE 125 V 80 S. 85
- die getroffenen Auflagen gemäss Ziff. 2.1, 2.2, 2.3 (soweit die freiwillige Taggeldversicherung betreffend), 2.4, 2.5, 2.6 (eventualiter mit der Präzisierung, dass nur die Zeitschrift "Forum" bis 31. Dezember 1998 kostenlos zur Verfügung zu stellen sei), 2.7 (eventualiter mit der Präzisierung, dass im Falle der Abweisung des Antrages zur Auflage 2.2 die Revision durch die Firma X im Rahmen der ordentlichen Jahresrevision durchzuführen sei), 2.9 und 2.10 (soweit die freiwillige Taggeldversicherung betreffend).
b) Diese im Streit liegenden verfügten Punkte des Bewilligungsentzuges, an welchen das EDI gemäss seiner Vernehmlassung nach wie vor festhält, sind nachfolgend auf ihre Bundesrechtsmässigkeit, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, zu prüfen (Art. 104 lit. a OG). Soweit sich Sachfragen stellen, ist das Eidg. Versicherungsgericht zur Prüfung der Sachverhaltsfeststellung befugt, weil das Departement keine gerichtliche Vorinstanz ist. Hingegen scheidet eine gerichtliche Prüfung der getroffenen Anordnungen auf ihre Angemessenheit hin (zum Unterschied gegenüber der Prüfung auf Ermessensmissbrauch oder -überschreitung siehe BGE 114 V 316 Erw. 5a und BGE 116 V 310 Erw. 2 im Vergleich zu BGE 110 V 365 Erw. 3b) aus, weil es hier nicht um die Bewilligung oder Verweigerung von Versicherungsleistungen geht (Art. 132 OG). Schliesslich ist das Eidg. Versicherungsgericht an die Anträge der Beschwerdeführerin gebunden, kann also insbesondere nicht zu ihrem Nachteil über sie hinausgehen. Das betrifft namentlich die Pflicht zur Ablieferung der in Ziff. 2.2 der Verfügung angeordneten 15% des jeweiligen kantonalen Prämiensolls, handelt es sich doch hiebei nicht um Abgaben im Sinne von Art. 114 Abs. 1 OG.

4. Zu prüfen ist zunächst, ob das EDI zu Recht den Bewilligungsentzug auf die freiwillige Taggeldversicherung nach den Art. 67-77 KVG erstreckt hat (Dispositiv-Ziff. 1.3 der Departementsverfügung).
a) Schon in der angefochtenen Verfügung hat das EDI Dispositiv-Ziff. 1.3 damit begründet, die Bewilligungserteilung nach Art. 13 Abs. 1 KVG beziehe sich auf die Durchführung der obligatorischen Krankenpflegeversicherung und der freiwilligen Taggeldversicherung nach den Art. 67-77 KVG, weil diese beiden Versicherungssparten gemäss Art. 1 Abs. 1 KVG zusammen die soziale Krankenversicherung bildeten. Die gleiche Betrachtungsweise habe folgerichtig auch beim Bewilligungsentzug nach Art. 13 Abs. 3 KVG zu gelten. In der Vernehmlassung zur aufschiebenden Wirkung wird dies mit dem Hinweis verdeutlicht, die freiwillige Taggeldversicherung sei ein "unabdingbarer
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Bestandteil der sozialen Krankenversicherung", würden doch beide Versicherungsarten "nach dem klaren Wortlaut von Art. 1 KVG eine Einheit bilden"; eine Aufsplitterung des Bewilligungsentzuges auf einzelne Bestandteile der sozialen Krankenversicherung sei gesetzlich nicht vorgesehen, dies im Unterschied zu einer gebietsweisen Beschränkung der Tätigkeit auf einzelne Kantone, wie dies etwa Art. 4 Abs. 2 KVG regle. In der materiellen Vernehmlassung begründet das Departement diese "einheitliche Behandlung der Tätigkeiten" damit, dass "Rosinen picken" verhindert werden soll. So könnte etwa durch den Abschluss von Kollektiv-Taggeldverträgen mit Arbeitgebern ein andauernder Neuzugang an Zusatzversicherten sichergestellt werden. Diese Möglichkeit sei im Geschäftsbereich der obligatorischen Krankenpflegeversicherung infolge des Kollektivvertragsverbotes nicht gegeben. Dass die beiden Versicherungen bei verschiedenen Anbietern abgeschlossen werden können, vermöge hieran nichts zu ändern. Auch diese seien gehalten, beide zur sozialen Krankenversicherung gehörenden Versicherungsarten anzubieten, und verpflichtet, Gesuchsteller aufzunehmen. Die Fortführung des Versichertenbestandes in einer geschlossenen Abteilung habe "zwei gravierende Nachteile": Zum einen wäre der Anspruch auf Freizügigkeit zu einem späteren Zeitpunkt nicht geregelt; zum andern würden in der geschlossenen Abteilung mit der Zeit infolge Nichterneuerung des Versichertenbestandes und des damit verbundenen Risikoanstiegs die Prämien ansteigen.
