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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
8C_707/2019  
 
 
Urteil vom 2. März 2020  
 
I. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Maillard, Präsident, 
Bundesrichterin Heine, Bundesrichter Wirthlin, 
Gerichtsschreiberin Polla. 
 
Verfahrensbeteiligte 
1.       A.A.________, 
2.       B.A.________, 
       handelnd durch seine Mutter A.A.________, 
beide vertreten durch Fürsprecher Bruno C. Lenz, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Allianz Suisse Versicherungs-Gesellschaft AG, Richtiplatz 1, 8304 Wallisellen, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Unfallversicherung 
(Hinterlassenenrente; Leistungskürzung), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid 
des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern 
vom 12. September 2019 (200 19 471 UV). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Der 1961 geborene C.A.________ verunfallte am 16. Juni 2017 tödlich, als er bei einem Überholmanöver mit seinem Motorrad mit einem entgegenkommenden Fahrzeug kollidierte. Die Allianz Suisse Versicherungs-Gesellschaft AG (nachfolgend: Allianz) sprach seiner hinterbliebenen Ehefrau A.A.________ und seinem Sohn B.A.________ als zuständiger obligatorischer Unfallversicherer Hinterlassenenleistungen zu. Mit der Begründung, der Versicherte habe den Unfall in Ausübung eines Vergehens im Sinne von groben Verkehrsregelverletzungen herbeigeführt, kürzte die Allianz die komplementären Witwen- und Halbwaisenrenten jedoch um 50 % (Verfügung vom 4. Juni 2018 und Einspracheentscheid vom 10. Mai 2019). 
 
B.   
Die gegen den Einspracheentscheid vom 10. Mai 2019 geführte Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Bern mit Entscheid vom 12. September 2019 ab. 
 
C.   
A.A.________ und B.A.________ führen Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und beantragen, der Entscheid des kantonalen Gerichts sei aufzuheben und die Hinterlassenenrenten seien "nicht um höchstens 10 %" (recte wohl: "nicht"), eventualiter um höchstens 10 % zu kürzen. Subeventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Ferner wird um unentgeltliche Rechtspflege ersucht. 
Die Beschwerdegegnerin und das Bundesamt für Gesundheit verzichten auf eine Vernehmlassung. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann eine Rechtsverletzung nach Art. 95 f. BGG gerügt werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Dennoch prüft es - offensichtliche Fehler vorbehalten - nur die in seinem Verfahren gerügten Rechtsmängel (Art. 42 Abs. 1 f. BGG; BGE 135 II 384 E. 2.2.1 S. 389). 
Im Beschwerdeverfahren um die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen der Unfallversicherung ist das Bundesgericht nicht an die vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden (Art. 97 Abs. 2 und Art. 105 Abs. 3 BGG). 
Eine Angemessenheitskontrolle ist dem Bundesgericht verwehrt; es hat nur zu prüfen, ob die Vorinstanz ihr Ermessen rechtsfehlerhaft ausgeübt, mithin überschritten, unterschritten oder missbraucht hat (vgl. BGE 132 V 393 E. 3.3 S. 399; SVR 2009 UV Nr. 58 S. 206, 8C_256/2009 E. 2.2.1). 
 
2.  
 
