Avis important:
Les versions anciennes du navigateur Netscape affichent cette page sans éléments graphiques. La page conserve cependant sa fonctionnalité. Si vous utilisez fréquemment cette page, nous vous recommandons l'installation d'un navigateur plus récent.
 
 
Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
8C_709/2019  
 
 
Urteil vom 19. Mai 2020  
 
I. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Maillard, Präsident, 
Bundesrichterin Heine, Bundesrichter Wirthlin, 
Gerichtsschreiberin Berger Götz. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Kaspar Gehring, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
IV-Stelle des Kantons Aargau, 
Bahnhofplatz 3C, 5000 Aarau, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau 
vom 12. September 2019 (VBE.2018.958). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Der 1974 geborene A.________ war zuletzt seit 1. April 2007 als Sanitärinstallateur und Bodenleger für die B.________ GmbH tätig. Am 11. Juni 2012 meldete er sich zum Bezug von Leistungen bei der Invalidenversicherung an. Mit Verfügung vom 14. November 2012 verneinte die IV-Stelle Aargau einen Anspruch auf berufliche Massnahmen unter Hinweis darauf, dass A.________ seit August 2012 wieder im angestammten Pensum arbeite, weshalb er angemessen eingegliedert sei. Am 5. November 2013 meldete sich A.________ wiederum bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Die IV-Stelle gewährte ihm in der Folge berufliche Massnahmen (Berufsberatung und Abklärung der beruflichen Eingliederungsmöglichkeiten bei der Genossenschaft C.________ vom 17. November 2014 bis 22. Februar 2015). Als sie diese mit Verfügung vom 5. April 2016 abschloss, stellte sie betreffend Rente eine separate Verfügung in Aussicht. Nach Durchführung des Vorbescheidverfahrens lehnte sie einen Rentenanspruch unter Hinweis auf einen Invaliditätsgrad von 7 % ab (Verfügung vom 9. November 2018). 
 
B.   
Das Versicherungsgericht des Kantons Aargau wies die dagegen erhobene Beschwerde ab (Entscheid vom 12. September 2019). 
 
C.   
A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen und beantragen, in Aufhebung des kantonalgerichtlichen Entscheids vom 12. September 2019 und der Verfügung der IV-Stelle vom 9. November 2018 sei die IV-Stelle zu verpflichten, ihm die gesetzlichen Leistungen, insbesondere Rentenleistungen, zu gewähren. 
Die IV-Stelle schliesst ohne weitere Ausführungen auf Abweisung der Beschwerde. Das kantonale Gericht und das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichten auf eine Vernehmlassung. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist folglich weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann sie mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen. Immerhin prüft das Bundesgericht, unter Berücksichtigung der allgemeinen Pflicht zur Begründung der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 141 V 234 E. 1 S. 236 mit Hinweisen).  
 
1.2. Das Bundesgericht kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). Überdies muss die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein (Art. 97 Abs. 1 BGG). Eine Sachverhaltsfeststellung ist nicht schon dann offensichtlich unrichtig, wenn sich Zweifel anmelden, sondern erst, wenn sie eindeutig und augenfällig unzutreffend ist (BGE 132 I 42 E. 3.1 S. 44). Es liegt noch keine offensichtliche Unrichtigkeit vor, nur weil eine andere Lösung ebenfalls in Betracht fällt, selbst wenn diese als die plausiblere erscheint (vgl. BGE 129 I 8 E. 2.1 S. 9; Urteil 9C_838/2016 vom 3. März 2017 E. 5.1). Diese Grundsätze gelten auch in Bezug auf die konkrete Beweiswürdigung (Urteil 9C_222/2016 vom 19. Dezember 2016 E. 1.2 mit Hinweis); in diese greift das Bundesgericht auf Beschwerde hin nur bei Willkür (zu diesem Begriff BGE 137 I 1 E. 2.4 S. 5 mit Hinweisen) ein, insbesondere wenn die Vorinstanz offensichtlich unhaltbare Schlüsse zieht, erhebliche Beweise übersieht oder solche grundlos ausser Acht lässt (BGE 132 III 209 E. 2.1 S. 211). Solche Mängel sind in der Beschwerde aufgrund des strengen Rügeprinzips (vgl. Art. 106 Abs. 2 BGG) klar und detailliert aufzuzeigen (BGE 130 I 258 E. 1.3 S. 261 f.). Auf ungenügend begründete Rügen oder bloss allgemein gehaltene appellatorische Kritik am angefochtenen Entscheid tritt das Bundesgericht nicht ein (BGE 134 II 244 E. 2.2 S. 246 mit Hinweis).  
 
