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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
6B_1073/2020  
 
 
Urteil vom 13. April 2021  
 
Strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari, Präsidentin, 
Bundesrichter Denys, 
Bundesrichter Muschietti, 
Bundesrichterin van de Graaf, 
Bundesrichter Hurni, 
Gerichtsschreiberin Lustenberger. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Thomas Fingerhuth, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Staatsanwaltschaft des Kantons Schaffhausen, Bahnhofstrasse 29, 8200 Schaffhausen, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Sachverhaltsirrtum, rechtfertigende Notwehr, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts 
des Kantons Schaffhausen vom 26. Mai 2020 
(Nr. 50/2019/24). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Die Staatsanwaltschaft des Kantons Schaffhausen wirft A.________ zusammengefasst den folgenden Sachverhalt vor: 
Nachdem er im Jahr 2008 nach einem Verkehrsunfall vergeblich versucht hatte, Versicherungsgelder von der B.________ Versicherung und der C.________ zu erhalten, wandte sich A.________ ca. Anfang Juli 2017 erneut an die B.________ Versicherung und machte Ansprüche aus einer Ferien- und Reisegepäckversicherung geltend. Zu diesem Zweck besuchte er zweimal die Filiale der B.________ Versicherung an der U.________ in Schaffhausen. Dabei eröffneten ihm die Mitarbeitenden der Versicherung, dass er wegen nicht bezahlter Versicherungsprämien keinen Anspruch auf Versicherungsleistungen habe. A.________ beschlich derweil das Gefühl, die Mitarbeitenden der B.________ Versicherung hätten bei bzw. nach diesen Besuchen angefangen, mit "Geistkräften" auf ihn einzuwirken bzw. ihn damit anzugreifen. Diese Einwirkung von "Geistkräften" erlangte für ihn am Sonntagabend, 23. Juli 2017, den Höhepunkt, als er glaubte, beinahe sterben zu müssen. 
Am Tag darauf, um ca. 9.00 Uhr, hielt A.________ sich am Bahnhof in Schaffhausen auf. Er hatte einen Rucksack, eine weisse Umhängetasche und einen schwarzen Sack dabei, in dem er eine Motorsäge mit sich führte. Damit begab er sich zur Filiale der B.________ Versicherung an der U.________, wo er um ca. 10.30 Uhr eintraf. Dort nahm er die Motorsäge aus dem Sack, liess sie laufen und betrat die Büroräumlichkeiten im 2. Obergeschoss, wo sich D.________, Mitarbeiter der B.________ Versicherung, an seinem Schreibtisch im Hauptbüro sitzend auf ein Kundengespräch vorbereitete. In einem der beiden an das Hauptbüro angrenzenden Besprechungsräume führte E.________, ebenfalls ein Mitarbeiter der B.________ Versicherung, mit geschlossener Türe ein Beratungsgespräch mit zwei Kunden durch. 
A.________ ging mit der laufenden, auf Höhe Oberkörper gehaltenen Motorsäge bestimmt, zügig und mit starrem, "gläsernem'' Blick auf D.________ zu, worauf dieser vom Stuhl aufsprang, zu schreien begann, mit den Händen herumfuchtelte und zum Schutz seines Kopfes den rechten Arm hob. Daraufhin verletzte ihn A.________ mit der Motorsäge am Handrücken. Weiter verletzte er D.________ am Hinterkopf und an der Schläfe. 
Da D.________ während des Angriffs permanent laut "nei, nei, nei" schrie, öffnete E.________ die Bürotüre. Er sah den blutenden D.________, halb kniend hinter dessen Bürostuhl, einen Arm zum Schutz hochhaltend und A.________, die laufende Kettensäge nach unten auf Kopfhöhe von D.________ haltend. E.________ rief dem ihm den Rücken zudrehenden A.________ - um ihn von D.________ abzulenken - "he, he, he" zu und begab sich in die Mitte des Hauptbüros. A.________ wandte sich sogleich von D.________ ab, ging mit erhobener, laufender Motorsäge in den Händen auf E.________ zu und versuchte zweimal, ihn zu treffen. E.________ gelang es beide Male, der von A.________ in einer Bogenbewegung von links über dem Kopf nach rechts unten geführten Motorsäge auszuweichen. Daraufhin begab er sich in den hinteren Teil des Hauptbüros. A.________ folgte ihm, so dass sich E.________ in einer "Sackgasse" befand. Um sich in Sicherheit zu bringen, hechtete er mit einem Sprung über einen Korpus Richtung Eingangstüre. Dabei verletzte ihn A.________ mit der laufenden Motorsäge im Bereich der rechten Brustkorbrückseite und am rechten Oberschenkel. E.________ prallte mit der linken Gesichtshälfte und dem linken Arm auf dem Boden auf, stand auf und rannte unmittelbar hinter D.________, der sich in der Zwischenzeit ebenfalls zur Eingangstüre begeben hatte, die Treppe hinunter. Anschliessend konnten sich die beiden im gleichen Gebäude im F.________-Laden in Sicherheit bringen. 
A.________ verliess mit der Motorsäge und seinen anderen Sachen die Liegenschaft, begab sich zum Bahnhof und fuhr mit dem Zug nach V.________, wo er am folgenden Tag festgenommen wurde. Bei der Festnahme führte er in einer Coop-Tasche zwei mit je 16 cm langen Pfeilen geladene Armbrüste und diverses Zubehör mit sich, da er Angst vor Menschenhändlern hatte, die ihn angeblich verschleppen wollten. 
A.________ wurde mit forensisch-psychiatrischem Gutachten vom 15. Februar 2018 eine schwere chronifizierte paranoid-halluzinatorische Schizophrenie diagnostiziert. 
 