2.1. Streitig und zu prüfen ist, ob die Vorinstanz zu Recht die Kürzung der Hinterlassenenleistungen bestätigte.  
 
2.2. Hat die versicherte Person den Versicherungsfall vorsätzlich oder bei vorsätzlicher Ausübung eines Verbrechens oder Vergehens herbeigeführt oder verschlimmert, so können ihr die Geldleistungen vorübergehend oder dauernd gekürzt oder in schweren Fällen verweigert werden (Art. 21 Abs. 1 ATSG). Geldleistungen für Angehörige oder Hinterlassene werden nur gekürzt oder verweigert, wenn diese den Versicherungsfall vorsätzlich oder bei vorsätzlicher Ausübung eines Verbrechens oder Vergehens herbeigeführt haben (Art. 21 Abs. 2 ATSG).  
Hat der Versicherte den Unfall bei nicht vorsätzlicher Ausübung eines Verbrechens oder Vergehens herbeigeführt, so können ihm in Abweichung von Art. 21 Abs. 1 ATSG die Geldleistungen gekürzt oder in besonders schweren Fällen verweigert werden. Hat der Versicherte im Zeitpunkt des Unfalles für Angehörige zu sorgen, denen bei seinem Tode Hinterlassenenrenten zustünden, so werden Geldleistungen höchstens um die Hälfte gekürzt. Stirbt er an den Unfallfolgen, so können die Geldleistungen für die Hinterlassenen in Abweichung von Art. 21 Abs. 2 ATSG ebenfalls höchstens um die Hälfte gekürzt werden (Art. 37 Abs. 3 UVG). 
Die Kürzung oder Verweigerung von Versicherungsleistungen ist eine verwaltungsrechtliche Sanktion. Sie bezweckt den Schutz der Versicherung vor ungerechtfertigter Inanspruchnahme und hat nicht pönalen Charakter (BGE 129 V 354 E. 3.2 in fine S. 359; BGE 119 V 241 E. 4b in fine S. 249). Die Versicherung soll nicht über Gebühr mit Schäden belastet werden, welche die Betroffenen bei Anwendung der ihnen zumutbaren Sorgfalt hätten vermeiden können (BGE 111 V 186 E. 2a S. 187; vgl. auch BGE 114 V 190 E. 4b/bb S. 192). Deshalb kann in objektiver Hinsicht grundsätzlich allein das abstrakte oder konkrete Gefährdungspotential für die versicherte Person selber von Bedeutung sein. Desgleichen kann subjektiv die Vorgehensweise, namentlich die Rücksichtslosigkeit des Verhaltens, nur insofern beachtlich sein, als dadurch die Gefahr, sich selber ernstlich und irreversibel zu verletzen oder allenfalls von Dritten verletzt zu werden, erst geschaffen oder erhöht wird. Nicht erforderlich ist eine richtige Vorstellung von der genauen Art des durch das vorwerfbare Verhalten eingegangenen Gesundheitsrisikos (BGE 111 V 186 E. 4b S. 195). Nur soweit reicht der Vorwurf, der eine Leistungskürzung oder sogar die Verweigerung der Leistung rechtfertigt. Die Beurteilung hat aufgrund der gesamten Umstände des konkreten Falles zu erfolgen (BGE 134 V 315 E. 4.5.1.1 S. 319 f.). Es ist zu prüfen, ob subjektiv oder objektiv bedeutsame Entlastungsgründe vorliegen, die das Verschulden in einem milderen Licht, somit die Verkehrsregelverletzung nicht als schwerwiegend erscheinen lassen (BGE 118 V 305 E. 2b S. 307; vgl. auch ALEXANDRA RUMO JUNGO/ANDRÉ PIERRE HOLZER, Rechtsprechung des Bundesgerichts zum Sozialversicherungsrecht, UVG, 4. Aufl. 2012, S. 203; KASPAR GEHRING, in: Hürzeler/Kieser [Hrsg.], Kommentar zum schweizerischen Sozialversicherungsrecht, UVG, 2018, N. 112 zu Art. 37 UVG). 
 
3.  
 
3.1. Gestützt auf den Rapport der Polizei und der Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft vom 10. Oktober 2017 steht fest, dass der verstorbene Versicherte mit seinem Motorrad auf der Strasse von X.________ Richtung Y.________ unterwegs gewesen war. Vor ihm in der Kolonne fuhr ein Personenwagen (BMW) und davor der am Unfall beteiligte LKW. Nach der Örtlichkeit Z.________ überholte der Versicherte den BMW. Anschliessend reduzierte er die Geschwindigkeit und zögerte - gemäss Zeugenaussagen - den vor ihm fahrenden LKW ebenfalls zu überholen. Einen Moment später beschleunigte er hingegen sein Motorrad erneut und setzte zum Überholen des vorausfahrenden LKWs an. Als der Fahrer des LKWs dies bemerkte, bremste er stark ab, um dem Versicherten das schnellere Wiedereinbiegen auf seine Fahrspur zu ermöglichen, weil er gleichzeitig einen Personenwagen (Subaru) aus der Gegenrichtung herannahen sah. Als die Fahrerin des Subaru das auf ihrer Fahrbahn entgegenkommende Motorrad bemerkte, lenkte sie ihr Fahrzeug an den rechten Fahrbahnrand. Dennoch kollidierte das Motorrad in Schräglage seitlich/frontal mit diesem. Fest steht überdies, dass die Lenkerin des Subaru ihrerseits vor der Kollision einen Traktor überholt hatte und dass ein vor dem Versicherten fahrendes Motorrad den BMW und den LKW erfolgreich überholt hatte, bevor der verstorbene Versicherte seinerseits zum Überholmanöver ansetzte.  
 
3.2.  
 
3.2.1. Die Vorinstanz erkannte, der verstorbene Versicherte habe den Unfall bei einer groben Verkehrsregelverletzung nach Art. 90 Abs. 2 SVG und somit anlässlich der Ausübung eines Vergehens herbeigeführt. Er habe ein grobfahrlässiges Verhalten an den Tag gelegt, als er sich verkehrsregelwidrig zum Überholen des LKWs entschlossen habe. Es hätte ihm bewusst sein müssen, dass dieses Vorhaben gefährlich und verkehrsregelwidrig sei, da er sich an einer unübersichtlichen Stelle (leichte Rechtskurve) befunden und der LKW überdies seine Sicht auf die Gegenfahrbahn (zumindest teilweise) verdeckt habe. Er habe pflichtwidrig nicht in Betracht gezogen, dass der sich auf der Gegenfahrbahn befindende Traktor seinerseits noch überholt werden und diese daher im Zeitpunkt des Überholens nicht mehr frei sein könnte. Der Versicherte habe rücksichtslos nicht bedacht, dass er durch sein Vorgehen auch die anderen Verkehrsteilnehmer gefährdet habe. Der objektive und subjektive Tatbestand von Art. 90 Abs. 2 SVG sei erfüllt.  
Bei dieser Sach- und Rechtslage liess das kantonale Gericht die Frage offen, ob durch Überschreitung der signalisierten Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h ausserorts eine grobe Verkehrsverletzung vorliegt. Ebenfalls offen liess es, ob der Überholvorgang als Einzelhandlung als relatives Wagnis zu qualifizieren ist. 
 
3.2.2. Das kantonale Gericht beanstandete mit Blick auf das soeben Dargelegte die um 50 % vorgenommene Kürzung nicht. Der Unfallversicherer habe kein Entschliessungsermessen hinsichtlich einer Kürzung. Bezüglich deren Umfang stehe ihm aber ein weites Ermessen zu. Es seien keine triftigen Gründe ersichtlich, um in dieses Ermessen einzugreifen, weshalb es sich zu keiner Korrektur veranlasst sehe, auch wenn die höchstmögliche Kürzung vorgenommen worden sei.  
 
3.3. Die Beschwerdeführer wenden dagegen ein, die Vorinstanz habe überhaupt nicht begründet, weshalb eine Kürzung von 50 % - und keine geringere - die zweckmässigste sei, womit sie das rechtliche Gehör verletzt und ihr Ermessen unrechtmässig unterschritten habe. Das Verschulden des verstorbenen Versicherten habe ferner einzig darin bestanden, dass er nicht bedacht habe, dass der auf der Gegenfahrbahn sichtbare Traktor seinerseits auch noch überholt werden könnte und dass die Beurteilung der Verkehrssituation durch den anscheinend unmittelbar vor ihm fahrenden Motorradfahrer für ihn keine Gültigkeit mehr haben würde. Dies sei eine ausserordentliche und überaus unglückliche Situation, die sein Verschulden als gering erscheinen liesse. Ausserdem sei es zu keinem nennenswerten weiteren Personenschaden gekommen. Dass beim vorliegenden Fall eine Kürzung um 50 % nicht gerechtfertigt sei, ergebe sich auch aus den Empfehlungen der Ad-hoc-Kommission Schaden-UVG Nr. 26/84, wonach bei riskanten Überholmanövern eine Kürzung der Hinterlassenenleistungen um 10 bis 30 % angezeigt sei. Von dieser Verwaltungsweisung sei nicht ohne triftigen Grund abzuweichen.  
 
4.   
Eine Verletzung des rechtliches Gehör resp. der Begründungspflicht liegt nicht vor, wenn eine sachgerechte Anfechtung des vorinstanzlichen Entscheids möglich war (vgl. BGE 142 III 433 E. 4.3.2 S. 436 mit Hinweisen). Die Begründung muss wenigstens kurz die Überlegungen darstellen, von denen sich die Behörde leiten liess und auf welche sie ihren Entscheid stützt. Die Anforderungen an die Begründung sind umso höher, je grösser der Entscheidungsspielraum der Behörde ist (BGE 142 II 324 E. 3.6 S. 337 f.; 129 I 232 E. 3.3 S. 239; 112 Ia 107 E. 2b S. 110, je mit Hinweisen). 
Indem die Vorinstanz auf die konkreten Umstände verwies, welche sie im Rahmen der gesamten Beurteilung eingehend erörterte und zum Schluss gelangte, trotz Ausschöpfung der Kürzungsmöglichkeit lägen keine triftigen Gründe vor, um in das dem Unfallversicherer zustehende Ermessen einzugreifen, hat sie der verfassungsrechtlich verankerten Begründungspflicht (Art. 29 Abs. 2 BV) Genüge getan, weshalb die diesbezügliche Rüge fehl geht. 
 
5.  
 
5.1. Der Begriff des Vergehens gemäss Art. 37 Abs. 3 UVG bestimmt sich nach Art. 10 Abs. 3 StGB, wonach Vergehen Taten sind, die mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bedroht sind.  
Nach Art. 90 Abs. 2 SVG wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wer durch grobe Verletzung der Verkehrsregeln eine ernstliche Gefahr für die Sicherheit anderer hervorruft oder in Kauf nimmt. 
 
5.1.1. Der objektive Tatbestand verlangt nach der Rechtsprechung, dass der Täter eine wichtige Verkehrsvorschrift in objektiv schwerer Weise missachtet und die Verkehrssicherheit ernstlich gefährdet. Eine ernstliche Gefahr für die Sicherheit anderer ist bereits bei einer erhöhten abstrakten Gefährdung gegeben. Diese setzt die naheliegende Möglichkeit einer konkreten Gefährdung oder Verletzung voraus. Eine konkrete Gefahr oder Verletzung ist nicht verlangt.  
 
5.1.2. Subjektiv erfordert der Tatbestand ein rücksichtsloses oder sonst schwerwiegend verkehrsregelwidriges Verhalten, d.h. ein schweres Verschulden, bei fahrlässigem Handeln mindestens grobe Fahrlässigkeit. Diese ist jedenfalls zu bejahen, wenn der Täter sich der allgemeinen Gefährlichkeit seiner verkehrsregelwidrigen Fahrweise bewusst ist. Grobe Fahrlässigkeit kommt aber auch in Betracht, wenn der Täter die Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer pflichtwidrig gar nicht in Betracht gezogen, also unbewusst fahrlässig gehandelt hat. In solchen Fällen ist grobe Fahrlässigkeit zu bejahen, wenn das Nichtbedenken der Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer auf Rücksichtslosigkeit beruht (BGE 118 IV 285 E. 4 S. 290). In diesem Sinn rücksichtslos ist nicht nur das bedenkenlose Verhalten gegenüber fremden Rechtsgütern, sondern auch ein blosses (momentanes) Nichtbedenken der Gefährdung fremder Interessen (BGE 131 IV 133 E. 3.2 S. 136 mit Hinweisen). Je schwerer die Verkehrsregelverletzung objektiv wiegt, desto eher wird Rücksichtslosigkeit subjektiv zu bejahen sein, sofern keine besonderen Gegenindizien vorliegen (BGE 142 IV 93 E. 3.1 mit Hinweisen).  
Grundsätzlich ist von einer objektiv groben Verletzung der Verkehrsregeln auf ein zumindest grobfahrlässiges Verhalten zu schliessen. Die Rücksichtslosigkeit ist ausnahmsweise zu verneinen, wenn besondere Umstände vorliegen, die das Verhalten subjektiv in einem milderen Licht erscheinen lassen (Urteile 6B_1324/2017 vom 9. Mai 2018 E. 2.1; 6B_462/2019 vom 23. August 2019 E. 1.1.1 je mit Hinweisen). 
 
5.2. Bei Fehlverhalten im Strassenverkehr ist grobe Fahrlässigkeit im Sinne von Art. 37 Abs. 2 UVG in der Regel dann anzunehmen, wenn in ursächlichem Zusammenhang mit dem Unfall eine elementare Verkehrsvorschrift oder mehrere wichtige Verkehrsregeln schwerwiegend verletzt wurden. Der Begriff der groben Fahrlässigkeit nach Art. 37 Abs. 2 UVG ist in diesen Fällen weiter zu fassen als derjenige der groben Verletzung von Verkehrsregeln nach Art. 90 Ziff. 2 SVG, welcher ein rücksichtsloses oder sonst schwerwiegend regelwidriges Verhalten voraussetzt (BGE 118 V 305 E. 2b S. 308; SVR 2013 UV Nr. 34 S. 120, 8C_263/2013 E. 4.2).  
 
