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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
8C_58/2020  
 
 
Urteil vom 9. April 2020  
 
I. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Maillard, Präsident, 
Bundesrichterinnen Heine, Viscione, 
Gerichtsschreiber Grunder. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Oliver Streiff, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
IV-Stelle des Kantons Zürich, Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung (Arbeitsfähigkeit; Invalidenrente), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 21. November 2019 (IV.2018.00810). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Der 1969 geborene A.________ meldete sich am 26. März 2014 wegen gesundheitlichen Folgen eines Rückenleidens und einer Lungentuberkulose zur Früherfassung und am 29. Mai 2014 zum Leistungsbezug bei der Invalidenversicherung an. Am 17. Juni 2014 gewährte die IV-Stelle des Kantons Zürich als Massnahme der Frühintervention ein Fitnessabonnement ab 1. Juni 2014 bis 30. Juni 2015 als ersten Schritt in Richtung berufliche Eingliederung. Mit Vorbescheid vom 1. Oktober 2014 stellte sie dem Versicherten in Aussicht, er habe keinen Anspruch auf eine Invalidenrente. Auf dessen Einwand hin erteilte sie am 9. Dezember 2014 Kostengutsprache für ein ab 5. Januar bis 31. März 2015 zu absolvierendes Belastbarkeitstraining, das sie, nachdem sie ihn am 27. Januar 2015 auf die gesetzliche Mitwirkungspflicht hingewiesen hatte, androhungsgemäss am 5. Februar 2015 abbrach. Mit Verfügung vom 18. März 2015 verneinte sie einen Anspruch auf Invalidenrente. Die hiegegen erhobene Beschwerde hiess das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, soweit es auf diese eintrat, mit Entscheid vom 14. Juni 2016 in dem Sinne gut, dass es die Sache an die IV-Stelle zurückwies, damit sie nach erfolgter Abklärung im Sinne der Erwägungen über das Leistungsbegehren neu verfüge. 
In Nachachtung dieses Entscheids holte die Verwaltung die auf innermedizinischen, rheumatologischen, neurologischen und psychiatrischen Untersuchungen beruhende Expertise des Zentrums für Medizinische Begutachtung (ZMB), Basel, vom 6. September 2017 ein. Danach litt der Explorand mit Auswirkung auf die Arbeitsfähigkeit aus polydisziplinärer Sicht an einer kombinierten Persönlichkeitsstörung mit verbal impulsiven, anankastischen, ängstlich-unsicheren und paranoiden Anteilen (ICD-10 F61.0), einem chronischen lumbospondylogenen Syndrom rechts ohne sensomotorische Ausfälle, an einer Gangstörung unklarer Ätiologie, an multifaktoriellen Sprunggelenks- und Fussschmerzen rechts, an einem chronischen Zervikovertebralsyndrom, an einer symptomatischen Rhizarthrose linksbetont, einer chronischen Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren bei Problemen am Bewegungsapparat und pneumologischer Problematik mit dissoziativen Anteilen (ICD-10 F45.41) sowie an einer rezidivierend depressiven Störung (gegenwärtig leichtgradig; ICD-10 F33.1). Weiter hielten die medizinischen Sachverständigen fest, der Versicherte sei für hauptsächlich sitzend ausübbare Tätigkeiten, ohne repetitive Belastungen des Rückens oder Zwangshaltungen der Wirbelsäule und ohne feinmotorisch anspruchsvolle Verrichtungen aufgrund des diesbezüglich vermehrten Bedarfs an Pausen zu 30 % eingeschränkt. Nach erneut durchgeführtem Vorbescheidverfahren verneinte die IV-Stelle wiederum den geltend gemachten Anspruch auf eine Invalidenrente mangels eines den Schwellenwert von 40 % erreichenden Invaliditätsgrades (Verfügung vom 21. August 2018). 
 
B.   
Die hiegegen eingereichte Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 21. November 2019 ab. 
 
C.   
A.________ lässt mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragen, unter Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids sei die Angelegenheit im Sinne der Erwägungen an das kantonale Gericht zurückzuweisen. Ferner ersucht er um Bewilligung der unentgeltlichen Rechtspflege für das bundesgerichtliche Verfahren. 
 
