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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
1B_460/2018  
 
 
Urteil vom 20. November 2018  
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Merkli, Präsident, 
Bundesrichter Eusebio, Kneubühler, 
Gerichtsschreiber Störi. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
vertreten durch Rechtsanwalt Roger Burges, 
 
gegen  
 
Urs Walt, Untersuchungsamt St. Gallen, Schützengasse 1, 9001 St. Gallen, 
Beschwerdegegner, 
 
Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen, 
Untersuchungsamt St. Gallen, Schützengasse 1, 9001 St. Gallen. 
 
Gegenstand 
Strafverfahren; Ausstand, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid der Anklagekammer des Kantons St. Gallen vom 30. August 2018 (AK.2018.245-AK). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
A.________ wurde am 8. Dezember 2016 nach einer Autofahrt von der Stadtpolizei St. Gallen einer Atemalkoholkontrolle unterzogen, welche einen Wert von 0.5 mg/l ergab. Gestützt darauf eröffnete Urs Walt, Sachbearbeiter mit staatsanwaltlichen Befugnissen beim Untersuchungsamt St. Gallen, ein Strafverfahren gegen A.________. 
Urs Walt erliess am 30. Januar 2017 einen Strafbefehl gegen A.________. Dieser erhob Einsprache, worauf der Strafbefehl als Anklageschrift ans Kreisgericht St. Gallen überwiesen wurde. Dieses verurteilte A.________ am 15. Dezember 2017 wegen Fahrens in angetrunkenem Zustand mit qualifizierter Atemalkoholkonzentration. Das Kantonsgericht St. Gallen hob diesen Entscheid auf Berufung von A.________ hin am 11. Mai 2018 auf und wies die Anklage zur Ergänzung resp. Berichtigung ans Untersuchungsamt zurück mit der Begründung, Urs Walt sei nicht berechtigt, Anklage zu erheben. 
Am 2. Juli 2018 lud Urs Walt A.________ zur Einvernahme vom 12. Juli 2018 vor. Am 9. Juli 2018 reichte A.________ bei der Anklagekammer Beschwerde ein mit dem Antrag, die Vorladung aufzuheben und die Sache einem anderen Staatsanwalt zu übertragen. 
Am 30. August 2018 wies die Anklagekammer das Ausstandsgesuch ab. 
 
B.   
Mit Beschwerde in Strafsachen beantragt A.________, diesen Entscheid der Anklagekammer aufzuheben und die Sache von Anfang an von einem unbefangenen Staatsanwalt oder einer unbefangenen Staatsanwältin beurteilen zu lassen. 
 
C.   
Die Anklagekammer beantragt in ihrer Vernehmlassung, die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei. Der Leitende Staatsanwalt beantragt, die Beschwerde abzuweisen. 
A.________ hält in seiner Replik an der Beschwerde fest. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Der angefochtene Entscheid schliesst das Strafverfahren nicht ab, er ermöglicht vielmehr dessen Weiterführung. Es handelt sich um einen selbständig eröffneten, kantonal letztinstanzlichen Zwischenentscheid über ein Ausstandsbegehren, gegen den die Beschwerde in Strafsachen nach Art. 92 Abs. 1 BGG zulässig ist. Als Beschuldigter ist der Beschwerdeführer zur Beschwerde berechtigt (Art. 81 Abs. 1 lit. a und b BGG). Die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen geben zu keinen Bemerkungen Anlass, weshalb auf die Beschwerde einzutreten ist. 
 
2.   
Wie sich aus dem Dispositiv des angefochtenen Entscheids ergibt, hat die Anklagekammer einzig das Ausstandsgesuch des Beschwerdeführers gegen Urs Walt beurteilt und es abgewiesen. Sie hat zwar am Rande auch einige Überlegungen zur Zuständigkeit angestellt (E. 3.1), aber darüber keinen formellen Beschluss gefasst und die Frage damit dem Sachrichter vorbehalten. Gegenstand des bundesgerichtlichen Verfahrens kann daher ausschliesslich die Ausstandsfrage sein. 
 
3.   
Der Beschwerdeführer hält Urs Walt für befangen, weil er in dieser Sache bereits einen Strafbefehl gegen ihn erlassen und Anklage erhoben habe. "Müsste er z.B. nun das Rad noch einmal neu erfinden, wäre kaum anzunehmen, dass es beim zweiten Versuch vier Ecken hätte!" (Beschwerde S. 11). 
 
