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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
1B_299/2020  
 
 
Urteil vom 3. Juni 2021  
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Kneubühler, Präsident, 
Bundesrichter Chaix, Haag, 
Gerichtsschreiber Härri. 
 
Verfahrensbeteiligte 
1. A.________, 
2. B.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. A.________, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
1. C.________, 
2. D.________, 
beide vertreten durch Rechtsanwalt Benjamin Leupi, 
3. E.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Rainer Riek, 
Beschwerdegegner, 
 
Staatsanwaltschaft Obwalden, 
Abteilung II Wirtschaftsdelikte, 
Kreuzstrasse 2, Postfach 1242, 6371 Stans. 
 
Gegenstand 
Strafverfahren; Zulassung als Privatkläger, 
 
Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts des 
Kantons Obwalden vom 7. Mai 2020 (BS 19/020/RHU). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Am 26. Juni 2018 erstattete B.________ bei der Staatsanwaltschaft Obwalden Strafanzeige gegen C.________ und D.________ wegen "Geldwäsche, betrügerischen Bankrotts und betrügerischer Insolvenz". Am 6. November 2018 ergänzte und präzisierte B.________ die Strafanzeige. Darin konstituierte er sich in eigenem Namen und jenem von A.________ als Privatkläger im Straf- und Zivilpunkt. 
Am 27. Februar 2019 erstattete A.________ Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft Nidwalden gegen C.________ und D.________ wegen Geldwäscherei, Betrugs und Steuerhinterziehung; gegen E.________ wegen Verstosses gegen die Meldepflichten des Geldwäschereigesetzes und Beihilfe zur Steuerhinterziehung. A.________ und B.________ konstituierten sich wiederum als Privatkläger. Diese Strafanzeige übernahm am 29. August 2019 die Staatsanwaltschaft Obwalden. 
 
B.  
Mit Verfügung vom 5. November 2019 liess die Staatsanwaltschaft Obwalden A.________ und B.________ nicht als Privatkläger zu. 
Die von A.________ und B.________ dagegen erhobene Beschwerde wies das Obergericht des Kantons Obwalden am 7. Mai 2020 ab, soweit es darauf eintrat. 
 
C.  
A.________ und B.________ führen Beschwerde in Strafsachen mit dem Antrag, den Beschluss des Obergerichts aufzuheben und ihre Privatklägerschaft festzustellen. 
 
D.  
Das Obergericht hat sich vernehmen lassen mit dem Antrag, die Beschwerde abzuweisen. C.________ und D.________ haben Gegenbemerkungen eingereicht mit dem Antrag, auf die Beschwerde nicht einzutreten; eventualiter sei sie abzuweisen. E.________ hat sich ebenfalls vernehmen lassen. Er beantragt, das bundesgerichtliche Verfahren in Bezug auf ihn als gegenstandslos abzuschreiben. Eventualiter sei auf die Beschwerde nicht einzutreten. Subeventualiter sei sie abzuweisen. Sub-subeventualiter sei sie gestützt auf Art. 42 Abs. 6 BGG zur Änderung zurückzuweisen. Die Beschwerdeführer seien nicht als Privatkläger im Verfahren gegen E.________ zuzulassen. A.________ und B.________ haben repliziert. 
 
