110 Ib 96
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Urteilskopf
110 Ib 96
15. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 1. Mai 1984 i.S. Erbengemeinschaft Spring und Mitbeteiligte sowie Einwohnergemeinde Münchringen und Aktionskomitee gegen die NHT gegen Eidgenössisches Verkehrs- und Energiewirtschaftsdepartement (Verwaltungsgerichtsbeschwerde)
Regeste
Art. 97 Abs. 1 OG i.V.m. Art. 5 VwVG; Art. 47 Abs. 2 VwVG.
Überweist eine Beschwerdeinstanz eine Beschwerde i.S.v. Art. 47 Abs. 2 VwVG an eine nächsthöhere Instanz, so ist die Überweisung allein keine anfechtbare Verfügung i.S.v. Art. 97 Abs. 1 OG i.V.m. Art. 5 VwVG, sofern die Unzuständigkeit der überweisenden Behörde unbestritten ist.
Am 6. Oktober 1983 verfügte das Bundesamt für Verkehr die Plangenehmigung der Grauholzlinie der Schweizerischen Bundesbahnen. Darüber beschwerten sich die Erbengemeinschaft Spring und Mitbeteiligte sowie die Einwohnergemeinde Münchringen und das Aktionskomitee gegen die NHT beim Eidgenössischen Verkehrs- und Energiewirtschaftsdepartement (EVED). Dieses teilte den Beschwerdeführern am 24. Januar 1984 mit, dass es die Beschwerden hinsichtlich der Frage, ob die Grauholzlinie eine neue Linie sei, zuständigkeitshalber an das Bundesamt für Justiz zur Instruktion eines Entscheids des Gesamtbundesrates überwiesen habe.
Die Erbengemeinschaft Spring und Mitbeteiligte sowie die Einwohnergemeinde Münchringen und das Aktionskomitee gegen die NHT führen gegen die Überweisung in getrennten Eingaben Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht. Sie machen im wesentlichen geltend, dass nicht der Bundesrat, sondern das Bundesgericht zuständige Beschwerdeinstanz sei, weshalb die Sache hätte an das Bundesgericht weitergeleitet werden müssen. Das Bundesgericht tritt auf die Beschwerden nicht ein.
Aus den Erwägungen:
1. Nach Art. 47 Abs. 2 des Bundesgesetzes über das Verwaltungsverfahren vom 20. Dezember 1968 (VwVG) ist die angefochtene Verfügung unmittelbar an die nächsthöhere Beschwerdeinstanz weiterzuziehen, wenn eine nicht endgültig entscheidende Beschwerdeinstanz im Einzelfall eine Weisung erteilt, dass oder wie eine Vorinstanz verfügen soll.
Nach der Auffassung des EVED handelt es sich bei der Plangenehmigungsverfügung des Bundesamtes für Verkehr um einen Entscheid, der auf Weisung des EVED gefällt worden ist. Es hat deshalb einen Anwendungsfall von Art. 47 Abs. 2 VwVG angenommen und die gegen die Plangenehmigungsverfügung gerichtete Beschwerde hinsichtlich einer Einzelfrage zuständigkeitshalber an das Bundesamt für Justiz zur Instruktion eines Entscheids des Gesamtbundesrates überwiesen.
a) Die Beschwerdeführer beanstanden dieses Vorgehen insoweit nicht, als das EVED angenommen hat, Art. 47 Abs. 2 VwVG sei im vorliegenden Fall anwendbar. Sie bestreiten somit nicht, dass das EVED zur Behandlung eines Teils ihrer Beschwerde unzuständig ist. Soweit in der Mitteilung des EVED ein teilweiser Nichteintretensentscheid gesehen werden kann, ist dieser mithin nicht angefochten.
b) Die Beschwerdeführer wenden sich einzig dagegen, dass das EVED die Beschwerden an das Bundesamt für Justiz zur Instruktion eines Entscheids des Gesamtbundesrates weitergeleitet hat. Ihrer Auffassung nach ist nicht der Bundesrat, sondern das Bundesgericht zur Beurteilung der Beschwerden gegen die streitige Plangenehmigungsverfügung des Bundesamtes für Verkehr zuständig.
2. Nach Art. 97 Abs. 1 OG beurteilt das Bundesgericht letztinstanzlich Verwaltungsgerichtsbeschwerden gegen Verfügungen im Sinne von Art. 5 VwVG. Als solche gelten Anordnungen der Behörden im Einzelfall, die sich auf öffentliches Recht des Bundes stützen und unter anderem die Abweisung von Begehren auf Begründung, Änderung, Aufhebung oder Feststellung von Rechten und Pflichten, oder Nichteintreten auf solche Begehren, zum Gegenstand haben (Art. 5 Abs. 1 VwVG). Als Verfügungen gelten auch Zwischenverfügungen im Sinne von Art. 45 VwVG (Art. 5 Abs. 2 VwVG).
BGE 110 Ib 96 S. 98
Sowohl der Bundesrat als auch das Bundesgericht entscheiden über ihre Zuständigkeit selbst und von Amtes wegen (Art. 7 Abs. 1 VwVG; Art. 21 Abs. 3 OG). Bestehen an der Zuständigkeit Zweifel, so ist darüber ein Meinungsaustausch mit der andern Behörde durchzuführen, die als zuständige Instanz in Frage kommt (Art. 8 Abs. 2 VwVG; Art. 113 i.V.m. Art. 96 Abs. 2 OG). Im Streitfall entscheidet die Bundesversammlung über die Zuständigkeit (Art. 85 Ziff. 13 BV).Diese klare Regelung der Kompetenzbestimmung schliesst aus, dass eine nach Art. 47 Abs. 2 VwVG im Rechtsmittelweg zu überspringende Behörde die Zuständigkeit einer höheren Behörde bestimmen kann, indem sie eine Sache an diese weiterleitet. Die blosse Überweisung an die als zuständig erachtete Instanz berührt daher die prozessuale Stellung der Beschwerdeführer nicht. Selbst wenn die Sache an eine unzuständige Behörde weitergeleitet wird, entscheidet letztlich materiell jene Instanz, die sich - gegebenenfalls nach einem Meinungsaustausch - als zuständig bezeichnet oder die im Streitfall von der Bundesversammlung als zuständig bezeichnet wird. Die hier streitige Überweisung sagt somit über die Zuständigkeit des Bundesrates zur Beurteilung der Plangenehmigungsverfügung des Bundesamtes für Verkehr nichts aus. Sie hat einzig zur Folge, dass die Zuständigkeitsfrage dem Bundesrat als erster Behörde unterbreitet wird. Die Entscheidungskompetenz ist damit so wenig entschieden, wie wenn die Beschwerden dem Bundesgericht überwiesen worden wären. Die dargestellte Regelung der Zuständigkeitsbestimmung führt in beiden Fällen zum selben Ergebnis, zur Ermittlung der letztlich zuständigen Behörde.
Hat somit die streitige Überweisung keinen Einfluss auf die Zuständigkeit von Bundesrat oder Bundesgericht zur Beurteilung der Beschwerden gegen die Plangenehmigungsverfügung des Bundesamtes für Verkehr, so ist die Mitteilung des EVED darüber keine Verfügung im Sinne von Art. 5 VwVG. Auf die Beschwerden kann daher nicht eingetreten werden (vgl. BGE 108 Ib 544 /545 E. 2a).
Referenzen
BGE: 108 IB 544
Artikel: Art. 47 Abs. 2 VwVG, Art. 5 VwVG, Art. 97 Abs. 1 OG, Art. 5 Abs. 1 VwVG mehr...