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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
8C_104/2024  
 
 
Urteil vom 22. Oktober 2024  
 
IV. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Wirthlin, Präsident, 
Bundesrichter Maillard, Bundesrichterinnen Heine, Viscione, Bundesrichter Métral, 
Gerichtsschreiber Wüest. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Advokat Erich Züblin, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
IV-Stelle des Kantons Aargau, 
Bahnhofplatz 3C, 5000 Aarau, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung (Invalidenrente), 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Versicherungsgerichtsdes Kantons Aargau vom 8. Dezember 2023 (VBE.2023.278). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
 
A.a. Die 1970 geborene A.________ arbeitete zuletzt als kaufmännische Angestellte. Am 8. Januar 2012 meldete sie sich wegen Kniebeschwerden bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Die IV-Stelle des Kantons Basel-Stadt sprach ihr in der Folge gestützt auf ein bidisziplinäres Gutachten sowie die Ergebnisse einer Abklärung der Leistungsfähigkeit im Haushaltsbereich mit Verfügung vom 11. Februar 2016 eine vom 1. Juli 2012 bis zum 31. Januar 2013 befristete ganze Invalidenrente zu. Die Verfügung wurde vom Sozialversicherungsgericht des Kantons Basel-Stadt mit Urteil vom 4. Juli 2016 bestätigt.  
 
A.b. Mit Anmeldung vom 29. Mai 2017 (Posteingang bei der IV-Stelle am 20. Juni 2017) beantragte A.________ erneut die Zusprache einer Invalidenrente und am 10. November 2017 ersuchte sie zudem um Ausrichtung einer Hilflosenentschädigung. Die inzwischen zuständige IV-Stelle des Kantons Aargau trat auf die Neuanmeldung ein und holte zwei polydisziplinäre Gutachten ein: Das erste Gutachten des Zentrums für Medizinische Begutachtung, Basel (ZMB), datiert vom 11. Februar 2019, das zweite Gutachten des Begutachtungszentrums BL, Binningen (BEGAZ), vom 8. März 2021. Mit Verfügung vom 7. November 2018 sprach die IV-Stelle A.________ mit Wirkung ab 1. Juli 2018 eine Hilflosenentschädigung leichten Grades und ab Oktober 2018 eine solche mittleren Grades zu. Das Rentenbegehren lehnte sie hingegen - nach erfolgtem Vorbescheidverfahren - mit Verfügung vom 4. Mai 2023 ab. Als Begründung hielt sie im Wesentlichen fest, bei der Adipositas handle es sich um kein invalidiserendes Leiden.  
 
B.  
Das Versicherungsgericht des Kantons Aargau wies die dagegen erhobene Beschwerde mit Urteil vom 8. Dezember 2023 ab. 
 
C.  
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten lässt A.________ beantragen, es sei das Urteil des Versicherungsgerichts vom 8. Dezember 2023 aufzuheben und die IV-Stelle zu verpflichten, ihr ab 1. Januar 2018 eine ganze Invalidenrente auszurichten. 
Die IV-Stelle schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) äussert sich zur Sache, ohne einen Antrag zu stellen. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann eine Rechtsverletzung nach Art. 95 f. BGG gerügt werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Dennoch prüft es - offensichtliche Fehler vorbehalten - nur die in seinem Verfahren gerügten Rechtsmängel (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG). Es legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG) und kann ihre Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Verfahrensausgang entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 und Art. 105 Abs. 2 BGG; BGE 145 V 57 E. 4). 
 
2.  
 
2.1. Streitig ist, ob die Vorinstanz Bundesrecht verletzt hat, indem sie den Rentenanspruch der Beschwerdeführerin abschlägig beschieden hat.  
 