B.  
Mit Urteil vom 11. September 2019 hielt das Kantonsgericht Schaffhausen den Anklagesachverhalt für erstellt und fest, dass A.________ den Tatbestand der mehrfachen versuchten vorsätzlichen Tötung im Sinne von Art. 111 i.V.m. Art. 22 Abs. 1 StGB im Zustand der nicht selbst verschuldeten Schuldunfähigkeit erfüllt habe. Hierfür ordnete es eine stationäre therapeutische Massnahme im Sinne von Art. 59 StGB an. 
 
C.  
Mit Urteil vom 26. Mai 2020 wies das Obergericht des Kantons Schaffhausen die von A.________ gegen das erstinstanzliche Urteil erhobene Berufung ab. 
 
D.  
Dagegen führt A.________ Beschwerde in Strafsachen vor Bundesgericht. Er beantragt, es sei der angefochtene Berufungsentscheid aufzuheben und festzustellen, dass er keine mehrfache versuchte Tötung im Sinne von Art. 111 i.V.m. Art. 22 Abs. 1 StGB im Zustand der nicht selbst verschuldeten Schuldunfähigkeit begangen habe. Eventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung und allenfalls zur Einholung eines Ergänzungsgutachtens zu seinem psychiatrischen Zustand zum Tatzeitpunkt an die Vorinstanz zurückzuweisen. Weiter ersucht er um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege für das bundesgerichtliche Verfahren. 
Die kantonalen Akten wurden eingeholt. Auf die Einholung von Vernehmlassungen wurde verzichtet. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Der Beschwerdeführer rügt die Verletzung von Art. 13 StGB, indem die Vorinstanz das Vorliegen einer rechtswidrigen Tat bejahe, obwohl er sich in einer Putativnotwehrlage befunden habe. 
 
1.1. Wird jemand ohne Recht angegriffen oder unmittelbar mit einem Angriff bedroht, so ist der Angegriffene und jeder andere berechtigt, den Angriff in einer den Umständen angemessenen Weise abzuwehren (Art. 15 StGB). Ein Fall von Putativnotwehr liegt vor, wenn der Täter irrtümlich annimmt, es sei ein rechtswidriger Angriff im Sinne von Art. 15 StGB gegenwärtig oder unmittelbar bevorstehend (BGE 129 IV 6 E. 3.2 mit Hinweisen; Urteil 6B_569/2018 vom 20. März 2019 E. 3.5.2). Handelt der Täter in einer irrigen Vorstellung über den Sachverhalt, so beurteilt das Gericht die Tat zugunsten des Täters nach dem Sachverhalt, den sich der Täter vorgestellt hat (Art. 13 Abs. 1 StGB).  
 
