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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
7B_136/2025  
 
 
Urteil vom 4. März 2025  
 
II. strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Abrecht, Präsident, 
Bundesrichterinnen van de Graaf, Koch, 
Bundesrichter Kölz, Hofmann, 
Gerichtsschreiberin Lustenberger. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Daniel U. Walder, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
Staatsanwaltschaft See/Oberland, 
Postfach, 8610 Uster. 
 
Gegenstand 
Haftentlassung Sicherheitshaft, 
 
Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons Zürich, III. Strafkammer, vom 14. Januar 2025 (UB240214-O/U/AEP>PFE). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
 
A.a. Die Staatsanwaltschaft See/Oberland führt eine Strafuntersuchung gegen A.________ wegen qualifizierter Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz (BetmG; SR 812.121), Übertretung des BetmG, betrügerischen Missbrauchs einer Datenverarbeitungsanlage und mehrfachen Vergehens gegen das Waffengesetz (WG; SR 514.54). Sie wirft ihr unter anderem vor, im Zeitraum vom 28. August 2023 bis 24. Mai 2024 insgesamt 750 Gramm reines Kokain besessen zu haben, dies mit der Absicht, die Drogen zu gegebenen Zeitpunkten an ihre Freier oder sonstige Betäubungsmittelkonsumenten zu verkaufen, abzugeben oder zumindest teilweise gemeinsam mit diesen zu konsumieren. Mindestens 30 Gramm davon soll sie zu verschiedenen Zeitpunkten an eine nicht näher bekannte Anzahl Konsumenten verkauft bzw. abgegeben haben.  
 
A.b. Am 7. September 2023 wurde A.________ erstmals verhaftet, nachdem an ihrem Wohnort rund 522 Gramm reines Kokain sichergestellt worden waren. Mit Verfügung vom 9. September 2023 wurde sie vom Zwangsmassnahmengericht des Bezirks Zürich in Untersuchungshaft versetzt. Nachdem die Haft einmal verlängert worden war, wurde A.________ am 21. Dezember 2023 von der Staatsanwaltschaft aus der Haft entlassen.  
Am 25. Mai 2024 wurde A.________ erneut verhaftet und drei Tage später formell in Untersuchungshaft versetzt. Die Haft wurde in der Folge bis am 23. November 2024 verlängert. Während der gesamten Inhaftierung wurden mehrere Haftentlassungsgesuche von A.________ abgewiesen. 
Die Staatsanwaltschaft erhob am 2. Oktober 2024 beim Bezirksgericht Zürich Anklage. Gleichzeitig beantragte sie beim Zwangsmassnahmengericht die Anordnung von Sicherheitshaft. Dieser Antrag wurde mit Verfügung vom 14. Oktober 2024 gutgeheissen. 
 
B.  
Mit Eingabe vom 2. Dezember 2024 liess A.________ erneut ein Haftentlassungsgesuch stellen. Das Zwangsmassnahmengericht wies dieses mit Verfügung vom 13. Dezember 2024 ab. Eine von A.________ hiergegen erhobene Beschwerde wies das Obergericht des Kantons Zürich mit Beschluss vom 14. Januar 2025 ebenfalls ab. Es ging davon aus, dass bei A.________ der besondere Haftgrund der qualifizierten Wiederholungsgefahr (Art. 221 Abs. 1bis StPO) in Bezug auf mengenmässig qualifizierte Widerhandlungen gegen das BetmG (Art. 19 Abs. 1 lit. c und d in Verbindung mit Abs. 2 lit. a BetmG) erfüllt sei. 
 
C.  
A.________ erhebt Beschwerde in Strafsachen beim Bundesgericht. Sie verlangt, der angefochtene Beschluss sei aufzuheben und sie sei umgehend aus der Haft zu entlassen, dies eventualiter unter Anordnung von geeigneten Ersatzmassnahmen wie der Auflage einer kontrollierten Kokainabstinenz. Subeventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. In prozessualer Hinsicht ersucht A.________ um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege für das bundesgerichtliche Verfahren. 
Die Vorinstanz verzichtet ausdrücklich auf Vernehmlassung. Dagegen nimmt die Staatsanwaltschaft zur Beschwerde Stellung und beantragt sinngemäss deren Abweisung. Die Beschwerdeführerin repliziert, womit dem Ersuchen um Durchführung eines zweiten Schriftenwechsels entsprochen ist. 
Die kantonalen Akten wurden antragsgemäss beigezogen. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Der angefochtene, kantonal letztinstanzliche Beschluss betrifft die Beurteilung eines Gesuchs um Entlassung aus der Sicherheitshaft. Dagegen steht die Beschwerde in Strafsachen nach Art. 78 Abs. 1 BGG offen. Die Beschwerdeführerin hat am vorinstanzlichen Verfahren teilgenommen und befindet sich, soweit bekannt, nach wie vor in Haft. Sie ist deshalb nach Art. 81 Abs. 1 BGG zur Beschwerde berechtigt. Die weiteren Eintretensvoraussetzungen geben zu keinen Bemerkungen Anlass, weshalb auf die Beschwerde einzutreten ist. 
 
