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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
9C_668/2019  
 
 
Urteil vom 3. März 2020  
 
II. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Parrino, Präsident, 
Bundesrichter Meyer, Bundesrichterin Moser-Szeless, 
Gerichtsschreiberin Nünlist. 
 
Verfahrensbeteiligte 
IV-Stelle des Kantons Freiburg, 
Route du Mont-Carmel 5, 1762 Givisiez, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Lorenz Fivian, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Kantonsgerichts Freiburg vom 2. September 2019 (608 2018 301). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Die 1965 geborene A.________ war zuletzt als Assistentin Kursbetrieb/kaufmännische Assistentin Kursorganisation in einem Pensum von 100 % bei der Firma B.________ angestellt, wobei sie sowohl in der Logistik als auch im Bereich Kursadministration arbeitete. Am 21. Januar 2015 meldete sie sich unter Hinweis auf Rückenbeschwerden bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Nach Abklärungen - insbesondere der Begutachtung der Versicherten durch die Medizinische Abklärungsstelle (MEDAS) Bern - sowie durchgeführtem Vorbescheidverfahren verneinte die IV-Stelle des Kantons Freiburg mit Verfügung vom 12. Oktober 2018 den Anspruch auf eine Invalidenrente. 
 
B.   
Die hiergegen erhobene Beschwerde hiess das Kantonsgericht Freiburg mit Entscheid vom 2. September 2019 teilweise gut. Es änderte die Verfügung der IV-Stelle dahingehend ab, dass es der Versicherten vom 1. Juli 2015 bis 31. August 2015 eine Viertelsrente, vom 1. September 2015 bis 29. Februar 2016 eine ganze Rente und ab dem 1. März 2016 wiederum eine Viertelsrente zusprach. 
 
C.   
Die IV-Stelle erhebt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und beantragt, der Beschwerde sei die aufschiebende Wirkung zu erteilen. Sodann sei der angefochtene Entscheid in Gutheissung der Beschwerde aufzuheben und die Verfügung vom 12. Oktober 2018 sei zu bestätigen. 
Mit Vernehmlassung vom 12. Dezember 2019 beantragt die Beschwerdegegnerin die Abweisung der Beschwerde. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann eine Rechtsverletzung nach Art. 95 f. BGG gerügt werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Dennoch prüft es - offensichtliche Fehler vorbehalten - nur die in seinem Verfahren gerügten Rechtsmängel (Art. 42 Abs. 1 f. BGG; BGE 135 II 384 E. 2.2.1 S. 389). Es legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann ihre Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Verfahrensausgang entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 und Art. 105 Abs. 2 BGG).  
 
1.2. Eine Sachverhaltsfeststellung ist nicht schon dann offensichtlich unrichtig, wenn sich Zweifel anmelden, sondern erst, wenn sie eindeutig und augenfällig unzutreffend ist. Eine offensichtlich unrichtige Sachverhaltsfeststellung weist damit die Tragweite von Willkür auf. Es liegt noch keine offensichtliche Unrichtigkeit vor, nur weil eine andere Lösung ebenfalls in Betracht fällt, selbst wenn diese als die plausiblere erscheint. Eine Sachverhaltsfeststellung ist etwa dann offensichtlich unrichtig, wenn das kantonale Gericht den Sinn und die Tragweite eines Beweismittels offensichtlich falsch eingeschätzt, ohne sachlichen Grund ein wichtiges und für den Ausgang des Verfahrens entscheidendes Beweismittel nicht beachtet oder aus den abgenommenen Beweisen unhaltbare Schlüsse gezogen hat. Solche Mängel sind in der Beschwerde aufgrund des strengen Rügeprinzips (vgl. Art. 106 Abs. 2 BGG) klar und detailliert aufzuzeigen (BGE 144 V 50 E. 4.2 S. 53 mit Hinweisen; Urteil 9C_752/2018 vom 12. April 2019 E. 1.2).  
 
2.  
 