1.2. Die Vorinstanz erwägt, dass das subjektive Erleben des Beschwerdeführers wahnbedingt sei und daher keinen Sachverhaltsirrtum im Sinne von Art. 13 Abs. 1 StGB darstelle. Seine schwere psychische Erkrankung lasse den Beschwerdeführer glauben, er werde von Geistkräften angegriffen. Dabei durchlebe er einen eigentlichen Realitätsverlust, der für den objektiven Betrachter nicht begreiflich sei. Die gestörte Wahrnehmung des Beschwerdeführers gründe allein in seinem Wahn; er "irre" nicht im Sinne von Art. 13 StGB. Diese Krankheitssymptomatik führe zur Aufhebung der Schuldfähigkeit, so dass dem Beschwerdeführer sein tatbestandsmässiges Verhalten subjektiv überhaupt nicht zugerechnet werde. Es sei nicht lediglich auf einen "lrrtum" über den Sachverhalt zurückzuführen, dass sich der Beschwerdeführer nicht normgemäss verhalte; ihm habe im Tatzeitpunkt grundsätzlich die Fähigkeit zu normgemässem Verhalten gefehlt. Wie er selbst vorbringe, lasse sich bei ihm gemäss Gutachten die Motivlage für seine Tat nicht von der Krankheitssystematik seiner paranoiden Schizophrenie trennen. Unter diesen Voraussetzungen sei der Umstand, dass die Wahrnehmung des Beschwerdeführers nicht mit den tatsächlichen Gegebenheiten übereinstimme, aber ausschliesslich im Rahmen von Art. 19 StGB, also bei der Schuldfrage, zu beurteilen, ungeachtet dessen, dass er sich in seinem Wahn gegebenenfalls auch rechtfertigende oder schuldausschliessende Momente vorgestellt habe.  
 
1.3. Dem hält der Beschwerdeführer Folgendes entgegen: Der Gesetzgeber habe darauf verzichtet, Art. 13 Abs. 1 StGB dahingehend einzuschränken, dass nur Irrtümer, die auf bestimmten Ursachen beruhten, im Sinne dieser Bestimmung privilegierungswürdig wären. Aus dem Normzweck ergebe sich eine derartige Einschränkung ebenfalls nicht. Denn der Zweck von Art. 13 StGB bestehe darin, Verhaltensweisen zu privilegieren, denen es aufgrund einer irrigen Vorstellung des Handelnden über den Sachverhalt am für vorsätzliches Verhalten charakteristischen Handlungsunwert fehle. Durch den Irrtum nicht aufgewogen werde hingegen ein allenfalls in der ungewollten Herbeiführung des Erfolgs liegendes Unrecht, weshalb der Täter wiederum wegen fahrlässiger Begehung hafte, wenn er den Irrtum bei pflichtgemässer Sorgfalt hätte vermeiden können und eine entsprechende Strafdrohung bestehe. Art. 13 Abs. 1 StGB solle also Täter privilegieren, denen es aufgrund eines Irrtums am Vorsatz auf die Verwirklichung von Unrecht fehle. Für die Frage, ob eine Verhaltensweise die Verwirklichung von Unrecht im strafrechtlichen Sinne darstelle, sei auf die Vorstellung des Handelnden abzustellen. Dementsprechend sei auch ein Irrtum zu berücksichtigen. Dabei sei aber gerade nicht relevant, aus welchem Grund der Handelnde irre, sondern lediglich, dass er irre und worauf sich dieser lrrtum beziehe. lnsofern seien auch nur solche lrrtümer unter Art. 13 StGB zu subsumieren, die den Vorsatz berührten: Das seien allein der Tatbestandsirrtum und die irrtümliche Annahme einer objektiven Rechtfertigungslage. Wenn sich der lrrtum auf diese Aspekte beziehe, sei nicht ersichtlich, inwiefern es für die Frage nach dem Handlungsunwert darüber hinaus relevant sein könnte, auf welcher Ursache der lrrtum beruhe.  
Dass bei ihm eine psychische Krankheit vorgelegen habe, die auch die Ursache seines lrrtums gewesen sei, sei auf der Ebene der Schuld zu berücksichtigen. Nicht gefolgt werden könne der Ansicht der Vorinstanz, wonach dieser Umstand nur und ausschliesslich auf Ebene der Schuld zu berücksichtigen sei und der Anwendbarkeit von Art. 13 StGB entgegenstehe. Denn die Frage nach der Schuld betreffe die Vorwerfbarkeit von verwirklichtem Unrecht. Wenn aber gar kein strafrechtliches Unrecht vorliege, bleibe für die Schuldfrage zum Vornherein kein Raum. Verweigere man mit der Vorinstanz einem Schuldunfähigen, dessen lrrtum gerade auf jenen Umständen beruhe, die auch seiner Schuldunfähigkeit zugrunde lägen, die Berufung auf Art. 13 StGB, komme man in die paradoxe Situation, dass man ihm aufgrund seiner Schuldunfähigkeit ein Unrecht nicht vorwerfe, welches er gar nicht verwirklicht hätte, wäre er nicht schuldunfähig. Das erscheine schon deshalb stossend, weil die Schuldunfähigkeit gerade die Vorwerfbarkeit eines bestehenden Unrechts betreffe und daher nicht dessen Ursache sein könne. 
 