2.2. Am 1. Januar 2022 traten im Zuge der Weiterentwicklung der IV revidierte Bestimmungen im IVG (SR 831.20) sowie im ATSG (SR 830.1) samt entsprechendem Verordnungsrecht in Kraft (Weiterentwicklung der IV [WEIV]; Änderung vom 19. Juni 2020, AS 2021 705, BBl 2017 2535; Urteil 8C_435/2023 vom 27. Mai 2024 E. 4.1, zur Publikation vorgesehen).  
Nach den allgemeinen Grundsätzen des - materiellen - intertemporalen Rechts sind bei einer Rechtsänderung in zeitlicher Hinsicht diejenigen Rechtssätze massgebend, die bei der Verwirklichung des zu Rechtsfolgen führenden Sachverhalts in Geltung standen (MATTHIAS KRADOLFER, in: Basler Kommentar, Allgemeiner Teil des Sozialversicherungsrechts, 2020, N. 8 zu Art. 82 ATSG; vgl. auch BGE 149 II 320 E. 3; 148 V 174 E. 4.1; 144 V 210 E. 4.3.1; 138 V 176 E. 7.1; 137 V 105 E. 5.3.1; 132 V 215 E. 3.1.1). In Anwendung dieses intertemporalrechtlichen Hauptsatzes ist bei einem dauerhaften Sachverhalt, der teilweise vor und teilweise nach dem Inkrafttreten der neuen Gesetzgebung eingetreten ist, der Anspruch auf eine Invalidenrente für die erste Periode nach den altrechtlichen Bestimmungen und für die zweite Periode nach den neuen Normen zu prüfen (Urteil 8C_770/2023 vom 11. Juli 2024 E. 2.1). Besondere übergangsrechtliche Regelungen bleiben vorbehalten (Urteil 8C_435/2023 vom 27. Mai 2024 E. 4.2 mit weiteren Hinweisen, zur Publikation vorgesehen). 
 
2.3. Die massgeblichen Rechtsgrundlagen über die Rentenrevision (Art. 17 ATSG; BGE 144 I 28 E. 2.2; 141 V 9 E. 2.3; 134 V 131 E. 3; 130 V 343 E. 3.5), insbesondere die Regel, dass der Rentenanspruch bei gegebenem Revisionsgrund für den Zeitpunkt der Revisionsverfügung in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht umfassend ("allseitig") neu zu prüfen ist (BGE 141 V 9 E. 2.3), sowie zur Invaliditätsbemessung bei Teilzeiterwerbstätigen (Art. 28a Abs. 3 IVG; Art. 27bis IVV) werden im angefochtenen Urteil zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen.  
 
3.  
 
3.1. Das kantonale Gericht erwog zunächst, die Neuanmeldung sei im Juni 2017 erfolgt, weshalb der frühestmögliche Anspruchsbeginn auf den 1. Dezember 2017 falle. Die Beschwerdeführerin habe sodann erstmals in ihrer Beschwerde vom 7. Juni 2023 einen Neuanmeldungsgrund im Sinne von Abs. 2 der Übergangsbestimmungen zur Änderung der IVV vom 1. Dezember 2017 geltend und auch glaubhaft (Invaliditätsgrad von 45,6 % bei Neuberechnung) gemacht. Die Vorinstanz liess in der Folge mit Blick auf das Ergebnis (Bestätigung der Ablehnung des Rentenbegehrens) offen, ob bei einer Neuanmeldung im Jahr 2017 die genannten Übergangsbestimmungen im Beschwerdeverfahren von Amtes wegen per 1. Januar 2018 zu berücksichtigen seien oder ob die Ausführungen in der Beschwerde sinngemäss als Neuanmeldung mit Neuberechnung des Invaliditätsgrades erst per 1. Dezember 2023 zu beurteilen seien.  
 