2.  
 
2.1. Die beschuldigte Person bleibt grundsätzlich in Freiheit. Sie darf nur im Rahmen der Bestimmungen der Strafprozessordnung freiheitsentziehenden Zwangsmassnahmen unterworfen werden (Art. 212 Abs. 1 StPO). Solche Massnahmen sind namentlich aufzuheben, sobald ihre Voraussetzungen nicht mehr erfüllt sind (Art. 212 Abs. 2 lit. a StPO).  
Als Sicherheitshaft gilt die Haft während der Zeit zwischen dem Eingang der Anklageschrift beim erstinstanzlichen Gericht und der Rechtskraft des Urteils, dem Antritt einer freiheitsentziehenden Sanktion, dem Vollzug der Landesverweisung oder der Entlassung (Art. 220 Abs. 2 StPO). Nach Art. 221 Abs. 1bis StPO ist ihre Anordnung ausnahmsweise zulässig, wenn die beschuldigte Person dringend verdächtig ist, durch ein Verbrechen oder ein schweres Vergehen die physische, psychische oder sexuelle Integrität einer Person schwer beeinträchtigt zu haben (lit. a) und die ernsthafte und unmittelbare Gefahr besteht, die beschuldigte Person werde ein gleichartiges, schweres Verbrechen verüben (lit. b). 
Die Beschwerdeführerin bestreitet das Vorliegen einer solch qualifizierten Wiederholungsgefahr. Streitig ist im Wesentlichen, ob der besondere Haftgrund der qualifizierten Wiederholungsgefahr auf Widerhandlungen gegen das BetmG überhaupt anwendbar ist. 
 
2.2. Ausgangspunkt jeder Auslegung bildet der Wortlaut der massgeblichen Norm (grammatikalische Auslegung). Ist der Text nicht ganz klar und sind verschiedene Auslegungen möglich, so muss das Gericht unter Berücksichtigung aller Auslegungselemente nach der wahren Tragweite der Norm suchen. Dabei hat es insbesondere den Willen des Gesetzgebers zu berücksichtigen, wie er sich namentlich aus den Gesetzesmaterialien ergibt (historische Auslegung). Weiter hat das Gericht nach dem Zweck, dem Sinn und den dem Text zugrundeliegenden Wertungen zu forschen, namentlich nach dem durch die Norm geschützten Interesse (teleologische Auslegung). Wichtig ist sodann der Sinn, der einer Norm im Kontext zukommt, und das Verhältnis, in welchem sie zu anderen Gesetzesvorschriften steht (systematische Auslegung). Das Bundesgericht befolgt bei der Auslegung von Gesetzesnormen einen pragmatischen Methodenpluralismus und lehnt es ab, die einzelnen Auslegungselemente einer Prioritätsordnung zu unterstellen (BGE 150 IV 277 E. 2.3.2; 150 II 489 E. 3.2; je mit Hinweisen). Sind mehrere Auslegungen möglich, ist jene zu wählen, die der Verfassung am besten entspricht. Allerdings findet auch eine verfassungskonforme Auslegung ihre Grenzen im klaren Wortlaut und Sinn einer Gesetzesbestimmung (BGE 148 V 385 E. 5.1; Urteil 7B_1035/2024 vom 19. November 2024 E. 2.4, zur Publikation vorgesehen; siehe zur Berücksichtigung des Grundsatzes der Formstrenge nach Art. 2 Abs. 2 StPO zudem BGE 148 IV 1 E. 3.5; je mit Hinweisen).  
 
2.3.  
 