E.  
Mit Verfügung vom 17. August 2020 hat das präsidierende Mitglied der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung des Bundesgerichts das Gesuch der Beschwerdeführer um aufschiebende Wirkung abgewiesen. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Gegen den angefochtenen Entscheid ist gemäss Art. 78 Abs. 1 BGG die Beschwerde in Strafsachen gegeben. Ein kantonales Rechtsmittel steht nicht zur Verfügung. Die Beschwerde ist somit nach Art. 80 BGG zulässig.  
Die Beschwerdeführer haben am Verfahren vor der Vorinstanz teilgenommen. Sie werfen dieser eine formelle Rechtsverweigerung vor, da sie zu Unrecht nicht als Privatkläger zum Verfahren zugelassen worden seien. Damit haben die Beschwerdeführer nach der Rechtsprechung ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Entscheids und sind sie gemäss Art. 81 Abs. 1 BGG zur Beschwerde berechtigt (BGE 141 IV 1 E. 1.2). Dieses Interesse ist nach wie vor aktuell, auch wenn die Staatsanwaltschaft Obwalden die Strafuntersuchung mit Verfügungen vom 4. Februar 2020 nicht an die Hand genommen hat. Dagegen haben die Beschwerdeführer bei der Vorinstanz Beschwerde erhoben. Die Vorinstanz hat das Beschwerdeverfahren ausgesetzt bis zum vorliegenden bundesgerichtlichen Urteil. Die Frage, ob den Beschwerdeführern die Stellung als Privatkläger und damit Partei zukommt, ist von Bedeutung für ihre Berechtigung zur Anfechtung der staatsanwaltschaftlichen Verfügungen vom 4. Februar 2020 (Art. 382 Abs. 1 i.V.m. 104 Abs. 1 lit. b, Art. 118 Abs. 1 und Art. 115 Abs. 1 StPO). 
Mit der Verneinung der Stellung als Privatkläger werden die Beschwerdeführer definitiv nicht als Partei zugelassen. Der angefochtene Entscheid stellt für sie deshalb einen gemäss Art. 90 BGG anfechtbaren Endentscheid dar (BGE 139 IV 310 E. 1). 
Die weiteren Eintretensvoraussetzungen sind grundsätzlich ebenfalls erfüllt und geben zu keinen Bemerkungen Anlass. Auf die Beschwerde ist - unter Vorbehalt der folgenden Erwägungen - einzutreten. 
 
1.2. Die Beschwerdeführer beantragen die Feststellung ihrer Privatklägerschaft in vollumfänglicher Aufhebung des angefochtenen Beschlusses. Dieser betrifft auch den Beschwerdegegner 3. Er ist daher ebenfalls Partei des bundesgerichtlichen Verfahrens, auch wenn ihn die Beschwerdeführer im Rubrum der Beschwerde nicht erwähnen. Das bundesgerichtliche Verfahren ist in Bezug auf den Beschwerdegegner 3 nicht gegenstandslos.  
 
1.3. Der Beschwerdeführer 1 ist deutscher Rechtsanwalt. Er ist berechtigt, den Beschwerdeführer 2 vor Bundesgericht zu vertreten (Art. 40 Abs. 1 BGG i.V.m. Art. 21 BGFA [SR 935.61] und dessen Anhang; vgl. Urteil 6B_68/2018 vom 7. November 2018 E. 1 mit Hinweisen).  
 
1.4. Die Beschwerdegegner bezeichnen die Beschwerde als "schwer verständlich und sehr weitschweifig" bzw. als "kaum nachvollziehbar, diffus und langatmig". Sie beantragen deren Zurückweisung.  
Gemäss Art. 42 Abs. 6 i.V.m. Abs. 5 BGG kann das Bundesgericht übermässig weitschweifige Rechtsschriften unter Ansetzung einer angemessenen Frist zur Änderung zurückweisen mit der Androhung, dass die Rechtsschrift sonst unbeachtet bleibt. 
Die Beschwerde ist in der Tat weitschweifig. Das Bundesgericht ist jedoch nicht zu deren Zurückweisung verpflichtet. Bei Art. 42 Abs. 6 BGG handelt es sich um eine Kann-Bestimmung. Die Zurückweisung rechtfertigt sich hier nicht. Wie die folgenden Erwägungen zeigen, ist die Sache spruchreif und erübrigen sich damit Weiterungen. 
 
2.  
 
2.1. Die Beschwerdeführer rügen, die Vorinstanz habe willkürlich die Tatsache übergangen, dass die Staatsanwaltschaft Obwalden ihrem Antrag auf Gewährung der Akteneinsicht am 23. Mai 2019 stattgegeben habe. Damit habe die Staatsanwaltschaft ihre Stellung als Privatkläger implizit bejaht, da sie nur als solche das Recht auf Akteneinsicht hätten.  
 
2.2. Gemäss Art. 99 Abs. 1 BGG dürfen neue Tatsachen nur so weit vorgebracht werden, als erst der Entscheid der Vorinstanz dazu Anlass gibt.  
Die Beschwerdeführer haben sich vorinstanzlich nicht auf die von ihnen behauptete Tatsache berufen. Diese ist neu. Zu deren Vorbringen hat nicht erst der angefochtene Beschluss Anlass gegeben. Die Beschwerdeführer hätten die geltend gemachte Tatsache vielmehr bereits vor Vorinstanz vorbringen können und müssen. Soweit sie sich auf die angebliche Bewilligung der Akteneinsicht berufen, handelt es sich daher um ein unzulässiges Novum. 
 