3.2. Hierzu ist festzuhalten, dass die Neuanmeldung im Juni 2017 nicht aufgrund der Verordnungsänderungen erfolgte, sondern aus gesundheitlichen Gründen. Wie die Vorinstanz richtig erkannte, könnte ein Rentenanspruch frühestens per 1. Dezember 2017 entstehen (vgl. Art. 29 Abs. 1 IVG). Die IV-Stelle trat auf die Neuanmeldung ein und klärte den Sachverhalt ab. Mit Verfügung vom 4. Mai 2023 lehnte sie das Rentenbegehren ab. Es ist nicht einzusehen, weshalb die geänderten Verordnungsbestimmungen zur Bemessung des Invaliditätsgrades bei Teilerwerbstätigen nicht per 1. Januar 2018 (resp. per 1. Januar 2022 mit den ab diesem Zeitpunkt geltenden Änderungen) Anwendung finden sollten. Auch das IV-Rundschreiben Nr. 372 vom 9. Januar 2018 des BSV sieht vor, dass bei einer Neuanmeldung aus einem anderen Grund vor dem 1. Juli 2017 ein allfälliger Rentenanspruch abgestuft bis zum 31. Dezember 2017 nach dem alten und per 1. Januar 2018 nach dem neuen Berechnungsmodell festzulegen ist.  
Ist die anspruchserhebliche Änderung glaubhaft gemacht und ist die IV-Stelle - wie hier - auf das neue Leistungsbegehren eingetreten, so ist dieses in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht umfassend zu prüfen (BGE 117 V 198 E. 3a; 109 V 108 E. 2; SVR 2014 IV Nr. 33 S. 121, 8C_746/2013 E. 2); sie hat demnach in analoger Weise wie bei einem Revisionsfall nach Art. 17 ATSG vorzugehen (Art. 17 Abs. 1 ATSG; Art. 87 Abs. 2 und 3 IVV; BGE 141 V 585 E. 5.3). Stellt sie fest, dass der Invaliditätsgrad seit Erlass der früheren rechtskräftigen Verfügung keine Veränderung erfahren hat, so lehnt sie das neue Gesuch ab. Andernfalls hat sie zunächst noch zu prüfen, ob die festgestellte Veränderung genügt, um nunmehr eine anspruchsbegründende Invalidität oder Hilflosigkeit zu bejahen, und hernach zu beschliessen (vgl. Urteile 9C_351/2020 vom 21. September 2020 E. 3.1; 8C_695/2019 vom 18. Dezember 2019 E. 3 mit Hinweis). 
Dass vorliegend ein Neuanmeldungsgrund gegeben ist, der eine umfassende Prüfung des Rentenanspruchs nach sich zieht, wird von keiner Seite bestritten und gibt zu keinen weiteren Bemerkungen Anlass. 
 
4.  
 
4.1. Die Vorinstanz beschränkte sich bei ihrer Prüfung des Rentenanspruchs der Beschwerdeführerin im Wesentlichen auf die Würdigung der aktenkundigen rheumatologischen Beurteilungen, da sich aus keinem anderen medizinischen Fachbereich Anhaltspunkte für eine Einschränkung der Arbeits- oder der Leistungsfähigkeit im Haushaltsbereich ergeben hätten. Sie mass den beiden polydisziplinären Gutachten des ZMB und des BEGAZ grundsätzlich Beweiskraft bei und stellte fest, unter Berücksichtigung sämtlicher gesundheitlicher Beeinträchtigungen der Beschwerdeführerin bestehe sowohl in der angestammten als auch in einer anderen angepassten Tätigkeit eine Einschränkung der Arbeitsfähigkeit von rund 80 %. Die Experten beider Gutachterstellen würden aber eine Arbeitsfähigkeit von 70 % resp. 80 % als medizinisch-theoretisch zumutbar erachten, wenn bei der Beurteilung die Adipositas und die diese begleitende Dekonditionierung ausser Acht gelassen würden.  
Das kantonale Gericht erinnerte im Weiteren daran, dass rechtsprechungsgemäss grundsätzlich weder eine Adipositas noch eine Dekonditionierung eine zu Rentenleistungen berechtigende Invalidität bewirke. Es folgte sodann der Einschätzung der ZMB-Gutachter, wonach weder eine rheumatologische noch eine psychiatrische Diagnose für die heute bestehende Adipositas ursächlich sei. Ausserdem sei nicht ersichtlich, weshalb aus objektiver Sicht eine Gewichtsabnahme und Verbesserung der Kondition nicht möglich sein sollte. Folglich sei eine invalidisierend wirkende Adipositas im hier zu beurteilenden Fall nicht nachgewiesen. Mithin seien die Auswirkungen der Adipositas, wie auch die durch die Dekonditionierung bedingte Einschränkung der Arbeitsfähigkeit aus invalidenversicherungsrechtlicher Sicht auszuklammern, weshalb für die Beurteilung des Rentenanspruchs auf die gutachterlich festgehaltene Arbeitsfähigkeit von 70 % (BEGAZ) resp. 80 % (ZMB) abzustellen sei. Da die Beschwerdeführerin im Gesundheitsfall zu 80 % im Erwerbsbereich und zu 20 % im Haushalt tätig wäre, wäre für einen Rentenanspruch eine Einschränkung im Aufgabenbereich von mindestens 77,5 % vorausgesetzt. Dass eine aktuelle Abklärung an Ort und Stelle eine derartige Einschränkung ergäbe, sei nicht zu erwarten, weshalb - so die Vorinstanz weiter - in antizipierter Beweiswürdigung auf eine entsprechende Erhebung verzichtet werden könne. 
 
