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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
6B_1309/2020  
 
 
Urteil vom 2. Juni 2021  
 
Strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari, Präsidentin, 
Bundesrichter Denys, 
Bundesrichter Muschietti, 
Bundesrichterin van de Graaf, 
Bundesrichter Hurni, 
Gerichtsschreiber Briw. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwältin Lena Reusser, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Bern, Nordring 8, Postfach, 3001 Bern, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Strafzumessung, Umwandlung einer Busse in eine Geldstrafe, Verschlechterungsverbot, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Bern, 1. Strafkammer, vom 28. September 2020 (SK 19 60). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Das Regionalgericht Emmental-Oberaargau sprach am 22. Februar 2018 A.________ von der Anschuldigung der Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte (angeblich begangen am 29. April 2016 in U.________) frei. Es erklärte ihn schuldig des Landfriedensbruchs (begangen am 29. April 2016 in U.________) sowie der geringfügigen Sachbeschädigung im Deliktsbetrag von ca. Fr. 235.-- (begangen am 27. Februar 2016 in V.________ z.N. der B.________ AG). Es verurteilte ihn zu einer Geldstrafe von 45 Tagessätzen zu Fr. 50.-- (Fr. 2'250.--), rechnete 2 Tage Polizeihaft im Umfang von 2 Tagessätzen auf die Geldstrafe an und schob den Vollzug der Geldstrafe mit einer Probezeit von 2 Jahren auf. Zudem verurteilte es ihn zu einer Verbindungsbusse von Fr. 450.-- und zu einer Übertretungsbusse von Fr. 300.--. 
 
B.   
Das Obergericht des Kantons Bern stellte am 28. September 2020 auf Berufung von A.________ fest, das Urteil des Regionalgerichts sei insofern in Rechtskraft erwachsen, als er von der Anschuldigung der Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte freigesprochen sowie wegen geringfügiger Sachbeschädigung zu einer Übertretungsbusse von Fr. 300.-- verurteilt worden sei (Dispositiv-⁠Ziff. I). 
Es verurteilte ihn wegen Landfriedensbruchs (begangen am 29. April 2016 in Zürich) zu einer Geldstrafe von 54 Tagessätzen zu Fr. 90.-- (Fr. 4'860.--), rechnete 2 Tage Polizeihaft im Umfang von 2 Tagessätzen auf die Geldstrafe an und schob den Vollzug der Geldstrafe mit einer Probezeit von 2 Jahren auf. Es stellte die Verletzung des Beschleunigungsgebots fest (Dispositiv-Ziff. II.1). 
 
C.   
A.________ beantragt dem Bundesgericht mit Beschwerde in Strafsachen, Ziff. II.1 des vorinstanzlichen Dispositivs bezüglich der Anzahl der ausgesprochenen Tagessätze aufzuheben und ihn zu einer Geldstrafe von 45 Tagessätzen zu Fr. 90.-- (total Fr. 4'050.--) zu verurteilen sowie im Übrigen Dispositiv-Ziff. II.1 zu bestätigen, eventualiter die Sache mit der Anweisung, das Verschlechterungsverbot zu beachten, an die Vorinstanz zurückzuweisen, ihm eine Parteientschädigung zuzusprechen und die Kosten dem Kanton Bern aufzuerlegen. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Beschwerdegegenstand bildet "einzig die Anzahl der Tagessätze". 
 
1.1. Der Beschwerdeführer macht eine Verletzung des Verschlechterungsverbots geltend, weil die Vorinstanz die Zahl der Tagessätze im Vergleich zur Erstinstanz um 9 auf 54 erhöht habe. Sie vermische die Strafarten und erhöhe die Strafe, da der Bussenbetrag das Verschulden und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit nicht aufschlüssle. Eine Busse bewege sich ausserhalb des Tagessatzsystems. Die Vorinstanz verletze Art. 391 Abs. 2 StPO, indem sie eine Busse in eine Geldstrafe umwandle, was im Hinblick auf die Strafart eine Verschlechterung bedeute, und indem sie die Geldstrafe von 45 auf 54 Tagessätze zu Fr. 90.-- erhöhe. Er sei zu einer Geldstrafe von 45 Tagessätzen zu Fr. 90.-- zu verurteilen.  
 
