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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
9C_226/2020  
 
 
Urteil vom 13. August 2020  
 
II. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Parrino, Präsident, 
Bundesrichterinnen Glanzmann, Moser-Szeless, 
Gerichtsschreiberin Nünlist. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Michele Santucci, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
IV-Stelle des Kantons Aargau, 
Bahnhofplatz 3C, 5000 Aarau, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau vom 20. Februar 2020 (VBE.2019.330). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Der 1959 geborene A.________ meldete sich am 20. August 2014 unter Hinweis auf einen Morbus Menière sowie einen Tinnitus bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Nach Einholung der Akten der Kollektiv-Krankentaggeldversicherung und weiteren Abklärungen - insbesondere zwei bidisziplinären (Verlaufs-) Begutachtungen durch die PMEDA, Polydisziplinäre Medizinische Abklärungen (Expertisen vom 18. Mai 2017 und 3. Januar 2019; Dres. med. B.________, Facharzt für Neurologie, und C.________, Fachärztin für Oto-Rhino-Laryngologie) - sowie durchgeführtem Vorbescheidverfahren verneinte die IV-Stelle des Kantons Aargau mit Verfügung vom 25. März 2019 den Anspruch des Versicherten auf eine Invalidenrente. 
 
B.   
Die hiergegen erhobene Beschwerde wies das Versicherungsgericht des Kantons Aargau mit Entscheid vom 20. Februar 2020 ab. 
 
C.   
A.________ lässt mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragen, es sei ihm unter Aufhebung des angefochtenen Entscheids ab 1. Februar 2015 eine Viertelsrente zuzusprechen. Eventualiter sei der angefochtene Entscheid aufzuheben und die Sache an die Vorinstanz zwecks Einholung eines Obergutachtens und Neubeurteilung zurückzuweisen, wobei dem Beschwerdeführer Gelegenheit zu geben sei, sich zu den Gutachtervorschlägen zu äussern oder eigene Vorschläge zu unterbreiten. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1.  
 
1.1.1. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann eine Rechtsverletzung nach Art. 95 f. BGG gerügt werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Dennoch prüft es - offensichtliche Fehler vorbehalten - nur die in seinem Verfahren gerügten Rechtsmängel (Art. 42 Abs. 1 f. BGG; BGE 135 II 384 E. 2.2.1 S. 389). Es legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann ihre Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Verfahrensausgang entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 und Art. 105 Abs. 2 BGG).  
 
1.1.2. Eine Sachverhaltsfeststellung ist nicht schon dann offensichtlich unrichtig, wenn sich Zweifel anmelden, sondern erst, wenn sie eindeutig und augenfällig unzutreffend ist. Eine offensichtlich unrichtige Sachverhaltsfeststellung weist damit die Tragweite von Willkür auf. Es liegt noch keine offensichtliche Unrichtigkeit vor, nur weil eine andere Lösung ebenfalls in Betracht fällt, selbst wenn diese als die plausiblere erscheint. Eine Sachverhaltsfeststellung ist etwa dann offensichtlich unrichtig, wenn das kantonale Gericht den Sinn und die Tragweite eines Beweismittels offensichtlich falsch eingeschätzt, ohne sachlichen Grund ein wichtiges und für den Ausgang des Verfahrens entscheidendes Beweismittel nicht beachtet oder aus den abgenommenen Beweisen unhaltbare Schlüsse gezogen hat (BGE 144 V 50 E. 4.2 S. 53 mit Hinweisen; Urteil 9C_752/2018 vom 12. April 2019 E. 1.2).  
 
1.2. Bei den gerichtlichen Feststellungen zum Gesundheitszustand und zur Arbeitsfähigkeit handelt es sich um Tatfragen (BGE 132 V 393 E. 3.2 S. 397 ff.). Ebenso stellt die konkrete Beweiswürdigung eine Tatfrage dar. Dagegen sind die unvollständige Feststellung rechtserheblicher Tatsachen sowie die Missachtung des Untersuchungsgrundsatzes und der Anforderungen an die Beweiskraft ärztlicher Berichte und Gutachten Rechtsfragen (Urteile 9C_899/2017 vom 9. Mai 2018 E. 2.1 und 8C_673/2016 vom 10. Januar 2017 E. 3.2).  
 