1.4.  
 
1.4.1. Das Gesetz umschreibt den Begriff der "irrigen Vorstellung" in Art. 13 Abs. 1 StGB nicht weiter. Der französische Gesetzestext spricht von einer "appréciation erronée", das heisst von einer falschen, irrigen Einschätzung oder Beurteilung. Im italienischen Gesetzestext ist die Rede von einer "supposizione erronea", also einer falschen, irrigen Vorstellung resp. Annahme. Auch die bundesrätliche Botschaft definiert den Sachverhaltsirrtum als "fehlerhafte Vorstellung über die tatsächlichen Gegebenheiten" (Botschaft vom 21. September 1998 zur Änderung des Schweizerischen Strafgesetzbuches und des Militärstrafgesetzes sowie zu einem Bundesgesetz über das Jugendstrafrecht, BBl 1999 2003 Ziff. 212.22). Mit anderen Worten geht der Irrende von einer Sachlage aus, die in der Realität so nicht existiert. Über die Gestalt oder den Ursprung dieser Fehlvorstellung schweigen sich sowohl das Gesetz wie auch die Materialien aus.  
 
1.4.2. Dem Beschwerdeführer ist insoweit zuzustimmen, als auch in der Lehre mitunter ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass der Gesetzestext von Art. 13 Abs. 1 StGB zu den Ursachen des Irrtums keine Aussagen treffe. Das bedeute, dass ein rechtlich relevanter Irrtum jedenfalls nicht a priori deshalb ausscheide, nur weil er seine Grundlage in einer wahnhaften Vorstellung des Täters finde (so Thommen/Habermeyer/Graf, Tatenlose Massnahmen?, sui-generis 2020, S. 334, Rz. 26). Wenn die Ursachen des Irrtums aber unerheblich wären, bedeutete dies nach dieser Lehrmeinung, dass ein schizophrener Täter nach Art. 13 Abs. 1 StGB zu seinen Gunsten so gestellt werden müsste, wie wenn eine Angriffssituation vorgelegen hätte. Unter der Voraussetzung, dass die Abwehrhandlung des vermeintlich Bedrohten die Grenzen der Notwehr wahrt (Art. 15 StGB), hätte die Anwendung von Art. 13 Abs. 1 StGB schliesslich zur Folge, dass der Wahntäter gerechtfertigt und freizusprechen wäre (Thommen/ Habermeyer/Graf, a.a.O., S. 334, Rz. 27).  
 