b) Die Beschwerdeführerin wendet hiegegen ein, die freiwillige Taggeldversicherung müsse nicht zwingend (und auch nicht beim gleichen Versicherer) abgeschlossen werden, wie dies bei der obligatorischen Krankenversicherung der Fall sei (Art. 67 Abs. 1 und 2 KVG); nach Art. 68 Abs. 2 KVG würden auch Versicherer anerkannt, die nur die freiwillige Taggeldversicherung anbieten. Im Weitern hätten zwar Personen, welche die Taggeldversicherung wechseln wollten, dem neuen Versicherer gegenüber einen Anspruch auf die Weiterführung der bisherigen Versicherungsdeckung. Es sei aber nicht zu verkennen, dass die neuen Versicherer erfahrungsgemäss die Taggeldversicherung nur mit einem tiefen maximalen Taggeld anbieten und für höhere Leistungen auf die Zusatzversicherung verweisen würden, wo die Prämien risikogerecht abgestuft und Ausschlüsse angebracht werden könnten, womit Art. 70 Abs. 4 KVG unterlaufen würde. Für ein zwingendes Zusammengehören beider Versicherungssparten gebe es keine gesetzliche Grundlage. Dies sei auch
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sachlich nicht nötig und entspreche nicht den mit der freiwilligen Taggeldversicherung nach KVG verbundenen legislatorischen Absichten (Recht auf Abschluss der Versicherung, zeitliche Beschränkung von Vorbehalten). Die Weiterführung des bisherigen Taggeldversichertenbestandes in geschlossener Abteilung, d.h. ohne Neuaufnahmen, diene dem Schutz dieser versicherten Personen, sei doch deren Risiko, eine entsprechende Versicherungsdeckung anderwärts nicht mehr "zum gleichen Preis" abschliessen zu können, sehr gross.
c) aa) Nach Art. 1 Abs. 1 KVG regelt das Gesetz die soziale Krankenversicherung (erster Satz). Sie umfasst die obligatorische Krankenpflegeversicherung und eine freiwillige Taggeldversicherung (zweiter Satz). Die obligatorische Krankenpflegeversicherung ist im 2. Titel (Art. 3-66 KVG) geregelt, dies in den Kapiteln Versicherungspflicht (Art. 3-10 KVG), Organisation (Art. 11-23 KVG), Leistungen (Art. 24-34 KVG), Leistungserbringer (Art. 35-59 KVG) und im 5. Kapitel über die Finanzierung (Art. 60-66 KVG). Der 3. Titel über die freiwillige Taggeldversicherung umfasst die Art. 67-77 KVG, bevor dann das Gesetz in den restlichen Titeln die Koordinationsregeln (4.), Verfahren, Rechtspflege, Strafbestimmungen (5.) und die Schlussbestimmungen (6.) regelt. Art. 68 Abs. 3 KVG erklärt die Art. 11-17 über die Versicherer, also auch den Art. 13 über die Bewilligung, für die Taggeldversicherer als sinngemäss anwendbar.
