Avis important:
Les versions anciennes du navigateur Netscape affichent cette page sans éléments graphiques. La page conserve cependant sa fonctionnalité. Si vous utilisez fréquemment cette page, nous vous recommandons l'installation d'un navigateur plus récent.
 
 
Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
1B_323/2018  
 
 
Urteil vom 17. Oktober 2018  
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Merkli, Präsident, 
Bundesrichter Karlen, Eusebio, 
Gerichtsschreiberin Sauthier. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
vertreten durch Advokat Silvio Bürgi, 
 
gegen  
 
1. Marie-Louise Stamm, 
2. Christoph A. Spenlé, 
beide c/o Appellationsgericht, des Kantons Basel-Stadt, Bäumleingasse 1, 4051 Basel, 
Beschwerdegegner, 
 
Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt, Binningerstrasse 21, Postfach 1348, 4001 Basel. 
 
Gegenstand 
Strafverfahren; Ausstand, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt, Dreiergericht, vom 23. März 2018 (DG.2018.16). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Das Strafgericht des Kantons Basel-Stadt sprach A.________ mit Urteil vom 6. September 2016 der Gewalt und Drohung gegen Beamte, der Sachbeschädigung, qualifiziert begangen durch öffentliche Zusammenrottung und grossen Schaden, des mehrfachen Landfriedensbruchs und der Begünstigung schuldig und verurteilte ihn zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 18 Monaten. 
Dagegen erhob A.________ mit Eingabe vom 17. Februar 2017 Berufung beim Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt. Anlässlich der mündlichen Berufungsverhandlung vom 23. März 2018 stellte A.________ ein Ausstandsbegehren gegen die Richterin Dr. Marie-Louise Stamm und den Richter Dr. Christoph A. Spenlé. Mit Entscheid vom 23. März 2018 wies das Appellationsgericht in Abwesenheit der abgelehnten Richter das Ausstandsgesuch ab. 
 
B.   
Mit Beschwerde in Strafsachen an das Bundesgericht vom 4. Juli 2018 beantragt A.________, der Entscheid des Appellationsgerichts sei aufzuheben und das Ausstandsgesuch vom 23. März 2018 gegen die Mitglieder der Gerichtskammer, Dr. Marie-Louise Stamm und Dr. Christoph A. Spenlé, sei gutzuheissen. Sämtliche bisherigen Verfahrenshandlungen im Verfahren SB.2017.15, an denen die genannten Personen mitgewirkt haben, seien aufzuheben und zu wiederholen. Weiter sei die Beschwerde in Strafsachen gegen das Urteil des Appellationsgerichts SB.2017.15 vom 23. März 2018 (Endentscheid) zu sistieren, bis über die vorliegende Beschwerde entschieden worden sei. Im Übrigen ersucht der Beschwerdeführer um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung. 
Die Beschwerdegegner beantragen, die Beschwerde abzuweisen. Das Appellationsgericht hat auf eine Vernehmlassung verzichtet. Die Staatsanwaltschaft stellt den Antrag, auf die Beschwerde sei nicht einzutreten, eventualiter sei sie abzuweisen. Der Beschwerdeführer nahm dazu Stellung. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Beim angefochtenen Urteil handelt es sich um einen selbständig eröffneten Zwischenentscheid über ein Ausstandsbegehren in einer Strafsache (Art. 78 Abs. 1 und Art. 92 Abs. 1 BGG). Das Appellationsgericht hat als letzte und einzige kantonale Instanz entschieden (Art. 80 BGG i.V.m. Art. 59 Abs. 1 StPO). Der Beschwerdeführer ist gemäss Art. 81 Abs. 1 BGG zur Beschwerde befugt. Die weiteren Sachurteilsvoraussetzungen geben zu keinen Bemerkungen Anlass, weshalb auf die Beschwerde einzutreten ist. 
 
2.   
Vorab stellt sich die Frage nach der Rechtzeitigkeit des Ausstandsgesuchs. 
 
2.1. Die Staatsanwaltschaft bringt in ihrer Stellungnahme an das Bundesgericht vor, auf das verspätet vorgebrachte Ausstandsgesuch sei nicht einzutreten. Demgegenüber liess die Vorinstanz die Frage nach der Rechtzeitigkeit mit der Begründung offen, das Gesuch sei ohnehin abzuweisen. Sie hielt aber fest, es sei unbestritten, dass sich der Beschwerdeführer das Verhalten seines jeweiligen Rechtsvertreters anrechnen lassen müsse.  
 