1.4.3. Die gleichen Autoren weisen aber auch auf die deutsche Rechtsprechung betreffend krankheitsbedingte Irrtümer hin (Thommen/ Habermeyer/Graf, a.a.O., S. 335, Rz. 37). Der dieser Rechtsprechung zugrunde liegende § 63 des deutschen Strafgesetzbuchs ist mit Art. 19 Abs. 3 i.V.m. Art. 59 des schweizerischen Strafgesetzbuchs vergleichbar. Im Urteil 1 StR 510/52 vom 11. November 1952, in: Neue Juristische Wochenschrift (NJW) 1953 S. 111, führte der deutsche Bundesgerichtshof aus, dass Vorstellungsausfälle, die durch die Geisteskrankheit bedingt seien, nur die Verantwortlichkeit des Beschuldigten beeinträchtigten, jedoch nicht dazu führten, dass die sonst vorhandenen inneren Tatbestandsmerkmale verneint werden müssten. An dieser Rechtsprechung hielt der Gerichtshof im Urteil 5 StR199/57 vom 9. Juli 1957, in: NJW 1957 S. 1484, fest, indem er ausführte, ein Irrtum, der durch dieselbe geistige Erkrankung des Beschuldigten bedingt sei, auf der auch seine Zurechnungsunfähigkeit beruhe, schliesse die Annahme einer tatbestandsmässigen Handlung nicht aus. Diese Rechtsprechung wurde in jüngeren Entscheiden bestätigt (Beschlüsse des Bundesgerichtshofs 3 StR 344/11 vom 11. Oktober 2011, in: Online-Zeitschrift für Strafrecht, HRRS 2011 Nr. 1240; 1 StR 327/03 vom 27. August 2003, in: Neue Zeitschrift für Strafrecht, NStZ-RR 2004, 10). Danach ist zwischen allgemeinen und krankheitsbedingten Fehlvorstellungen zu differenzieren. Irrtümer, die ihren Grund in der für die Schuldfähigkeit relevanten Pathologie haben, sind nicht zugunsten des Täters zu berücksichtigen und schliessen die Tatbestandsmässigkeit seines Handelns somit nicht aus. Begründet wird dies namentlich mit dem Schutzgedanken von § 63 des deutschen Strafgesetzbuchs. In der deutschen Lehre wird dazu ausgeführt, wenn krankheitsbedingte Irrtümer zur Verneinung der Anwendbarkeit der Norm führen würden, würde ihr Schutzgedanke versagen und der mit ihr verfolgte Zweck gerade in den Fällen vereitelt, in denen sich der abnorme Zustand des Täters besonders gefährlich erweise, weil er ihm die Erkenntnis der Gemeinschädlichkeit seines Handelns verwehre (HEINZ SCHÖCH, in: Leipziger Kommentar StGB; 12. Aufl. 2008, N. 46 zu § 63 StGB). Der Schutz vor gefährlichen Tätern bleibt gemäss deutscher Auffassung beispielsweise dann geboten, wenn ein unter krankhaftem Verfolgungswahn Leidender harmlose Personen völlig unbegründet für Angreifer hält und sie in vermeintlicher Notwehr tötet oder verletzt (THOMAS FISCHER, Strafgesetzbuch mit Nebengesetzen, 67. Aufl. 2020, N. 7 zu § 63 StGB; JÖRG KINZIG, in: Strafgesetzbuch, Kommentar, 30. Aufl. 2019, N. 9 zu § 63 StGB). Unerheblich ist, ob es sich um einen Tatbestandsirrtum oder um einen Irrtum über Rechtfertigungsgründe handelt (JÖRG KINZIG, a.a.O., N. 9 zu § 63 StGB).  
 
1.4.4. Auch der eidgenössische Gesetzgeber verfolgte bei der Neuregelung des Massnahmenrechts ausdrücklich das Ziel, die öffentliche Sicherheit und damit den Schutz vor gefährlichen psychisch kranken Straftätern zu verstärken. In Art. 19 Abs. 3 StGB sah er deshalb die Möglichkeit vor, auch gegenüber einem schuldunfähigen Täter strafrechtliche Massnahmen anzuordnen, wo dies im Einzelfall sinnvoll erscheint (BBl 1999 2068 f. Ziff. 213.4). Gleichzeitig entspricht es der Konzeption des Gesetzes, pathologische Zustände, die zu einer verzerrten Wahrnehmung der Wirklichkeit führen, nur auf der Ebene der Schuld und nicht auf der Ebene der Tatbestandsmässigkeit oder der Rechtfertigung zu berücksichtigen. Eine allfällige Schuldunfähigkeit wirkt sich folglich nicht auf die Tatbestandsmässigkeit, sondern einzig auf die Vorwerfbarkeit des Verhaltens (Verschulden) aus (vgl. Urteile 6B_1363/2019 vom 19. November 2020 E. 1.2.1; 6B_366/2014 vom 23. April 2015 E. 1.3.2). Die gegenteilige Auffassung hätte zur Folge, dass die vom Strafrecht vorgesehenen, therapeutischen Massnahmen gerade dort nicht greifen könnten, wo ein gefährlicher Täter krankheitsbedingt an besonders schweren wahnhaften Vorstellungen resp. Störungen der Realitätskontrolle leidet und ein entsprechend hoher Therapiebedarf besteht. Dies entspricht nicht dem Willen des Gesetzgebers.  
 
