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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
8C_525/2018  
 
 
Urteil vom 16. November 2018  
 
I. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Maillard, Präsident, 
Bundesrichterinnen Heine, Viscione, 
Gerichtsschreiberin Polla. 
 
Verfahrensbeteiligte 
IV-Stelle des Kantons St. Gallen, 
Brauerstrasse 54, 9016 St. Gallen, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Antonius Falkner, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung 
(Invalidenrente; Teilerwerbstätigkeit), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen 
vom 29. Juni 2018 (IV 2016/11). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Die 1977 geborene A.________, Mutter dreier 2002, 2008 und 2011 geborener Kinder, war von Januar 2009 bis März 2012 im Umfang von dreieinhalb Stunden pro Tag als Reinigungsmitarbeiterin tätig gewesen. Sie meldete sich nach Erhalt der Kündigung im März 2012 bei der IV-Stelle des Fürstentums Liechtenstein unter Hinweis auf eine Autoimmunerkrankung (Morbus Basedow), eine chronische Rheumaerkrankung sowie eine Depression zum Leistungsbezug an. Mit Verfügung vom 28. März 2013 lehnte die IV-Stelle des Fürstentums Liechtenstein das Rentenbegehren mangels Beitragszeiten in Liechtenstein ab, was letztinstanzlich das Liechtensteinische Fürstliche Obergericht mit Entscheid vom 20. August 2014 bestätigte. 
Die nunmehr zuständige IV-Stelle des Kantons St. Gallen wies am 24. April 2013 das Gesuch um berufliche Massnahmen ab. Mit Verfügung vom 25. November 2015 verneinte sie in Anwendung der gemischten Bemessungsmethode (Anteil Erwerb: 40 %; Anteil Haushalt: 60 %) und bei einem ermittelten Invaliditätsgrad von 12 % einen Rentenanspruch. 
 
B.   
In teilweiser Gutheissung der dagegen geführten Beschwerde hob das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen die Verfügung vom 25. November 2015 auf und wies die Sache zur weiteren Abklärung mit anschliessender neuer Verfügung im Sinne der Erwägungen an die IV-Stelle zurück (Entscheid vom 29. Juni 2018). 
 
C.   
Die IV-Stelle führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem Rechtsbegehren, der vorinstanzliche Entscheid sei aufzuheben soweit er feststelle, dass der Invaliditätsgrad mittels eines reinen Einkommensvergleichs zu ermitteln sei. 
A.________ und das Versicherungsgericht schliessen auf Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) verzichtet auf eine Stellungnahme. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Das Bundesgericht prüft seine Zuständigkeit und die (weiteren) Eintretensvoraussetzungen von Amtes wegen und mit freier Kognition (BGE 141 V 206 E. 1.1 S. 208 mit Hinweisen).  
 
1.2. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist zulässig gegen Entscheide, die das Verfahren abschliessen (Art. 90 BGG) sowie gegen selbständig eröffnete Vor- und Zwischenentscheide über die Zuständigkeit und über Ausstandsbegehren (Art. 92 Abs. 1 BGG). Gegen andere selbständig eröffnete Vor- und Zwischenentscheide ist die Beschwerde nach Art. 93 Abs. 1 BGG zulässig, sofern - alternativ - der Entscheid einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken kann (lit. a) oder die Gutheissung der Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführen und damit einen bedeutenden Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren ersparen würde (lit. b).  
 
1.3. Beim vorinstanzlichen Entscheid, mit dem die Sache zur weiteren Sachverhaltsabklärung, zur Invaliditätsbemessung anhand der Einkommensvergleichsmethode und zur anschliessenden Neuverfügung an die IV-Stelle zurückgewiesen wurde, handelt es sich um einen Zwischenentscheid im Sinne von Art. 93 Abs. 1 BGG. Ein nicht wieder gutzumachender Nachteil ist zu bejahen, wenn der Versicherungsträger durch die Rückweisung gezwungen wird, eine seines Erachtens rechtswidrige Verfügung zu erlassen (BGE 133 V 477 E. 5.2 S. 483 ff.). Dies ist hier in dem von der IV-Stelle beschwerdeweise beanstandeten Punkt der Fall: Die Vorinstanz hat entschieden, der Invaliditätsgrad der Versicherten sei nicht anhand der gemischten, sondern anhand der Einkommensvergleichsmethode zu ermitteln. Insoweit hat sie materiellrechtliche Vorgaben getroffen, die die IV-Stelle als untere Instanz binden (BGE 140 V 282 E. 4.2 S. 285 f. mit Hinweisen). Auf die Beschwerde ist einzutreten.  
 
2.   
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 f. BGG erhoben werden. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG) und kann deren Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG; vgl. auch Art. 97 Abs. 1 BGG). 
 
3.  
 
3.1. Streitig und zu prüfen ist aufgrund der Vorbringen in der Beschwerde einzig, nach welcher Methode die Invalidität der Beschwerdegegnerin zu ermitteln ist. Während die IV-Stelle die gemischte Methode (Art. 28a Abs. 3 IVG) mit einem nunmehr 20%igen Anteil Haushalt und 80%igen Anteil Erwerb zugrunde legen will, hält die Vorinstanz die Einkommensvergleichsmethode (Art. 28a Abs. 1 IVG in Verbindung mit Art. 16 ATSG) für anwendbar, da es der Versicherten objektiv zumutbar wäre, im Gesundheitsfall einer ganztägigen Erwerbstätigkeit nachzugehen.  
 
3.2. Entgegen der Auffassung der Beschwerdegegnerin ist die Frage nach der anwendbaren Methode der Invaliditätsbemessung (Einkommensvergleich mit den beiden Untervarianten Schätzungs- und Prozentvergleich sowie ausserordentliches Bemessungsverfahren, Betätigungsvergleich, gemischte Methode) eine Rechtsfrage und vom Bundesgericht frei überprüfbar (Urteil 9C_734/2016 vom 27. Januar 2017 E. 4.2 mit Hinweisen). In welchem Ausmass eine im Aufgabenbereich Haushalt tätige versicherte Person (Art. 5 Abs. 1 IVG in Verbindung mit Art. 8 Abs. 3 ATSG und Art. 27 IVV) ohne gesundheitliche Beeinträchtigung erwerbstätig wäre, ist hingegen Tatfrage, soweit sie auf Beweiswürdigung beruht, selbst wenn darin auch Schlussfolgerungen aus der allgemeinen Lebenserfahrung berücksichtigt werden.  
 
4.  
 
4.1. Das kantonale Gericht stellt sich auf den Standpunkt, die IV-Stelle habe den Invaliditätsgrad bundesrechtswidrig festgestellt, indem sie keinen Einkommensvergleich vorgenommen, sondern den Invaliditätsgrad anhand der gemischten Methode ermittelt habe. Nur wenn eine Person vor Eintritt des Gesundheitsschadens nicht erwerbstätig gewesen sei und ihr die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit nicht zugemutet werden könne, sei die Invalidität gemäss Art. 5 Abs. 1 IVG und Art. 8 Abs. 3 ATSG auf eine andere Weise zu ermitteln. Diese Ausnahme beziehe sich nach dem Willen des historischen Gesetzgebers ausschliesslich auf nicht erwerbstätige Hausfrauen. Weder aus systematischer noch aus teleologischer Sicht gebe es einen Grund, der gegen diese enge Beschränkung des Betätigungsvergleichs als Bemessungsmethode spreche.  
 
4.2. Mit der IV-Stelle findet die gemischte Methode auch Anwendung, wenn der versicherten Person ohne gesundheitliche Beeinträchtigung eine vollzeitliche Erwerbstätigkeit zwar zumutbar wäre, diese eine solche aber nicht ausüben würde. Entscheidend ist nicht, welches Ausmass der Erwerbstätigkeit der versicherten Person im Gesundheitsfall zugemutet werden könnte, sondern in welchem Pensum sie hypothetisch (unter Berücksichtigung der gesamten persönlichen, familiären, beruflichen und sozialen Situation) erwerbstätig wäre. Das Bundesgericht hat sich bereits mehrfach und ausführlich mit dieser Praxis der Vorinstanz auseinandergesetzt und auf die ständige bundesgerichtliche Rechtsprechung verwiesen (Urteil 9C_49/2008 vom 28. Juli 2008 E. 3.3; vgl. auch die dieselbe Vorinstanz betreffenden BGE 133 V 477 E. 6.3 S. 486 f. und 504 E. 3.3 S. 507 f.; Urteile 9C_552/2016 vom 9. März 2017 E. 4.2; 9C_491/2008 vom 21. April 2009 E. 4; 9C_295/2018 vom 26. Juli 2018 E. 3.1; 8C_504/2018 vom 19. Oktober 2018 E. 3.2; vgl. auch Meyer/Reichmuth, Bundesgesetz über die Invalidenversicherung [IVG], 3. Aufl. 2014, Rz. 5 f. zu Art. 28a IVG). Weiterungen dazu erübrigen sich einmal mehr.  
 
4.3. Zu den allein massgebenden Verhältnissen, wie sie sich bis zum Zeitpunkt der Verfügung vom 25. November 2015 entwickelt haben, hielt die Vorinstanz einzig fest, dass die Versicherte vor dem Eintritt der Gesundheitsbeeinträchtigung erwerbstätig gewesen sei, ohne sich zum Umfang der Erwerbstätigkeit zu äussern. Das Bundesgericht kann den Sachverhalt diesbezüglich ergänzen, da die Akten insoweit liquid sind (E. 1 hievor; BGE 143 V 19 E. 6.1.3 in fine S. 32). Die Beschwerdegegnerin arbeitete vor Eintritt des Gesundheitsschadens dreieinhalb Stunden pro Tag. Im Fragebogen zur Rentenabklärung gab sie am 29. März 2015 an, dass sie ohne Behinderung zu 80 % als Reinigungskraft/Arbeiterin tätig wäre. Im Rahmen der Haushaltsabklärung am 7. Mai 2015 bestätigte sie diese Aussage und machte wirtschaftliche Gründe geltend. Die Kinderbetreuung erachtete die IV-Stelle als gewährleistet, weil die Schwiegereltern im gleichen Wohnhaus lebten und der Ehegatte in unmittelbarer Nähe Schichtarbeit leiste. Die Akten, namentlich die Angaben der Versicherten und ihre konkreten Verhältnisse, stützen die von der IV-Stelle in ihrer Beschwerde angenommene Aufteilung (80 % Erwerbstätigkeit und 20 % Aufgabenbereich Haushalt). Die Beschwerdegegnerin wendet gegen diese Gewichtung in dem hier relevanten Zeitraum bis November 2015 nichts ein.  
 
4.4. Somit ist festzuhalten, dass die IV-Stelle die Invaliditätsbemessung rechtsprechungsgemäss zutreffend anhand der gemischten Methode vornahm und die Versicherte im Gesundheitsfall als Teilerwerbstätige im Umfang von 80 % mit Aufgabenbereich Haushalt zu 20 % einzustufen ist. Die Beschwerde ist begründet.  
 
5.  
 
5.1. Das Verfahren ist kostenpflichtig. Die Gerichtskosten und eine allfällige Parteientschädigung hätte grundsätzlich die unterliegende Partei zu tragen (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG; BGE 133 V 642). Unnötige Kosten hat indessen zu bezahlen, wer sie verursacht (Art. 66 Abs. 3 und Art. 68 Abs. 4 BGG). Dies gestattet auch, ausnahmsweise die Gerichts- und Parteikosten der Vorinstanz resp. dem Gemeinwesen, dem diese angehört, aufzuerlegen. Die Vorinstanz missachtet systematisch die hier anwendbare Rechtsprechung des Bundesgerichts (E. 4 hievor), was in der eingereichten Vernehmlassung der Vorinstanz klar zum Ausdruck kommt. Damit hat sie die IV-Stelle zum Gang vor das Bundesgericht gezwungen, was zu einer unnötigen Verlängerung des Verfahrens führte. Dieser Umstand kann nicht der Versicherten angelastet werden. Demnach sind dem Kanton St. Gallen die Gerichts- und Parteikosten aufzuerlegen (vgl. Urteil 9C_295/2018 vom 26. Juli 2018 E. 6).  
 
5.2. Von einer Rückweisung zur Neuverlegung der vorinstanzlichen Gerichtskosten und Parteientschädigung kann abgesehen werden, denn der Ausgang des bundesgerichtlichen Verfahrens mit Rückweisung der Angelegenheit an die IV-Stelle zu weiteren Abklärungen gilt als Obsiegen der Versicherten (BGE 137 V 210 E. 7.1 S. 271) und führt zur Kostenpflicht der IV-Stelle, wie sie im angefochtenen Entscheid bereits festgehalten ist.  
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Der Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 29. Juni 2018 wird aufgehoben, soweit darin angeordnet wird, dass die IV-Stelle des Kantons St. Gallen den Invaliditätsgrad der Versicherten im Rahmen ihrer neuen Verfügung nicht anhand der gemischten Methode, sondern mittels Einkommensvergleichs zu ermitteln hat. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Kantons St. Gallen auferlegt. 
 
3.   
Der Kanton St. Gallen hat die Beschwerdegegnerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2'800.- zu entschädigen. 
 
4.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 16. November 2018 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Maillard 
 
Die Gerichtsschreiberin: Polla