2.3.1. Erste Anhaltspunkte zur Beantwortung der hier interessierenden Frage ergeben sich aus dem Wortlaut von Art. 221 Abs. 1bis lit. a StPO. Diese Bestimmung setzt eine untersuchte qualifizierte Anlasstat voraus, nämlich den dringenden Verdacht, dass die beschuldigte Person durch ein Verbrechen oder ein schweres Vergehen die physische, psychische oder sexuelle Integrität einer Person schwer beeinträchtigt hat (BGE 150 IV 149 E. 3.6.2 mit Hinweisen).  
Präzisierend hat das Bundesgericht unter Hinweis auf die bundesrätliche Botschaft jüngst ausgeführt, die in Frage kommende Anlasstat werde nach dem Wortlaut von Art. 221 Abs. 1bis lit. a StPO auf Verbrechen und schwere Vergehen gegen hochwertige Rechtsgüter eingeschränkt (z.B. Leib und Leben oder sexuelle Integrität). Das zusätzliche Erfordernis der "schweren Beeinträchtigung" solle zusätzlich sicherstellen, dass nicht nur der abstrakte Strafrahmen der Anlasstat, sondern auch die Umstände des Einzelfalls bei der Haftprüfung berücksichtigt würden. Vorausgesetzt sei somit, dass sich der dringende Tatverdacht nicht nur auf ein abstrakt schweres Delikt beziehe, sondern die Anlasstat auch aufgrund der konkreten Tatbegehung als (gegen hochwertige Rechtsgüter gerichtetes) schweres Delikt zu qualifizieren sei. Demgegenüber könne nicht erheblich sein, ob dieses schwere Delikt auch tatsächlich zu einer schweren Beeinträchtigung der physischen, psychischen oder sexuellen Integrität einer Person geführt habe oder derartige Tatfolgen - aufgrund glücklicher Umstände - ausgeblieben seien (Urteil 7B_1440/2024 vom 5. Februar 2025 E. 4.4 mit Hinweisen, zur Publikation vorgesehen). Was diese Fokussierung auf hochwertige Rechtsgüter für die vorliegende Problematik bedeutet, bedarf nachfolgend einer weiterführenden Prüfung. 
 
