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[AZA 3] 
4P.168/1999/rnd 
 
          I. Z I V I L A B T E I L U N G  
          ******************************* 
 
17. Februar 2000  
 
Es wirken mit: Bundesrichterin und Bundesrichter Walter, 
Präsident, Leu, Corboz, Klett, Nyffeler und Gerichts- 
schreiber Gelzer. 
--------- 
 
In Sachen 
 
Rhône-Poulenc Rorer Pharmaceuticals Inc., 500 Arcola Road,  
USA-19426-0107 Collegeville PA, Beschwerdeführerin, vertre- 
ten durch Rechtsanwalt Dr. Heinz Schärer und Dr. René Bösch, 
Weinbergstrasse 56/58, Postfach 338, 8035 Zürich, 
 
gegen 
 
Roche Diagnostic GmbH, Sandhofer Strasse 116, D-68305 Mann-  
heim 31, Beschwerdegegnerin, vertreten durch Rechtsanwalt 
Dr. Jürg Plattner, Mühlebachstrasse 20, Postfach, 
8024 Zürich, 
Schiedsgericht der Zürcher Handelskammer, p.A. Dr. Robert  
P. Umbricht, Bahnhofstrasse 22, Postfach 4174, 8022 Zürich, 
 
betreffend 
       Art. 190 Abs. 2 lit. a IPRG (Internationale 
Schiedsgerichtsbarkeit; Ablehnung eines Schiedsrichters), 
hat sich ergeben: 
 
A.-  
Die Corange Ltd. war Muttergesellschaft der  
Boehringer Mannheim-GmbH, Mannheim, D, (nachstehend: BMG) 
und der Boehringer Mannheim Pharmaceuticals Corporation, 
Gaithersburg, USA, (nachstehend: BMC). 
 
       Am 13. Januar 1992 schlossen die BMG und die BMC 
mit der Rhône-Poulenc Rorer Pharmaceuticals Inc., College- 
ville, USA, (nachstehend: RPRP) verschiedene Verträge über 
die Entwicklung und den Vertrieb der Medikamente "Bisphos- 
phonate" und "Lozol". Bei den "Bisphosphonate"-Verträgen war 
die BMG und beim "Lozol"-Vertrag" die BMC Vertragspartnerin 
der RPRP. 
 
       In der Folge kündigte die RPRP diese Verträge auf 
den 31. März 1993. Die BMG und die BMC erachteten die Kün- 
digungen als ungerechtfertigt und erhoben gegenüber der RPRP 
Ansprüche wegen Vertragsverletzung. 
 
B.-  
Am 12. April 1994 leitete die BMG vor der Zürcher  
Handelskammer ein Schiedsgerichtsverfahren gegen die RPRP 
ein. Die Handelskammer ernannte Dr. Anton Pestalozzi als 
vorsitzenden und Dr. Robert P. Umbricht und DDr. Werner 
Melis als weitere Schiedsrichter. Nachdem Dr. Pestalozzi 
zurückgetreten war, ernannte der Präsident der Zürcher Han- 
delskammer am 23. Mai 1995 Dr. Robert Umbricht als vorsit- 
zenden und Dr. Pierre A. Karrer als neuen Schiedsrichter. 
 
       In der Folge verhandelten die Aktionäre der Corange 
Ltd. über einen Verkauf der Gesellschaft an den Basler Phar- 
makonzern Roche. 
 
       Am 3. Juni 1997 informierte Dr. Karrer die Parteien 
per Telefax darüber, dass im Zusammenhang mit dem Kauf der 
Corange Ltd. durch die Roche seine Anwaltskanzlei angefragt 
worden war, ob sie die Verkäufer bezüglich kartellrechtli- 
cher Fragen nach schweizerischem Recht beraten könne. Zudem 
bat Dr. Karrer die Parteien, ihm mitzuteilen, ob sie mit der 
Übernahme dieses Mandats einverstanden seien. 
 
       Auf Grund dieser Anfrage verlangte die RPRP mit 
Fax-Schreiben vom 6. Juni 1996, dass Dr. Karrer in Ausstand 
trete und reichte am 16. Juni 1997 bei der Schiedsgerichts- 
kommission der Zürcher Handelskammer ein entsprechendes Ab- 
lehnungsgesuch ein. Dieses wurde am 15. Juli 1997 abgelehnt. 
 
