Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
1D_4/2021
Urteil vom 8. März 2022
I. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Kneubühler, Präsident,
Bundesrichter Chaix,
Bundesrichterin Jametti,
Bundesrichter Haag, Merz,
Gerichtsschreiber Uebersax.
Verfahrensbeteiligte
A.________,
Beschwerdeführerin,
vertreten durch Rechtsanwalt Daniel Gehrig,
gegen
Einwohnergemeinde Thun,
handelnd durch den Gemeinderat,
Thunerhof, Hofstettenstrasse 14,
Postfach 145, 3602 Thun,
Regierungsstatthalteramt Thun,
Scheibenstrasse 3, 3600 Thun.
Gegenstand
Einbürgerung,
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts
des Kantons Bern vom 4. Februar 2021
(100.2019.114U).
Sachverhalt:
A.
A.a. Die am 3. Juni 2000 geborene kamerunische Staatsangehörige A.________ gelangte im Jahre 2012 im Familiennachzug zu ihrem Vater in die Schweiz. Sie lebt seither in der Stadt Thun im Kanton Bern. Sie ist französischer Muttersprache und besuchte in dieser Sprache die Grundschule in Bern (Ecole cantonale de langue française à Berne) sowie das Gymnasium in Biel (Gymnase français de Bienne). An diesem erwarb sie am 15. Juni 2018 die Maturität mit Schwerpunkt in Biologie und Chemie. Seit September 2018 studiert sie an der Universität Fribourg im Hauptfach Biomedizin und im Nebenfach Deutsch.
A.b. Am 18. Juni 2018 reichte A.________ bei der Einwohnergemeinde Thun ein Einbürgerungsgesuch ein. Im Einbürgerungsverfahren wurde sie ersucht, als Nachweis für die Sprachkompetenz Deutsch eine Sprachstandanalyse des geforderten Niveaus einer anerkannten Sprachschule beizubringen. A.________ reichte daraufhin ihr Maturitätszeugnis ein, das ihr im Fach Deutsch als Fremdsprache die Note 4 (genügend) bescheinigt. Am 30. November 2018 trat der Gemeinderat Thun auf das Einbürgerungsgesuch nicht ein. Zur Begründung führte er aus, A.________ habe den Nachweis ausreichender Deutschkenntnisse einer anerkannten Sprachschule ("Attest Sprachstandanalyse mündlich B1, schriftlich A2") nicht erbracht.
A.c. Dagegen erhob A.________ Beschwerde beim Regierungsstatthalteramt von Thun. Am 26. Februar 2019 wies der stellvertretende Regierungsstatthalter die Beschwerde ab.
B.
A.________ führte dagegen Beschwerde beim Verwaltungsgericht des Kantons Bern. Dieses holte beim Staatssekretariat für Migration (SEM) einen Amtsbericht zu den Sprachnachweisen im Einbürgerungsverfahren ein. Mit Urteil vom 4. Februar 2021 wies das Verwaltungsgericht des Kantons Bern die Beschwerde ab. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus, die französische Muttersprache der Gesuchstellerin genüge nicht für eine Einbürgerung in Thun, weshalb zu Recht ausreichende Deutschkenntnisse verlangt würden. Dafür habe sie den erforderlichen Sprachnachweis nicht erbracht.
C.
Mit subsidiärer Verfassungsbeschwerde vom 8. März 2021 an das Bundesgericht beantragt A.________, das Urteil des Verwaltungsgerichts aufzuheben, ihr Einbürgerungsgesuch gutzuheissen und ihr das Gemeindebürgerrecht zu erteilen; eventuell sei die Sache an das Verwaltungsgericht, subeventuell an die Einwohnergemeinde Thun als Einbürgerungsbehörde zurückzuweisen. In prozessualer Hinsicht ersucht sie um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege und Verbeiständung. Zur Begründung macht sie im Wesentlichen geltend, es sei willkürlich, ihr im zweisprachigen Kanton Bern die Französischkenntnisse für die Einbürgerung nicht anzurechnen. Zudem sei es willkürlich, rechtsungleich und überspitzt formalistisch, ihre mit dem Maturitätszeugnis belegten Deutschkenntnisse nicht anzuerkennen und auf einem Attest einer anerkannten Sprachschule zu beharren. Das Urteil des Verwaltungsgerichts sei deshalb verfassungswidrig.
Die Einwohnergemeinde Thun sowie der Regierungsstatthalter von Thun schliessen auf Abweisung der Beschwerde. Das Verwaltungsgericht stellt Antrag auf Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei.
Erwägungen:
1.
1.1. Gegen Entscheide über die ordentliche Einbürgerung ist die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten im Sinne von Art. 82 BGG gemäss Art. 83 lit. b BGG ausgeschlossen. Eine andere ordentliche Beschwerde fällt nicht in Betracht. Damit steht grundsätzlich die subsidiäre Verfassungsbeschwerde gemäss Art. 113 ff. BGG offen. Der Entscheid der Vorinstanz kann mit keinem kantonalen Rechtsmittel angefochten werden und ist daher kantonal letztinstanzlich (Art. 86 Abs. 1 lit. d BGG; BGE 135 I 265 E. 1 S. 269).
1.2. Die Beschwerdeführerin hat am vorinstanzlichen Verfahren teilgenommen und ist als Gesuchstellerin und von der Nichteinbürgerung Betroffene zur subsidiären Verfassungsbeschwerde legitimiert (Art. 115 BGG; BGE 138 I 305 E. 1.4 S. 309 ff.).