bb) Schon diese Gesetzessystematik spricht für den vom EDI vertretenen Standpunkt, nicht für die Betrachtungsweise der Visana. Hinzu kommt, dass der für die Taggeldversicherung ausdrücklich als sinngemäss anwendbar erklärte Art. 13 Abs. 1 KVG lautet: Das Departement bewilligt den Versicherungseinrichtungen, welche die Anforderungen dieses Gesetzes erfüllen (Versicherer), die Durchführung der sozialen Krankenversicherung (erster Satz). Auch Abs. 2 spricht von der sozialen Krankenversicherung (lit. a), ebenso Abs. 3, welcher als Gegenstand des Bewilligungsentzuges die Durchführung der sozialen Krankenversicherung bezeichnet. Die Verwendung des Oberbegriffes der sozialen Krankenversicherung (obligatorische Krankenpflege- und freiwillige Taggeldversicherung) findet in weiteren Bestimmungen des Gesetzes ihre Entsprechung, z.B. bei der Begriffsumschreibung der Krankenkassen, wo wiederum auf die soziale Krankenversicherung Bezug genommen wird, und nicht auf die eine oder andere der beiden Sparten der sozialen Krankenversicherung (Art. 12 Abs. 1 KVG). Dass sich bei den übrigen Versicherern, also den privaten Versicherungseinrichtungen im Sinne von
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Art. 11 lit. b KVG, keine analoge Bestimmung findet, versteht sich aus systematischen Gründen von selbst, unterliegen doch die privaten Versicherer dem KVG nur insofern, als sie obligatorische Krankenpflegeversicherung nach den Art. 3 ff. betreiben (vgl. Ingress zu Art. 11 KVG: "Die obligatorische Krankenpflegeversicherung wird betrieben durch: [...]").
cc) Wortlaut und Systematik sprechen daher eindeutig für die vom EDI vertretene Auffassung, wogegen die Hinweise der beschwerdeführenden Kasse auf Art. 67 Abs. 1 und 2 sowie Art. 68 KVG nicht durchzudringen vermögen. Insbesondere Art. 68 Abs. 2 KVG regelt einzig den Spezialfall der Betriebs- oder Verbandskrankenkassen. Wenn sodann Art. 67 Abs. 2 KVG erlaubt, für die freiwillige Taggeldversicherung einen anderen Versicherer zu wählen als denjenigen für die obligatorische Krankenpflegeversicherung, so präjudiziert dies keineswegs die Antwort auf die hier allein streitige Frage, ob es zulässig sei, dass sich eine Krankenkasse (in einzelnen Kantonen) auf die Durchführung der freiwilligen Taggeldversicherung beschränken will. Vielmehr ist die Anerkennungsvoraussetzung nach Art. 13 Abs. 2 lit. d KVG gebührend zu würdigen, wonach die Versicherer "auch" die Einzeltaggeldversicherung nach diesem Gesetz durchführen müssen. Dieser Wortlaut zeigt klar, dass die freiwillige Taggeldversicherung ein Akzessorium der obligatorischen Krankenpflegeversicherung darstellt, hinsichtlich dessen die Versicherer alle gesetzlich angeordneten Pflichten treffen (insbesondere die gesetzliche Kontrahierungspflicht nach Art. 68 Abs. 1 KVG). Umgekehrt nun das Akzessorium der (im Übrigen dann noch in geschlossener Abteilung geführten) freiwilligen Taggeldversicherung zur einzigen Aktivität der Kasse im Rahmen der sozialen Krankenversicherung machen zu wollen, entspricht nicht den Regelungsabsichten des Gesetzgebers, wie sie in der Gesetzeskonzeption ihren Niederschlag gefunden haben.