       Nach der Übernahme der Corange Ldt. durch die Roche 
firmierte die BMG mit Roche Diagnostics GmbH und die BMC mit 
Roche Diagnostics Corporation. 
 
       Am 23. April 1999 erliess das Schiedsgericht einen 
Zwischenentscheid (Preliminary Award on Liability), in dem 
es die grundsätzliche Haftung der RPRP gegenüber der BMG 
feststellte, die Höhe des geschuldeten Schadenersatzes je- 
doch noch offen liess. 
 
C.-  
Die RPRP erhebt staatsrechtliche Beschwerde wegen  
Verletzung von Art. 190 Abs. 2 lit. a IPRG mit dem Begehren, 
den Zwischenentscheid des Schiedsgerichts vom 23. April 1999 
aufzuheben. 
 
       Die BMG beantragt, auf die Beschwerde nicht einzu- 
treten, eventualiter sie abzuweisen. Das Schiedsgericht ver- 
zichtet auf eine Vernehmlassung. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:  
 
1.-  
a) Das Bundesgericht prüft die Zulässigkeit der bei  
ihm eingereichten Beschwerden von Amtes wegen und mit freier 
Kognition (BGE 124 I 11 E. 1 S. 13). 
 
       b) Die Beschwerdeführerin rügt gemäss Art. 190 Abs. 
2 lit. a IPRG, das Schiedsgericht sei auf Grund der Befan- 
genheit des Schiedsrichters Dr. Karrer nicht vorschriftsge- 
mäss zusammengesetzt. Diese Rüge sei gemäss Art. 190 Abs. 3 
IPRG gegen Vorentscheide zulässig, weshalb der angefochtene 
Zwischenentscheid ein taugliches Anfechtungsobjekt sei. 
 