2.   
Die Vorinstanz hat den beiden Gutachten der PMEDA vom 18. Mai 2017 und 3. Januar 2019 Beweiskraft zuerkannt und ausgehend von einer Arbeitsfähigkeit von 100 % in leidensangepasster Tätigkeit einen Rentenanspruch verneint. Dies wird bestritten. 
 
3.   
Eine sachgerechte Anfechtung des vorinstanzlichen Entscheids war möglich; es kann somit nicht von einer Verletzung der Begründungspflicht resp. des Anspruchs auf rechtliches Gehör gesprochen werden (vgl. BGE 142 III 433 E. 4.3.2 S. 436 mit Hinweisen). 
In diesem Zusammenhang ist insbesondere darauf hinzuweisen, dass das kantonale Gericht zum Bericht von Dr. med. D.________, Facharzt für Allgemeine Innere Medizin, vom 1. März 2019 Stellung genommen hat (vorinstanzliche Erwägung 4.3.1. S. 6). 
 
4.  
 
4.1.  
 
4.1.1. Personen, die im Verwaltungsverfahren Entscheide über Rechte und Pflichten zu treffen oder vorzubereiten haben, darunter auch Sachverständige, müssen in den Ausstand treten, wenn sie in der Sache ein persönliches Interesse haben oder aus anderen Gründen in der Sache befangen sein könnten (Art. 29 Abs. 1 BV; Art. 36 Abs. 1 ATSG). Befangenheit von Sachverständigen ist nach der Rechtsprechung anzunehmen, wenn Umstände vorliegen, die geeignet sind, Misstrauen in ihre Unparteilichkeit zu erwecken. Bei der Befangenheit handelt es sich allerdings um einen inneren Zustand, der nur schwer bewiesen werden kann. Es braucht daher für die Ablehnung nicht nachgewiesen zu werden, dass die sachverständige Person tatsächlich befangen ist. Es genügt vielmehr, wenn Umstände vorliegen, die den Anschein der Befangenheit und die Gefahr der Voreingenommenheit zu begründen vermögen. Bei der Beurteilung des Anscheins der Befangenheit und der Gewichtung solcher Umstände kann jedoch nicht auf das subjektive Empfinden einer Partei abgestellt werden. Das Misstrauen muss vielmehr in objektiver Weise als begründet erscheinen. Einzelfallunabhängige, allgemein-strukturelle Einwendungen stellen keine Ausstandsgründe dar.  
Im Hinblick auf die erhebliche Bedeutung, die den Arztgutachten im Sozialversicherungsrecht zukommt, ist an die Unparteilichkeit des Gutachters ein strenger Massstab anzusetzen. Die formelle Natur der Verletzung des Anspruchs auf einen unabhängigen Experten führt dazu, dass ein Gutachten, das die erforderlichen Attribute nicht aufweist, als Beweismittel auszuschliessen ist, unabhängig davon, wie es sich mit den materiellen Einwendungen tatsächlich verhält. Ob bei einer gegebenen Sachlage auf die Voreingenommenheit des Sachverständigen zu schliessen ist, stellt eine vom Bundesgericht frei überprüfbare Rechtsfrage dar (zum Ganzen: BGE 144 V 258 E. 2.3.2 S. 262; 139 V 349 E. 5.2.2.1 S. 355; 137 V 210 E. 2.1.3 S. 231; 132 V 93 E. 7.1 S. 109 f.; SVR 2020 UV Nr. 10 S. 35, 8C_62/2019 E. 5.1 und 5.2). 
 