dd) Soweit die Verwaltungsgerichtsbeschwerde sich gegen Dispositiv-Ziff. 1.1 und 1.3 der Departementsverfügung betreffend die freiwillige Taggeldversicherung richtet, ist sie somit unbegründet. Damit sind auch die Anträge der beschwerdeführenden Kasse zu Dispositiv-Ziff. 2.3 (Anpassung der Reglemente) und 2.10 (Meldepflicht), welche laut Rechtsbegehren nur bezüglich der freiwilligen Taggeldversicherung angefochten waren, ohne Weiteres abzuweisen. Die Visana wird daher auch im Bereich der freiwilligen Taggeldversicherung ihre Bestimmungen über das Tätigkeitsgebiet anzupassen und die angeordneten Meldepflichten zu erfüllen haben. In zeitlicher Hinsicht
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wird das EDI unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der Verwaltungsgerichtsbeschwerde der Visana betreffend den Entzug der Bewilligung zur Durchführung der freiwilligen Taggeldversicherung aufschiebende Wirkung erteilt worden ist, die betreffenden Versicherungsverhältnisse in diesem Bereich somit bisher noch nicht aufgehoben worden sind (Präsidialverfügung vom 2. Dezember 1998), neu zu verfügen haben.

5. Zu prüfen ist weiter die verfügte Sperrfrist von zehn Jahren, wonach der Visana vor dem 1. Januar 2009 keine neue Bewilligung zur Durchführung der sozialen Krankenversicherung in den acht Kantonen erteilt wird (Dispositiv-Ziff. 2.1).
a) Nach Art. 13 Abs. 3 KVG entzieht das Departement einem Versicherer die Bewilligung zur Durchführung der sozialen Krankenversicherung, wenn er (1) darum ersucht oder (2) die gesetzlichen Voraussetzungen nicht mehr erfüllt (erster Satz).
Nach dem Gesagten steht fest, dass die Voraussetzung (1) zum Entzug der Durchführungsbewilligung erfüllt ist: In Bezug auf die obligatorische Krankenpflegeversicherung Voraussetzung (1), weil die Visana darum ersucht hat, welcher Entzug sich entsprechend den vorstehenden Darlegungen auch auf die freiwillige Taggeldversicherung erstreckt.
Nun schweigt sich das Gesetz, seinem Wortlaut nach, darüber aus, ob es zulässig sei, den Bewilligungsentzug, wie verfügt, zum Voraus für eine feste Zeit auszusprechen.
b) Die beschwerdeführende Kasse bestreitet, dass für eine belastende Auflage, wie sie die zehnjährige Sperrfrist darstelle, eine gesetzliche Grundlage bestehe. Sie erfülle die Voraussetzungen nach wie vor und hätte deshalb gegebenenfalls Anspruch auf eine Bewilligungserteilung. Sofern sie sich nicht gesetzmässig verhalte, könne das BSV auf dem Aufsichtsweg mit Hilfe von Weisungen (Art. 21 Abs. 4 KVG) korrigierend eingreifen. Auf Erfahrungswerte lasse sich die Dauer der zehnjährigen Sperrfrist nicht abstützen. In den ersten Gesprächen mit dem BSV sei von einer Sperrfrist zwischen drei bis fünf Jahren die Rede gewesen. Dass die Sperrfrist dann, nachdem das BSV die Vertreter der acht Kantone und des Konkordats der schweizerischen Krankenversicherer, d.h. der Konkurrenz, empfangen habe, auf zehn Jahre festgelegt worden sei, erhärte den Verdacht, dass hier auf Druck von aussen entschieden worden sei. Der Vorwurf rechtsmissbräuchlichen Verhaltens an die Visana (Verwendung des Rückzuges dazu, um schlechte Risiken an die Konkurrenz abzugeben, nachher wieder am Markt aufzutreten und gute
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Risiken zu akquirieren) gehe an der Sache vorbei, bestehe doch auf Grund der gesetzlichen Aufnahmeverpflichtung gar keine Möglichkeit, unter den Bewerbern auszuwählen. Im Übrigen sei die Dauer der Sperrfrist unangemessen lang.