2.2. Der Beschwerdeführer macht geltend, er habe seinen aktuellen Rechtsvertreter erst kurz vor der Berufungsverhandlung mandatiert. Dieser habe, obschon ihm die Akten in elektronischer Form bereits am 13. März 2018 zugestellt worden seien, erst einen Tag vor der Berufungsverhandlung zufällig erfahren, dass die Beschwerdegegner bereits in einem Verfahren betreffend eine angebliche Mittäterin des Beschwerdeführers am 18. Dezember 2015 ein Urteil gefällt hätten. In diesem Urteil hätten sie in massgeblicher Art und Weise zu zentralen beweisrechtlichen Fragen Stellung genommen. Der Beschwerdeführer ist daher der Auffassung, er habe das mündliche Ausstandsgesuch anlässlich der Berufungsverhandlung am nächsten Tag rechtzeitig gestellt. Vom ehemaligen Rechtsvertreter habe zudem nicht verlangt werden können, dieser müsse von einzelnen Spruchkörperbesetzungen aus anderen Verfahren, welche nicht Bestandteil der Akten des laufenden Verfahrens seien, Kenntnis haben. Diese Ausführungen der Vorinstanz seien überspitzt formalistisch und würden gegen Treu und Glauben verstossen.  
 
3.  
 
3.1. Gemäss Art. 58 Abs. 1 StPO hat die Partei, die den Ausstand einer in einer Strafbehörde tätigen Person verlangt, der Verfahrensleitung ohne Verzug ein entsprechendes Gesuch zu stellen, sobald sie vom Ausstandsgrund Kenntnis hat; die den Ausstand begründenden Tatsachen sind glaubhaft zu machen. Nach der Rechtsprechung ist der Ausstand in den nächsten Tagen nach Kenntnisnahme zu verlangen. Andernfalls verwirkt der Anspruch. Ein Gesuch, das sechs bis sieben Tage nach Kenntnis des Ausstandsgrunds eingereicht wird, gilt als rechtzeitig. Unzulässig ist jedenfalls ein Zuwarten während zwei Wochen (Urteil 1B_226/2018 vom 3. Juli 2018 E. 2.1 mit Hinweisen). Dies gilt auch, soweit eine Verletzung von Art. 6 EMRK gerügt wird (BGE 143 V 66 E. 4.3 S. 69; 132 II 485 E. 4.3 S. 496; je mit Hinweisen).  
 
3.2. Grundsätzlich unbestritten ist, dass das Ausstandsbegehren rechtzeitig erhoben worden wäre, sofern der Beschwerdeführer tatsächlich erst einen Tag vor der Berufungsverhandlung vom 23. März 2018 Kenntnis vom geltend gemachten Ausstandsgrund erhalten hätte. Aus dem angefochtenen Entscheid geht jedoch hervor, dass die Besetzung des Gerichts dem ehemaligen Rechtsvertreter des Beschwerdeführers bereits mit Vorladungsverfügung vom 11. Dezember 2017 mitgeteilt worden war. Somit stellt sich die Frage, ob der ehemalige Rechtsvertreter den Ausstandsgrund bereits damals erkannte bzw. bei pflichtgemässer Aufmerksamkeit hätte erkennen und ohne Verzug den Ausstand der Mitglieder der Gerichtskammer hätte verlangen müssen. Ist dies der Fall, ist das am 23. März 2018, ca. drei Monate nach der tatsächlichen Kenntnisnahme, erhobene Ausstandsgesuch gemäss der zitierten Rechtsprechung verspätet eingereicht worden.  
 
3.3. Gemäss den vorinstanzlichen Feststellungen hatte der ehemalige Rechtsvertreter des Beschwerdeführers bereits dessen angebliche Mittäterin vertreten. Diese wurde u.a. von den Beschwerdegegnern mit Entscheid vom 18. Dezember 2015 verurteilt. Der Vorinstanz ist daher zuzustimmen, wenn sie erwog, der ehemalige Rechtsvertreter habe spätestens mit der Vorladung zur Berufungsverhandlung des Beschwerdeführers im Dezember 2017 Kenntnis von der Besetzung des Spruchkörpers erhalten und spätestens dann gewusst bzw. wissen müssen, dass zwei Mitglieder des Gerichts bereits im früheren Verfahren über die angebliche Mittäterin geurteilt hatten.  
Soweit der Beschwerdeführer einwendet, es habe vom ehemaligen Rechtsvertreter, bei welchem es sich um einem "versierten" respektive "bekannten" Strafverteidiger handle, welcher eine Vielzahl von Strafrechtsmandaten gleichzeitig führe, nicht erwartet werden können, dass dieser von einzelnen Spruchkörperbesetzungen aus anderen von ihm geführten Fällen auswendig Kenntnis habe, ist ihm dem Grundsatz nach zwar zuzustimmen. Hier liegen jedoch besondere Umstände vor, welche eine andere Beurteilung rechtfertigen. 
 