1.3. Als Rechtsfrage gilt, ob der in rechtlicher Hinsicht (oder zur Beurteilung der strittigen Ansprüche) massgebliche Sachverhalt vollständig festgestellt wurde. Rechtsfrage ist sodann die Beachtung des Untersuchungsgrundsatzes bzw. der Beweiswürdigungsregeln nach Art. 61 lit. c ATSG und der Anforderungen an den Beweiswert von Arztberichten (vgl. BGE 134 V 231 E. 5.1 S. 232). Bei den aufgrund dieser Berichte getroffenen Feststellungen zum Gesundheitszustand und zur Arbeitsfähigkeit sowie bei der konkreten Beweiswürdigung geht es um Sachverhaltsfragen (Urteil 8C_590/2015 vom 24. November 2015 E. 1, nicht publ. in BGE 141 V 585; BGE 132 V 393 E. 3.2 S. 397).  
 
2.   
Streitig und zu prüfen ist, ob das kantonale Gericht Bundesrecht verletzte, indem es - mit der Verwaltung - einen Anspruch des Versicherten auf eine Rente der Invalidenversicherung verneinte. 
 
3.   
Das kantonale Gericht hat die für die Beurteilung des Rentenanspruchs gemäss Art. 28 Abs. 1 IVG massgeblichen Bestimmungen und die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze, insbesondere zur Erwerbsunfähigkeit (Art. 7 ATSG) und zur Invalidität (Art. 8 Abs. 1 ATSG in Verbindung mit Art. 4 Abs. 1 IVG [1, S. 3 f. E. 3]) sowie zur Ermittlung des Invaliditätsgrades nach der Methode des Einkommensvergleichs (Art. 16 ATSG [1, S. 9 f. E. 7.1]), zutreffend dargelegt. Richtig sind auch die Ausführungen zum Beweiswert sowie zur Beweiswürdigung ärztlicher Berichte und Gutachten (BGE 143 V 124 E. 2.2.2 S. 126 f.; 137 V 210 E. 6.2.2 S. 269; 134 V 231 E. 5.1 S. 232; 125 V 351 E. 3 S. 352 mit Hinweisen [1, S. 4 f. E. 5]). Darauf wird verwiesen. 
 
4.  
 
4.1. Die Vorinstanz mass dem Gutachten der Dr. med. D.________, Fachärztin für Chirurgie/Unfallchirurgie, vom 31. Juli 2018, worin neben einer Adipositas wiederkehrende unspezifische Schmerzen im linken Kniegelenk bei Knorpelschaden an der lateralen Femurtrochlea, im rechten Sprunggelenk nach konservativ behandelter und achsengerecht verheilter Fraktur der Basis des fünften Mittelfussknochens sowie im rechten Unterschenkel nach Logenspaltung medial distal diagnostiziert werden, volle Beweiskraft bei. Die Expertin ging davon aus, dass die bisherige Tätigkeit als Sanitärmonteur spätestens seit 2014 nicht mehr "wettbewerbsfähig" ausgeübt werden könne. In einer angepassten, körperlich leichten bis gelegentlich mittelschweren Tätigkeit, überwiegend im Sitzen, mit Heben und Tragen von leichten Lasten, ohne überwiegende Laufbelastung, ohne ständiges Besteigen von Leitern und Gerüsten und ohne ständiges Knien und Hocken, sei der Versicherte seit 2014, ausgenommen akute Erkrankungszeiträume, vollschichtig arbeitsfähig (bei vollem Pensum und voller Leistung). Das kantonale Gericht räumte zwar ein, dass es die Gutachterin - obwohl ihr sämtliche Unterlagen bekannt gewesen seien - unterlassen habe, die übrigen ärztlichen Stellungnahmen in ihrer Beurteilung eingehend zu diskutieren. Dennoch könne auf ihre Einschätzung abgestellt werden. Den vorhandenen medizinischen Berichten seien nämlich keine Anhaltspunkte zu entnehmen, welche die Expertise, namentlich die darin enthaltene Arbeitsfähigkeitseinschätzung, in Frage stellen würden. Aus dem auf der Basis einer 100%igen Arbeitsfähigkeit in einer Verweistätigkeit vorgenommenen Einkommensvergleich resultiere auch bei einem maximalen 25%igen Leidensabzug vom Invalideneinkommen kein rentenbegründender Invaliditätsgrad.  
 