c) aa) Mit dieser Kritik an der durch das EDI verfügten Sperrfrist dringt die Visana weder im Grundsatz noch im Masslichen durch. Zwar ist ihr durchaus zuzugestehen, dass Art. 13 Abs. 3 KVG sich darüber ausschweigt, in welchem zeitlichen Rahmen ein Entzug der Durchführungsbewilligung (EUGSTER, Krankenversicherungsrecht, in: Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht [SBVR], Rz. 52 ff.) zu verfügen ist. Die Antwort ergibt sich aber aus dem Regelungsgehalt dieser Bestimmung: Dort, wo die Krankenkasse die gesetzlichen Voraussetzungen nicht (mehr) erfüllt (Variante 2), ist der Bewilligungsentzug mindestens so lange aufrechtzuerhalten, als dies zutrifft. Bei dieser Variante des Bewilligungsentzugs wird ein neues Gesuch um Erteilung der Durchführungsbewilligung mit Aussicht auf Erfolg somit erst gestellt werden können, wenn die Krankenkasse Abhilfe geschaffen und den gesetzmässigen Zustand wiederhergestellt hat, d.h. sich nunmehr darüber auszuweisen vermag, dass sie die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt. Bei dieser Variante des Bewilligungsentzuges wäre die Anordnung einer Sperrfrist in der Tat problematisch, weil das Departement nicht zum Voraus wissen kann, ob, und bejahendenfalls ab welchem Zeitpunkt, die Krankenkasse durch entsprechende Dispositionen die Voraussetzungen zur Wiedererteilung der Durchführungsbewilligung schafft.
bb) Bei der hier vorliegenden Variante (1) des Bewilligungsentzuges auf Gesuch der anerkannten Krankenkasse hin ("wenn er [der Versicherer] darum ersucht"), verhält es sich grundlegend anders. Diese Art des Bewilligungsentzuges, welche sich allein auf das Ersuchen der Krankenkasse stützt, ist ja nicht daran gebunden, dass die Durchführungsvoraussetzungen nach Art. 13 Abs. 2 lit. a-e KVG nicht (mehr) erfüllt sind. Mit anderen Worten ist es allein die Erklärung der Krankenkasse, sie ersuche um Entzug der Durchführungsbewilligung, welche diese Rechtsfolge eintreten lässt. Bei dieser Variante des Bewilligungsentzuges ist es durchaus zulässig, ja geboten, dass das Departement den Motiven Beachtung schenkt, welche dem Ersuchen der Kasse um Entzug der Durchführungsbewilligung zu Grunde liegen. Diese liegen im Falle der Visana auf der Hand: Ihre Versichertenstruktur wies in den acht Kantonen eine dermassen ungünstige Risikoselektion auf, dass für eine kostendeckende Versicherungsdurchführung massivste Prämienerhöhungen
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erforderlich gewesen wären, mit denen die Visana gegenüber ihren Mitkonkurrentinnen im Bereich der obligatorischen Krankenpflegeversicherung nicht mehr hätte mithalten können. Die Visana stand somit unternehmerisch vor zwei möglichen Entscheidungen: entweder kostengebotene Heraufsetzung der Prämien und damit - unter dem Vorbehalt, dass die stark erhöhten Prämien vom BSV überhaupt genehmigt worden wären - Inkaufnahme einer Massenabwanderung von Versicherten in den acht Kantonen zu den anderen Kassen; oder der vom Departement bewilligte Teilrückzug, welcher darin besteht, sich in den acht Kantonen aus der sozialen Krankenversicherung zurückzuziehen, was die zurückbleibenden Versicherten zwingt, zu einem andern die obligatorische Krankenpflegeversicherung im Kanton noch durchführenden Versicherer zu ziehen (oder einem solchen zugewiesen zu werden). Werden diese Zusammenhänge erkannt, kann es keinesfalls in das Belieben der Visana gestellt werden, schon nach kurzer Zeit auf von ihr zu Lasten des KVG-Systems bereinigter Grundlage wieder die obligatorische Krankenpflegeversicherung anzubieten. Dass die Visana bei Gelegenheit einer solchen "zweiten Runde" allfällige schlechte Risiken wieder aufnehmen müsste, ändert nichts daran, dass sie sich eines über Jahre hinweg angesammelten, bei ihr konzentrierten risikomässig ungünstigen Versichertenbestandes zu Lasten der Versicherten und der anderen Versicherer entledigen konnte. Das ist ein gegen die Intentionen des Gesetzes gerichtetes Verhalten, dem nur mit einem auf gewisse Dauer angelegten Bewilligungsentzug begegnet werden kann.