6.  
 
6.1. Dass das vorliegend zu beurteilende Überholmanöver den objektiven Straftatbestand nach Art. 90 Abs. 2 SVG erfüllt, wird in der Beschwerde zu Recht nicht in Abrede gestellt.  
 
6.2. In subjektiver Hinsicht sehen die Beschwerdeführer das Verschulden des Versicherten eher als gering an. Dieses habe - wie bereits erwähnt - einzig darin bestanden, dass er nicht bedacht habe, dass der Traktor seinerseits noch überholt werden könnte und dass die Beurteilung des vor ihm überholenden Motorrades für ihn keine Gültigkeit mehr haben könnte.  
 
6.3. Überholen ist nur gestattet, wenn es nicht überhaupt verboten ist, der nötige Raum übersichtlich und frei ist und andere Verkehrsteilnehmer nicht behindert oder gefährdet werden (Art. 35 Abs. 2 SVG; BGE 129 IV 155 E. 3.2.1 S. 158). Gemäss konstanter Rechtsprechung muss nicht nur die für den Überholvorgang benötigte Strecke übersichtlich und frei sein, sondern zusätzlich jene, die ein entgegenkommendes Fahrzeug bis zu jenem Punkt zurücklegt, wo der Überholende die linke Strassenseite freigegeben haben wird (BGE 109 IV 134 E. 2; Urteil 6B_272/2010 vom 9. Juli 2010 E. 4). Der Überholende muss von Anfang an die Gewissheit haben, sein Überholmanöver sicher und ohne Gefährdung Dritter abschliessen zu können (BGE 103 IV 256 E. 3a; Urteil 6B_1209/2013 vom 26. Juni 2014 E. 1.2).  
 
6.4. Diese Voraussetzungen waren hier mit der Vorinstanz offensichtlich nicht gegeben. Unbestrittenermassen bestand keine freie Sicht mehr für ein gefahrloses Überholmanöver, da die Strasse kurz vor der Kollisionsstelle eine leichte Rechtskurve vollzog. Wäre die Sicht des verunfallten Versicherten aufgrund der leichten Rechtskurve und des vor ihm fahrenden LKWs nicht (zumindest teilweise) verdeckt gewesen, hätte er den entgegenkommenden Subaru bemerkt oder bemerken müssen, zumal die Fahrerin des Subaru nach ihrem eigenen Überholmanöver bereits wieder mehrere Sekunden auf der rechten Fahrspur war, bis sie das erste Motorrad kreuzte. Da der Versicherte keine freie Sicht hatte, hätte ihm die allgemeine Gefährlichkeit seines Verhaltens, wie im vorinstanzlichen Entscheid ausgeführt wurde, bewusst sein müssen. Im Zeitpunkt des Beginns des Überholmanövers fehlte die Gewissheit, dieses gefahrlos abschliessen zu können. Dennoch setzte er zum Überholen an, anstatt zunächst mit dem Motorrad nur auszuscheren, um zu prüfen, ob sicher überholt werden konnte. Hierin liegt die grobe Sorgfaltspflichtverletzung mit offenkundig fatalem Ausgang für den Versicherten selbst und eingetretener grosser Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer. Wie schwer die Unfallbeteiligten verletzt wurden, ist diesbezüglich nicht relevant. Die Vorinstanz bejahte somit zu Recht die Verwirklichung des Art. 90 Abs. 2 SVG infolge grobfahrlässigen Handelns auch in subjektiver Hinsicht.  
 
7.  
 