2.3.2. In der Lehre wird die Ansicht vertreten, bei der Anlasstat im Sinne von Art. 221 Abs. 1bis lit. a StPO müsse es sich um ein Delikt gegen hochwertige Individualinteressen bzw. -rechtsgüter handeln. Bei gemeingefährlichen Verbrechen und Vergehen könne man nur jene Fälle einbeziehen, in denen sich die Gemeingefahr in einer konkreten Beeinträchtigung einzelner Personen realisiert habe (WOLFGANG WOHLERS, Präventivhaft nach der StPO-Reform, forumpoenale 1/2023 S. 48). Andere Autorinnen und Autoren teilen diese Auffassung. Sie begründen dies namentlich damit, dass sich der Text von Art. 221 Abs. 1bis lit. a StPO an die Umschreibung des Opfers in Art. 116 Abs. 1 StPO als qualifizierte geschädigte Person anlehne. Bei Delikten, die nicht gegen Individualinteressen gerichtet seien, gebe es - Ausnahmen vorbehalten - keine Opfer in diesem spezifischen Sinn. Als Anlasstat grundsätzlich nicht geeignet seien deshalb die Straftatbestände des BetmG, sofern die konkrete Bestimmung nicht gerade die physische, psychische oder sexuelle Integrität einer Person schützen wolle. Stattdessen sei der Haftgrund auf sogenannte Gewaltdelikte beschränkt (vgl. PALUMBO/PERESSIN/EGOND, Réforme du CPP: Quels changements en matière de détention?, Anwaltsrevue 4/2024 S. 161; NIKLAUS RUCKSTUHL, Neuerungen im Haftrecht, Anwaltsrevue 8/2022 S. 331 f.; MARTINA CONTE, Die Grenzen der Präventivhaft gemäss Schweizerischer Strafprozessordnung, 2018, S. 281 f., 288 und 290). JOSITSCH/RÖTHLISBERGER stimmen dem im Grundsatz zu, indem sie ausführen, gemäss dem Wortlaut von Art. 221 Abs. 1bis StPO müsse es sich um Rechtsgüter von Personen handeln, wobei es laut Botschaft um Rechtsgüter von potenziellen Opfern gehe. Insbesondere bei Delikten des Nebenstrafrechts solle aber sinnvollerweise statt auf das Schutzgut der Bestimmung auf die Beeinträchtigung des Rechtsguts im Einzelfall abgestellt werden. Diese dürfte in Anlehnung an die bundesgerichtliche Rechtsprechung zu Art. 64 Abs. 1 StGB (Verwahrung) dann hinreichend schwer wiegen, wenn nach einem objektiven Massstab nach der allgemeinen Lebenserfahrung mit einer Traumatisierung des Opfers zu rechnen sei. Ergänzend weisen die Autoren darauf hin, dass das betreffende Rechtsgut nach dem klaren Wortlaut der Norm verletzt worden sein müsse, weshalb nur Verletzungsdelikte erfasst werden dürften (JOSITSCH/RÖTHLISBERGER, Reform von Art. 221 Abs. 1 lit. c StPO, Jusletter 5. Juni 2023, S. 21 ff.; gl.M. CONINX/STUDER, Revision des Haftrechts, in: Christopher Geth (Hrsg.), Die revidierte Strafprozessordnung, 2023, S. 118 Rn. 4.33 f.).  
Ferner wurde in diesem Sinne bereits zur ähnlich ausgestalteten qualifizierten Wiederholungsgefahr gemäss der zürcherischen Strafprozessordnung (§ 58 Abs. 1 Ziff. 4 aStPO/ZH) ausgeführt, dieser besondere Haftgrund diene dazu, "gefährliche Gewaltdelikte" zu verhindern (ULRICH WEDER, Die Haftgründe der Wiederholungs- und Ausführungsgefahr unter besonderer Berücksichtigung des Kantons Zürich, ZStrR 124/2006 S. 133). Derselbe Autor schlug später zudem ebenfalls vor, die Katalogtaten, welche nach Art. 64 Abs. 1 StGB eine Verwahrung rechtfertigen könnten, heranzuziehen. Widerhandlungen gegen das BetmG würden deshalb nicht als Schwerverbrechen gelten, welche das Vortatenerfordernis entbehrlich machen würden (WEDER, Die gefährliche beschuldigte Person und die Wiederholungs- und Ausführungsgefahr, ZStrR 132/2014 S. 378 f.). Schliesslich sind auch laut GETH Betäubungsmitteldelikte aufgrund der restriktiven Voraussetzungen von der qualifizierten Wiederholungsgefahr nicht erfasst (CHRISTOPHER GETH, Verteidigungsrechte und Haftrecht nach der Revision der Strafprozessordnung, BJM 3/2024 S. 145). 
Insgesamt scheint sich die Lehre darin einig zu sein, dass Haft wegen qualifizierter Wiederholungsgefahr nur zulässig ist, wenn die mutmassliche Anlasstat derart gegen Individualrechtsgüter einer bestimmten Person gerichtet war, dass dieser aufgrunddessen die Stellung eines Opfers nach Art. 116 Abs. 1 StPO zukommt. Der Haftgrund soll sich demnach in erster Linie auf schwere Gewaltdelikte beziehen. 
 
2.3.3. Für diese Sichtweise spricht zunächst die Entstehungsgeschichte von Art. 221 Abs. 1bis StPO. Die Einführung der qualifizierten Wiederholungsgefahr per 1. Januar 2024 geht zurück auf BGE 137 IV 13. In diesem Urteil erkannte das Bundesgericht unter der damals neu in Kraft getretenen eidgenössischen StPO eine gravierende Gesetzeslücke, weil der genannte Haftgrund bei akut drohenden Schwerverbrechen ohne einschlägige Vorstrafen fehlte. Es kam zum Schluss, es könne nicht in der Absicht des Gesetzgebers gelegen haben, mögliche Opfer von weiteren Gewaltdelikten derartigen Risiken auszusetzen, nur weil es an früheren gleichartigen Straftaten fehle (BGE 137 IV 13 E. 4.3 f., publ. in: Pra 100 [2011] Nr. 90, bestätigt in BGE 143 IV 9 E. 2.3.1).  
In der Folge wurde diese vom Gesetzeswortlaut abweichende Praxis namentlich unter Hinweis auf das Legalitätsprinzip von verschiedener Seite kritisiert, was zu entsprechenden parlamentarischen Vorstössen führte. In den späteren parlamentarischen Debatten war die Einführung des besonderen Haftgrunds der qualifizierten Wiederholungsgefahr - abgesehen vom Widerstand einer Minderheit - unbestritten. Differenzen bestanden ferner bezüglich der Frage, ob die ernsthafte Gefahr im Sinne von lit. b der Bestimmung im Gesetzestext ausdrücklich als "unmittelbar" bezeichnet werden müsse (vgl. JOSITSCH/RÖTHLISBERGER, a.a.O., S. 7 ff.; MICHEROLI/TAG, Anmerkungen zu aktuellen Entwicklungen im Haftrecht, Jusletter 16. Mai 2022, S. 14 f.; siehe auch BGE 150 IV 360 E. 3.2.2, 149 E. 3.2; je mit Hinweisen; Kommissionssprecher JOSITSCH im Ständerat, AB 2021 S 1361). 
Welche Delikte einschlägige Vortaten für die Annahme qualifizierter Wiederholungsgefahr sein sollen, wurde im Parlament dagegen nicht vertieft diskutiert. Immerhin wies Kommissionssprecher FLACH im Nationalrat darauf hin, dass hier in einem heiklen Gebiet legiferiert werde, weshalb es nur um "Verbrechen, schwere Vergehen, um psychische, physische oder sexuelle Gewalt oder die Zerstörung der Integrität anderer Personen und Ähnliches" gehen könne (AB 2021 N 611). Die von der Botschaft vom 28. August 2019 zur Änderung der Strafprozessordnung vorgegebene Richtung, wonach die qualifizierte Wiederholungsgefahr auf "hochwertige Rechtsgüter (z.B. Leib und Leben oder sexuelle Integrität) " beschränkt und materielle Schädigungen oder sozialschädliche Verhaltensweisen von ihrem Anwendungsbereich ausgeschlossen werden sollen (BBl 2019 6743 f.), scheint damit (zumindest implizit) Bestätigung gefunden zu haben. In gleicher Weise begründete die bundesgerichtliche Rechtsprechung, auf die der neue Haftgrund zurückgeht (BGE 137 IV 13), eine Ausnahmeregelung für den Fall, dass eine besonders ernsthafte, akute Gefahr schwerer Gewaltakte besteht. Dieser Umstand und der gesamte Gesetzgebungsprozess lassen darauf schliessen, dass die qualifizierte Wiederholungsgefahr nur schwere Gewaltstraftaten gegen Individualinteressen erfassen soll. 
 
2.3.4. Die vorstehenden Überlegungen decken sich mit dem Wortlaut von Art. 221 Abs. 1bis StPO. Lit. a der Bestimmung sieht vor, dass die beschuldigte Person dringend verdächtig sein muss, durch ein Verbrechen oder ein schweres Vergehen die physische, psychische oder sexuelle Integrität einer Person schwer beeinträchtigt zu haben. Nach BÜRGI/HUSMANN ist diese Aufzählung abschliessend, weshalb Betäubungsmitteldelinquenz ausgeschlossen sei (BÜRGI/HUSMANN, Extensive Praxis der Präventivhaft auch unter Art. 221 Abs. 1bis StPO, forumpoenale 4/2024 S. 281). Auch FORSTER weist darauf hin, dass es unter dem Gesichtspunkt des Legalitätsprinzips (Art. 31 Abs. 1 BV und Art. 197 Abs. 1 lit. a StPO) "sehr problematisch" erschiene, diese Aufzählung als nicht abschliessend zu verstehen (MARC FORSTER, in: Basler Kommentar Strafprozessordnung, 3. Aufl. 2023, N. 15c zu Art. 221 StPO).  
 