cc) Es entspricht daher nicht dem Wortlaut, wohl aber dem mit Art. 13 Abs. 3 KVG anvisierten Regelungsziel, dass ein Versicherer dort, wo er auf sein Gesuch hin das Bewilligungsentzugsverfahren auslöst, für eine bestimmte Zeit von der Durchführung der obligatorischen Krankenpflegeversicherung ausgeschlossen werden kann. Was die Dauer als solche anbelangt (zehn Jahre), vermögen sämtliche Einwendungen der Visana die verfügte Sperrfrist vielleicht als lang, allenfalls als unangemessen lang, keinesfalls aber als ermessensmissbräuchlich erscheinen zu lassen, mit welcher Form der rechtsfehlerhaften Ermessensausübung die Beschwerdeführerin im Lichte der hier gegebenen Kognition (Erw. 3b hievor) einzig zu hören ist.

6. Zu prüfen ist sodann die Rechtmässigkeit von Dispositiv-Ziff. 2.2 der Departementsverfügung. Danach hat die Visana für alle vom Entzug der Bewilligung betroffenen Versicherten, welche am 31. Dezember 1998 bei ihr
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versichert sind, den Betrag, der den gesetzlichen Reserven gemäss Art. 78 Abs. 4 KVV per 31. Dezember 1998 entspricht, an die Gemeinsame Einrichtung KVG zu bezahlen, welche den Betrag gemäss Weisung der Aufsichtsbehörde verwendet. Dieses Betreffnis entspricht 15% des jeweiligen kantonalen Prämiensolls.
a) Diese Auflage hat das EDI in der angefochtenen Verfügung wie folgt begründet:
"Im vorliegenden Zusammenhang ist von Bedeutung, dass kein freiwilliger Kassenwechsel der Versicherten vorliegt, wenn diese in den acht Kantonen die Visana infolge deren Aufgabe der Tätigkeit verlassen müssen. Vielmehr werden die Versicherten mit dem Rückzug der Visana aus den acht Kantonen zu einem Kassenwechsel gezwungen. Die anderen Versicherer werden verpflichtet, über 100'000 Versicherte aufzunehmen, welche zuvor bei der Visana versichert waren. Die Pflicht, diesen Versicherten Versicherungsschutz zu gewähren, besteht von Gesetzes wegen und ungeachtet dessen, ob nun ein Anteil an den Gesamtreserven der Visana auf die übernehmenden Kassen weitergegeben wird oder nicht und diese damit im Markt besser, schlechter oder gleich gestellt werden wie bisher. Die Versicherer können die Aufnahme der bisherigen Visana-Versicherten nicht davon abhängig machen, dass diesen beim Wechsel Reserven der Visana mitgegeben werden. Die Mittel der sozialen Krankenversicherung dürfen aber nur zu deren Zwecken verwendet werden (Art. 13 Abs. 2 Bst. a KVG). Dieses Zweckverwendungs-Gebot schliesst ein, dass bei der Verwendung die Ziele des KVG nicht verletzt werden. Wie oben erwähnt, ist ein Ziel des KVG, dass Marktmechanismen nicht verfälscht werden.
Wenn die Visana nicht fusioniert und sich nur aus einem Teil des bisherigen Tätigkeitsgebietes zurückzieht, so muss demnach auch in Bezug auf die Verwendung der Reserven sichergestellt sein, dass das gewählte Vorgehen mit den Zielen des KVG in Einklang steht. Wenn nun aber die in den acht Kantonen verbleibenden Versicherer verpflichtet sind, die 100'000 Versicherten der Visana zu übernehmen, kann dies sowohl in den acht Kantonen wie auch in den übrigen Kantonen zu Marktverfälschungen führen, indem die zur Übernahme verpflichteten Kassen zusätzlich belastet und andererseits die Visana in ihrem Resttätigkeitsgebiet ungerechtfertigterweise entlastet würde. Diese Möglichkeit ist umso wahrscheinlicher, als die Visana in den betreffenden Kantonen insbesondere eine ungünstige Altersstruktur aufweist. Darum ist vorliegend im Sinne des gesetzlichen Zweckverwendungsgebotes und in Anlehnung an die Regelung in Art. 99 KVG vorzusehen, dass die Visana für alle vom Entzug der Bewilligung betroffenen Versicherten einen Betrag bezahlt, der den gesetzlichen Reserven gemäss Art. 78 Abs. 4 KVV entspricht."