Das Bundesgericht führt keinen Schriftenwechsel durch. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann eine Rechtsverletzung nach Art. 95 f. BGG gerügt werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Dennoch prüft es - offensichtliche Fehler vorbehalten - nur die in seinem Verfahren beanstandeten Rechtsmängel (Art. 42 Abs. 1 f. BGG; BGE 135 II 384 E. 2.2.1 S. 389). Es legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann ihre Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 105 Abs. 2 BGG). 
 
2.   
Streitig und zu prüfen ist, ob der Beschwerdeführer entgegen der Auffassung des kantonalen Gerichts Anspruch auf eine Rente der Invalidenversicherung hat (vgl. Art. 4 und Art. 28 IVG in Verbindung mit Art. 8 ATSG). Prozessthema bildet dabei im Wesentlichen die Frage, inwieweit er in dem für die Beurteilung massgebenden Zeitpunkt bei Erlass der Verfügung vom 21. August 2018 arbeits- und erwerbsunfähig gewesen war (vgl. Art. 6 f. ATSG). Die Vorinstanz hat die zu beachtenden Rechtsgrundlagen zutreffend dargelegt, worauf verwiesen wird. 
 
3.  
 
3.1. Das kantonale Gericht hat erkannt, dass zur Beurteilung des Gesundheitszustands und der Arbeitsfähigkeit auf das in allen Teilen beweiskräftige Gutachten des ZMB vom 6. September 2017 abzustellen sei. Der Versicherte bestreite die diagnostischen Schlussfolgerungen der medizinischen Sachverständigen nicht. Im Zusammenhang mit der strittigen Arbeitsfähigkeit hielten sie anhand der rechtsprechungsgemäss zu prüfenden Standardindikatoren schlüssig und widerspruchsfrei insbesondere fest, dass der Versicherte bis zur neurochirurgischen Operation Ende 2013 über ansehnliche Ressourcen verfügt habe. So habe er danach - soweit ersichtlich - von harten Drogen abstinent und seit 2015 in einer stabilen Partnerschaft leben können und er sei, neben dem regelmässigen täglichen Training mit dem Theraband und neben regelmässiger körperlicher Arbeit (worunter wöchentliche Physiotherapie) insgesamt betrachtet einem geordneten Tagesablauf mit vielen sozialen Kontakten nachgegangen. Hervorzuheben sei, dass der Versicherte sich auch in der potentiell psychisch belastenden und anspruchsvollen Situation anlässlich der medizinischen Explorationen bei den Experten des ZMB adäquat verhalten habe (kooperativ; freundlich; emotional möglicher Rapport). Dr. med. B.________, Facharzt FMH für Psychiatrie und Psychotherapie, begründe in seiner Stellungnahme vom 19. Juni 2018 nicht schlüssig, weshalb und inwieweit die Persönlichkeitsstörung seit dem Jahre 2014 mindestens mittelgradig ausgeprägt gewesen sein soll. Zusammenfassend sei mit dem im Sozialversicherungsrecht massgeblichen Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit erstellt, dass der Versicherte jedenfalls seit November 2013 als Gerüstbauer und Metzger nicht mehr, in einer leidensangepassten Verweistätigkeit hingegen zu 70 % arbeitsfähig gewesen sei.  
 