2.1. Die Vorinstanz hat dem MEDAS-Gutachten vom 26. Juni 2018 Beweiskraft zuerkannt und gestützt darauf eine 70%ige Arbeitsfähigkeit in der zuletzt ausgeübten Tätigkeit, soweit diese den kaufmännischen Bereich und nicht die Logistik beschlage, sowie in jeder anderen angepassten Verweistätigkeit festgestellt. Eine Arbeitsunfähigkeit von 100 % habe insbesondere nach der Rückenoperation vom 5. Mai 2015 für sechs Monate bestanden. Ausgehend von einem Valideneinkommen von Fr. 62'855.- und einem Invalideneinkommen von Fr. 33'202.50 hat das kantonale Gericht für das Jahr 2015 einen Invaliditätsgrad von rund 47 % ermittelt und den grundsätzlichen Anspruch der Beschwerdegegnerin auf eine Viertelsrente bejaht. Es hat den Beginn des Wartejahres (Art. 28 Abs. 1 lit. b IVG) auf den 7. Februar 2014 festgelegt und eine Unterbrechung gemäss Art. 29ter IVV verneint. Mit Blick auf die vollumfängliche, sechsmonatige Arbeitsunfähigkeit ab 5. Mai 2015 hat es vom 1. September 2015 bis 29. Februar 2016 den Anspruch auf eine ganze Rente bejaht. Insgesamt hat es der Beschwerdegegnerin vom 1. Juli 2015 bis 31. August 2015 eine Viertelsrente, vom 1. September 2015 bis 29. Februar 2016 eine ganze Rente und ab dem 1. März 2016 wiederum eine Viertelsrente zugesprochen.  
 
2.2. Bestritten und damit zu prüfen ist, ob das Wartejahr zwischen 1. September 2014 und 30. November 2014 gestützt auf Art. 29ter IVV unterbrochen worden ist und deshalb ab 1. Dezember 2014 neu zu laufen begonnen hat. Sodann rügt die Beschwerdeführerin die vorinstanzliche Bemessung des Invalideneinkommens hinsichtlich des Kompetenzniveaus.  
 
3.   
Das Vorbringen von Tatsachen, die sich erst nach dem angefochtenen Entscheid ereigneten oder entstanden, ist vor Bundesgericht unzulässig (Art. 99 Abs. 1 BGG; BGE 143 V 19 E. 1.2 S. 23 mit Hinweisen). Die von der Beschwerdeführerin im bundesgerichtlichen Verfahren eingereichte Stellungnahme der Berufsberaterin vom 26. September 2019 bleibt daher als echtes Novum unbeachtlich. Der Internetauszug vom 13. September 2019 (www.berufsberatung.ch) stellt dagegen eine gerichtsnotorische und damit zu berücksichtigende Tatsache dar (vgl. JOHANNA DORMANN, in: Basler Kommentar zum Bundesgerichtsgesetz, 3. Aufl. 2018, N 53 zu Art. 99 BGG). 
 
4.  
 
4.1.  
 
4.1.1. Ein wesentlicher Unterbruch der Arbeitsunfähigkeit im Sinne von Art. 28 Abs. 1 lit. b IVG liegt vor, wenn die versicherte Person an mindestens 30 aufeinanderfolgenden Tagen voll arbeitsfähig war (Art. 29ter IVV).  
 
4.1.2. Die Frage nach dem Zeitpunkt des Eintritts der (invalidisierenden) Arbeitsunfähigkeit, ob somit der vom kantonalen Gericht festgesetzte Beginn der Wartezeit unrichtig sei, ist eine lediglich unter eingeschränktem Blickwinkel überprüfbare Tatfrage (SVR 2008 BVG Nr. 34 S. 143, 9C_127/2008 E. 2.2; Urteil 9C_689/2008 vom 25. Februar 2009 E. 3.1; vgl. vorangehende E. 1).  
 