4.2. Die Beschwerdeführerin rügt eine Verletzung von Art. 4 Abs. 1 IVG in Verbindung mit Art. 6, 7 und 8 ATSG, eine Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes (Art. 61 lit. c ATSG) sowie des Gleichbehandlungsgrundsatzes (Art. 8 Abs. 1 BV).  
 
5.  
 
5.1. Rechtsprechungsgemäss bewirkt eine Adipositas grundsätzlich keine zu Rentenleistungen berechtigende Invalidität, wenn sie nicht körperliche oder geistige Schäden verursacht und nicht die Folge von solchen Schäden ist. Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, muss sie unter Berücksichtigung der besonderen Gegebenheiten des Einzelfalles dennoch als invalidisierend betrachtet werden, wenn sie weder durch geeignete Behandlung noch durch zumutbare Gewichtsabnahme auf ein Mass reduziert werden kann, bei welchem das Übergewicht in Verbindung mit allfälligen Folgeschäden keine voraussichtlich bleibende oder längere Zeit dauernde Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit resp. der Betätigung im bisherigen Aufgabenbereich zur Folge hat (SVR 2010 IV Nr. 8 S. 25, 9C_48/2009 E. 2.3; ZAK 1984 S. 345, I 583/82 E. 3; Urteile 8C_290/2023 vom 6. Oktober 2023 E. 2.5; 9C_506/2020 vom 10. März 2021 E. 5.3.2; 8C_663/2017 vom 12. Dezember 2017 E. 3.2 mit Hinweisen).  
 
5.2. Nach den nicht offensichtlich unrichtigen und damit verbindlichen (vgl. E. 1 hiervor) vorinstanzlichen Feststellungen ist weder eine rheumatologische noch eine psychiatrische Diagnose ursächlich für die heute bestehende Adipositas und die dadurch bewirkte Arbeitsunfähigkeit. Ebenso wenig kann die Adipositas durch eine psychiatrische Diagnose hinreichend erklärt werden. Die Diagnosen einer (leichtgradigen) Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren (ICD-10 F45.41), Angst und depressive Störung gemischt (ICD-10 F41.2) und akzentuierte dependente Persönlichkeitszüge (ICD-10 Z73.1) haben gemäss den Experten keine Auswirkung auf die Arbeitsfähigkeit. Die Beschwerdeführerin macht sodann nicht geltend und es ist auch nicht ersichtlich, dass die Adipositas zu körperlichen oder geistigen Schäden im Sinne der zitierten Rechtsprechung geführt hätte (vgl. E. 5.1 hiervor). Die Adipositas könnte demnach lediglich dann als invalidisierend betrachtet werden, wenn sie durch keine zumutbaren Massnahmen in bedeutendem Masse verbessert werden könnte.  
 