3.2. Der Beschwerdeführer bringt vor, das kantonale Gericht habe die medizinischen Akten unzureichend gewürdigt. Es fasse im Wesentlichen das polydsiziplinäre Gutachten des ZMB zusammen, ohne sich kritisch damit auseinanderzusetzen. Die medizinischen Sachverständigen hätten sich in der Konsensbesprechung nicht mit der Frage befasst, wie sich die diagnostizierten somatischen und psychischen Befunde wechselseitig beeinflussten und gesamthaft auf die Arbeitsfähigkeit auswirkten. An der Schlüssigkeit der externen medinischen Expertise sei schon aus diesem Grunde zu zweifeln. Sodann habe die Vorinstanz nicht nachvollziehbar dargelegt, weshalb zur Beurteilung des psychischen Gesundheitszustands auf das Gutachten des ZMB vom 6. September 2017 und nicht auf den ausführlichen und überzeugenden Bericht des Dr. med. C.________ vom 19. Juni 2018 (Persönlichkeitsstörung und chronische Schmerzstörung mittelgradiger Ausprägung) abzustellen sei. Daher habe sie ihre Begründungspflicht und damit den Anspruch auf das rechtliche Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV) verletzt. Die Ausführungen des Dr. med. C.________ weckten zumindest Zweifel an den Schlussfolgerungen der medizinischen Experten des ZMB, weshalb das kantonale Gericht bei ihnen in Beachtung des ihm obliegenden Untersuchungsgrundsatzes eine Nachbegutachtung oder eine Stellungnahme hätte einfordern müssen. Dies gelte umso mehr, als nach dem Gesagten mit Blick auf die Auswirkungen der psychischen Einschränkungen die Standardindikatoren gemäss BGE 141 V 281, namentlich in der Kategorie Konsistenz, gestützt auf die vorhandenen fachärztlichen Auskünfte somatischer und psychiatrischer Fachrichtung letztlich nicht zuverlässig geprüft werden könnten.  
 
3.3. Was der Beschwerdeführer vorbringt, ist nicht stichhaltig. Die medizinischen Sachverständigen des ZMB setzten sich, wie sich ohne Weiteres aus der polydisziplinären Beurteilung ihres Gutachtens vom 6. September 2017 ergibt, vor allem einlässlich mit der Frage auseinander, inwieweit der Explorand aus gesamtmedizinischer Sicht anhand der gemäss BGE 141 V 281 von ihnen zu beachtenden Standardindikatoren arbeitsunfähig gewesen war. So hielten sie namentlich bezüglich der Konsistenzprüfung (vgl. dazu BGE 141 V 281 E. 4.1.3 in Verbindung mit E. 4.4 S. 303 f.) fest, der Versicherte berichte konzis über die emotionalen Schwankungen, vage aber über die Schmerzentwicklung. Wohl mag zutreffen, dass diese Diskrepanz auf einem invalidisierenden Alkoholabhängigkeitssyndrom beruhen könnte, wie der Beschwerdeführer geltend macht. Indessen hat das kantonale Gericht mit nicht zu beanstandender Begründung erkannt, dass der Versicherte eine spontane Urinabgabe verweigert hatte und daher die medizinischen Sachverständigen den aufgrund der klinischen Befunde bestehenden Verdacht auf ein Abhängigkeitssyndrom von Alkohol oder anderen Drogen, das sich auf die Arbeitsfähigkeit hätte auswirken können, nicht verifizieren und damit auch nicht abschätzen könnten. Gerade zu dieser möglicherweise zentralen Frage äusserte sich Dr. med. C.________ (visiert von Dr. med. B.________) im Bericht vom 19. Juni 2018 ausdrücklich. Er hielt fest, anamnestisch und aktuell spreche nichts dafür, der Patient sei in einem die Arbeitsfähigkeit wesentlich beeinträchtigendem Ausmass alkohol- oder drogenabhängig gewesen. Zu der von ihm erwähnten Immobilität des Versicherten, aufgrund derer er schon aufgrund der somatischen Befunde nicht mehr arbeitsfähig gewesen sein könne, kann ohne Weiteres auf die nicht zu beanstandenden Erwägungen des kantonalen Gerichts verwiesen werden. Danach war gemäss dem Gutachten der ZMB nicht nachvollziehbar, dass der Versicherte sich im Rollstuhl und/oder mit einem Rollator präsentierte, zumal sich zu deren Benutzung aus medizinischer Sicht keine klinisch oder radiologisch erklärbare Korrelate hatten feststellen lassen Angesichts des Gesagten ist der Vorwurf des Beschwerdeführers nicht nachvollziehbar, das kantonale Gericht habe den Gesundheitszustand aus medizinischer Sicht und die daraus zur Beurteilung der Arbeitsfähigkeit zu ziehenden Schlussfolgerungen offensichtlich unrichtig oder in Verletzung des Anspruchs auf das rechtliche Gehör festgestellt. Auf das Vorbringen, er vermöge die verbliebene Arbeitsfähigkeit auf dem bei der Beurteilung der Erwerbsfähigkeit zu unterstellenden ausgeglichenen Arbeitsmarkt (vgl. Art. 7 Abs. 1 ATSG) nicht mehr zu verwerten, ist daher nicht näher einzugehen.  
 