4.1.2. Das gegen Dr. med. B.________ laufende Strafverfahren steht in keinem Zusammenhang mit den Begutachtungen des Beschwerdeführers, weshalb der Hinweis darauf nicht geeignet ist, den Anschein der Befangenheit zu begründen.  
Vorliegend handelt es sich weiter um neurologische Teilgutachten, zu deren Erstattung Dr. med. B.________ durchaus kompetent ist. Nichts zu seinen Gunsten kann der Beschwerdeführer daher aus dem Vorbringen ableiten, dem Gutachter sei die Qualifikation zur Erstattung neuropsychologischer Expertisen abgesprochen worden. 
Die Hinweise im Gutachten betreffend die Sonnenbräune, die beschwielten Füsse und muskulösen Beine des Beschwerdeführers vermögen schliesslich ebenfalls keinen Verdacht auf eine Befangenheit oder Voreingenommenheit der Sachverständigen zu begründen. Dass die Gutachter diese Aspekte im Rahmen ihrer Plausibilitätsprüfung ebenfalls berücksichtigten, lässt keine solchen Schlüsse zu. Als medizinische Experten waren sie nicht gehalten, die beschwerdeführerischen Angaben vorbehaltlos als richtig zu akzeptieren. Vielmehr war es ihre gutachterliche Pflicht, im Rahmen ihrer Fachkenntnisse Diskrepanzen zu den eigenen Wahrnehmungen darzulegen und zu würdigen. 
 
4.2. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers sind konkrete Anhaltspunkte auf einen psychischen Gesundheitsschaden mit dem Hinweis auf die Berichte fachfremder Ärzte und die Stellungnahmen des Beschwerdeführers selbst sowie seines Arbeitgebers nicht dargetan. Die Vorinstanz hat daher in zulässiger antizipierter Beweiswürdigung (BGE 136 I 229 E. 5.3 S. 236; 124 V 90 E. 4b S. 94) und damit ohne Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes und des rechtlichen Gehörs auf weitere - insbesondere psychiatrische - Abklärungen verzichtet. Willkür (Art. 9 BV) liegt nicht vor.  
 
4.3. Inwiefern nach dem Gesagten die Feststellung einer 100%igen Arbeitsfähigkeit in leidensangepasster Tätigkeit offensichtlich unrichtig sein respektive auf einer Verletzung von Bundesrecht beruhen soll (vgl. E. 1), ist nicht ersichtlich. Weiterungen erübrigen sich.  
 
5.  
 
5.1. Das kantonale Gericht hat den Invaliditätsgrad schliesslich in Anwendung des Einkommensvergleichs ermittelt (vorinstanzliche Erwägung 5. S. 9 f.). Wird das Invalideneinkommen wie vorliegend auf der Grundlage von statistischen Durchschnittswerten ermittelt, ist der entsprechende Ausgangswert (Tabellenlohn) allenfalls zu kürzen. Damit soll der Tatsache Rechnung getragen werden, dass persönliche und berufliche Merkmale, wie Art und Ausmass der Behinderung, Lebensalter, Dienstjahre, Nationalität oder Aufenthaltskategorie und Beschäftigungsgrad Auswirkungen auf die Lohnhöhe haben können. Aufgrund dieser Faktoren kann die versicherte Person die verbliebene Arbeitsfähigkeit auch auf einem ausgeglichenen Arbeitsmarkt möglicherweise nur mit unterdurchschnittlichem erwerblichem Erfolg verwerten (BGE 126 V 75 E. 5b/aa S. 79 f.). Der Abzug soll aber nicht automatisch erfolgen. Er ist unter Würdigung der Umstände im Einzelfall nach pflichtgemässem Ermessen gesamthaft zu schätzen und darf 25 % nicht übersteigen (BGE 134 V 322 E. 5.2 S. 327 f.; 126 V 75 E. 5b/bb-cc S. 80).  
Ob ein leidensbedingter Abzug vom Tabellenlohn vorzunehmen ist, stellt eine vom Bundesgericht frei überprüfbare Rechtsfrage dar. Dagegen ist die Höhe des (im konkreten Fall grundsätzlich angezeigten) Abzugs eine Ermessensfrage und somit letztinstanzlich nur bei Ermessensüberschreitung, -missbrauch oder -unterschreitung korrigierbar (BGE 137 V 71 E. 5.1 S. 72f.; Urteil 9C_421/2017 vom 19. September 2017 E. 2.1.2). 
 