2.3.5. In diesem Zusammenhang ist in Erinnerung zu rufen, dass Art. 221 Abs. 1bis StPO eine Ausnahmeregelung enthält, die restriktiv zu handhaben ist. Die besonderen Haftgründe der Wiederholungs- und der Ausführungsgefahr stellen im Zwangsmassnahmenrecht insofern einen Fremdkörper dar, als sie nicht auf die Verfolgung und Beurteilung von Straftaten (vgl. Art. 1 Abs. 1 und Art. 196 StPO), sondern auf Gefahrenabwehr gerichtet sind (WOHLERS, a.a.O., S. 45; CONINX/STUDER, a.a.O., S. 109 Rz. 4.13; GFELLER/BIGLER/BONIN, Untersuchungshaft, 2017, S. 158 Rz. 406; WEDER, Haftgründe, a.a.O., S. 113 f.). Die Botschaft betont, dass sich Präventivhaft in diesem Sinne nur schwer mit der Unschuldsvermutung (Art. 32 Abs. 1 BV) vereinbaren lasse und einen schweren Eingriff in die persönliche Freiheit der betroffenen Person zur Folge habe. Bei der Anwendung präventiver Haftgründe wie der Wiederholungsgefahr sei deshalb Zurückhaltung geboten; sie dürften nur im Rahmen einer restriktiven Auslegung der spezifischen Voraussetzungen zur Anwendung kommen (vgl. BBl 2019 6742 f.; siehe auch BGE 150 IV 360 E. 3.2.3; 143 IV 9 E. 2.2; 137 IV 13 E. 4.5, 84 E. 3.2). Diese von der Botschaft und der bisherigen Rechtsprechung vorgegebene Stossrichtung steht einer extensiven Auslegung von Art. 221 Abs. 1bis StPO entgegen. Auch die Lehre spricht sich im Zusammenhang mit den präventiven Haftgründen für eine zurückhaltende Anwendungspraxis aus (vgl. BÜRGI/HUSMANN, a.a.O., S. 284; PIETH/GETH, Schweizerisches Strafprozessrecht, 4. Aufl. 2023, S. 153 f.; JOSITSCH/RÖTHLISBERGER, a.a.O., S. 26; CONINX/STUDER, a.a.O., S. 106 Rz. 4.1 und S. 111 f. Rz 4.17 ff.; CONTE, a.a.O., S. 257 und 275; GFELLER/BIGLER/BONIN, a.a.O., S. 160 Rz. 412 und S. 175 Rz. 458; WEDER, die gefährliche beschuldigte Person, a.a.O., S. 367 f.; derselbe, Haftgründe, a.a.O., S. 114).  
 
2.3.6. Bestätigt wird diese Betrachtungsweise weiter durch die systematische Einordnung der qualifizierten Wiederholungsgefahr in das Gefüge der besonderen Haftgründe. Sie reiht sich ein zwischen der einfachen Wiederholungsgefahr nach Art. 221 Abs. 1 lit. c StPO, welche mindestens zwei rechtskräftig abgeurteilte Vortaten verlangt (Urteil 7B_1035/2024 vom 19. November 2024 E. 2.11, zur Publikation vorgesehen), und der Ausführungsgefahr nach Art. 221 Abs. 2 StPO. Indem sie in einem separaten Absatz geregelt wurde, soll laut Botschaft ihr Ausnahmecharakter und ihre Nähe zur Ausführungsgefahr verdeutlicht werden (BBl 2019 6743). Da die qualifizierte im Gegensatz zur einfachen Wiederholungsgefahr auf das Vortatenerfordernis verzichtet, sind dafür umso strengere Anforderungen an die mutmasslich begangenen und zu befürchtenden Delikte zu stellen (vgl. BGE 150 IV 360 E. 3.2.2; RUCKSTUHL, a.a.O., S. 331; PALUMBO/PERESSIN/EGOND, a.a.O., S. 161; CONTE, a.a.O., S. 161). Nach der gesetzlichen Konzeption soll mit anderen Worten "das Weniger beim Vortatenerfordernis durch ein Mehr in Bezug auf die vergangenen und die drohenden Straftaten ausgeglichen werden" (CONINX/STUDER, a.a.O., S. 118 Rz. 4.32). Die qualifizierte Wiederholungsgefahr soll deshalb "auf klar definierte Fälle einer Gefährdung unmittelbarer und schwerer Art limitiert werden" (JOSITSCH/RÖTHLISBERGER, a.a.O., S. 26).  
 
2.3.7. Die bisherige Rechtsprechung geht dagegen von leicht anderen Prämissen aus. Demnach kann Betäubungsmitteldelinquenz im Grundsatz Haft wegen einfacher Wiederholungsgefahr rechtfertigen (vgl. Urteil 1B_126/2011 vom 6. April 2011 E. 3.7, nicht publ. in: BGE 137 IV 84). Auch liess das Bundesgericht bis anhin gewerbsmässigen Handel mit Betäubungsmitteln für die Annahme qualifizierter Wiederholungsgefahr im Sinne von BGE 137 IV 13 genügen (vgl. Urteil 1B_6/2017 vom 8. Februar 2017 E. 3.1.1 und 3.2). Da der Gesetzgeber die einfache und die qualifizierte Wiederholungsgefahr bei der Neukonzeption des Haftrechts nun aber deutlich voneinander abgegrenzt und letztere an klar definierte, strenge Voraussetzungen geknüpft hat, lässt sich diese Rechtsprechung nicht auf Art. 221 Abs. 1bis StPO übertragen.  
 