4.  
 
4.1. Zu prüfen ist schliesslich die Bestimmung des Invaliditätsgrades gemäss Art. 16 ATSG.  
 
4.2. Der Beschwerdeführer macht geltend, entgegen der vorinstanzlichen Auffassung sei das auf der Grundlage der Schweizerischen Lohnstrukturerhebung (LSE) des Bundesamtes für Statistik zu ermittelnde hypothetische Invalideneinkommen (vgl. Art. 16 ATSG) gemäss BGE 126 V 75 um 25 % zu reduzieren. Das kantonale Gericht hat dazu erwogen, da das Validen- und das Invalideneinkommen ausgehend vom gleichen Tabellenlohn der LSE zu ermitteln sei, entspreche der Invaliditätsgrad auch in Berücksichtigung eines allfällig berechtigten Abzugs gemäss BGE 126 V 75 von 10 % dem Grad der Arbeitsunfähigkeit. Im Einzelnen hat es dazu erkannt, der Tabellenlohn im Kompetenzniveau 1 der LSE 2014 enthalte bereits eine Vielzahl von leichten und mittelschweren Tätigkeiten, weshalb der langen Abwesenheit des Versicherten vom Arbeitsmarkt keine ins Gewicht fallende Bedeutung beigemessen werden könne. Zudem seien gemäss der Rechtsprechung (Urteile 8C_805/2016 vom 22. März 2017 E. 3.2 und 8C_12/2017 vom 28. Februar 2017 E. 5.5.2) bei dem genannten Tabellenlohn keine überproportionalen Lohneinbussen für teilzeitlich erwerbstätige Männer zu erwarten. Diese nicht zu beanstandenden Erwägungen sind zum einen dahingehend zu ergänzen, dass zwar Teilzeitarbeit bei Männern statistisch gesehen vergleichsweise weniger gut entlöhnt wird als bei Vollzeitarbeit. Allerdings muss dies stets mit Blick auf den im Einzelfall möglichen Beschäftigungsgrad beurteilt werden. Dieser beträgt vorliegend 70 %. weshalb er praxisgemäss kein ins Gewicht fallendes, zu einem Abzug gemäss BGE 126 V 75 führendes Merkmal bildet (vgl. Urteil 8C_729/2019 vom 25. Februar 2020 E. 5.3.3.1 mit Hinweisen). Die Beschwerde ist auch in diesem Punkt in allen Teilen abzuweisen.  
 
5.   
Die Gerichtskosten sind dem unterliegenden Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG). Seinem Gesuch um Bewilligung der unentgeltlichen Rechtspflege für das bundesgerichtliche Verfahren ist stattzugeben, da die Bedürftigkeit aktenkundig, die Beschwerde nicht als aussichtslos zu bezeichnen und die Verbeiständung durch einen Anwalt geboten war (Art. 64 Abs. 1-3 BGG). Er wird indessen auf Art. 64 Abs. 4 BGG hingewiesen; danach hat er der Bundesgerichtskasse Ersatz zu leisten, wenn er später dazu in der Lage ist. 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.   
Dem Beschwerdeführer wird die unentgeltliche Rechtspflege bewilligt und Oliver Streiff wird als unentgeltlicher Anwalt des Beschwerdeführers bestellt. 
 
3.   
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt, indes vorläufig auf die Bundesgerichtskasse genommen. 
 
4.   
Dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers wird aus der Bundesgerichtskasse eine Entschädigung von Fr. 2800.- ausgerichtet. 
 
5.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 9. April 2020 
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Maillard 
 
Der Gerichtsschreiber: Grunder