1.4.5. Die bundesgerichtliche Rechtsprechung lässt rein subjektive Vorstellungen von Angriffen denn auch nicht ohne weiteres genügen: Der vermeintlich Angegriffene oder Bedrohte muss vielmehr Umstände nachweisen, die bei ihm den Glauben erwecken konnten, er befinde sich in einer tatsächlichen Notwehrlage. Die blosse Vorstellung von der Möglichkeit eines Angriffs oder einer unmittelbaren Bedrohung genügt nach der Rechtsprechung nicht zur Annahme, dass er in Putativnotwehr gehandelt habe (BGE 93 IV 81 E. b; 44 II 152; Urteile 6B_569/2018 vom 20. März 2019 E. 3.5.4; 6B_789/2018 vom 21. Januar 2019 E. 2.4; 6P.76/2005 vom 15. November 2005 E. 5.3; je mit Hinweisen).  
 
1.4.6. In Weiterentwicklung dieser Rechtsprechung bietet der vorliegende Fall nun auch Anlass, krankheitsbedingte von gewöhnlichen Irrtümern zu unterscheiden: Der (psychisch) gesunde Irrende hat eine Fehlvorstellung über die Wirklichkeit. Gemeint ist damit die insoweit "objektive", da von allen gesunden Personen übereinstimmend wahrnehmbare Wirklichkeit. Für eine - wie hier - an Schizophrenie leidende Person ist bereits diese "objektive" Wirklichkeit so nicht wahrnehmbar. Kranheitsbedingt hat sie eine eigene, subjektive Wirklichkeit (Eigenwirklichkeit), die nicht mehr kritisch hinterfragt werden kann. Aus psychiatrischer Sicht ist die Rede vom Irrtum bei ihr deshalb bereits phänomenologisch verfehlt (Thommen/Habermeyer/Graf, a.a.O., S. 336, Rz. 40).  
Das kann nun aber auch strafrechtlich nicht anders sein: Es entspricht dem Konzept der Strafrechtsordnung, als Normalfall von einem Individuum auszugehen, das in der Lage ist, die Gebote und Verbote des Strafrechts zu erkennen und sein Verhalten danach auszurichten (Felix BOMMER, in: Basler Kommentar, Strafrecht, 4. Aufl. 2019, N. 16 zu Vor Art. 19 StGB). Wer folglich aufgrund einer psychischen Krankheit "irrt", irrt - wie bereits die Vorinstanz zutreffend ausführt - nicht im Sinne des Art. 13 Abs. 1 StGB. Die irrige Annahme eines schuldunfähigen Beschuldigten, die bei einem geistig gesunden Täter einen Sachverhaltsirrtum darstellen würde, ist mithin unbeachtlich, wenn sie auf die zur Schuldunfähigkeit führende Erkrankung des Beschuldigten zurückgeht. 
 
1.5. Damit erweist sich die vorinstanzliche Begründung als bundesrechtskonform. Die Rügen gegen die Alternativbegründung im angefochtenen Entscheid brauchen bei diesem Befund nicht mehr geprüft zu werden.  
 
2.  
Die Beschwerde ist abzuweisen. Hingegen erscheint die Beschwerde nicht zum Vornherein aussichtslos. Da der Beschwerdeführer zudem als bedürftig erscheint, ist sein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege gutzuheissen. 
Für das bundesgerichtliche Verfahren sind keine Gerichtskosten zu erheben (Art. 64 Abs. 1 BGG) und dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers ist aus der Bundesgerichtskasse eine angemessene Entschädigung auszurichten (Art. 64 Abs. 2 BGG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.  
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird gutgeheissen. 
 
3.  
Es werden keine Kosten für das bundesgerichtliche Verfahren erhoben. 
 
4.  
Dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers wird für das bundesgerichtliche Verfahren eine Entschädigung von Fr. 3'000.- aus der Bundesgerichtskasse ausgerichtet. 
 
5.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Schaffhausen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 13. April 2021 
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: Jacquemoud-Rossari 
 
Die Gerichtsschreiberin: Lustenberger