3.1. Nach Art. 29 Abs. 1 BV kann ein Staatsanwalt abgelehnt werden, wenn Umstände vorliegen, die nach objektiven Gesichtspunkten geeignet sind, den Anschein der Befangenheit zu erwecken (BGE 127 I 196 E. 2b S. 198 f. mit Hinweisen). Der Unvoreingenommenheit des Staatsanwalts kann unter gewissen Gesichtspunkten zwar eine ähnliche Bedeutung zukommen wie der richterlichen Unabhängigkeit und Unparteilichkeit. Die Grundsätze von Art. 30 Abs. 1 BV dürfen jedoch nicht unbesehen auf nicht richterliche Behörden bzw. auf Art. 29 Abs. 1 BV übertragen werden (vgl. BGE 125 I 119 E. 3b S. 124; 125 I 209 E. 8 S. 217; Urteil 1B_56/2008 vom 24. Juni 2008 E. 4).  
 
3.2. Eine gewisse Besorgnis der Voreingenommenheit und damit Misstrauen in das Gericht kann bei den Parteien immer dann entstehen, wenn eine Gerichtsperson mit der gleichen Sache in der gleichen Stellung schon einmal befasst war. Grundsätzlich liegt jedoch keine unzulässige Mehrfachbefassung bei einer Gerichtsperson vor, die an dem durch die Rechtsmittelinstanz aufgehobenen Entscheid beteiligt war und nach Rückweisung der Sache an der Neubeurteilung mitwirkt (BGE 113 Ia 407 E. 2 S. 408; 114 Ia 50 E. 3d S. 58; 116 Ia 28 E. 2a S. 30; Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte [EGMR] i.S.  Ringeisen gegen Österreich vom 16. Juli 1971, Publications de la Cour européenne des droits de l'homme, Série A, Vol. 13, Ziff. 97; REGINA KIENER, Richterliche Unabhängigkeit, 2001, S. 172 f.; NIKLAUS OBERHOLZER, Grundzüge des Strafprozessrechts, 3. Aufl. 2012, Rz. 141; MARKUS BOOG, a.a.O., Rz. 29 zu Art. 56 StPO; ANDREAS J. KELLER, in: Zürcher Kommentar StPO, 2. Aufl. 2014, Rz. 32 zu Art. 56 StPO; je mit Nachweisen; DOVYDAS VITKAUSAS/GRIGORIY DIKOV, Protecting the right to a fair trial under the European Convention on Human Rights, 2012, S. 42 mit Hinweisen). Die am Entscheid beteiligten Richter der unteren Instanz stehen nicht von vorneherein unter dem Anschein der Befangenheit (Urteil des Bundesgerichts 1C_205/2009 vom 2. Juli 2009 E. 2.3 mit Hinweisen). Dafür bedarf es besonderer Umstände, namentlich konkreter Anhaltspunkte dafür, dass die Vorbefassung mit einer Strafsache bereits zur festen richterlichen Gewissheit über den Schuldpunkt geführt hat (Urteil des Bundesgerichts 1B_270/2007 vom 21. Juli 2009 E. 4.2; GEROLD STEINMANN, Ablehnung von Richtern bei der Neubeurteilung einer Beschwerdesache nach Aufhebung eines Entscheides durch die Rechtsmittelinstanz, in: Justice 4/2009, Rz. 1 ff.).  
 
3.3. Wie die Anklagekammer im angefochtenen Entscheid zu Recht erwogen hat, wurde die Sache aus rein formellen Gründen an das Untersuchungsamt zurückgewiesen. Der Beschwerdeführer nennt keine besonderen Umstände, weshalb Urs Walt von seiner Schuld bereits derart überzeugt sei, dass er sich durch den weiteren Verlauf des Verfahrens von vornherein nicht mehr von seinem vorgefassten Standpunkt abbringen liesse, und solche sind auch nicht ersichtlich. Die Anklagekammer konnte das Ausstandsgesuch somit ohne Verletzung von Bundesrecht abweisen.  
 
4.   
Die Beschwerde ist daher abzuweisen. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird der Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.   
Die Gerichtskosten in Höhe von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.   
Dieses Urteil wird den Parteien, der Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen, Untersuchungsamt St. Gallen, und der Anklagekammer des Kantons St. Gallen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 20. November 2018 
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Merkli 
 
Der Gerichtsschreiber: Störi