3.4. Wie der Beschwerdeführer selbst vorbringt, handelt es sich vorliegend insofern um ein konnexes Verfahren, als sowohl er als auch die angebliche Mittäterin beschuldigt wurden, an derselben Demonstration am 21. Mai 2010 in der Basler Innenstadt teilgenommen und dabei diverse Straftaten begangen zu haben. Weiter wurden sowohl der Beschwerdeführer als auch die angebliche Mittäterin in diesen Verfahren vom selben Rechtsvertreter vertreten.  
Obschon mithin von einem Rechtsvertreter im Normalfall grundsätzlich nicht erwartet werden kann, dass er sich an die Spruchkörperbesetzung in all seinen (zusammenhanglosen) Verfahren erinnern kann, liegen hier aufgrund der Konnexität der beiden Verfahren besondere Umstände vor. Aufgrund der Tatsache, dass die angebliche Mittäterin und der Beschwerdeführer vom selben Rechtsvertreter vertreten wurden, durfte die Vorinstanz davon ausgehen, dieser habe Kenntnis sowohl vom Urteil gegen die angebliche Mittäterin als auch von der damaligen Besetzung gehabt bzw. Letztere ohne weiteres in Erfahrung bringen können. Es spielt insofern auch keine Rolle, dass dem ehemaligen Rechtsvertreter des Beschwerdeführers die Vorladung erst rund zwei Jahre nach der Verhandlung der angeblichen Mittäterin zugestellt wurde. 
Die Vorinstanz hat daher kein Bundesrecht verletzt, wenn sie festgehalten hat, indem es der ehemalige Rechtsvertreter unterlassen habe, innert kurzer Frist ein Ausstandsgesuch zu stellen, sei der Anspruch des Beschwerdeführers allfällige Ausstandsgründe aufgrund der Spruchkörperbesetzung geltend zu machen, verwirkt. Diese Ausführungen der Vorinstanz sind nicht zu beanstanden. Ebenfalls zutreffend ist in diesen Zusammenhang die Erwägung der Vorinstanz, wonach sich der Beschwerdeführer das Handeln bzw. Unterlassen seines ehemaligen Rechtsvertreters anrechnen lassen müsse, was überdies vom Beschwerdeführer zu Recht auch nicht bestritten wird. 
An der verpassten Frist ändert sodann auch der Einwand des Beschwerdeführer nichts, das Urteil vom 18. Dezember 2015 liege nicht in den Akten und es sei auch nicht auf dieses Verfahren hingewiesen worden. Diese Tatsache wäre lediglich von Bedeutung, sofern es sich nicht um denselben Rechtsvertreter gehandelt hätte, welcher über beide Verfahren und insbesondere die Besetzung des Gerichts Bescheid wusste bzw. Bescheid wissen musste. Die diesbezüglichen Ausführungen der Vorinstanz sind weder überspitzt formalistisch noch verstossen sie gegen Treu und Glauben. 
Als unbegründet erweist sich im Übrigen auch die Rüge des Beschwerdeführers, wonach ein offensichtlicher Anschein der Befangenheit vorgelegenen habe, weshalb die Beschwerdegegner ohnehin zwingend von sich aus in den Ausstand hätten treten müssen. Dies trifft nicht zu. 
 
3.5. Bei gesamthafter Betrachtung der genannten Umstände erfolgte das am 23. März 2018 gestellte Ausstandsbegehren klar verspätet. Es erübrigt sich daher, auf die inhaltliche Begründung des angefochtenen Entscheids einzugehen.  
 
4.   
Die Beschwerde ist somit abzuweisen. Das Gesuch des Beschwerdeführers um unentgeltliche Rechtspflege ist wegen Aussichtslosigkeit der Rechtsbegehren ebenfalls abzuweisen (Art. 64 Abs. 1 BGG). Damit sind die Gerichtskosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.   
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen. 
 
3.   
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
4.   
Dieses Urteil wird den Parteien, der Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt und dem Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt, Dreiergericht, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 17. Oktober 2018 
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Merkli 
 
Die Gerichtsschreiberin: Sauthier