5.2. Der Faktor Alter muss sich nicht (zwingend) lohnsenkend auswirken, da Hilfsarbeiten - um welche es vorliegend unbestritten geht (vgl. die Beschwerde an die Vorinstanz Ziff. 6.2 S. 12) - auf dem (massgebenden) hypothetisch ausgeglichenen Arbeitsmarkt (Art. 16 ATSG) altersunabhängig nachgefragt werden (vgl. Urteile 8C_403/2017 vom 25. August 2017 E. 4.4.1; 8C_805/2016 vom 22. März 2017 E. 3.4.3; je mit Hinweisen). Weiter gilt es zu beachten, dass die Bedeutung der Dienstjahre im privaten Sektor abnimmt, je niedriger das Anforderungsprofil ist (BGE 126 V 75 E. 5a/cc S. 79; Urteile 9C_386/2012 vom 18. September 2012 E. 5.2; 8C_939/2011 vom 13. Februar 2012 E. 5.2.3; je mit Hinweisen). Mit Blick auf das Kompetenzniveau 1 und vergleichbare berufliche Stellungen kommt dem Umstand, dass der Versicherte nicht mehr in seiner angestammten Tätigkeit arbeiten kann und im Rahmen einer Verweistätigkeit keine Dienstjahre und kein Erfahrungswissen aufweist, daher keine relevante Bedeutung zu. Weil ein neuer Arbeitsplatz zudem stets mit einer Eingewöhnungsphase einhergeht, vermag auch ein allfälliger Anpassungsaufwand keinen Tabellenlohnabzug zu rechtfertigen (Urteile 9C_200/2017 vom 14. November 2017 E. 4.5; vgl. 8C_72/2007 vom 28. Januar 2008 E. 2.3 in fine). Dass die Stellensuche altersbedingt erschwert sein mag, fällt als invaliditätsfremder Faktor grundsätzlich ausser Betracht (Urteile 8C_552/2017 vom 18. Januar 2018 E. 5.4.1; 9C_535/2017 vom 14. Dezember 2017 E. 4.6; 8C_477/2016 vom 23. November 2016 E. 4.2).  
Männer mit einer Niederlassungsbewilligung ohne Kaderfunktion verdienten im Zeitpunkt des potenziellen Rentenbeginns im Jahre 2015 sodann nur leicht unterdurchschnittlich (BFS, Monatlicher Bruttolohn, Schweizer/innen und Ausländer/innen, nach beruflicher Stellung und Geschlecht - Privater Sektor, 2014). Der Beschwerdeführer ist ferner in leidensangepasster Tätigkeit 100 % arbeitsfähig. Gestützt auf das Merkmal des Beschäftigungsgrades rechtfertigt sich somit ebenfalls kein Abzug. Ein solcher steht demnach höchstens mit Blick auf die leidensbedingten Einschränkungen in Frage und ist mit den eventualiter von der Vorinstanz veranschlagten 10 % eher grosszügig, jedenfalls aber keineswegs in rechtsfehlerhafter Ermessensausübung (vgl. E. 5.1) erfolgt. 
 
6.   
Zusammenfassend ist der vorinstanzliche Entscheid weder offensichtlich unrichtig noch beruht er auf einer Verletzung von Bundesrecht (E. 1). Auf weitere Abklärungen - insbesondere die Einholung eines Obergutachtens - durfte das kantonale Gericht in zulässiger antizipierter Beweiswürdigung (BGE 136 I 229 E. 5.3 S. 236; 124 V 90 E. 4b S. 94) und damit ohne Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes und des rechtlichen Gehörs verzichten. Die Beschwerde ist unbegründet. 
 
7.   
Die Gerichtskosten werden dem Beschwerdeführer als unterliegender Partei auferlegt (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Aargau, dem Bundesamt für Sozialversicherungen und der ABB Pensionskasse und Ergänzungsversicherung, Zürich, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 13. August 2020 
 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Parrino 
 
Die Gerichtsschreiberin: Nünlist