7.1. Was den Umfang der Leistungskürzung betrifft, ist unbestritten, dass eine Leistungskürzung um höchstens 50 % zulässig ist. Wie in BGE 134 V 277 E. 3.3 S. 282 festgehalten wurde, sind die mit Art. 37 Abs. 3 UVG vorgenommenen Abweichungen vom ATSG vom Gesetzgeber gewollt, da dieser das mit dem früheren Art. 37 Abs. 3 UVG eingeführte Sanktionssystem beibehalten wollte. Sodann hat die Vorinstanz ihr Ermessen nicht unterschritten oder dieses sonstwie rechtsfehlerhaft ausgeübt (BGE 137 V 71 E. 5.2 S. 73, 126 V 75 E. 6 S. 81), indem sie festhielt, es lägen keine Umstände vor, die es rechtfertigten, ihrerseits in das pflichtgemäss ausgeübte Ermessen der Beschwerdegegnerin betreffend die Höhe der Leistungskürzung einzugreifen. Jedenfalls folgte das kantonale Gericht korrekterweise nicht der Auffassung der Beschwerdeführer, der verstorbene Versicherte habe nur leicht fahrlässig gehandelt, sodass sich höchstens eine Leistungskürzung um 10 % rechtfertige, wie sich aus dem soeben Dargelegten ergibt. Damit nennen die Beschwerdeführer keine triftigen Gründe, die es dem kantonalen Gericht erlaubt hätten, sein Ermessen an die Stelle desjenigen der Beschwerdegegnerin zu setzen. Die hier vorgenommene Kürzung liegt im Rahmen der gesetzlichen Ordnung. Angesichts der Schwere der pflichtwidrig verursachten Gefährdung und da subjektiv oder objektiv keine bedeutsamen Entlastungsgründe vorliegen, die das Verschulden in einem milderen Licht erscheinen liessen oder Gegebenheiten, die eine abweichende Ermessensausübung als naheliegender rechtfertigen könnten, ist der vorinstanzliche Entscheid nicht zu beanstanden. Nichts zu ihren Gunsten abzuleiten vermögen die Beschwerdeführer schliesslich aus den Empfehlungen Nr. 26/84 der ad-hoc-Kommission Schaden UVG, die für ein gefährliches Überholmanöver eine Leistungskürzung von 10 bis 30 % festhalten. Diese Angaben sind zwar geeignet, zu einer rechtsgleichen Praxis beizutragen; sie stellen aber keine Weisung an die Durchführungsorgane der obligatorischen Unfallversicherung dar und sind insbesondere für das Gericht nicht verbindlich (BGE 140 V 41 E. 6.4.2.1 S. 42, 138 V 140 E. 5.3.6 S. 146).  
 
7.2. Nachdem die vorgenommene Kürzung der Hinterlassenenleistungen um 50 % gestützt auf Art. 37 Abs. 3 UVG demnach rechtens ist, erübrigen sich Weiterungen zur Frage, ob eine solche Kürzung auch aufgrund des Vorliegens eines (relativen) Wagnisses (Art. 39 UVG in Verbindung mit Art. 50 Abs. 1 UVV) bejaht werden könnte (vgl. zur Konkurrenz von Art. 37 Abs. 3 UVG und Art. 39 UVG in Verbindung mit Art. 50 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 UVV: ANDREAS BRUNNER/DORIS VOLLENWEIDER, Basler Kommentar zum UVG, 2019, N. 77 f. zu Art. 39 UVG sowie KASPAR GEHRING, in: Kieser/Gehring/Bollinger [Hrsg.], KVG UVG Kommentar, 2018, N. 27 zu Art. 39 UVG). Damit hält der Entscheid des kantonalen Gerichts stand.  
 
8.   
Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 65 BGG). Die Gerichtskosten werden den unterliegenden Beschwerdeführern auferlegt (Art. 66 Abs. 1 BGG). Dem Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege (im Sinne der vorläufigen Befreiung von den Gerichtskosten und der unentgeltlichen Verbeiständung) kann entsprochen werden (Art. 64 Abs. 1 und 2 BGG). Es wird indessen ausdrücklich auf Art. 64 Abs. 4 BGG aufmerksam gemacht, wonach die begünstigte Partei der Bundesgerichtskasse Ersatz zu leisten haben wird, wenn sie später dazu im Stande ist. 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.   
Den Beschwerdeführern wird die unentgeltliche Rechtspflege gewährt und Fürsprecher Bruno C. Lenz wird als unentgeltlicher Anwalt bestellt. 
 
3.   
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden den Beschwerdeführern auferlegt, indes vorläufig auf die Bundesgerichtskasse genommen. 
 
4.   
Dem Rechtsvertreter der Beschwerdeführer wird aus der Bundesgerichtskasse eine Entschädigung von Fr. 2800.- ausgerichtet. 
 
5.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 2. März 2020 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Maillard 
 
Die Gerichtsschreiberin: Polla