1.2. Die Vorinstanz hält für das Tatverschulden des Landfriedensbruchs eine Strafe von rund 65 "Strafeinheiten" als angemessen und gewichtet die Täterkomponenten insgesamt als neutral. Wegen Verletzung des Beschleunigungsgebots reduziert sie diese Strafe um 10 % auf 54 Strafeinheiten. Unter dem Titel des konkreten Strafmasses erachtet sie für den Schuldspruch wegen Landfriedensbruchs eine Strafe von 60 Strafeinheiten als angemessen, nimmt aber an, aufgrund des Verschlechterungsverbots dürfe die auszusprechende Strafe 54 Strafeinheiten nicht übersteigen, und allein schon aus dem gleichen Grund sei die Strafe als Geldstrafe auszusprechen. In Abweichung vom erstinstanzlichen Urteil sieht die Vorinstanz von einer Verbindungsbusse ab, da weder eine Schnittstellenproblematik vorliege noch ein Denkzettel als notwendig erachtet werde.  
 
1.3. Die Rechtsmittelinstanz darf Entscheide nicht zum Nachteil der beschuldigten oder verurteilten Person abändern, wenn das Rechtsmittel nur zu deren Gunsten ergriffen worden ist (Art. 391 Abs. 2 Satz 1 StPO). Massgeblich für die Frage, ob eine unzulässige reformatio in peius vorliegt, ist das Dispositiv (BGE 146 IV 172 E. 3.3.3; 139 IV 282 E. 2.6; Urteil 6B_391/2020 vom 12. August 2020 E. 3.2.3).  
 
1.3.1. Das Gesetz bestimmt die Zahl der Tagessätze nach dem Verschulden (Art. 34 Abs. 1 StGB) und bemisst sie gemäss Art. 34 Abs. 2 StGB. Bei der Umwandlung der Geldstrafe in eine Ersatzfreiheitsstrafe entspricht ein Tagessatz einem Tag Freiheitsstrafe (Art. 36 Abs. 1 StGB). Bei der Umwandlung einer Busse sind Ersatzfreiheitsstrafen von einem Tag und höchstens drei Monaten auszusprechen; diese sind nach den Verhältnissen des Täters so zu bemessen, dass dieser die Strafe erleidet, die seinem Verschulden angemessen ist (Art. 106 Abs. 1-3 StGB; betr. die analoge Anrechnung von Untersuchungshaft an eine Busse vgl. BGE 135 IV 126 E. 1.3.9 S. 130).  
 
1.3.2. Die bundesgerichtliche Rechtsprechung geht von einer weiten Auslegung des in Art. 391 Abs. 2 StPO verankerten Verschlechterungsverbots aus. Danach ist Art. 391 Abs. 2 Satz 1 StPO nicht nur bei einer Verschärfung der Sanktion, sondern auch bei einer härteren rechtlichen Qualifikation der Tat verletzt. Das Verschlechterungsverbot gilt indes nicht absolut. Vorbehalten bleibt eine strengere Bestrafung aufgrund von Tatsachen, die dem erstinstanzlichen Gericht nicht bekannt sein konnten (Art. 391 Abs. 2 Satz 2 StPO). Solche Tatsachen können beispielsweise die wirtschaftlichen Verhältnisse zur Bemessung der Höhe des Tagessatzes nach Art. 34 Abs. 2 Satz 3 StGB betreffen. Das Berufungsgericht darf nach der Rechtsprechung bei einer Verbesserung der finanziellen Verhältnisse nach dem erstinstanzlichen Urteil einen höheren Tagessatz festlegen, auch wenn ausschliesslich die beschuldigte Person Berufung erhoben hat (BGE 146 IV 172 E. 3.3.3).  
Die vorinstanzliche Erhöhung des Tagessatzes auf Fr. 90.-- aufgrund von zwischenzeitlich verbesserten finanziellen Verhältnissen stellt somit keine reformatio in peius dar (BGE 144 IV 198 E. 5.4.3; zur Publikation bestimmtes Urteil 6B_1370/2019 vom 11. März 2021 E. 1.5.4). Dies stellt der Beschwerdeführer auch nicht in Frage. 
 
1.3.3. Geldstrafen und Bussen gelten nach der Rechtsprechung als Sanktionen mit demselben quantitativen Wert (Urteil 6B_903/2020 vom 10. März 2021 E. 7.2.2). Beide Sanktionen treffen die beschuldigte Person im Rechtsgut Vermögen. Sie unterscheiden sich in ihrer Bemessung und darin, dass nur die Geldstrafe bedingt und teilbedingt ausgesprochen werden kann. Wenn eine unbedingte Geldstrafe mit einer (unbedingten) Busse zu vergleichen ist, so entscheidet die konkret ermittelte Höhe des Betrags. Ist die Geldstrafe hingegen bedingt ausgesprochen (Art. 42 StGB), ist sie die mildere, weil weniger eingriffsintensive Sanktion. Dies gilt grundsätzlich unabhängig davon, ob der Geldstrafenbetrag höher liegt als der Bussenbetrag, denn eine bedingte Strafe ist gegenüber einer gleichartigen unbedingten Strafe immer die mildere Sanktion (BGE 134 IV 82 E. 7.2.4; Urteil 6B_903/2020 vom 10. März 2021 E. 7.2.2). Besteht die Sanktion aus unbedingter Geldstrafe und Busse, ist die Addition der Beträge von Geldstrafe und Busse massgebend (Urteil 6B_903/2020 vom 10. März 2021 E. 7.4).  
 
1.3.4. Entgegen der geltend gemachten fehlenden Begründung ist die Strafzumessung nachvollziehbar.  
Die Erstinstanz hatte den Beschwerdeführer wegen Landfriedensbruchs mit einer Geldstrafe von 45 Tagessätzen zu Fr. 50.-- und einer Verbindungsbusse von Fr. 450.-- bestraft sowie für den Fall der schuldhaften Nichtbezahlung der Verbindungsbusse eine Ersatzfreiheitsstrafe von 9 Tagen festgesetzt. Sie ermittelte somit die Ersatzfreiheitsstrafe durch den Quotienten aus Verbindungsbusse und Tagessatz und verwendete rechtsprechungskonform die Tagessatzhöhe als Umrechnungsschlüssel (BGE 134 IV 60 E. 7.3.3 S. 77). 
Die Vorinstanz bestraft den Beschwerdeführer auf seine Berufung hin wegen Landfriedensbruchs im Ergebnis mit einer Geldstrafe von 54 Tagessätzen zu Fr. 90.-- und erhöht damit die Geldstrafe abweichend von der Erstinstanz um 9 Tagessätze. Die Vorinstanz verneint die Voraussetzungen von Art. 42 Abs. 4 StGB für die Verbindungsbusse und schliesst mit dem erstinstanzlichen Umrechnungsschlüssel zurück auf 9 Tagessätze Geldstrafe - "in einem quasi entgegengesetzten Vorgang zur Geldstrafenberechnung" (BGE 134 IV 60 E. 7.3.3 S. 76). 
Auch wenn die betragsmässige Bestimmung bei Geldstrafe und Busse divergiert (Art. 34 Abs. 2 bzw. Art. 106 Abs. 3 StGB), erscheint es nach der Rechtsprechung als sachgerecht, den Tagessatz als Umrechnungsschlüssel zu verwenden (BGE 134 IV 60 E. 7.3.3 S. 77; STEFAN HEIMGARTNER, in: Basler Kommentar, Strafrecht I, 4. Aufl. 2019, N. 16 zu Art. 106 StGB). 
Die Vorinstanz erhöht die erstinstanzliche Geldstrafe nach dem Umrechnungsschlüssel um diese 9 Tage. Strafe plus Verbindungsbusse müssen in ihrer Summe schuldangemessen sein (BGE 134 IV 1 E. 4.5.2). Die Obergrenze der Verbindungsbusse ist grundsätzlich bei einem Fünftel der Strafe festgelegt (BGE 135 IV 188 E. 3.4.4). Die Strafenkombination soll nicht etwa zu einer Straferhöhung führen oder eine zusätzliche Strafe ermöglichen (BGE 146 IV 145 E. 2.2; 134 IV 60 E. 7.3.2). Das ist nicht der Fall. 
 
1.4. Zusammengefasst ergibt sich: Die bundesrechtskonforme Erhöhung des Tagessatzbetrags bewirkt keine reformatio in peius (oben E. 1.3.2). Die Vorinstanz erhöht die massgebende Anzahl Tagessätze nicht, sodass diesbezüglich keine reformatio in peius vorliegt (oben E. 1.3.4). Mithin ist auch im Ergebnis Art. 391 Abs. 2 StPO nicht verletzt.  
 
2.   
Die Beschwerde ist abzuweisen. Die Gerichtskosten sind dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.   
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Bern, 1. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 2. Juni 2021 
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: Jacquemoud-Rossari 
 
Der Gerichtsschreiber: Briw