       c) Die Beschwerdegegnerin macht geltend, diese Rüge 
sei verspätet, weil die Beschwerdeführerin nicht versucht 
habe, die Abweisung ihres Rekusationsbegehrens durch die 
Zürcher Handelskammer anzufechten und sich danach vorbehalt- 
los in das Verfahren vor dem Schiedsgericht eingelassen 
habe. Die Beschwerdegegnerin verkennt dabei, dass gemäss der 
Rechtsprechung des Bundesgerichts gegen eine Ablehnungsent- 
scheidung eines privaten Gremiums - wie jenes der Handels- 
kammer - ein direktes Rechtsmittel ausgeschlossen ist, weil 
gemäss Art. 190 IPRG nur Entscheide und gewisse Vorentschei- 
de eines Schiedsgerichts beim staatlichen Richter angefoch- 
ten werden können, so dass eine Anfechtung ausgeschlossen 
ist, wenn es sich beim über die Ablehnung entscheidenden 
Gremium - wie zum Beispiel dem IHK-Schiedsgerichtshof - 
nicht um ein Schiedsgericht handelt (BGE 118 II 359 E. 3b 
unter Verweis auf  Walter/Bosch/Brönimann, Internationale  
Schiedsgerichtsbarkeit in der Schweiz, Kommentar zu Kapitel 
12 des IPR-Gesetzes, S. 112; bestätigt in unveröff. Bundes- 
gerichtsentscheid vom 18. Mai 1993, 4P.20/1993, E. 3). Die 
Beschwerdeführerin konnte daher ihre Einwände gegen den ne- 
gativen Ablehnungsentscheid des Schiedsgerichtsausschusses 
der Zürcher Handelskammer während des Verfahrens vor dem 
Schiedsgericht nicht mit Aussicht auf Erfolg vorbringen und 
war daher nach Treu und Glauben auch nicht gehalten, dies zu 
tun (vgl. Bundesgerichtsentscheid vom 30. Juni 1994, abge- 
druckt in Bulletin ASA 1997, S. 99 ff. E. 3). Hingegen lässt 
das Bundesgericht die indirekte Überprüfung des Ablehnungs- 
entscheides privater Gremien im Verfahren auf Aufhebung des 
Schiedsspruches zu, soweit dies zur Wahrung der Rechtsstaat- 
lichkeit des Schiedsgerichtsverfahrens - wozu die Unabhän- 
gigkeit der Schiedsrichter gehört - als notwendig erscheint 
(BGE 118 II 359 E. 3b; Bundesgerichtsentscheid vom 30. Juni 
1994, abgedruckt in Bulletin ASA 1997, S. 99 ff. E. 4, 
S. 103 f.). Es stellt sich die Frage, ob diese Überprüfung 
erst gegenüber dem End- oder bereits gegenüber Zwischenent- 
scheiden erfolgen kann. Dabei ist zu beachten, dass Art. 190 
Abs. 3 IPRG die Beschwerde wegen vorschriftswidriger Zusam- 
mensetzung (Art. 190 Abs. 2 lit. a IPRG) und der Unzustän- 
digkeit des Schiedsgerichts (Art. 190 Abs. 2 lit. b IPRG
bereits gegen Vorentscheide zulässt. Der Gesetzgeber hat 
damit im Interesse der Prozessökonomie die direkte Anfech- 
tung von Vor- bzw. Zwischenentscheiden des Schiedsgerichts 
bezüglich seiner Zusammensetzung oder Zuständigkeit zuge- 
lassen, um zu vermeiden, dass bereits in der Anfangsphase 
mit Mängeln behaftete Verfahren weitergeführt werden müssen 
(Vgl. Amtl. Bull. SR 1987, S. 198;  Andreas Bucher, Die neue  
internationale Schiedsgerichtsbarkeit in der Schweiz, S. 128 
Rz. 346, mit weiteren Hinweisen auf die Materialien; vgl. 
ferner:  Lalive/Poudret/Reymond, Le droit de l'arbitrage in-  
terne et international en suisse, N. 3 und 9 zu Art. 190 
IPRG). Dies entspricht dem allgemeinen prozessrechtlichen 
Grundsatz, dass gerichtsorganisatorische Fragen ihrer Natur 
nach vor der Weiterführung des Verfahrens endgültig zu er- 
ledigen sind (vgl. BGE 124 I 255 E. 1b/bb S. 259; 116 II 80 
E. 3a S. 84). Aus dem Zweck von Art. 190 Abs. 3 IPRG ergibt 
sich somit, dass die Rüge der vorschriftswidrigen Zusammen- 
setzung des Gerichts gegen den ersten Entscheid des Schieds- 
gerichts zu erheben ist, mit dem es explizit oder implizit 
über seine Zusammensetzung entscheidet (  Lalive/Poudret/  
Reymond, a.a.O., N. 9 zu Art. 190 IPRG; vgl. ferner: BGE 116  
II 80 E. 3a). Im vorliegenden Fall hat das Schiedsgericht 
den Ablehnungsentscheid der Zürcher Handelskammer mit dem 
angefochtenen sachrechtlichen Zwischenentscheid implizit be- 
stätigt, weshalb dieser insoweit gemäss Art. 190 Abs. 3 IPRG 
mit der Rüge angefochten werden kann, das Schiedsgericht sei 
wegen der Befangenheit eines Schiedsrichters nicht vor- 
schriftsgemäss zusammengesetzt. Auf die form- und fristge- 
recht erhobene Beschwerde ist demnach einzutreten. 
 
2.-  
a) Gemäss Art. 180 Abs. 1 lit. c IPRG kann ein  
Richter abgelehnt werden, wenn Umstände vorliegen, die An- 
lass zu berechtigten Zweifeln an seiner Unabhängigkeit ge- 
ben. Ob dies zutrifft bestimmt sich nach den Grundsätzen, 
welche sich auch aus Art. 58 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK er- 
geben. Diese gelten damit nicht nur für staatliche Gerichte, 
sondern auch für private Schiedsgerichte, deren Entscheide 
jenen der staatlichen Rechtspflege hinsichtlich Rechtskraft 
und Vollstreckbarkeit gleichstehen und die deshalb grund- 
sätzlich dieselbe Gewähr für eine unabhängige Rechtsprechung 
bieten müssen (BGE 119 II 271 E. 3b S. 275, 117 Ia 166 E. 5a 
S. 168 mit Hinweisen). Die Garantie auf einen unabhängigen 
Richter ist verletzt, wenn bei objektiver Betrachtung Um- 
stände vorliegen, welche den Anschein der Befangenheit und 
die Gefahr der Voreingenommenheit zu begründen vermögen (BGE 
119 Ia 221 E. 3 S. 226). Solche Umstände können entweder in 
einem bestimmten persönlichen Verhalten des Richters oder in 
funktionellen und organisatorischen Gegebenheiten liegen. In 
beiden Fällen wird aber nicht verlangt, dass der Richter 
deswegen tatsächlich befangen ist. Es genügt, wenn Umstände 
vorliegen, welche den Anschein der Befangenheit erwecken 
können. Bei der Beurteilung und Gewichtung solcher Umstände 
ist jedoch nicht auf das subjektive Empfinden einer Prozess- 
partei abzustellen; das Misstrauen hinsichtlich der Unvor- 
eingenommenheit muss vielmehr objektiv begründet erscheinen 
(BGE 117 Ia 324 E. 2; 116 Ia 32 E. 2b mit Hinweisen). 
 