4.2. Die vom Beschwerdeführer dagegen erhobenen Einwände führen zu keinem anderen Ergebnis.  
 
4.2.1. Soweit er einwendet, die beruflichen Massnahmen vom 17. November 2014 bis 22. Februar 2015 und die Erfahrungen des aktuellen Arbeitgebers (gemäss Stellungnahme vom 23. November 2018) hätten gezeigt, dass das Arbeitspensum bei Beendigung der Massnahmen im Februar 2015 instabil gewesen sei und auch in einer angepassten Arbeit nur 50 % betragen habe, sodass die Fachpersonen damals die Vermittelbarkeit verneint hätten und die leichten Allrounder-Tätigkeiten nun lediglich in einem Maximalpensum von 30 % ausgeführt werden könnten, lässt sich daraus nichts zu seinen Gunsten ableiten. Denn das kantonale Gericht hat dazu willkürfrei festgehalten, dass diese berufspraktischen Beobachtungen in erster Linie die subjektive Arbeitsleistung der versicherten Person wiedergeben und sich die Frage nach allfälligen medizinischen Gründen für die beobachteten Einschränkungen gestützt darauf nicht restlos beantworten lasse.  
 
4.2.2. Weiter rügt der Beschwerdeführer, auf die aktenkundigen neueren Berichte, worin über den komplizierten postoperativen Verlauf berichtet worden sei, nehme die Vorinstanz nicht Bezug, was eine Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes bedeute. Der Verlauf nach dem operativen Eingriff am rechten Fuss vom 15. August 2016 habe nicht die erhoffte Besserung gebracht. In der Stellungnahme der Klinik E._________ vom 8. November 2018 (richtig: 2016) werde zehn Wochen postoperativ von deutlichen Beschwerden und diversen Schmerzproblematiken sowohl am Fuss-/Sprunggelenk wie auch im Unterschenkel und Knie berichtet. Auch anlässlich der Verlaufskontrolle vom 31. Januar 2017 sei festgehalten worden, dass weder kurz- noch langfristig eine Besserung habe erreicht werden können und am 14. März 2017 werde sodann von einer postoperativen Schmerzzunahme, Schwellung im Unterschenkel- und Sprunggelenkbereich und von weiterhin erheblichen Einschränkungen sowie vermehrten Kniebeschwerden berichtet. Durch die behandelnden Ärzte der Klinik E._________ und den Hausarzt werde übereinstimmend durchgehend eine vollständige Arbeitsunfähigkeit ausgewiesen, die prognostisch bei gutem Verlauf auf 50 % in einer angepassten Tätigkeit verbessert werden könnte.  
Entgegen der Ansicht des Versicherten ist das kantonale Gericht auf diese "neueren", aber dennoch vor der gutachterlichen Untersuchung datierenden medizinischen Akten eingegangen, wenn auch nicht auf jeden Bericht separat, enthalten sie doch bezüglich Arbeitsfähigkeit keine oder gleichlautende Angaben ohne weitere Ausführungen (vgl. namentlich den Bericht der Klinik E._________ vom 11. Oktober 2016: Wiedererlangung der "vorherigen" Arbeitsfähigkeit zu mindestens    50 %). Es ist zum Schluss gekommen, dass sie die Beurteilung von Dr. med. D.________ nicht in Frage stellen könnten. Tatsächlich standen diese Unterlagen der Expertin vollständig zur Verfügung und sie hat die wesentlichen Auszüge daraus in ihrem Gutachten zitiert. Wenn das kantonale Gericht auf ihre begründete Arbeitsfähigkeitseinschätzung abstellt, obwohl die abweichenden Angaben der behandelnden Fachpersonen zur Leistungseinschränkung - bei im Wesentlichen gleichen Diagnosen - in der Expertise nicht diskutiert werden, so verletzt dies bei der klaren medizinischen Ausgangslage kein Bundesrecht. 
 