2.3.8. Als Zwischenfazit ergibt sich, dass Haft wegen qualifizierter Wiederholungsgefahr nur zulässig ist, wenn die untersuchte Anlasstat gegen hochwertige Individualrechtsgüter gerichtet war und eine gleichartige Beeinträchtigung ernsthaft zu befürchten ist.  
 
2.4.  
 
2.4.1. Widerhandlungen gegen das BetmG sind grundsätzlich keine Gewalthandlungen, aus denen konkrete Opfer hervorgehen. Sie sind in erster Linie gegen die öffentliche Gesundheit und somit nicht gegen ein Individualrechtsgut gerichtet (vgl. BGE 133 IV 201 E. 3.2; 124 IV 97 E. 2c S. 101). Zwar ist nicht auszuschliessen, dass Widerhandlungen gegen das BetmG, vordergründig solche nach Art. 19 Abs. 1 lit. c BetmG, allenfalls in Verbindung mit einem qualifizierenden Merkmal nach Abs. 2, zu einer konkreten Beeinträchtigung der physischen oder psychischen Integrität einer Person führen können. Solche Fälle ausgenommen ist die Anwendung von Art. 221 Abs. 1bis StPO auf Betäubungsmitteldelinquenz nach der vorstehenden Auslegeordnung jedoch ausgeschlossen.  
 
2.4.2. Dieses Verständnis findet seine Stütze in einem weiteren Aspekt: Die Strafbestimmungen des BetmG sind als abstrakte Gefährdungsdelike ausgestaltet (BGE 133 IV 201 E. 3.2; 118 IV 200 E. 3f; Urteile 6B_17/2022 vom 18. März 2024 E. 1.7, nicht publ. in: BGE 150 IV 213 E. 1.7; 6B_932/2018 vom 24. Januar 2019 E. 1.2.4, nicht publ. in: BGE 145 IV 146). Eine Besonderheit des Betäubungsmittelstrafrechts liegt sodann darin, dass es im Endeffekt nicht auf die Verhinderung einer Fremdgefährdung, sondern auf die Verhinderung einer Selbstgefährdung abzielt (vgl. PETER ALBRECHT, Die Strafbestimmungen des Betäubungsmittelgesetzes, 3. Aufl. 2016, Einleitung N. 39; GUSTAV HUG-BEELI, Basler Kommentar Betäubungsmittelgesetz, 2016, N. 21 zu Art. 19 BetmG; ferner JOSITSCH/RÖTHLISBERGER, a.a.O., S. 22). Eine Gesundheitsschädigung kann frühstens durch (missbräuchliche) Konsumhandlungen entstehen, und diese nimmt normalerweise jede Konsumentin und jeder Konsument selber vor. Dabei lassen sich, wie im Schrifttum zutreffend erläutert wird, die damit einhergehenden Gesundheitsrisiken in der Regel nicht auf einzelne (vorgelagerte) Handlungen zurückführen, sondern sind das Resultat von komplexen Wirkungszusammenhängen. Aufgrund dieser Komplexität verfängt denn auch der klassische Dualismus von Täter und Opfer im Betäubungsmittelstrafrecht nicht (ALBRECHT, a.a.O., Einleitung N. 69; ferner GUSTAV HUG-BEELI, a.a.O., N. 8 ff. vor 1a. Kapitel). Eine Widerhandlung gegen das BetmG, selbst in Form einer qualifizierten Weitergabe von Betäubungsmitteln (Art. 19 Abs. 1 lit. c in Verbindung mit Abs. 2 lit. a BetmG), kann im Normalfall somit keine unmittelbare Schädigung der Gesundheit der betreffenden Person bewirken (gl.M. CONTE, a.a.O., S. 288; ALBRECHT, a.a.O., N. 23 ff., 192 und 197 zu Art. 19 BetmG).  
Die Haft wegen qualifizierter Wiederholungsgefahr verlangt die unmittelbare Gefährdung hochwertiger Individualrechtsgüter. Was das Erfordernis der Unmittelbarkeit anbelangt, so muss die Gefahr nach der Rechtsprechung akut sein oder in naher Zukunft drohen, weshalb die Haft mit grosser Dringlichkeit anzuordnen ist (BGE 150 IV 360 E. 3.2.3 und 3.4.4; Urteil 7B_1009/2024 vom 3. Oktober 2024 E. 2.2.2; je mit Hinweisen). Bei einer Widerhandlung gegen das BetmG fehlt es nach dem Gesagten gemeinhin an einer solchen unmittelbaren Gefahr. Auch aus diesem Grund kann Betäubungsmitteldelinquenz grundsätzlich keine qualifizierte Wiederholungsgefahr begründen. 
 