1.3. Mit der subsidiären Verfassungsbeschwerde kann nach Art. 116 BGG die Verletzung von verfassungsmässigen Rechten gerügt werden. Dazu gehören auch die kantonalen verfassungsmässigen Rechte (HANSJÖRG SEILER, in: Seiler et al., Bundesgerichtsgesetz [BGG], 2. Aufl., 2015, Art. 116 Rz. 2). Als verfassungsmässige Rechte gelten Verfassungsbestimmungen, die dem Individuum einen Schutzbereich gegen staatliche Eingriffe sichern oder, zumindest ergänzend zu öffentlichen Interessen, auch individuelle Interessen schützen wollen (vgl. BGE 127 I 185 E. 3; SEILER, a.a.O., Art. 95 Rz. 44). Die Einhaltung des Verfassungsrechts überprüft das Bundesgericht mit freier Kognition.
1.4. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG), prüft jedoch unter Berücksichtigung der allgemeinen Rüge- und Begründungspflicht ( Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG ) nur die geltend gemachten Vorbringen, sofern rechtliche Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 142 I 135 E. 1.5 S. 144). Erhöhte Anforderungen an die Begründung gelten, soweit die Verletzung von Grundrechten gerügt wird (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 133 II 249 E. 1.4.2 S. 254 mit Hinweisen). Das Verwaltungsgericht erachtet die Beschwerdebegründung als teilweise ungenügend. Die Beschwerdeführerin legt jedoch weitgehend ausreichend dar, welche Verfassungsbestimmungen verletzt sein sollen und inwiefern das zutreffen soll. Die Voraussetzungen an die Beschwerdebegründung sind daher für die erhobenen Rügen mit Ausnahme der in den nachfolgenden Erwägungen genannten Vorbehalte erfüllt.
1.5. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG) und kann deren Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen oder auf Antrag hin nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 97 Abs. 1 und Art. 105 Abs. 2 BGG ). Die tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz sind hier freilich nicht umstritten, so dass darauf abgestellt werden kann.
2.
2.1. Gemäss Art. 9 BV hat jede Person Anspruch darauf, von den staatlichen Organen ohne Willkür behandelt zu werden. Ein Entscheid verstösst gegen das Willkürverbot, wenn er sich nicht auf ernsthafte sachliche Gründe stützen lässt, sinn- und zwecklos ist, einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass verletzt oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft (vgl. BGE 146 II 111 E. 5.1.1; 129 I 1 E. 3).
2.2. Das verfassungsmässige Gebot der rechtsgleichen Behandlung (Art. 8 Abs. 1 BV) ist verletzt, wenn Gleiches nicht nach Massgabe seiner Gleichheit gleich oder Ungleiches nicht nach Massgabe seiner Ungleichheit ungleich behandelt wird. Dies ist insbesondere der Fall, wenn hinsichtlich einer wesentlichen Tatsache rechtliche Unterscheidungen getroffen werden, für die ein vernünftiger Grund in den zu regelnden Verhältnissen nicht ersichtlich ist, oder wenn Unterscheidungen unterlassen werden, die aufgrund der Verhältnisse hätten getroffen werden müssen (vgl. BGE 144 I 113 E. 5.1.1; 143 I 361 E. 5.1; 141 I 153 E. 5.1). Das Gleichbehandlungsgebot ist sowohl in der Rechtssetzung als auch in der Rechtsanwendung zu berücksichtigen (Urteil 2C_94/2019 vom 1. Oktober 2019 E. 3.4.2 mit Hinweis).
2.3. Das aus Art. 29 Abs. 1 BV abgeleitete Verbot des überspitzten Formalismus wendet sich gegen prozessuale Formstrenge, die als exzessiv erscheint, durch kein schutzwürdiges Interesse gerechtfertigt ist, zum blossen Selbstzweck wird und die Verwirklichung des materiellen Rechts in unhaltbarer Weise erschwert oder gar verhindert (BGE 132 I 249 E. 5 S. 253; 128 II 139 E. 2a).
3.
3.1. Art. 37 Abs. 1 BV bildet die verfassungsrechtliche Grundlage des dreiteiligen Bürgerrechts, wonach Schweizerbürgerinnen und Schweizerbürger auch das Bürgerrecht (mindestens) eines Kantons und einer Gemeinde besitzen. Gemäss Art. 38 Abs. 2 BV erlässt der Bund Mindestvorschriften über die Einbürgerung von Ausländerinnen und Ausländern durch die Kantone und erteilt die entsprechenden Einbürgerungsbewilligungen. Nach Art. 12 Abs. 3 des hier anwendbaren neuen Bundesgesetzes vom 20. Juni 2014 über das Schweizer Bürgerrecht (Bürgerrechtsgesetz, BüG; SR 141.0) können die Kantone weitere als die in Art. 12 Abs. 1 BüG definierten Integrationskriterien vorsehen.
Für die ordentliche Einbürgerung muss die Bewerberin oder der Bewerber die formellen und materiellen Voraussetzungen nach Art. 9 und 11 BüG erfüllen. Dazu zählt eine erfolgreiche Integration (Art. 11 lit. a BüG). Eine solche zeigt sich gemäss Art. 12 Abs. 1 lit. c BüG unter anderem in der Fähigkeit, sich im Alltag in Wort und Schrift in einer Landessprache zu verständigen.
Gemäss Art. 6 Abs. 1 der Verordnung vom 17. Juni 2016 über das Schweizer Bürgerrecht (Bürgerrechtsverordnung, BüV; SR 141.01) muss die Bewerberin oder der Bewerber in einer Landessprache mündliche Sprachkompetenzen mindestens auf dem Referenzniveau B1 und schriftliche Sprachkompetenzen mindestens auf dem Referenzniveau A2 des in Europa allgemein anerkannten Referenzrahmens für Sprachen nachweisen. Gemeint ist damit der Gemeinsame Europäische Referenzrahmen des Europarats (GER; vgl. auch das Urteil des Bundesgerichts 1D_4/2018 vom 11. Juli 2019 E. 4.4 sowie BGE 137 I 235 E. 3.4.2 und 3.4.3). Nach Art. 6 Abs. 2 BüV gilt der Nachweis für die Sprachkompetenzen als erbracht, wenn die Bewerberin oder der Bewerber eine Landessprache als Muttersprache spricht und schreibt (lit. a), während mindestens fünf Jahren die obligatorische Schule in einer Landessprache besucht hat (lit. b), eine Ausbildung auf Sekundarstufe II oder Tertiärstufe in einer Landessprache abgeschlossen hat (lit. c) oder über einen Sprachnachweis verfügt, der die Sprachkompetenzen nach Absatz 1 bescheinigt und der sich auf ein Sprachnachweisverfahren abstützt, das den allgemein anerkannten Qualitätsstandards für Sprachtests entspricht (lit. d). Das Staatssekretariat für Migration (SEM) unterstützt die Kantone bei der Prüfung der Sprachnachweise nach Absatz 2 lit. d und bei der Ausgestaltung von kantonalen Sprachtests, womit es Dritte beauftragen kann (Art. 6 Abs. 3 BüV).
3.2. Nach Art. 7 Abs. 1 der Verfassung des Kantons Bern vom 6. Juni 1993 (KV/BE; BSG 101.1) werden Erwerb und Verlust des Kantons- und Gemeindebürgerrechts im Rahmen des Bundesrechts durch die Gesetzgebung unter Vorbehalt von Abs. 2-4 der gleichen Bestimmung geregelt. Gemäss Art. 7 Abs. 2 KV/BE beruht das Kantonsbürgerrecht auf dem Gemeindebürgerrecht. Art. 7 Abs. 3 lit. a-e KV/BE enthalten Ausschlussgründe für die Einbürgerung; nach lit. c wird insbesondere nicht eingebürgert, wer nicht nachweislich über gute Kenntnisse einer Amtssprache verfügt. Gemäss Art. 7 Abs. 4 KV/BE besteht kein Anspruch auf Einbürgerung. Nach Art. 6 Abs. 1 KV/BE sind das Deutsche und das Französische die bernischen Landes- und Amtssprachen.
Gemäss Art. 12 Abs. 1 lit. d des bernischen Gesetzes über das Kantons- und Gemeindebürgerrecht vom 13. Juni 2017 (Kantonales Bürgerrechtsgesetz, KBüG; BSG 121.1) setzt eine erfolgreiche Integration unter anderem voraus, dass die Ausländerin oder der Ausländer über gute mündliche und schriftliche Kenntnisse der Amtssprache des Verwaltungskreises der Einbürgerungsgemeinden verfügt, wobei die Gemeinden durch Reglement entsprechende Kenntnisse der anderen Amtssprache zulassen können. Nach Art. 13 KBüG überprüfen die Gemeinden unter anderem die Sprachanforderungen mit einem Test, womit sie Dritte beauftragen können.
Gemäss Art. 12 Abs. 1 der bernischen Verordnung über das Kantons- und Gemeindebürgerrecht (Kantonale Bürgerrechtsverordnung, KBüV; BSG 121.111) liegen gute Kenntnisse laut Art. 12 Abs. 1 lit. d KBüG vor, wenn die Ausländerin oder der Ausländer über Sprachkompetenzen auf dem Niveau B1 (mündlich) und A2 (schriftlich) des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen des Europarates (GER) verfügt. Diese kantonalen Anforderungen entsprechen mithin den bundesrechtlichen gemäss Art. 6 Abs. 1 BüV. Die erforderlichen Sprachkenntnisse sind mit einem vom SEM anerkannten Sprachnachweis zu belegen (Art. 12 Abs. 2 KBüV). Dieser gilt als erbracht, wenn eine der Voraussetzungen nach Art. 6 Abs. 2 BüV erfüllt ist (Art. 12 Abs. 3 KBüV).
4.
4.1. Die Beschwerdeführerin rügt, es sei verfassungswidrig, ihre Kenntnisse in ihrer als Amtssprache im Kanton Bern anerkannten französischen Muttersprache nicht für die Einbürgerung anzuerkennen. Sie erachtet insbesondere die entsprechende Bestimmung des kantonalen Rechts und den darauf gestützten angefochtenen Entscheid als willkürlich und im Widerspruch zur Kantonsverfassung.
4.2. Gemäss Art. 38 Abs. 2 BV erlässt der Bund Mindestvorschriften für die Einbürgerung von Ausländerinnen und Ausländern durch die Kantone (BGE 146 I 83 E. 4.1). Diese können davon nicht abweichen. Art. 11 BüG bestimmt die so genannten materiellen Einbürgerungsvoraussetzungen, wozu die erfolgreiche Integration zählt (lit. a). Art. 12 BüG führt die zu beachtenden Integrationskriterien auf (Abs. 1), schreibt vor, dass individuelle erschwerende Bedingungen zu berücksichtigen sind (Abs. 2) und hält fest, dass die Kantone weitere Integrationskriterien vorsehen können (Abs. 3). Art. 12 Abs. 1 lit. c BüG verlangt dabei die Fähigkeit, sich im Alltag in Wort und Schrift in einer Landessprache zu verständigen. Der entsprechende Sprachnachweis gilt gemäss Art. 6 Abs. 2 BüV unter anderem dann als erbracht, wenn der Bewerber oder die Bewerberin eine Landessprache als Muttersprache spricht und schreibt (lit. a) oder eine Ausbildung auf Sekundarstufe II in einer Landessprache abgeschlossen hat (lit. c). Da die Beschwerdeführerin französischer Muttersprache ist und erfolgreich die Maturität in französischer Sprache erworben hat, trifft beides auf sie zu. Damit erfüllt sie die bundesgesetzlichen Sprachvoraussetzungen für die Einbürgerung schon aus diesem Grunde unabhängig von allfälligen Deutschkenntnissen.
4.3. Der angefochtene Entscheid lässt allerdings die Französischkenntnisse der Beschwerdeführerin für die Einbürgerung in Thun nicht gelten. Nach der bisherigen Rechtsprechung zum früheren Bundesgesetz vom 29. September 1952 über Erwerb und Verlust des Schweizer Bürgerrechts (aBüG; SR 141.0) durften die Kantone mit Blick auf Art. 38 Abs. 2 BV im bundesgesetzlich vorgeschriebenen Rahmen für die Einbürgerung im Kanton und in der Gemeinde Konkretisierungen vornehmen, solange ihre Anforderungen selbst verfassungskonform waren und eine Einbürgerung nicht übermässig erschwerten (vgl. BGE 146 I 49 E. 2.2; 141 I 60 E. 2.1 S. 62; 138 I 305 E. 1.4.3 S. 311; Urteil des Bundesgerichts 1D_4/2018 vom 11. Juli 2019 E. 2.2; sodann ACHERMANN/VON RÜTTE, in: Waldmann et al. [Hrsg.], Bundesverfassung, Basler Kommentar, 2015, Art. 38 N. 37 f.; CÉLINE GUTZWILLER, in: Martenet/Dubey [Hrsg.], Constitution fédérale, Commentaire romand, 2021, Art. 38 N. 36 f.). Auch nach neuem Recht steht es den Kantonen nach Art. 12 Abs. 3 BüG zu, weitere Integrationskriterien vorzusehen (vgl. dazu etwa das Urteil des Bundesgerichts 1D_4/2016 vom 4. Mai 2017 E. 4.4; BARBARA VON RÜTTE, Das neue Bürgerrechtsgesetz und dessen Umsetzung in den Kantonen, in: Jahrbuch für Migrationsrecht 2017/2018, S. 77). Allerdings ist die Tragweite des Wortes "weitere" ("d'autres" im französisch-, "altri" im italienischsprachigen Gesetzestext) nicht klar, könnte dies doch auch bedeuten, dass die in Art. 12 Abs. 1 BüG genannten Kriterien nicht verändert und lediglich davon unabhängige zusätzliche Kriterien verwendet werden dürfen. Im vorliegenden Fall stellt sich nur die Frage, ob das Erfordernis der Lokalsprache für die Einbürgerung in der Gemeinde mit der Bundesverfassung vereinbar ist. Auf allfällige weitere kantonal besondere Integrationskriterien ist von vornherein nicht einzugehen.
In Betracht fiele hier vor allem, die Vereinbarkeit des kantonalen Rechts mit dem Grundsatz des Vorrangs des Bundesrechts nach Art. 49 BV zu prüfen. Indessen enthält die Beschwerdeschrift insofern keine ausreichende Begründung (vgl. vorne E. 1.4). Ohne dass dies daher abschliessend zu beurteilen ist, kann immerhin darauf hingewiesen werden, dass der Bundesgesetzgeber gemäss den Materialien den Vorbehalt der Lokalsprache für die Einbürgerung grundsätzlich als möglich und zulässig erachtete (vgl. BBl 2011 2825 ff., namentlich 2832 und 2834 Ziff. 1.2.2.1 und 1.2.2.5; vgl. dazu auch MARTINA CARONI ET AL., Migrationsrecht, 4. Aufl., 2018, S. 541; FANNY DE WECK, in: Marc Spescha et al., Migrationsrecht, Kommentar, 5. Aufl., 2019, Rz. 12 zu Art. 12 BüG). Davon wird auch verschiedentlich Gebrauch gemacht (vgl. VON RÜTTE, a.a.O., S. 76). Da jedoch keine genügende Rüge des Verstosses gegen den Vorrang von Bundesrecht vorliegt, erübrigen sich weitere Erwägungen dazu.
4.4. Zu prüfen ist hingegen, ob der Ausschluss der nicht am Einbürgerungsort gesprochenen Amtssprache der Kantonsverfassung entspricht. Die Auslegung des kantonalen Verfassungsrechts überprüft das Bundesgericht mit freier Kognition (vgl. vorne E. 1.3). Wie dargelegt, kennt der Kanton Bern Deutsch und Französisch als Landes- und Amtssprachen (vgl. Art. 6 Abs. 1 KV/BE). Art. 6 Abs. 2 und 3 KV/BE regeln, in welchen Verwaltungsregionen bzw. -kreisen welche Amtssprachen gelten; mit wenigen Ausnahmen in zweisprachigen Regionen gilt dabei jeweils nur eine Amtssprache. Art. 7 Abs. 3 lit. c KV/BE verlangt für die Einbürgerung im Kanton Bern gute Kenntnisse einer Amtssprache, ohne dies näher einzuschränken. Demgegenüber setzt Art. 12 Abs. 1 lit. d KBüG für die Einbürgerung in der Gemeinde die erforderlichen Kenntnisse der Amtssprache des Verwaltungskreises der Einbürgerungsgemeinde voraus. Mit Blick auf den Wortlaut von Art. 7 Abs. 3 lit. c KV/BE und die Zweisprachigkeit des Kantons erscheint es nicht ausgeschlossen, die Kantonsverfassung so zu verstehen, dass sie für die Einbürgerung Kenntnisse in einer der beiden Amtssprachen für den ganzen Kanton genügen lässt. Das Verwaltungsgericht begründet seine davon abweichende Verfassungsauslegung und damit die Zulässigkeit des Erfordernisses der Lokalsprache durch Gesetzesrecht insbesondere mit der Entstehungsgeschichte der Verfassungsnorm und mit systematischen Gesichtspunkten. Die gesetzliche Anforderung dient sodann der lokalen Integration und entspricht dem sprachenrechtlichen Territorialitätsprinzip (vgl. BGE 121 I 196 E. 2; sodann BGE 141 I 36 E. 5.5.2 und für den Kanton Bern das Urteil des Bundesgerichts 1P.500/2001 vom 11. Oktober 2001). Die Beschwerdeführerin bringt keine überzeugenden Gegenargumente vor, welche die nachvollziehbare Begründung des Verwaltungsgerichts zu widerlegen vermöchten.
4.5. Nur schon vom Wortlaut sowie von der gesetzgeberischen Intention her eindeutig ist demgegenüber Art. 12 Abs. 1 lit. d KBüG, wonach die Einbürgerung in der Gemeinde die erforderlichen Kenntnisse der Amtssprache des Verwaltungskreises der Einbürgerungsgemeinde voraussetzt. In Thun ist das unbestrittenermassen Deutsch. Die gesetzliche Anforderung erscheint mit Blick auf die Ordnung der Amtssprache nicht unsachlich. Allerdings erschwert sie die Einbürgerung für Personen, welche wie die Beschwerdeführerin zumindest eine der bundesgesetzlichen Voraussetzungen nach Art. 6 Abs. 2 lit. a-c BüV für die zweite im Kanton anerkannte Amtssprache, nicht aber für die am Einbürgerungsort gesprochene erfüllen, und diesbezüglich einen Sprachnachweis gemäss Art. 6 Abs. 2 lit. d BüV benötigen. Bei der Anwendung der Voraussetzung der Lokalsprache für die Einbürgerung ist insoweit jedenfalls der Grundsatz der Verhältnismässigkeit zu wahren (vgl. auch Art. 12 Abs. 2 BüG). Für die Beschwerdeführerin stellt das gesetzliche Erfordernis der am Einbürgerungsort gesprochenen Sprache jedoch kein unüberwindbares oder unzumutbares Hindernis dar, leidet sie doch nicht an einer entsprechenden Lernschwäche, zumal sie inzwischen sogar an der Universität Deutsch als Zweitfach studiert. Im vorliegenden Fall erweist sich daher die Voraussetzung der Lokalsprache für die Einbürgerung gemäss dem kantonalen Gesetzesrecht nicht als mit der Kantonsverfassung unvereinbar oder nach Art. 9 BV willkürlich.
4.6. Die Beschwerdeführerin vermag demnach nicht ausreichend darzutun, dass der angefochtene Entscheid gegen Verfassungsrecht verstösst, weil er ihre Französischkenntnisse für den erforderlichen Sprachnachweis nicht zulässt.
5.
5.1. Die Beschwerdeführerin rügt weiter, sie habe den erforderlichen Sprachnachweis für Deutsch mit der erfolgreich abgelegten Maturitätsprüfung in dieser Sprache erbracht. Es sei willkürlich und rechtsungleich, ihr diesen Nachweis abzusprechen, und überspitzt formalistisch, von ihr die Nachreichung eines weiteren Diploms oder die Validierung des Maturitätszeugnisses zu verlangen.
5.2. Art. 6 Abs. 2 lit. d BüV verlangt einen Sprachnachweis, der die erforderlichen Sprachkompetenzen bescheinigt. Dieser muss sich auf ein Sprachnachweisverfahren stützen, das den allgemein anerkannten Qualitätsstandards entspricht. In der Regel handelt es sich dabei um eine Bescheinigung in der Form eines Zertifikats, Diploms oder eines ähnlichen Dokuments, das auf einer erfolgreich abgelegten Prüfung und im Bedarfsfall auf einem vorangegangenen Sprachkurs beruht. Wie dargelegt (vgl. vorne E. 3), setzt Art. 12 Abs. 1 lit. d KBüV in Übereinstimmung mit den bundesrechtlichen Anforderungen gemäss Art. 6 Abs. 2 lit. d BüV Sprachkompetenzen auf dem Niveau B1 (mündlich) und A2 (schriftlich) des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen des Europarates voraus. Die entsprechenden Anforderungen sind als eher hoch einzustufen (vgl. FRANÇOIS CHAIX, Quelques réflexions sur l'acquisition de la nationalité suisse, in: Bovey et al. [Hrsg.], Mélanges à la mémoire de Bernard Corboz, 2019, S. 440). Mit der Voraussetzung, ein bestimmtes Niveau des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens zu erreichen, setzen sowohl das Bundesrecht als auch das kantonale Recht einen objektivierten Massstab fest. Dessen Zweck ist es, eine willkürfreie und schweizweit bzw. im ganzen Kanton einheitliche Praxis sicherzustellen. Es bildet denn auch das ausdrückliche Ziel des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens, die verschiedenen europäischen Sprachzertifikate untereinander vergleichbar zu machen und einen Massstab für den Erwerb von Sprachkenntnissen zu schaffen. Voraussetzung ist jedoch, dass die Sprachkenntnisse mit dem entsprechenden Fachwissen beurteilt werden, wozu der Beizug entsprechender Fachleute unerlässlich ist (vgl. BGE 137 I 235 E. 3.4.3 sowie das Urteil des Bundesgerichts 1D_4/2018 vom 11. Juli 2019 E. 4.5 und 4.6; CÉLINE GUTZWILLER, Droit de la nationalité suisse, 2016, S. 33 f.).
5.3. Zu diesem Zweck sieht Art. 6 Abs. 3 BüV vor, dass das SEM die Kantone bei der Prüfung der Sprachnachweise und bei der Ausgestaltung von kantonalen Sprachtests unterstützt, wobei es Dritte mit diesen Aufgaben betrauen kann. Unter anderem dafür hat das SEM zusammen mit Expertinnen und Experten auf wissenschaftlicher Grundlage das Sprachfördersystem "fide - Français, Italiano, Deutsch in der Schweiz - lernen, lehren, beurteilen" entwickelt. Dieses orientiert sich am Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen. Im Auftrag des SEM übernimmt die Geschäftsstelle fide die operative Leitung des Programms. Diese stellt Instrumente zur Sprachförderung und zum Nachweis der Sprachkompetenz zur Verfügung und ist auch mit der Qualitätssicherung mandatiert. Umgesetzt wird das System fide in einem national handelnden Netzwerk aus Expertinnen und Experten, Ausbildungsinstitutionen, Sprachschulen, Behörden, Fachstellen, Prüfenden und Sprachkursleitenden (Näheres unter https://www.sem.admi n. ch/sem/de/home/integration-einbuergerung/innovation/fide.html und hsttp://fide-info.ch/de/fide/was-ist-fide, beide besucht am 4. Februar 2022; vgl. auch DOMINIQUE TRAN, in: Actualité du droit des étrangers, 2018-2020, 2021, S. 27 f.). Gemäss dem vom Verwaltungsgericht beim SEM eingeholten Amtsbericht kennt das Programm fide drei Formen von Sprachnachweisen: erstens einen bei fide erworbenen "Sprachnachweis fide", zweitens ein von fide anerkanntes Sprachzertifikat eines anderen Anbieters und drittens die nachträgliche Validierung einer vorher nicht anerkannten Bescheinigung durch fide, wozu ein Validierungsgesuch mit den einschlägigen Unterlagen einzureichen und ein entsprechendes Verfahren zu durchlaufen ist.
5.4. Nach Art. 12 Abs. 2 KBüV sind die erforderlichen Sprachkenntnisse mit einem vom SEM anerkannten Sprachnachweis zu belegen.Die Beschwerdeführerin absolvierte keine Sprachprüfung, die unter der Leitung oder Aufsicht von fide stand oder von der Geschäftsstelle fide validiert wurde. Sie beruft sich vielmehr auf ihre Maturitätsnote in Deutsch. Das Verwaltungsgericht holte dazu den bereits erwähnten Amtsbericht des SEM ein, das sich nach Rücksprache mit fide auf den Standpunkt stellte, nur von fide akzeptierte Sprachexamen könnten für die Einbürgerung anerkannt werden. Eine Maturitätsnote könne kein anerkanntes Sprachzertifikat ersetzen. Zwar verfolge die gymnasiale Sprachausbildung Lernziele, die sich nach dem Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen richteten, es fehle aber an einem standardisierten Verfahren. Die Beschwerdeführerin beanstandet dazu zunächst, sie habe in die Stellungnahme von fide nicht Einsicht nehmen können, was das Verwaltungsgericht vor Bundesgericht bestreitet. Wie es sich damit verhält, kann offenbleiben. Auch kann die organisationsrechtliche Stellung von fide dahingestellt bleiben, die zwar, nicht zuletzt mit Blick auf Art. 178 Abs. 3 BV, unklar erscheint, aber von keiner Seite thematisiert wird.
5.5. Bundesgesetz- und -verordnungsrecht schreiben eine Anerkennung von Sprachnachweisen durch den Bund nicht ausdrücklich vor. Art. 6 Abs. 3 BüV bestimmt lediglich, dass das SEM die Kantone bei den Sprachtests und -nachweisen unterstützt. Wie es dabei vorgehen will, bleibt seinem Ermessen überlassen. Die Praxis des SEM, einzelne Sprachnachweise unter bestimmten Vorgaben anzuerkennen, erscheint zwar sinnvoll; das kantonale Recht kann aber nicht vorbehaltlos Anerkennungen des SEM voraussetzen, die das Bundesrecht nicht verbindlich vorschreibt und welche sich lediglich im Rahmen des Ermessens des SEM, das auch andere Lösungen zuliesse, in der Praxis entwickelt haben. Art. 12 Abs. 2 KBüV, wonach die Sprachkenntnisse mit einem vom SEM anerkannten Sprachnachweis zu belegen sind, kann daher mit Blick auf das Bundesrecht nicht die Funktion einer Ausschliesslichkeitsklausel, sondern lediglich einer Regel zukommen. Die Bestimmung so auszulegen, dass sie von vorneherein keine anderen Nachweise zulässt, wäre willkürlich (nach Art. 9 BV) und ein Verstoss gegen den Vorrang des Bundesrechts (gemäss Art. 49 Abs. 1 BV). Überdies ist der vom Verwaltungsgericht eingeholte Bericht des SEM jedenfalls für die Gerichte nicht verbindlich, was nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung selbst dann zutrifft, soweit sich aus den Weisungen dieser Verwaltungsbehörde dasselbe ergeben sollte. Auf administrative Weisungen ist einzig insoweit Rücksicht zu nehmen, als sie im Einzelfall eine einheitliche und rechtsgleiche Praxis fördern können. Im Übrigen sind sie aber am übergeordneten Recht zu messen (vgl. BGE 146 I 83 E. 4.5 mit Hinweis). Dies muss erst recht für Amtsberichte gelten, zumal sich der hier fragliche Bericht hauptsächlich nicht zu einer Tat-, sondern zu einer Rechtsfrage äussert.Es ist daher zu prüfen, ob es im vorliegenden Zusammenhang mit Verfassungsrecht vereinbar ist, den Maturitätsausweis nicht im Sinne einer Ausnahme von der Regel gemäss Art. 12 Abs. 2 KBüV als ausreichenden Nachweis der Sprachkenntnisse zuzulassen.
5.6. Nach Art. 2 Abs. 1 und 2 der Verordnung des Bundesrats vom 15. Februar 1995 über die Anerkennung von gymnasialen Maturitätsausweisen (Maturitäts-Anerkennungsverordnung, MAV; SR 413.11) wird mit der schweizerischen Anerkennung die Gleichwertigkeit von Maturitätsausweisen festgestellt und die allgemeine Hochschulreife bestätigt. In sprachlicher Hinsicht schreibt das Bundesrecht als Anerkennungsbedingung (vgl. Art. 3 MAV) vor, dass Maturandinnen und Maturanden eine Landessprache beherrschen und sich grundlegende Kenntnisse in anderen nationalen und fremden Sprachen erwerben, die sie unter anderem befähigen, sich klar, treffend und einfühlsam zu äussern (Art. 5 Abs. 3 MAV). Die gleiche Anforderung findet sich in Art. 5 Abs. 3 des Reglements der Eidgenössischen Erziehungsdirektoren (EDK) vom 16. Januar 1995 über die Anerkennung von gymnasialen Maturitätsausweisen (MAR; Ziff. 4.2.1.1 der Rechtssammlung EDK). Im Kanton Bern vermitteln die gymnasialen Bildungsgänge vertieftes Fachwissen sowie allgemeine Kompetenzen, welche die Einsicht in die Methodik wissenschaftlicher Arbeit fördern (Art. 7 Abs. 2 des bernischen Mittelschulgesetzes vom 27. März 2007, MiSG; BSG 433.12). Sie werden mit schweizerisch anerkannten gymnasialen Maturitätsausweisen abgeschlossen (Art. 7 Abs. 4 MiSG). Die Kantonale Maturitätskommission (KMK) ist beauftragt, die entsprechend hohen Qualitätsanforderungen zu kontrollieren und durchzusetzen (vgl. Art. 20 MiSG sowie Art. 13 ff. der bernischen Mittelschulverordnung vom 7. November 2007, MiSV; BSG 433.121). Die für die Maturität geforderten Sprachkenntnisse werden wie beim Bürgerrecht anhand des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens (GER) definiert. Gemäss dem im Kanton Bern geltenden gymnasialen Lehrplan wird am Ende der Ausbildung das Niveau B2.2 angestrebt (vgl. die Definition in Art. 5 Abs. 3 MAV sowie im genannten Reglement der EDK; vgl. sodann die hier einschlägige bernische Direktionsverordnung über den Lehrplan 17 für den gymnasialen Bildungsgang vom 25. August 2016, BSG 433.121.2, i.V.m. dem Plan d'études cantonal francophone pour la formation gymnasiale, S. 19 ff., zugänglich über https://www.bkd. be.ch/fr/start/themen/bildung-im-kanton-bern/mittelschulen/gymnasium/lehrplan-gymnasium.html, besucht am 4. Februar 2022). Bei der hier fraglichen Zweitsprache Deutsch gilt somit ein sogar höheres Bildungsziel, als es als Sprachniveau für die Einbürgerung verlangt wird, was im vorliegenden Verfahren von keiner Seite bestritten wird.
5.7. Zweck von Art. 6 Abs. 3 in Verbindung mit Art. 6 Abs. 2 lit. d BüV ist es, für die Einbürgerung landesweit gleichwertige Sprachnachweise gemäss allgemein anerkannten fachlichen Qualitätsstandards zu gewährleisten. Dazu stellt der Bund die im Programm fide gebündelten Fachkenntnisse zur Verfügung und überwacht damit auch die Qualität der Sprachprüfungen. Dieses staatliche Angebot erscheint sinnvoll und entspricht dem gesetzten Recht sowie dem in der bundesgerichtlichen Rechtsprechung definierten Erfordernis fachspezifischer Beurteilung der Sprachkenntnisse. Mit dem vom SEM erstellten fide-System sollen unseriöse und qualitativ minderwertige oder ungenügende Sprachausweise bei der Einbürgerung ausgeschlossen werden. Wie sich bereits aus dem Gesetzeswortlaut ergibt, wonach das SEM die Kantone insofern unterstützt, bedeutet das aber nicht, dass das SEM bzw. fide in jedem Fall allein bestimmen kann, welche Sprachnachweise für die Einbürgerung zuzulassen sind. Art. 6 Abs. 2 lit. a-c BüV sieht selbst Ausnahmen davon vor. Es muss allerdings gewährleistet bleiben, dass vergleichbare Anforderungen an die Sprachkompetenzen sowie die entsprechenden Ausweise gelten.
5.8. Eine mögliche Ausnahme besteht namentlich im Bereich der Bildung. Wo die Kantone gemäss ihrem verfassungsrechtlichen Bildungsauftrag (vgl. insbesondere Art. 61a ff. BV) Sprachkenntnisse vermitteln, sind sie auch für die entsprechende Qualität verantwortlich. Bei den Maturitätsprüfungen übernimmt der Bund mit der eidgenössischen Anerkennung der Maturitätszeugnisse eine ergänzende Qualitätskontrolle. In Frage steht insofern die Kohärenz der schweizerischen und kantonalen, im vorliegenden Fall bernischen, Rechtsordnungen. Die vom Bund und dem Kanton Bern vorgegebenen Qualitätsstandards für die gymnasiale Sprachausbildung sind gesetzlich geregelt, speziell ausgebildetem Lehrpersonal übertragen und richten sich am gleichen Referenzrahmen aus wie die Anforderungen bei der Einbürgerung. Es ist daher in sich widersprüchlich, dem gymnasialen Sprachunterricht den Charakter eines ausreichenden standardisierten Verfahrens abzusprechen. Mit der Maturitätsprüfung wird vielmehr das Erreichen des gesetzlichen Bildungszieles unter staatlicher Kontrolle geprüft. Bei erfolgreichem Absolvieren des Examens gilt dieses Ziel als erreicht. Damit wird der Zweck von Art. 6 Abs. 3 in Verbindung mit Art. 6 Abs. 2 lit. d BüV erfüllt.
5.9. Mit der Anerkennung von Maturitätsnoten für das Spracherfordernis bei der Einbürgerung wird im Übrigen das fide-Programm des Bundes nicht in Frage gestellt. Die Massgeblichkeit der Maturitätsnote beruht im vorliegenden Zusammenhang auf der kombinierten Regelung des kantonalen Rechts sowie des Bundesrechts über den Maturitätserwerb. Dabei richten sich die Sprachanforderungen für die Maturität wie das fide-System am Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen aus, wird ein höherer Standard für die Maturität als für die Einbürgerung verlangt und werden die Sprachkenntnisse durch die Lehrerschaft als dafür speziell geschultem Fachpersonal vermittelt. Die Maturität und damit auch deren Prüfungsergebnisse sind eidgenössisch anerkannt, was eine entsprechende Qualitätskontrolle durch den Bund bedingt. Es ist nicht davon auszugehen, dass es viele weitere Konstellationen gibt, die mit der vorliegenden vergleichbar sind und die ausserhalb des fide-Systems zur Anwendung gelangen könnten. Hingegen erscheint es überschiessend und systemwidrig, von den Kantonen bzw. den Personen, die den Maturitätsausweis erworben haben, zu verlangen, ihre eidgenössisch anerkannten Maturitätszeugnisse auch noch vom SEM als zweiter Bundesbehörde validieren zu lassen; das liefe auf eine doppelte Anerkennung durch den Bund hinaus, wobei im vorliegenden Zusammenhang beim zweiten Mal erst noch ein geringerer Standard massgeblich wäre.