2.3. Hätte es sich anders verhalten, hätte das den Beschwerdeführern nicht geholfen. Sie stützen ihr Vorbringen auf auf ein Fax der Staatsanwaltschaft Obwalden vom 23. Mai 2019 (Beschwerdebeilage 7). Darin teilte diese dem Beschwerdeführer 1 unter Hinweis auf die Strafanzeige vom 26. Juni 2018 mit, das Verfahren sei noch in polizeilicher Bearbeitung; bei der Staatsanwaltschaft befänden sich entsprechend bloss Restakten; die Staatsanwaltschaft rechne damit, dass der Bericht der Polizei bis Ende Juni (gemeint: 2019) bei ihr eintreffe; sie werde den Beschwerdeführer 1 dann zeitnah orientieren. In welchem Sinne die Staatsanwaltschaft den Beschwerdeführer 1 orientieren werde, legt sie nicht dar. Eine feste Zusage der Akteneinsicht kann aus dem Fax daher nicht hergeleitet werden.  
 
3.  
Soweit die Beschwerdeführer darüber hinaus Willkür geltend machen, insbesondere eine offensichtlich unvollständige Feststellung des Sachverhalts, genügen sie ihrer qualifizierten Begründungspflicht gemäss Art. 106 Abs. 2 BGG nicht. Ihre langen Ausführungen erschöpfen sich vielmehr in appellatorischer Kritik. Darauf ist nicht einzutreten (BGE 146 IV 88 E. 1.3.1; 297 E. 1.2; je mit Hinweisen). 
 
4.  
Die Beschwerdeführer rügen eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV), da die Vorinstanz ihren Entscheid unzureichend begründet habe. 
Der Einwand geht fehl. Die Vorinstanz legt eingehend dar, weshalb sie die Stellung der Beschwerdeführer als Privatkläger verneint. Sie musste sich nach der Rechtsprechung nicht mit sämtlichen tatsächlichen und rechtlichen Vorbringen der Beschwerdeführer auseinandersetzen. Wenn sie sich auf die für den Entscheid wesentlichen Gesichtspunkte beschränkt hat, ist das nicht zu beanstanden (BGE 143 III 65 E. 5.2; 139 IV 179 E. 2.2; je mit Hinweisen). 
 
5.  
Die Beschwerdeführer machen geltend, der angefochtene Entscheid verletze Art. 310 Abs. 1 lit. a StPO
Damit verkennen sie den Gegenstand des vorliegenden Verfahrens. Dabei geht es darum, ob die Vorinstanz die Beschwerdeführer zu Recht nicht als Privatkläger zum Verfahren zugelassen hat. Diese Nichtzulassung stellt keine Nichtanhandnahme im Sinne von Art. 310 Abs. 1 lit. a StPO dar. Eine derartige Nichtanhandnahme hat die Staatsanwaltschaft Obwalden am 4. Februar 2020 verfügt. Dagegen haben die Beschwerdeführer Beschwerde bei der Vorinstanz erhoben, wo das Verfahren derzeit hängig ist. Um die Nichtanhandnahme geht es dort. Auf die Beschwerde kann im vorliegenden Punkt daher nicht eingetreten werden. 
 
6.  
Die Beschwerdeführer machen geltend, das Verfahren von rund einem Jahr bis zur Verfügung der Staatsanwaltschaft Obwalden vom 5. November 2019 habe übermässig lange gedauert. Damit sei ihr Anspruch auf Beurteilung innert angemessener Frist gemäss Art. 29 Abs. 1 BV verletzt worden. 
Das Vorbringen ist unbegründet. Die Strafanzeige vom 26. Juni 2018 und deren Ergänzung vom 6. November 2018 sind umfangreich und kompliziert. Dasselbe gilt für die Strafanzeige vom 27. Februar 2019 bei der Staatsanwaltschaft Nidwalden. Diese Strafanzeige übernahm die Staatsanwaltschaft Obwalden am 29. August 2019. Nur etwas mehr als zwei Monate später verfügte sie die Nichtzulassung der Beschwerdeführer als Privatkläger. Dieser Zeitraum kann nicht als übermässig lange angesehen werden. Eine Verletzung von Art. 29 Abs. 1 BV ist zu verneinen. 
 