4.2.3. Schliesslich ergibt sich auch aus der Argumentation, weder die Gutachterin noch die Vorinstanz würden den Längsverlauf bei instabilem Gesundheitszustand berücksichtigen, sondern lediglich auf eine Momentaufnahme abstellen, nichts anderes. Der Beschwerdeführer verkennt, dass sich - abgesehen von der 100%igen Arbeitsunfähigkeit vom 15. August bis 10. November 2016 im Zusammenhang mit der Logenspaltung am rechten Unterschenkel - in einer leidensangepassten Tätigkeit, die überwiegend im Sitzen zu verrichten ist, eine Einschränkung der Arbeitsfähigkeit nicht begründen lässt. Denn in einer optimal angepassten Beschäftigung müssen das linke Kniegelenk, das rechte Sprunggelenk und der rechte Unterschenkel keinen übermässigen Belastungen ausgesetzt werden. Ob die aktuelle Arbeit in einem 30%-Pensum den gutachtlichen Vorgaben Rechnung trägt, kann weder den Ausführungen des Versicherten noch dem Mitarbeiterbericht vom 23. November 2018 (der eher Gegenteiliges vermuten lässt, namentlich bezüglich der von ihm durchzuführenden Kontrollen auf der Baustelle und Aushilfe bei "leichten Arbeiten" vor Ort) entnommen werden. Daher ist die Beweiswürdigung der Vorinstanz auch mit Blick auf den Umstand, dass er das 30%-Pensum bisher nicht steigern konnte, nicht als willkürlich zu qualifizieren. Sie durfte ohne weitere Abklärungen auf die Expertise abstellen. Von einer Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes oder einer den Beweiswert tangierenden Unvollständigkeit des Gutachtens kann keine Rede sein.  
 
4.2.4. Bezüglich der übrigen Rügen, die der Beschwerdeführer bereits im vorinstanzlichen Verfahren erhoben hatte, und auf die das kantonale Gericht in seinen Erwägungen überzeugend eingegangen ist, erübrigen sich Weiterungen. Zusammenfassend hat die Vorinstanz weder den Sachverhalt offensichtlich unrichtig festgestellt noch hat sie in anderer Hinsicht Bundesrecht verletzt, als sie dem Gutachten der Dr. med. D.________ vollen Beweiswert zuerkannte und gestützt darauf auf eine Arbeitsfähigkeit von 100 % in einer angepassten Tätigkeit schloss. Das gilt auch für den Verzicht auf weitere Beweismassnahmen, da diese keinen entscheidrelevanten neuen Aufschluss erwarten lassen (antizipierte Beweiswürdigung; BGE 141 I 60 E. 3.3 S. 64 mit Hinweis). Weil der Beschwerdeführer im Übrigen keine Einwände gegen die vorinstanzliche Invaliditätsbemessung vorbringt, hat es bei der Verneinung eines Rentenanspruchs sein Bewenden.  
 
5.   
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat der unterliegende Beschwerdeführer die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG).  
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Aargau, 4. Kammer, dem Bundesamt für Sozialversicherungen und der Pensionskasse F.________ schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 19. Mai 2020 
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Maillard 
 
Die Gerichtsschreiberin: Berger Götz