4.2. Soweit die Beschwerdeführerin vorbringt, es sei zwischen 1. September 2014 und 30. November 2014 ärztlich keine Arbeitsunfähigkeit attestiert worden, ist festzuhalten, dass die MEDAS-Experten darauf schlossen, die Beschwerdegegnerin habe vormals zu 50 % eine Officetätigkeit ausgeübt und zu 50 % in der Logistik gearbeitet. Alle körperlich leichten, rückenschonenden Tätigkeiten, mindestens die Officetätigkeit, seien ihr zu 70 % zumutbar. Die teilweise schwereren Arbeiten in der Logistik seien jedoch rückenbedingt limitiert oder nicht möglich. Eine Quantifizierung falle schwer und sei abhängig von den jeweiligen geforderten Aufgaben. Rückenbelastende Tätigkeiten seien jedoch seit Beginn der Arbeitsunfähigkeit im Februar 2014 nicht mehr möglich. Mit Blick auf die gutachterlichen Darlegungen ist sodann unzweifelhaft, dass ihre Einschätzung gesamthaft auch im retrospektiven Verlauf Gültigkeit haben soll, abgesehen von zwischenzeitlich höheren Teil- respektive vollständigen Arbeitsunfähigkeiten post-/perioperativ (Interdisziplinäres Gutachten S. 11 ff. Ziff. 4.7 und 4.10).  
Inwiefern diese Beurteilung in Zweifel zu ziehen sei, wird weder substanziiert noch ist dies ersichtlich: So waren der Beschwerdegegnerin echtzeitlich ab Februar 2014 Arbeitsunfähigkeiten zwischen 50 und 100 % attestiert worden. Zwar wurde sie ab 1. September 2014 zu 100 % arbeitsfähig geschrieben (vgl. "Erstes Arztzeugnis - Kollektiv-Krankentaggeldversicherung" vom 21. Januar 2015). Am 8. Januar 2015 löste ihr Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis jedoch auf. Die Gründe hierfür waren erhebliche Defizite in der Leistung, das Nichteinhalten von Vorgaben der Arbeitgeberin bzw. eine fehlende Compliance (Fragebogen für Arbeitgebende S. 1). Damit ist manifest, dass die Beschwerdegegnerin auch ab 1. September 2014 nicht voll leistungsfähig war. Diesen Umstand würdigten die MEDAS-Gutachter in angemessener Weise, indem sie auch im retrospektiven Verlauf - in Kenntnis der echtzeitlich ab September 2014 attestierten 100%igen Arbeitsfähigkeit (Interdisziplinäres Gutachten S. 2) - für keinen Zeitraum von einer vollen Arbeitsfähigkeit in angestammter Tätigkeit ausgingen. Soweit die Beschwerdeführerin die medizinischen Unterlagen abweichend von der Vorinstanz würdigt und daraus andere Schlüsse zieht, genügt dies nicht (Urteile 9C_123/2018 vom 16. Januar 2019 E. 3.4.2 und 9C_494/2016 vom 19. Dezember 2016 E. 3.5). Die Feststellung des kantonalen Gerichts, wonach die Wartezeit nicht unterbrochen worden sei (vorinstanzliche Erwägung 5.3. S. 15), verletzt kein Bundesrecht. 
 
5.  
 
5.1.  
 
5.1.1. Zu prüfen bleibt, ob die Vorinstanz zur Ermittlung des Invalideneinkommens zu Recht auf das Kompetenzniveau 1 abgestellt hat, obwohl die Beschwerdegegnerin die Lehre zur Büroassistentin Eidgenössisches Berufsattest (EBA) abgeschlossen hat.  
 
5.1.2. Die Feststellung der beiden hypothetischen Vergleichseinkommen stellt sich als Tatfrage dar, soweit sie auf konkreter Beweiswürdigung beruht, hingegen als Rechtsfrage, soweit sich der Entscheid nach der allgemeinen Lebenserfahrung richtet (BGE 132 V 393 E. 3.3 S. 399). Die korrekte Anwendung der LSE-Tabellen, namentlich die Wahl der Tabelle wie auch der Beizug der massgeblichen Stufe (Kompetenzniveau), ist eine Rechtsfrage, welche vom Bundesgericht ohne Einschränkung der Kognition frei überprüft wird (BGE 143 V 295 E. 2.4 S. 297 mit Hinweisen).  
 