       b) Die Beschwerdeführerin macht geltend, Dr. Karrer 
habe dadurch den Anschein der Befangenheit erweckt, dass er 
in seiner Eingabe bei der Zürcher Handelskammer angegeben 
habe, das Schreiben der Beschwerdeführerin vom Freitag 
6. Juni 1997 habe sich mit seinem Rückzug vom Montag 9. Juni 
1997 gekreuzt, was jedoch vom zeitlichen Ablauf her nicht 
möglich gewesen sei. Damit unterstellt die Beschwerdeführe- 
rin Dr. Karrer, er habe wahrheitswidrig angegeben, dass der 
Rückzug des Mandatsantrags und nicht die Ablehnungsanträge 
der Beschwerdeführerin Anlass für den Fax-Brief vom 9. Juni 
1997 gewesen sei. Entgegen der Auffassung der Beschwerdefüh- 
rerin besteht kein Anlass an der Ehrlichkeit von Dr. Karrer 
zu zweifeln, weil die zeitliche Abfolge der Fax-Schreiben 
die Angaben von Dr. Karrer nicht ausschliesst. Dieser machte 
in seiner Vernehmlassung nämlich geltend, er sei bis zum 
Freitag den 6. Juni 1997 auf Reisen gewesen und habe daher 
das Fax-Schreiben der Beschwerdeführerin noch nicht gesehen, 
als er am darauf folgenden Wochenende erfahren habe, dass 
die Verkäufer der Corange den Mandatsantrag zurückgezogen 
hatten. Daraufhin habe er noch am Wochenende den Brief dik- 
tiert, welcher am Montag 9. Juni 1997 versendet worden sei. 
Die Beschwerdeführerin gibt nicht an, inwiefern diese Anga- 
ben unzutreffend seien. 
 
       Im Weiteren leitet die Beschwerdeführerin die Be- 
fangenheit von Dr. Karrer daraus ab, dass er ihr die Ableh- 
nung der Zustimmung zur fraglichen Mandatsübernahme bewusst 
oder unbewusst nachtragen könnte. Die Beschwerdeführerin 
lässt dabei ausser Acht, dass Dr. Karrer den Parteien diese 
Möglichkeit ausdrücklich offerierte und er damit sein Ver- 
ständnis zum Ausdruck brachte, dass die Beschwerdeführerin 
bei der Übernahme des Mandats die Möglichkeit eines Interes- 
senkonflikts hätte erblicken können. Zudem hatte die Ableh- 
nung gemäss den nicht widerlegten Angaben von Dr. Karrer 
keine praktische Auswirkung, weil der Mandatsantrag zurück- 
gezogen wurde. Es ist daher nicht anzunehmen, Dr. Karrer 
trage der Beschwerdeführerin die Ablehnung derart nach, dass 
er seine Unabhängigkeit verlieren würde. Ein objektiv be- 
gründetes Misstrauen auf Grund der abgelehnten Zustimmung 
zur Mandatsübernahme ist daher zu verneinen. Die Rüge, das 
Schiedsgericht sei vorschriftswidrig zusammengesetzt gewe- 
sen, erweist sich damit als unbegründet. 
 
3.-  
Nach dem Gesagten ist die Beschwerde abzuweisen.  
Bei diesem Verfahrensausgang wird die Beschwerdeführerin 
kosten- und entschädigungspflichtig (Art. 156 Abs. 1 und 
Art. 159 Abs. 2 OG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.-  
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen.  
 
2.  
Die Gerichtsgebühr von Fr. 10'000.-- wird der Be-  
schwerdeführerin auferlegt. 
 
3.  
Die Beschwerdeführerin hat die Beschwerdegegnerin  
für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 10'000.-- zu 
entschädigen. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Schiedsge-  
richt der Zürcher Handelskammer schriftlich mitgeteilt. 
 
______________ 
 
 
Lausanne, 17. Februar 2000 
 
                    
Im Namen der I. Zivilabteilung  
                    
des SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS  
Der Präsident: 
 
                                         
Der Gerichtsschreiber: