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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
4A_41/2020  
 
 
Urteil vom 17. April 2020  
 
I. zivilrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Kiss, Präsidentin, 
Bundesrichterin Niquille, Bundesrichter Rüedi, 
Gerichtsschreiber Leemann. 
 
Verfahrensbeteiligte 
ProLitteris, Schweizerische Urheberrechtsgesellschaft für Literatur und bildende Kunst, Genossenschaft, vertreten durch Rechtsanwältin Carmen De la Cruz sowie Rechtsanwälte Florian Müller und Roman Elsener, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
A.________ GmbH, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Urheberrecht, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Handelsgerichts des Kantons Aargau, 1. Kammer, vom 29. November 2019 (HOR.2018.49). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
 
A.a. ProLitteris, Schweizerische Urheberrechtsgesellschaft für Literatur und bildende Kunst, Genossenschaft (Klägerin, Beschwerdeführerin) mit Sitz in Zürich bezweckt die Wahrung der Rechte der Urheber, Verlage und anderer Rechtsinhaber von literarischen und dramatischen Werken sowie von Werken der bildenden Kunst und der Fotographie, soweit ihr diese Rechte vertraglich zur kollektiven Wahrnehmung anvertraut werden.  
Mit Bewilligungen vom 4. Juni 2013 und 27. September 2017 ermächtigte das Eidgenössische Institut für Geistiges Eigentum (IGE) die Klägerin, die Vergütungsansprüche nach dem Urheberrechtsgesetz für die Jahre 2013 bis 2022 geltend zu machen. 
Die A.________ GmbH (Beklagte, Beschwerdegegnerin) mit Sitz in U.________ bezweckt im Wesentlichen die Verbreitung von sog. crossmedialen Inhalten jeglicher Art. 
 
A.b. Die Klägerin stellte der Beklagten folgende Beträge in Rechnung:  
 
- Rechnung Nr. 18844900 vom 7. Januar 2014:       Fr. 205.00; 
- Rechnung Nr. 20732339 vom 7. Januar 2014:       Fr. 153.75; 
- Rechnung Nr. 18889659 vom 13. März 2014:       Fr. 102.50; 
- Rechnung Nr. 20768079 vom 13. März 2014:       Fr. 51.25; 
- Rechnung Nr. 18985869 vom 30. März 2015:       Fr. 102.50; 
- Rechnung Nr. 20839776 vom 30. März 2015:       Fr. 51.25; 
- Rechnung Nr. 19104921 vom 8. April 2016:       Fr. 102.50; 
- Rechnung Nr. 20943864 vom 8. April 2016:       Fr. 51.25. 
- Rechnung Nr. 1148278 vom 7. April 2017:       Fr. 87.15; 
- Rechnung Nr. 20978836 vom 7. April 2017:       Fr. 71.75. 
Die in Rechnung gestellten Beträge beruhten auf der Einschätzung der Beklagten durch die Klägerin, welche die Beklagte nicht innert 30 Tagen beanstandete. 
Mit Schreiben vom 28. September 2018 mahnte die Klägerin die ausstehenden Forderungen von insgesamt Fr. 978.90 und forderte die Beklagte auf, den offenen Betrag innert 10 Tagen zu überweisen. Die Beklagte kam der Aufforderung nicht nach. 
 
B.  
Mit Klage vom 6. Dezember 2018 beantragte die Klägerin dem Handelsgericht des Kantons Aargau, die Beklagte sei zur Zahlung von Fr. 512.50 (für das Jahr 2014), Fr. 153.75 (für das Jahr 2015), Fr. 153.75 (für das Jahr 2016) und Fr. 158.90 (für das Jahr 2017) zu verpflichten, jeweils zuzüglich Zins zu 5 % seit 9. Oktober 2018. 
Zur Begründung führte die Klägerin im Wesentlichen aus, es handle sich um Ansprüche aus unbezahlten Forderungen basierend auf der urheberrechtlichen Vergütungspflicht der Beklagten, die auf den gemeinsamen Tarifen (GT) 8 2012-2016 resp. 8 2017-2021 (Reprografie im Dienstleistungsbereich; nachfolgend GT 8 VI resp. GT 8 VII) und GT 9 2012-2016 resp. 9 2017-2021 (Nutzung von geschützten Werken und geschützten Leistungen in elektronischer Form zum Eigengebrauch mittels betriebsinternen Netzwerken im Dienstleistungsbereich; nachfolgend GT 9 VI resp. GT 9 VII) beruhten. Sie habe die Fotokopiervergütung und die betriebsinterne Netzwerkvergütung der Beklagten gestützt auf Ziffer 6 ff. und insbesondere Ziffer 8.3 der anwendbaren Tarife eingeschätzt, nachdem die Beklagte das Erhebungsformular nicht ausgefüllt zurückgesandt habe. Die Beklagte habe diese Einschätzung nicht beanstandet, weshalb sie als anerkannt gelte. 
Die Beklagte erklärte, sie sei zwar im Sinne einer pragmatischen Lösung bereit, etwas an die Forderung, nicht aber an die Anwalts- und Gerichtskosten, zu bezahlen, allerdings ohne Anerkennung einer Rechtspflicht. Sie verfüge weder über ein Kopiergerät noch über ein Netzwerk und habe dies der Klägerin auch mehrfach telefonisch angezeigt. 
Mit Urteil vom 29. November 2019 wies das Handelsgericht des Kantons Aargau die Klage ab. 
 
C.  
Mit Beschwerde in Zivilsachen beantragt die Klägerin dem Bundesgericht, es sei das Urteil des Handelsgerichts des Kantons Aargau vom 29. November 2019 aufzuheben und es sei die Beklagte in Gutheissung der Klage zur Zahlung von Fr. 978.90, zuzüglich Zins zu 5 % seit 9. Oktober 2018, zu verurteilen. Eventualiter sei das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. 
Die Vorinstanz wie auch die Beschwerdegegnerin haben auf eine Vernehmlassung verzichtet. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Das Bundesgericht prüft von Amtes wegen und mit freier Kognition, ob ein Rechtsmittel zulässig ist (Art. 29 Abs. 1 BGG; BGE 141 III 395 E. 2.1). 
 
1.1. Die Beschwerde richtet sich gegen den Endentscheid (Art. 90 BGG) eines kantonalen Gerichts, das in einer Zivilsache (Art. 72 BGG) die Anträge der Beschwerdeführerin abgewiesen hat (Art. 76 BGG). Die Vorinstanz hat als einzige kantonale Instanz entschieden (Art. 5 Abs. 1 lit. a ZPO i.V.m. Art. 75 Abs. 2 lit. a BGG), weshalb die Beschwerde in Zivilsachen unabhängig von der Erreichung der Streitwertgrenze von Art. 74 Abs. 1 BGG zulässig ist (Art. 74 Abs. 2 lit. b BGG). Die Beschwerdefrist (Art. 100 BGG) ist eingehalten.  
Auf die Beschwerde ist vorbehältlich einer hinreichenden Begründung (Art. 42 Abs. 2 und Art. 106 Abs. 2 BGG) einzutreten. 
 
1.2. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist somit weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen oder eine Beschwerde mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen. Mit Blick auf die Begründungspflicht der beschwerdeführenden Partei (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG) behandelt es aber grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind; es ist jedenfalls nicht gehalten, wie eine erstinstanzliche Behörde alle sich stellenden rechtlichen Fragen zu untersuchen, wenn diese vor Bundesgericht nicht mehr vorgetragen werden (BGE 140 III 115 E. 2 S. 116; 137 III 580 E. 1.3; 135 III 397 E. 1.4).  
 
1.3. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Dazu gehören sowohl die Feststellungen über den streitgegenständlichen Lebenssachverhalt als auch jene über den Ablauf des vor- und erstinstanzlichen Verfahrens, also die Feststellungen über den Prozesssachverhalt (BGE 140 III 16 E. 1.3.1 mit Hinweisen). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). "Offensichtlich unrichtig" bedeutet dabei "willkürlich" (BGE 143 IV 241 E. 2.3.1; 140 III 115 E. 2 S. 117, 264 E. 2.3 S. 266). Überdies muss die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein können (Art. 97 Abs. 1 BGG).  
Für eine Kritik am festgestellten Sachverhalt gilt das strenge Rügeprinzip von Art. 106 Abs. 2 BGG (BGE 140 III 264 E. 2.3 S. 266 mit Hinweisen). Die Partei, welche die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz anfechten will, muss klar und substanziiert aufzeigen, inwiefern diese Voraussetzungen erfüllt sein sollen (BGE 140 III 16 E. 1.3.1 S. 18 mit Hinweisen). Wenn sie den Sachverhalt ergänzen will, hat sie zudem mit präzisen Aktenhinweisen darzulegen, dass sie entsprechende rechtsrelevante Tatsachen und taugliche Beweismittel bereits bei den Vorinstanzen prozesskonform eingebracht hat (BGE 140 III 86 E. 2 S. 90). 
 
2.  
Die Beschwerdeführerin wirft der Vorinstanz vor, die Verbindlichkeit der genehmigten Tarife GT 8 und GT 9 samt der darin statuierten Genehmigungsfiktion nach Art. 59 Abs. 3 URG (SR 231.1) missachtet und aus der Verletzung der Auskunftspflicht (Art. 51 Abs. 1 URG) durch die Beschwerdegegnerin unzutreffende Schlüsse gezogen zu haben. 
 
2.1. Die Vorinstanz erwog, die klägerische (implizite) Behauptung, dass die Beschwerdegegnerin ein Netzwerk und einen Kopierer besitze, sei von dieser im Verfahren bestritten und von der Beschwerdeführerin nicht weiter substanziiert oder bewiesen worden, obwohl sie dafür in Anwendung von Art. 8 ZGB beweisbelastet sei. Diese Behauptung bleibe damit unbewiesen. Ohne Kopiergerät bzw. Netzwerk falle die Beschwerdegegnerin nicht unter die Vergütungspflicht im Sinne von Art. 19 Abs. 1 lit. c in Verbindung mit Art. 20 Abs. 2 URG; eine bloss im Tarifrecht vorgesehene Anerkennung der Schätzung sei unbeachtlich. Tarifrecht könne zwingendes Gesetzesrecht nicht verdrängen. Somit habe die Beschwerdeführerin gegenüber der Beschwerdegegnerin keinen Anspruch auf Vergütung.  
 
2.2.   
 
2.2.1. Veröffentlichte Werke dürfen nach Art. 19 Abs. 1 URG zum Eigengebrauch verwendet werden. Erlaubt ist dabei insbesondere das Vervielfältigen von Werkexemplaren in Betrieben für die interne Information oder Dokumentation (Art. 19 Abs. 1 lit. c URG). Für diese Form des Eigengebrauchs schuldet der Nutzer dem Urheber eine Vergütung (Art. 20 Abs. 2 URG). Diese Kopiervergütung soll die Urheber an den Erträgen von unkontrollierbaren Massennutzungen ihrer Werke teilhaben lassen (BGE 125 III 141 E. 3 S. 142). Dafür sieht das Gesetz zwingend die kollektive Verwertung vor: Die Vergütungsansprüche können nur von zugelassenen Verwertungsgesellschaften geltend gemacht werden (Art. 20 Abs. 4 URG). Die Verwertungsgesellschaften, die für diesen Aufgabenbereich unter Bundesaufsicht stehen (Art. 40 Abs. 1 lit. b und Art. 52 ff. URG), sind verpflichtet, gestützt auf entsprechende Tarife (Art. 46 f. und Art. 55 ff. URG) die Vergütungsansprüche wahrzunehmen (Art. 44 URG). Sie müssen ihre Geschäfte nach den Grundsätzen einer geordneten und wirtschaftlichen Verwaltung führen und haben die Verwertung nach festen Regeln und nach dem Gebot der Gleichbehandlung zu besorgen (Art. 45 Abs. 1 und 2 URG).  
Die Verwertungsgesellschaften stellen für die von ihnen geforderten Vergütungen Tarife auf (Art. 46 Abs. 1 URG). Sie verhandeln über die Gestaltung der einzelnen Tarife mit den massgebenden Nutzerverbänden (Art. 46 Abs. 2 URG) und legen die Tarife anschliessend der Eidgenössischen Schiedskommission für die Verwertung von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten (Art. 55 URG) zur Genehmigung vor; daraufhin veröffentlichen sie die genehmigten Tarife (Art. 46 Abs. 3 URG). Gemäss Art. 59 Abs. 3 URG sind rechtskräftig genehmigte Tarife für die Gerichte verbindlich. Diese Vorschrift dient der Rechtssicherheit: Sie soll verhindern, dass ein von der Schiedskommission - und gegebenenfalls auf Beschwerde hin vom Bundesverwaltungsgericht bzw. vom Bundesgericht - gutgeheissener Tarif in einem Forderungsprozess gegen einen zahlungsunwilligen Werknutzer erneut in Frage gestellt werden kann. Den Zivilgerichten ist es daher verwehrt, einen rechtskräftig genehmigten Tarif erneut auf seine Angemessenheit hin zu prüfen; sie sind an das Ergebnis des Genehmigungsverfahrens gebunden. Der Tarif kann aber keine Vergütungen vorsehen für Nutzungen, die urheberrechtlich gar nicht geschützt sind. Auch die Genehmigung eines Tarifs durch die Schiedskommission kann nicht Vergütungsansprüche schaffen, die mit zwingenden gesetzlichen Vorschriften unvereinbar sind. Im Streitfall bleiben demnach die Zivilgerichte befugt und verpflichtet, darüber zu wachen, dass aus den Tarifen im Einzelfall keine gesetzwidrigen Vergütungsansprüche abgeleitet werden (BGE 140 II 483 E. 5.2 S. 489 f. mit Hinweisen). 
 
2.2.2. In den Tarifen der Verwertungsgesellschaften werden neben dem Entgelt für die Nutzung der der Verwertungsgesetzgebung unterstehenden Rechte regelmässig auch die Auskunftspflichten der Nutzer bzw. die Modalitäten der Rechnungsstellung festgelegt (Urteil 4A_382/2019 vom 11. Dezember 2019 E. 3.3.2; DENIS BARRELET/ DIETER MEIER, in: Barrelet/Egloff [Hrsg.], Das neue Urheberrecht, 4. Aufl. 2020, N. 5 zu Art. 51 URG; BREM/SALVADÉ/WILD, in: Handkommentar zum Urheberrechtsgesetz, 2. Aufl. 2012, N. 2 zu Art. 46 URG; VINCENT SALVADÉ, in: Commentaire romand, Propriété intellectuelle, 2013, N. 3 zu Art. 46 URG). In diesem Sinne statuiert auch der zur Diskussion stehende Tarif GT 8 VI bzw. GT 8 VII was folgt:  
 
"8.3 Werden die von der ProLitteris erbetenen Angaben auch nach einer schriftlichen Mahnung innert Nachfrist nicht eingereicht, kann die ProLitteris die Angaben schätzen und, gestützt auf diese Schätzungen, entsprechend Rechnung stellen. Gibt der betroffene Nutzer die für die Berechnung notwendigen Angaben innerhalb von 30 Tagen nach Zustellung der Schätzung nicht schriftlich bekannt, gilt die Schätzung als anerkannt. Die Rechnung stützt sich auf die Berechnungsgrundlagen der Einschätzung. Die ProLitteris verlangt für den zusätzlichen Verwaltungsaufwand in jedem Fall einen Zuschlag von 10% auf die geschuldete Vergütung, mindestens jedoch CHF 100.00. [...] 
 
8.4 Im Weiteren sind die Nutzer aufgrund von Art. 51 URG [...] verpflichtet, der ProLitteris auf deren Verlangen Auskunft über die vervielfältigten geschützten Werke zu geben, und zwar in bezug auf Sprache und Werkarten. 
 
8.5 Nutzer, die über kein Fotokopiergerät, Telefaxapparat, Drucker, Multifunktionsgerät oder ähnliches Gerät verfügen, müssen das entsprechende Formular 'Erklärung kein Kopierer' ausfüllen und können dies versehen mit einer rechtsgültigen Unterschrift und unter Beilage einer Kopie des Handelsregisterauszuges (soweit im HR eingetragen) an die ProLitteris retournieren. 
Nutzer haben die Einrede 'Kein Kopierer' spätestens innerhalb von 30 Tagen nach Zustellung der Einschätzung gemäss Ziffer 8.3 geltend zu machen. Nach Ablauf dieser Frist gilt sowohl die Einschätzung als anerkannt, wie auch, dass ein Kopiergerät im Sinne dieses Tarifs vorhanden ist. Die Einrede 'Kein Kopierer' kann in diesem Fall nicht mehr geltend gemacht werden." 
 
GT 9 VI bzw. GT 9 VII sieht Folgendes vor: 
 
"8.3 Werden die notwendigen Angaben nach einer schriftlichen Mahnung auch innert Nachfrist nicht eingereicht, kann die ProLitteris die Angaben schätzen und gestützt darauf Rechnung stellen. Gibt der Nutzer die für die Berechnung notwendigen Angaben innerhalb von 30 Tagen nach Zustellung der Schätzung nicht schriftlich bekannt, gilt die Schätzung als anerkannt. Die Rechnung stützt sich auf die Berechnungsgrundlagen der Einschätzung. Die ProLitteris verlangt für den zusätzlichen Verwaltungsaufwand in jedem Fall einen Zuschlag von 10% auf die geschuldete Vergütung, mindestens jedoch CHF 100.00. [...] 
 
8.4 Die Nutzer sind gemäss Art. 51 URG verpflichtet, der ProLitteris auf deren Verlangen sämtliche ihnen zumutbaren Auskünfte im Zusammenhang mit der Anwendung und der Umsetzung dieses Tarifes zu geben. Die ProLitteris ist entsprechend berechtigt, über die Art und den Umfang der genutzten Werke und Leistungen bei den Nutzern stichprobenweise Auskünfte zu verlangen. 
[...]." 
 
Ziffer 6.7 GT 9 VI lautet wie folgt : 
 
"Nutzer, die über kein unter die Tarifpflicht fallendes Netzwerksystem verfügen, können auf einem vorgegebenen Formular der ProLitteris eine entsprechende schriftliche Mitteilung, versehen mit einer rechtsgültigen Unterschrift sowie der Kopie eines aktuellen Handelsregisterauszuges (soweit im Handelsregister eingetragen), zustellen. Für diese Nutzer entfällt eine Vergütungspflicht." 
 
Ziffer 8.5 GT 9 VII sieht Folgendes vor: 
 
"Nutzer, die über kein Netzwerk verfügen, müssen das entsprechende Formular 'Erklärung kein Netzwerk' ausfüllen und können dies versehen mit einer rechtsgültigen Unterschrift und unter Beilage einer Kopie des Handelsregisterauszuges (soweit im Handelsregister eingetragen) an die ProLitteris retournieren. 
 
Nutzer haben die Einrede 'Kein Netzwerk' spätestens innerhalb von 30 Tagen nach Zustellung der Einschätzung gemäss Ziffer 8.3 geltend zu machen. Nach Ablauf dieser Frist gilt sowohl die Einschätzung als anerkannt, wie auch, dass ein Netzwerk im Sinne dieses Tarifs vorhanden ist. Die Einrede 'Kein Netzwerk' kann in diesem Fall nicht mehr geltend gemacht werden." 
 
 
2.2.3. Weshalb die tariflich vorgesehene Anerkennung der Schätzung aufgrund der im Rahmen des vorinstanzlichen Verfahrens erhobenen Behauptung der Beschwerdegegnerin, sie verfüge über kein Kopiergerät bzw. Netzwerk, unbeachtlich sein soll, leuchtet nicht ein. Die Auskunftspflicht nach Art. 51 URG zielt insbesondere darauf ab, die Position der Verwertungsgesellschaften gegenüber den Nutzern im Bereich der unkontrollierbaren Massennutzungen zu stärken. In diesem Bereich sind die Verwertungsgesellschaften in besonderem Masse auf die Mitwirkung der Nutzer angewiesen. Diese sind daher gesetzlich dazu verpflichtet, den Verwertungsgesellschaften die für die Ermittlung des anzuwendenden Tarifs erforderlichen Angaben zu machen (CARLO GOVONI/ANDREAS STEBLER, in: Schweizerisches Immaterialgüter- und Wettbewerbsrecht [SIWR] II/1, 3. Aufl. 2014, Rz. 1413 f.). Eine fehlende oder mangelhafte Mitwirkung kann in der Tarifgestaltung berücksichtigt werden (Botschaft vom 19. Juni 1989 zu einem Bundesgesetz über das Urheberrecht und verwandte Schutzrechte, BBl 1989 III 561 Ziff. 214.4; vgl. auch BARRELET/MEIER, a.a.O., N. 10 zu Art. 51 URG).  
Bei der Vorgabe in Ziffer 8.5 GT 8 VI/GT 8 VII/GT 9 VII und Ziffer 6.7 GT 9 VI, bei Fehlen eines Kopiergeräts bzw. Netzwerks dies der Beschwerdeführerin mit dem vorgesehenen Formular mitzuteilen, handelt es sich um eine zulässige Konkretisierung der in Art. 51 URG statuierten Auskunftspflicht (Urteil 4A_382/2019 vom 11. Dezember 2019 E. 3; vgl. auch Urteil 4A_418/2007 vom 13. Dezember 2007 E. 4). Inwiefern diese tarifliche Auskunftspflicht und die Verbindlichkeit der erfolgten Einschätzung bei Ausbleiben der entsprechenden Erklärung innert der Frist von 30 Tagen mit zwingenden gesetzlichen Vorschriften unvereinbar sein soll, ist nicht ersichtlich. Die Beschwerdegegnerin behauptete denn auch nicht, dass sie die erfolgte Einschätzung fristgerecht beanstandet hätte, oder dass sie hinsichtlich der Möglichkeit einer Korrektur dieser Einschätzung von der Beschwerdeführerin unzulänglich informiert worden wäre, sondern räumt selber ein, erst auf die nachfolgenden Rechnungen (telefonisch) reagiert zu haben. Indem die Vorinstanz - obwohl nach erfolgter Einschätzung keine form- und fristgerechte Erklärung erfolgt war - die im Rahmen des vorinstanzlichen Verfahrens erhobene Bestreitung der Beschwerdegegnerin, über ein Kopiergerät bzw. Netzwerk zu verfügen, berücksichtigte und mangels Beweises durch die Beschwerdeführerin eine Vergütungspflicht verneinte, missachtete sie die Geltung der tariflichen Bestimmungen. Diese tragen in zulässiger Weise den praktischen Schwierigkeiten Rechnung, mit denen die Erfassung von Massennutzungen urheberrechtlich geschützter Werke verbunden ist. Vergütungsansprüche, die mit zwingenden gesetzlichen Vorschriften unvereinbar wären, werden damit nicht geschaffen. 
Der Beschwerdeführerin steht daher gegenüber der Beschwerdegegnerin gestützt auf die anerkannte Einschätzung ein Anspruch auf tarifliche Vergütung gemäss GT 8 VI bzw. GT 8 VII und GT 9 VI bzw. GT 9 VII zu. Die konkreten Beträge der Einschätzung sind nicht umstritten. 
 
3.  
In Gutheissung der Beschwerde ist der angefochtene Entscheid aufzuheben und die Beschwerdegegnerin zur Zahlung von Fr. 978.90 nebst Zins zu 5 % seit 9. Oktober 2018 zu verurteilen. Im Übrigen ist die Sache zur Neuregelung der Kosten- und Entschädigungsfolgen des kantonalen Verfahrens an die Vorinstanz zurückzuweisen (vgl. Art. 67 und Art. 68 Abs. 5 Satz 2 BGG). 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird gutgeheissen, der angefochtene Entscheid des Handelsgerichts des Kantons Aargau vom 29. November 2019 wird aufgehoben und die Beschwerdegegnerin wird zur Zahlung von Fr. 978.90 nebst Zins zu 5 % seit 9. Oktober 2018 an die Beschwerdeführerin verurteilt. 
 
2.  
Im Übrigen wird die Sache zur Neuregelung der Kosten- und Entschädigungsfolgen des vorinstanzlichen Verfahrens an das Handelsgericht des Kantons Aargau zurückgewiesen. 
 
3.  
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt. 
 
4.  
Die Beschwerdegegnerin hat die Beschwerdeführerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2'500.-- zu entschädigen. 
 
5.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Handelsgericht des Kantons Aargau, 1. Kammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 17. April 2020 
 
Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: Kiss 
 
Der Gerichtsschreiber: Leemann