5.10. Die Beschwerdeführerin schloss das Maturitätsexamen im Fach Deutsch mit der genügenden Note 4 (auf einer Skala von 1-6) ab. Sie wurde dabei auf Sprachkenntnisse auf dem Niveau B2.2 geprüft. Mit der genügenden Note wurde ihr von Fachleuten bescheinigt, dieses Niveau erreicht zu haben. Das Maturitätszeugnis erwarb sie drei Tage vor Einreichung des Einbürgerungsgesuchs, weshalb die Aktualität des Ausweises nicht in Frage steht und offenbleiben kann, welche Relevanz der zeitlichen Dimension bei einem Maturitätszeugnis zukommt. Die Beschwerdeführerin hat überdies der Einwohnergemeinde Thun eine Bestätigung der Erziehungsdirektion des Kantons Bern vom 14. März 2019 eingereicht, wonach davon ausgegangen werden kann, dass mit der erworbenen Maturanote 4 die im Einbürgerungsverfahren wesentlichen Sprachkompetenzen mündlich Niveau B1 und schriftlich Niveau A2 erreicht sind. Die Aussagekraft des Maturitätsausweises war den Vorinstanzen somit bekannt. Selbst das Verwaltungsgericht hält in E. 5.1 des angefochtenen Entscheids ausdrücklich fest:
"Mit Blick auf das soeben Erwogene erscheint zumindest möglich oder wahrscheinlich, dass sie [die Beschwerdeführerin] die mit der Maturität angestrebten Sprachkenntnisse aufweist oder damit jedenfalls die für die Einbürgerung erforderlichen (tiefer angesetzten) Sprachkenntnisse erfüllt."
5.11. Insgesamt erweist es sich demnach als dem Gesetzeszweck klar zuwiderlaufend, innerhalb der Rechtsordnung widersprüchlich, unsachlich und stossend, die im Maturitätsausweis der Beschwerdeführerin bescheinigte Note 4 für Deutsch nicht als ausreichenden Sprachnachweis für die ordentliche Einbürgerung anzuerkennen. Aufgrund der gleichen Zusammenhänge ist die unterschiedliche Berücksichtigung von durch die fide validierten oder akzeptierten Bescheinigungen einerseits und schweizerisch anerkannten Maturitätsausweisen andererseits rechtsungleich. Überdies ist es überspitzt formalistisch, auf einer von fide akzeptierten Bescheinigung oder einer Validierung durch fide zu beharren, nachdem die Beschwerdeführerin mit dem eingereichten Maturazeugnis bereits einen genügenden Sprachnachweis geleistet hat. Der angefochtene Entscheid verstösst mithin gegen Verfassungsrecht.
6.
Die Einwohnergemeinde Thun gab dem Einbürgerungsgesuch der Beschwerdeführerin mit der Begründung keine Folge, sie erfülle die Sprachanforderungen nicht. Die weiteren Einbürgerungsvoraussetzungen prüfte sie nicht. Nur diese enge Rechtsfrage bildete auch in den Rechtsmittelinstanzen den Streitgegenstand. Es ist dem Bundesgericht daher verwehrt, dem Hauptantrag der Beschwerdeführerin stattzugeben, ihr direkt das Gemeindebürgerrecht zuzusprechen. Vielmehr ist die Streitsache an die Einwohnergemeinde Thun zurückzuweisen zur Fortführung des Einbürgerungsverfahrens (vgl. Art. 107 Abs. 2 BGG). Dabei wird davon auszugehen sein, dass die Beschwerdeführerin die gesetzlichen Sprachanforderungen erfüllt bzw. den erforderlichen Sprachnachweis erbracht hat.
7.
Die Beschwerde ist gutzuheissen und der angefochtene Entscheid aufzuheben. Die Angelegenheit ist an die Einwohnergemeinde Thun zurückzuweisen zur Fortsetzung des Einbürgerungsverfahrens im Sinne der Erwägungen.
Bei diesem Verfahrensausgang sind keine Gerichtskosten zu erheben (Art. 66 Abs. 4 BGG). Die Einwohnergemeinde Thun hat die Beschwerdeführerin für das bundesgerichtliche Verfahren angemessen zu entschädigen (vgl. Art. 68 BGG). Über das Gesuch um unentgeltliche Rechtsprechung und Verbeiständung braucht nicht entschieden zu werden. Das Verwaltungsgericht wird über die Kosten und Entschädigungen in den vorinstanzlichen Verfahren neu zu befinden haben.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen und das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 4. Februar 2021 wird aufgehoben. Die Streitsache wird an die Einwohnergemeinde Thun zurückgewiesen zur Fortsetzung des Einbürgerungsverfahrens im Sinne der Erwägungen.
2.
Das Verwaltungsgericht des Kantons Bern wird über die Verlegung der Kosten und Entschädigungen in den vorinstanzlichen Verfahren neu zu entscheiden haben.
3.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
4.
Die Einwohnergemeinde Thun hat die Beschwerdeführerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 3'000.-- zu entschädigen.
5.
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, der Einwohnergemeinde Thun, dem Regierungsstatthalteramt Thun und dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 8. März 2022
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Kneubühler
Der Gerichtsschreiber: Uebersax