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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
8C_190/2020  
 
 
Urteil vom 3. Juni 2020  
 
I. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Maillard, Präsident, 
Bundesrichter Wirthlin, Bundesrichterin Viscione, 
Gerichtsschreiberin Durizzo. 
 
Verfahrensbeteiligte 
Kantonale IV-Stelle Wallis, Bahnhofstrasse 15, 1950 Sitten, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
A.________, vertreten durch PROCAP Oberwallis, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung (Invalidenrente), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Kantonsgerichts Wallis vom 6. Februar 2020 (S1 19 137). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
A.________, geboren 1955, war seit 1988 bei der B.________ SA, angestellt und zuletzt mit der Verpackung von Metallprodukten beschäftigt. Im Juli 2018 meldete er sich unter Hinweis auf eine 50%ige Arbeitsunfähigkeit seit 30. Januar 2018 wegen Rückenbeschwerden bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Die Arbeitsstelle wurde ihm per 31. Mai 2019 gekündigt. Die Kantonale IV-Stelle Wallis holte Berichte der behandelnden Ärzte ein und legte sie dem Regionalen Ärztlichen Dienst (RAD) vor. Gestützt auf dessen Stellungnahme vom 26. März 2019 lehnte sie den Anspruch auf eine Invalidenrente mit Verfügung vom 3. Juni 2019 ab. Zur Begründung wurde angeführt, dass A.________ in einer leidensangepassten Tätigkeit zu 100 % arbeitsfähig sei. Er wäre damit in der Lage, ein rentenausschliessendes Einkommen zu erzielen (Invaliditätsgrad: 32 %). 
 
B.   
Die dagegen erhobene Beschwerde hiess das Kantonsgericht Wallis mit Entscheid vom 6. Februar 2020 gut und sprach A.________ eine ganze Invalidenrente nach Ablauf der Wartezeit zu. Es erkannte, dass ihm die Verwertung seiner Restarbeitsfähigkeit aus Altersgründen nicht zuzumuten sei. 
 
C.   
Die IV-Stelle führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem Antrag, unter Aufhebung des angefochtenen Entscheides sei ihre Verfügung vom 3. Juni 2019 zu bestätigen. 
 
A.________ lässt auf Abweisung der Beschwerde schliessen. Das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichtet auf eine Vernehmlassung. 
 
D.   
Mit Verfügung vom 14. Mai 2020 hat der Instruktionsrichter dem Gesuch der IV-Stelle um aufschiebende Wirkung der Beschwerde stattgegegeben. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist folglich weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann sie mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen. Immerhin prüft das Bundesgericht, unter Berücksichtigung der allgemeinen Pflicht zur Begründung der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 141 V 234 E. 1 S. 236 mit Hinweisen). 
 
2.   
Streitig ist, ob die vorinstanzliche Zusprechung einer ganzen Invalidenrente mangels Verwertbarkeit der Restarbeitsfähigkeit vor Bundesrecht standhält. Zur Frage steht, ob die gegebene Arbeitsfähigkeit während der massgeblichen Wartezeit der Entstehung eines Rentenanspruchs entgegenstand. 
 
3.   
Das kantonale Gericht hat die Bestimmungen und Grundsätze zur Invalidität (Art. 8 Abs. 1 ATSG, Art. 4 Abs. 1 IVG), zum Anspruch auf eine Invalidenrente (Art. 28 Abs. 2 IVG) sowie zur Ermittlung des Invaliditätsgrades nach der allgemeinen Methode des Einkommensvergleichs (Art. 16 ATSG) zutreffend dargelegt. Gleiches gilt hinsichtlich der Regeln über den Beweiswert eines ärztlichen Berichts oder Gutachtens (BGE 134 V 231 E. 5.1 S. 232; 125 V 351 E. 3a S. 352). Zutreffend wiedergegeben wird auch die Rechtsprechung zur Verwertbarkeit der Restarbeitsfähigkeit bei fortgeschrittenem Alter (BGE 145 V 2 E. 5.3.1 S. 16 f.; 138 V 457 E. 3.1 S. 459 f. sowie E. 3.4 S. 462; SVR 2019 IV Nr. 7 S. 21, 8C_892/2017 E. 3.2; SVR 2016 IV Nr. 58 S. 190, 8C_910/2015 E. 4.2.2; ferner Urteile 8C_826/2018 vom 14. August 2019 E. 3.2.1; 8C_290/2018 vom 25. September 2018 E. 5.3; 8C_678/2016 vom 1. März 2017 E. 2.2) Es wird darauf verwiesen. 
 