5.3. Die zitierte Rechtsprechung geht auf das Urteil des Eidgenössischen Versicherungsgerichts (EVG) I 583/82 vom 17. Oktober 1983 zurück. Das EVG hielt mit Verweis auf BGE 99 V 28 fest, es habe in Bezug auf Alkoholismus, Medikamentenmissbrauch und Drogensucht entschieden, dass diese Störungen für sich genommen keine Invalidität begründeten. Sie seien im Rahmen der Invalidenversicherung aber relevant, wenn sie eine Krankheit oder einen Unfall bewirkt hätten, in deren Folge ein körperlicher oder geistiger, die Erwerbsfähigkeit beeinträchtigender Gesundheitsschaden eingetreten sei, oder wenn sie selber Folge eines geistigen Gesundheitsschadens seien, dem Krankheitswert zukomme. Das EVG wendete diese Grundsätze in der Folge auch auf die Adipositas an: Diese begründe keine Invalidität, wenn sie nicht zu körperlichen oder geistigen Schäden geführt habe und nicht die Folge anderer Störungen im genannten Sinne sei. Unter Berücksichtigung der besonderen Gegebenheiten müsse sie hingegen als invalidisierend betrachtet werden, wenn sie weder durch geeignete Behandlung noch durch zumutbare Gewichtsabnahme auf ein Mass reduziert werden könne, bei welchem das Übergewicht - nach einer Arbeitsunfähigkeit von 360 Tagen - keine wesentliche Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit zur Folge habe ("deve comunque essere ritenuta causale di invalidità quando non sia emendabile attraverso cure appropriate o restrizioni ragionevolmente esigibili al punto da essere ricondotta a livelli tali da non limitare in modo rilevante la capacità di guadagno successivamente a un periodo di incapacità lavorativa pure di rilievo di 360 giorni"; E. 3).  
 
5.4. Nach einer früheren Rechtsprechung wurde sodann bei leichten bis mittelschweren Störungen aus dem depressiven Formenkreis angenommen, dass - aufgrund der nach gesicherter psychiatrischer Erfahrung regelmässig guten Therapierbarkeit - hieraus keine invalidenversicherungsrechlich relevante Einschränkung der Arbeitsfähigkeit resultierte. Den leichten bis mittelschweren depressiven Erkrankungen fehlte es, solange sie therapeutisch angehbar waren, an einem hinreichenden Schweregrad der Störung, um diese als invalidisierend anzusehen (vgl. BGE 140 V 193 E. 3.3; Urteil 8C_753/2016 vom 15. Mai 2017). Nur in der - seltenen, gesetzlich verlangten Konstellation mit Therapieresistenz - war den normativen Anforderungen des Art. 7 Abs. 2 Satz 2 ATSG für eine objektivierende Betrachtungs- und Prüfungsweise Genüge getan (BGE 141 V 281 E. 3.7.1 bis 3.7.3). Mit BGE 143 V 409 (vgl. auch BGE 143 V 418) hat das Bundesgericht diese Rechtsprechung geändert. Seither sind sämtliche psychischen Leiden, namentlich auch depressive Störungen leicht- bis mittelgradiger Natur, für die Beurteilung der Arbeitsfähigkeit grundsätzlich einem strukturierten Beweisverfahren nach Massgabe von BGE 141 V 281 zu unterziehen (BGE 143 V 409 E. 4.5.2).  
 