2.5. Im vorliegend zu beurteilenden Fall ist die Beschwerdeführerin geständig, 750 Gramm reines Kokain besessen und rund 30 Gramm davon an mehrere Personen aus ihrem Umfeld weiterverkauft oder verschenkt zu haben. Die Vorinstanz erwägt dazu, aufgrund ihrer eigenen Angaben sei davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin das sichergestellte Kokain - unabhängig vom geltend gemachten Eigenkonsum - hauptsächlich zu Verkaufszwecken besessen habe. Die Legalprognose sei zudem als sehr ungünstig zu werten, sodass ernsthaft davon auszugehen sei, dass die Beschwerdeführerin im Falle einer Haftentlassung erneut und intensiv dem Betäubungsmittelhandel nachgehen werde.  
Die der Beschwerdeführerin angelasteten und von ihr weiter zu befürchtenden Betäubungsmitteldelikte beschränken sich somit auf die Aufbewahrung und Weitergabe von Kokain in nach Art. 19 Abs. 2 lit. a BetmG qualifiziertem Umfang. Dass durch ihre Handlungen Leib oder Leben einer bestimmten Person beeinträchtigt worden wären bzw. dass eine solche Beeinträchtigung unmittelbar und ernsthaft droht, ergibt sich aus den vorinstanzlichen Ausführungen nicht und ist auch nicht ersichtlich. Folglich können die der Beschwerdeführerin vorgeworfenen Widerhandlungen nicht zur Begründung qualifizierter Wiederholungsgefahr herangezogen werden. 
 
2.6. Die Beschwerdeführerin ist laut angefochtenem Urteil zwar einschlägig vorbestraft. Zwei rechtskräftig abgeurteilte gleichartige Vortaten, wie sie für die Annahme einfacher Wiederholungsgefahr (Art. 221 Abs. 1 lit. c StPO) erforderlich wären (vgl. Urteil 7B_1035/2024 vom 19. November 2024 E. 2.11, zur Publikation vorgesehen), weist sie aber nicht auf. Da keine Hinweise dafür bestehen, dass einer der weiteren besonderen Haftgründe erfüllt wäre, sind die Voraussetzungen für eine Inhaftierung insgesamt nicht gegeben.  
 
3.  
Die Beschwerde ist gutzuheissen, der angefochtene Beschluss aufzuheben und die Beschwerdeführerin umgehend aus der Sicherheitshaft zu entlassen. Diesem Ausgang des Verfahrens entsprechend sind im bundesgerichtlichen Verfahren keine Kosten zu erheben (vgl. Art. 66 Abs. 1 und 4 BGG). Der Kanton Zürich hat der Beschwerdeführerin für das Verfahren vor Bundesgericht eine angemessene Parteientschädigung zu bezahlen (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG). Aufgrund der beantragten unentgeltlichen Verbeiständung ist diese praxisgemäss ihrem Rechtsvertreter auszurichten. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege erweist sich als gegenstandslos. 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird gutgeheissen und der Beschluss des Obergerichts des Kantons Zürich vom 14. Januar 2025 wird aufgehoben. Die Staatsanwaltschaft wird angewiesen, die Beschwerdeführerin unverzüglich aus der Sicherheitshaft zu entlassen. 
 
2.  
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
3.  
Der Kanton Zürich hat dem Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin, Rechtsanwalt Daniel U. Walder, für das bundesgerichtliche Verfahren eine Entschädigung von Fr. 1'500.-- zu bezahlen. 
 
4.  
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird gegenstandslos. 
 
5.  
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, der Staatsanwaltschaft See/Oberland, dem Obergericht des Kantons Zürich, III. Strafkammer, dem Bezirksgericht Zürich, Zwangsmassnahmengericht, und dem Bezirksgericht Zürich, 6. Abteilung, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 4. März 2025 
 
Im Namen der II. strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Abrecht 
 
Die Gerichtsschreiberin: Lustenberger