Zu ergänzen ist, dass für die Rentenberechtigung nach Art. 28 Abs. 1 IVG unter anderem vorausgesetzt wird, dass der Versicherte während eines Jahres ohne wesentlichen Unterbruch durchschnittlich mindestens zu 40 % arbeitsunfähig war (lit. b). Rechtsprechungsgemäss handelt es sich bei diesem Erfordernis um eine materielle Anspruchsvoraussetzung für die Entstehung eines Rentenanspruchs (BGE 142 V 547 E. 3.2 S. 550). 
 
4.   
Die Vorinstanz stellte fest, dass der Versicherte gemäss RAD in einer leidensangepassten Tätigkeit zwar immer zu 100 % arbeitsfähig gewesen wäre. Bis zum Erreichen des gesetzlichen Rentenalters hätten ihm indessen nur noch anderthalb Jahre zur Verfügung gestanden. Er habe eine landwirtschaftliche Schule besucht, ansonsten aber keine weitere Ausbildung absolviert und hätte nach 31 Jahren beim selben Arbeitgeber einen Berufswechsel vollziehen müssen. Die Bemühungen der IV-Stelle im Rahmen einer Arbeitsvermittlung seien nicht erfolgreich gewesen. Es sei ihm einzig eine Stelle als Parkwächter bei einer Bahn angeboten worden. Diese Tätigkeit wäre jedoch in den Wintermonaten mit einer Kälteexposition verbunden gewesen, was ihm gemäss RAD nicht zuzumuten sei. Das kantonale Gericht gelangte zum Schluss, dass die dem Versicherten verbliebene Restarbeitsfähigkeit unter den gegebenen Umständen nicht verwertbar sei. Nach Ablauf der Wartezeit stehe ihm daher eine ganze Invalidenrente zu. 
 
5.   
Die IV-Stelle bringt vor, dass der Versicherte während der zu bestehenden Wartezeit nicht in hinreichendem Umfang arbeitsunfähig gewesen sei. Ein Rentenanspruch habe daher gar nie entstehen können. 
 
6.  
 
6.1. Die Vorinstanz prüfte auf die im kantonalen Verfahren vorgetragenen Einwände hin auch den Umfang der Arbeitsfähigkeit im Einzelnen. Sie stellte fest, dass die behandelnden Ärzte des Spitals C.________, Dres. med. D.________ und E.________, dem Versicherten für die angestammte Tätigkeit eine 50%ige Arbeitsfähigkeit bescheinigt hätten. Anlässlich eines Standortgesprächs bei der Arbeitgeberin am 13. November 2018 sei Dr. med. E.________ jedoch nach Beschreibung der dort ausgeübten Tätigkeit von einer 80%igen Leistungsfähigkeit ausgegangen. Darauf sei abzustellen. In einer leidensangepassten Tätigkeit habe nach Einschätzung der RAD-Ärztin immer eine 100%ige Arbeitsfähigkeit bestanden.  
 