7.  
 
7.1. Die Beschwerdeführer bringen vor, für die Höhe der ihnen von der Vorinstanz auferlegten Gerichtsgebühr bestehe keine Rechtsgrundlage. Die Vorinstanz begründe diese Höhe zudem nicht, was den Anspruch der Beschwerdeführer auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV) verletze. Dasselbe gelte für die den Anwälten der Beschwerdegegner zugesprochene Parteientschädigung.  
 
7.2. Für die Höhe der den Beschwerdeführern von der Vorinstanz auferlegten Gerichtsgebühr besteht eine gesetzliche Grundlage in Art. 20 Abs. 1 Ziff. 1 der Gebührenordnung des Kantons Obwalden vom 28. September 1973 für die Rechtspflege (GebO; GDB 134.15). Danach beträgt vor dem Obergericht die Gerichtsgebühr in Verfahren betreffend Erwachsene Fr. 500.-- bis Fr. 8'000.--. Die Vorinstanz hat die Gerichtsgebühr auf Fr. 2'000.- festgesetzt. Deren Höhe liegt im Rahmen von Art. 20 Abs. 1 Ziff. 1 GebO.  
Für die Höhe der den Beschwerdeführern von der Vorinstanz auferlegten Parteientschädigungen besteht eine gesetzliche Grundlage in Art. 38 Abs. 1 Ziff. 4 GebO. Danach beträgt in Strafsachen die ordentliche Anwaltsgebühr Fr. 200.-- bis Fr. 3'000.--. Die Vorinstanz hat den Anwälten der Beschwerdegegner eine Parteientschädigung von je Fr. 1'800.-- zugesprochen. Dieser Betrag ist von Art. 38 Abs. 1 Ziff. 4 GebO abgedeckt. 
 
7.3. Der Einwand der unzureichenden Begründung der Höhe der Gerichtsgebühr und Parteientschädigungen ist ebenfalls unbehelflich. Nach der Rechtsprechung ist der Kostenentscheid zu begründen, wenn sich das Gericht nicht an den vorgegebenen Tarif hält oder die Parteientschädigung abweichend von der eingereichten Kostennote auf einen bestimmten nicht der Praxis entsprechenden Betrag festsetzt (BGE 111 Ia 1 E. 2a; Urteil 6B_1004/2019 vom 11. März 2020 E. 4.1.1). Dies hat die Vorinstanz nicht getan. Wenn sie die Höhe der Gerichtsgebühr und Parteientschädigungen nicht näher begründet hat, ist das daher nicht zu beanstanden. Dass sie bei der Festsetzung dieser Höhe das ihr insoweit zustehende Ermessen überschritten habe, machen die Beschwerdeführer nicht geltend und ist nicht auszumachen.  
 
8.  
Massgeblich für die Beurteilung der vorliegenden Angelegenheit ist Art. 115 Abs. 1 StPO. Wollte man annehmen, dass die Beschwerdeführer eine Verletzung dieser Bestimmung hinreichend rügen, wäre dies unbegründet. Die vorinstanzlichen Erwägungen stützen sich auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung und überzeugen. Darauf kann gemäss Art. 109 Abs. 3 BGG verwiesen werden. 
 
9.  
Die Beschwerde ist demnach abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. 
Die Beschwerdeführer ersuchen um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung nach Art. 64 BGG. Dem Gesuch kann schon deshalb nicht entsprochen werden, weil die Beschwerde aussichtslos war. Die Beschwerdeführer tragen daher die Gerichtskosten (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG). Sie haben zudem den Beschwerdegegnern eine Parteientschädigung zu bezahlen (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten werden kann. 
 
2.  
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen. 
 
3.  
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden den Beschwerdeführern je zur Hälfte auferlegt. 
 
4.  
Die Beschwerdeführer haben den Beschwerdegegnern 1 und 2 unter solidarischer Haftbarkeit eine Parteientschädigung von je Fr. 750.-- zu bezahlen; dem Beschwerdegegner 3 eine solche von Fr. 1'500.--. 
 
5.  
Dieses Urteil wird den Parteien, der Staatsanwaltschaft Obwalden, Abteilung II Wirtschaftsdelikte, und dem Obergericht des Kantons Obwalden schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 3. Juni 2021 
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Kneubühler 
 
Der Gerichtsschreiber: Härri