b) Diese in der materiellen Vernehmlassung noch näher begründete Auffassung des Departementes wird von der Visana zu Recht als gesetzwidrig gerügt. Auszugehen ist dabei vom Grundsatz, dass auch das Aufsichtsrecht, namentlich
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bei der Anordnung von Auflagen, vom Legalitätsprinzip beherrscht ist (MASTRONARDI, Grundbegriffe und allgemeine Grundsätze der Verwaltungsorganisation, in: Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht [SBVR], Rz. 20 f.; HÄFELIN/MÜLLER, Grundriss des allgemeinen Verwaltungsrechts, 3. Aufl., Zürich 1998, S. 186 N. 733; IMBODEN/RHINOW, Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung, Bd. I, S. 354, Nr. 59 B II a; GRISEL, Traité de droit administratif, Bd. I, S. 408).
aa) Fest steht, dass die Norm, welche den Bewilligungsentzug regelt (Art. 13 KVG), keine Grundlage für eine solche Verpflichtung enthält.
bb) Zweitens ergibt sich keine entsprechende Befugnis des Departements aus dem Aufsichtsrecht (Art. 21 KVG). Denn von Massnahmen zur Wiederherstellung des gesetzmässigen Zustandes (Art. 21 Abs. 5 lit. a KVG) kann hier nicht die Rede sein, weil die Visana keine gesetzlichen Vorschriften missachtet hat.
cc) Die Anforderungen an und die Eingriffe in den Finanzhaushalt der Kasse sind in den Art. 60 KVG und Art. 78-88 KVV abschliessend geregelt. Keine dieser Bestimmungen sieht eine entsprechende Verpflichtung der Beschwerdeführerin vor.
dd) Schliesslich lässt sich eine solche Verpflichtung auch nicht, in Ergänzung des Gesetzes, aus allgemeinen Überlegungen zum Finanzierungsverfahren der obligatorischen Krankenpflegeversicherung erreichen. Der Gedanke, die Kasse müsse jedem (erzwungenermassen) austretenden Versicherten eine Reserve mitgeben, widerspricht diametral den Grundsätzen des Umlageverfahrens; denn es werden für und bezogen auf die einzelnen Versicherten keine Reserven gebildet (Art. 60 Abs. 1 KVG). Die gesetzliche Verpflichtung, ausreichende Reserven in Form von Schwankungs- und Reservefonds sowie Rückstellungen in verordnungsmässig näher umschriebener Weise (Art. 78 KVV) zu äufnen, dient dazu, die Zahlungsfähigkeit der Kasse für den Fall sicherzustellen, dass die laufenden Einnahmen die laufenden Ausgaben nicht decken. Sie kann so wenig wie die übergangsrechtliche Bestimmung des Art. 99 KVG als Grundlage herangezogen werden, um die weiter bestehende Kasse zu einer Zwangsabgabe zu verpflichten, die im Gesetz nicht vorgesehen ist. Dispositiv-Ziff. 2.2 der Verfügung des EDI ist demnach bundesrechtswidrig (Erw. 3b hievor).

7. Bei diesem Verfahrensausgang sind die nachfolgenden Auflagen der Dispositiv-Ziff. 2.3 bis 2.10, soweit angefochten, ohne Weiteres zu bestätigen, weil sie sich darauf beschränken, die ordnungsmässige Vollziehung
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des Rückzuges der Visana aus den acht Kantonen sicherzustellen, dies mit folgenden Ausnahmen und Präzisierungen:
a) Die Anordnung in Dispositiv-Ziff. 2.4 betreffend Vermittlungsverbot bis 31. Dezember 1998 ist durch Zeitablauf gegenstandslos geworden.
b) Soweit sich Dispositiv-Ziff. 2.7 auf die Berechnung der Reservezahlungen an die gemeinsame Einrichtung KVG bezieht, ist diese Auflage ohne Weiteres aufzuheben, nachdem eine solche Pflicht der beschwerdeführenden Visana nicht besteht.