6.2. Unbestritten bleibt letztinstanzlich, dass in einer leidensangepassten Tätigkeit gestützt auf die RAD-Stellungnahme immer eine 100%ige Arbeitsfähigkeit bestand. Inwiefern die vorinstanzlichen Feststellungen offensichtlich unrichtig wären, ist nicht erkennbar. Dies gilt aber auch hinsichtlich der Arbeitsfähigkeit am angestammten Arbeitsplatz, wo der Versicherte mit der Verpackung von Metallteilen beschäftigt war. Sein Einwand, dass diese Tätigkeit nicht dem Zumutbarkeitsprofil der RAD-Ärztin entspreche oder jedenfalls nur im Umfang eines 50 %-Pensums möglich sei, verfängt nicht. Zwar wird gemäss RAD eine vorwiegend sitzende, wechselbelastende Tätigkeit empfohlen. Stehende Arbeiten sind aber nicht ausgeschlossen, sofern keine Gehstrecken von mehr als 500 m zurückgelegt und keine Zwangshaltungen für den Rücken eingenommen werden müssen, zudem sollten Kälte- und Feuchtigkeitsexpositionen vermieden werden. Gemäss RAD-Ärztin bestünden funktionelle Einschränkungen zufolge therapieresistenter brennender neuropathischer Schmerzen im Bereich der Oberschenkel, die indessen nicht durch ebenfalls vorhandene degenerative Veränderungen am Rücken verursacht würden. Der RAD stützte sich dabei ausdrücklich auf die Angaben der behandelnden Ärzte Dres. med. D.________ und E.________. Unberücksichtigt hinsichtlich der Arbeitsfähigkeit blieb jedoch, dass Letztere beim erwähnten, vom Sachbearbeiter der IV-Stelle protokollierten Standortgespräch am vormaligen Arbeitsplatz, bei dem im Übrigen auch der Werksarzt zugegen war, mündlich angab, bei Einhaltung zusätzlicher Pausen im Rahmen einer vollen Präsenzzeit sei eine Leistung von 80 % zumutbar. Dass die Vorinstanz bezüglich der Arbeitsfähigkeit in der angestammten Tätigkeit nach eingehender Würdigung der ärztlichen Stellungnahmen ausdrücklich auf die Einschätzung der behandelnden Ärztin abstellte, ist nicht zu beanstanden. Daran kann nichts ändern, dass das kantonale Gericht den RAD-Bericht hinsichtlich der bescheinigten 100%igen Arbeitsfähigkeit in einer dem Leiden optimal angepassten Tätigkeit als voll beweiskräftig erachtete. Unbestritten ist im Übrigen auch, dass hinsichtlich der angestammten Tätigkeit von der letzten Beschäftigung bei der B.________ SA im Bereich Verpackung auszugehen ist, die der Versicherte nach einer Versetzung aus wirtschaftlichen Gründen ausübte.  
 
6.3. Damit steht für das Bundesgericht verbindlich fest, dass nicht nur in einer leidensangepassten Tätigkeit stets eine 100%ige Arbeitsfähigkeit bestanden hätte, sondern auch, dass der Versicherte in der angestammten Tätigkeit trotz Rücken- und Beinbeschwerden zu 80 % leistungsfähig war. Damit konnte indessen die für die Entstehung eines Rentenanspruchs erforderliche Voraussetzung einer mindestens 40%igen Arbeitsunfähigkeit während eines Jahres - jedenfalls soweit zeitlich vom kantonalen Gericht zu beurteilen - von vornherein nicht als erfüllt gelten. Indem die Vorinstanz dem Versicherten dennoch eine (ganze) Invalidenrente zusprach, verletzte sie daher Bundesrecht. Der angefochtene Entscheid ist aus diesem Grund aufzuheben und die Verfügung der IV-Stelle vom 3. Juni 2019 im Ergebnis zu bestätigen.  
 
7.   
Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 65 BGG). Die Gerichtskosten werden dem unterliegenden Beschwerdegegner auferlegt (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Der Entscheid des Kantonsgerichts Wallis vom 6. Februar 2020 wird aufgehoben und die Verfügung der Kantonalen IV-Stelle Wallis vom 3. Juni 2019 bestätigt. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdegegner auferlegt. 
 
3.   
Die Sache wird zur Neuverlegung der Kosten des vorangegangenen Verfahrens an das Kantonsgericht Wallis zurückgewiesen. 
 
4.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Kantonsgericht Wallis und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 3. Juni 2020 
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Maillard 
 
Die Gerichtsschreiberin: Durizzo