5.2. Die Beschwerdegegnerin verfügt unbestritten über eine abgeschlossene Ausbildung zur Büroassistentin EBA, aber über keine höherwertige berufliche Qualifikation. Ihr Abschluss ist insbesondere nicht mit demjenigen als Kauffrau Eidgenössisches Fähigkeitszeugnis (EFZ) gleichzusetzen. So wird ein EBA nach zweijähriger, das EFZ dagegen nach drei- bis vierjähriger Grundbildung erlangt (Art. 17 Abs. 2 und 3 sowie Art. 37 f. BBG). Zur Ausbildung als Büroassistent EBA wird sodann zugelassen, wer die obligatorische Schule mit den Grundanforderungen abgeschlossen hat. Für die Lehre zum Kaufmann EFZ wird dagegen mindestens die abgeschlossene Volksschule auf oberster Schulstufe mit genügenden Leistungen oder auf mittlerer Stufe mit guten Leistungen in den Kernfächern vorausgesetzt. Nach der Ausbildung zur Büroassistentin EBA besteht schliesslich bei sehr guten Leistungen die Möglichkeit einer verkürzten Weiterbildung zur Kauffrau EFZ (vgl. den Internetauszug vom 13. September 2019 bzw. www.berufsberatung.ch). Mit Blick hierauf rechtfertigt es sich, den Abschluss der Beschwerdegegnerin im Vergleich zu demjenigen als Kauffrau EFZ als Ausbildung in einer Hilfstätigkeit im Bürobereich zu qualifizieren. Die Feststellung des kantonalen Gerichts, wonach die Beschwerdegegnerin trotz ihrer Ausbildung nur für einfache Büroarbeiten einsetzbar sei (vorinstanzliche Erwägung 5.2. S. 14), ist daher keineswegs offensichtlich unrichtig. Gestützt auf diese Feststellung hat die Vorinstanz das Invalideneinkommen zu Recht auf der Grundlage des Kompetenzniveaus 1 ermittelt. Daran vermag alleine die - im Übrigen nicht als langjährig zu qualifizierende - Berufserfahrung der Beschwerdegegnerin im kaufmännischen Bereich von rund fünf Jahren nichts zu ändern (vgl. in diesem Sinne auch bei langjähriger Berufserfahrung das Urteil 8C_728/2016 vom 21. Dezember 2016 E. 3.3). Dass im Kompetenzniveau 1 viele einfache Tätigkeiten vertreten sind, die körperliche Kraft und Bewegung erfordern, ist schliesslich unbeachtlich, enthält doch jedes Tätigkeitsfeld ein Kompetenzniveau 1 (vgl. die Lohnstrukturerhebungen des Bundesamtes für Statistik).  
 
6.   
Mit Blick auf das Dargelegte ist die vorinstanzliche Feststellung, wonach das Wartejahr nicht unterbrochen worden sei, weder offensichtlich unrichtig noch beruht sie auf einer Rechtsverletzung (E. 4). Damit bleibt sie für das Bundesgericht verbindlich (vgl. E. 1). Sodann hat das kantonale Gericht auch kein Bundesrecht verletzt, indem es zur Ermittlung des Invalideneinkommens auf das Kompetenzniveau 1 abgestellt hat (E. 5). Die Beschwerde ist unbegründet. 
 
7.   
Mit dem Urteil in der Sache wird das Gesuch um Gewährung der aufschiebenden Wirkung gegenstandslos. 
 
8.   
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat die Beschwerdeführerin die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG) und der Versicherten eine Parteientschädigung zu bezahlen (Art. 68 Abs. 2 BGG). 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.   
Die Beschwerdeführerin hat die Beschwerdegegnerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2800.- zu entschädigen. 
 
4.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Kantonsgericht Freiburg, II. Sozialversicherungsgerichtshof, dem Bundesamt für Sozialversicherungen und der Veska Pensionskasse schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 3. März 2020 
 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Parrino 
 
Die Gerichtsschreiberin: Nünlist