8. a) In dem mit Urteil vom 2. Dezember 1998 (BGE 124 V 393) abgeschlossenen Verfahren stellten die drei Krankenkassen CSS Versicherung, SWICA Gesundheitsorganisation und Helsana Versicherungen AG den - nicht näher begründeten - Eventualantrag auf Beiladung in das vorliegende Beschwerdeverfahren. Mit Eingabe vom 11. Januar 1999 beantragten ferner der Kanton Thurgau sowie die anderen sieben vom Rückzug der Visana betroffenen Kantone, sie seien als Verfahrensbeteiligte zum vorliegenden Verwaltungsgerichtsbeschwerdeverfahren zuzulassen. Zur Begründung wird im Wesentlichen geltend gemacht, die Kantone seien vom Entscheid unmittelbar betroffen, da sie die Einhaltung der Versicherungspflicht zu kontrollieren und durchzusetzen hätten. Ferner trügen die Kantone die Hauptverantwortung für die lückenlose Übertragung von rund 100'000 Versicherungsverhältnissen von der Visana auf andere Kassen.
b) Angesichts des weiten Parteibegriffs ist das Institut der Intervention (vgl. Art. 15 BZP) - worunter der Eintritt interessierter Dritter in den Prozess zu verstehen ist - im Verwaltungsrechtspflegeverfahren des Bundes überflüssig und daher nicht vorgesehen (GYGI, Bundesverwaltungsrechtspflege, 2. Aufl., S. 183; KÖLZ/HÄNER, Verwaltungsverfahren und Verwaltungsrechtspflege des Bundes, 2. Aufl., Zürich 1998, S. 190 N. 526; SALADIN, Verwaltungsverfahrensrecht des Bundes, S. 187). Hingegen sieht Art. 110 Abs. 1 OG vor, dass der Schriftenwechsel auf andere "Beteiligte" ausgedehnt werden kann. Eine Pflicht zur Beiladung oder, als Korrelat dazu, ein Anspruch auf Beiladung besteht jedoch nicht. Vielmehr entscheidet das Gericht, wer als Beteiligter in den Schriftenwechsel einbezogen wird (KÖLZ/HÄNER, a.a.O., S. 346 N. 979). Der Einbezug "Beteiligter" in den Schriftenwechsel hat den Sinn, die Rechtskraft des Urteils auf den Beigeladenen auszudehnen, sodass dieser in einem später gegen ihn gerichteten Prozess dieses Urteil gegen sich gelten lassen muss. Das Interesse an einer
BGE 125 V 80 S. 95
Beiladung ist rechtlicher Natur. Es muss eine Rückwirkung auf eine Rechtsbeziehung zwischen der Hauptpartei und dem Mitinteressierten in Aussicht stehen (GYGI, a.a.O., S. 183 f.; KÖLZ/HÄNER, a.a.O., S. 191 N. 528; in diesem Sinne auch unveröffentlichte Urteile K. vom 12. Januar 1993 und M. vom 13. März 1986).
c) Im Lichte dieser grundsätzlichen Überlegungen zu Bedeutung und Tragweite von Art. 110 Abs. 1 OG sind die Beiladungsbegehren sowohl der drei Krankenversicherer als auch der acht Kantone ohne Weiteres abzulehnen. Denn eine rechtlich relevante Rückwirkung des vorliegenden Prozessausgangs auf die Rechtsbeziehungen zwischen den Parteien und den drei Krankenversicherern sowie den acht Kantonen in dem Sinne, dass auch auf diese die Rechtskraft des heutigen Urteils auszudehnen wäre, steht nicht in Frage.

9. (Kosten und Parteientschädigung)

Inhalt

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Regeste: deutsch französisch italienisch

Sachverhalt

Erwägungen 1 2 3 4 5 6 7 8 9

Referenzen

BGE: 124 V 393, 114 V 316, 116 V 310, 110 V 365

Artikel: Art. 13 Abs. 3 KVG, Art. 78 Abs. 4 KVV, Art. 1 Abs. 1 KVG, Art. 67 ff. KVG mehr...