5.5. Weiter hat das Bundesgericht mit BGE 145 V 215 vor dem Hintergrund der Rechtsprechung zur Ausdehnung des strukturierten Beweisverfahrens gemäss BGE 141 V 281 auf sämtliche psychischen Störungen (BGE 143 V 409 und 418) und nach vertiefter Auseinandersetzung mit den Erkenntnissen der Medizin auch die bisherige Rechtsprechung fallen gelassen, wonach primäre Abhängigkeitssyndrome resp. Substanzkonsumstörungen zum vornherein keine invalidenversicherungsrechtlich relevanten Gesundheitsschäden darstellen können und ihre funktionellen Auswirkungen deshalb keiner näheren Abklärung bedürfen (BGE 124 V 265 E. 3c; 99 V 28 E. 2; Urteile 8C_608/2018 vom 11. Februar 2019 E. 3.2.1; 9C_ 620/2017 vom 10. April 2018 E. 2.2). Es hat entschieden, dass fortan - gleich wie bei allen anderen psychischen Erkrankungen - nach dem strukturierten Beweisverfahren zu ermitteln sei, ob und gegebenenfalls inwieweit sich ein fachärztlich diagnostiziertes Abhängigkeitssyndrom im Einzelfall auf die Arbeitsfähigkeit der versicherten Person auswirke. Dabei könne und müsse im Rahmen des strukturierten Beweisverfahrens insbesondere dem Schweregrad der Abhängigkeit im konkreten Einzelfall Rechnung getragen werden (E. 6.3). Diesem komme nicht zuletzt deshalb Bedeutung zu, weil bei Abhängigkeitserkrankungen - wie auch bei anderen psychischen Störungen - oft eine Gemengelage aus krankheitswertiger Störung sowie psychosozialen und soziokulturellen Faktoren vorliege. Letztere seien auch bei Abhängigkeitserkrankungen auszuklammern, wenn sie direkt negative funktionelle Folgen zeitigen würden. Weiter wird im Urteil festgehalten, dass auch bei Vorliegen eines Abhängigkeitssyndroms die Schadenminderungspflicht (Art. 7 IVG) zur Anwendung komme, so dass von der versicherten Person etwa die aktive Teilnahme an zumutbaren medizinischen Behandlungen verlangt werden könne (Art. 7 Abs. 2 lit. d IVG). Komme sie den ihr auferlegten Schadenminderungspflichten nicht nach, sondern erhalte sie willentlich den krankhaften Zustand aufrecht, sei nach Art. 7b Abs. 1 IVG i.V.m. Art. 21 Abs. 4 ATSG eine Verweigerung oder Kürzung der Leistungen möglich (E. 5.3.1).  
Das Bundesgericht begründete die Rechtsprechungsänderung zum einen damit, dass in der final konzipierten Invalidenversicherung (vgl. etwa BGE 120 V 95 E. 4c) keine Grundlage dafür bestehe, das Herbeiführen einer Suchterkrankung durch den willentlichen Konsum von Suchtmitteln zum Anlass zu nehmen, einen versicherten Gesundheitsschaden zum vornherein zu verneinen und mit der Begründung eines Selbstverschuldens der versicherten Person auf jegliche weitere Prüfung der funktionellen Einschränkungen zu verzichten (E. 5.3.1). Zum anderen könne die willentliche Natur des fortgesetzten Substanzkonsums bei Vorliegen eines Abhängigkeitssyndroms nicht in jedem Fall vorbehaltlos bejaht werden, wie sowohl aus den Diagnosekriterien des ICD-10 als auch aus denjenigen des DSM-5 erhelle (E. 5.3.2). Diagnosekriterium sei nämlich bei beiden insbesondere der anhaltende Wunsch oder erfolglose Versuche, den Substanzkonsum zu beenden, zu verringern oder zu kontrollieren. Nichtsdestotrotz sei die abhängige Person ihrer Erkrankung nicht willenlos ausgeliefert; sie müsse aber beträchtliche Ressourcen mobilisieren, um ihrem Verlangen, die Substanz immer wieder zu konsumieren, widerstehen zu können. Es dränge sich hier keine andere Sichtweise auf als bei anderen psychischen Störungen, wo die Arbeits- resp. Erwerbsunfähigkeit in allen Fällen das Resultat der - einem objektiven Massstabe folgenden - Beurteilung sei, ob die versicherte Person trotz des ärztlich diagnostizierten Leidens einer angepassten Arbeit zumutbarerweise ganz oder teilweise nachgehen könne (BGE 141 V 281 E. 3.7.3). Die Änderung der Rechtsprechung stehe im Einklang mit dem Ansatz der 5. IV-Revision, den Invaliditätsbegriff nicht über eine Verschärfung des medizinischen Elements (Ausschluss bestimmter Diagnosen mittels Positiv- oder Negativ-Liste), sondern mittels Verschärfung des kausalen Elements und des Zumutbarkeitsbegriffs (entsprechend der Rechtsprechung) einzuschränken (Botschaft vom 22. Juni 2005 zur Änderung des Bundesgesetzes über die Invalidenversicherung [5. IV-Revision], BBl 2005 4528 ff. Ziff. 1.6.1.5.3 lit. a). 
 
5.6. Die Beschwerdeführerin macht unter Verweis auf die dargelegte Entwicklung der Rechtsprechung geltend, an der bisherigen Sonderrechtsprechung betreffend Adipositas könne nicht mehr festgehalten werden. Sie leide an einer Adipositas Grad III mit einem Bodymassindex (BMI) von 58. Dabei handle es sich um eine Krankheit gemäss ICD-10 E66.87 mit erheblichem Krankheitswert. Sie habe zu faktischer Immobilität geführt. Genau gleich wie bei den Abhängigkeitssyndromen ändere die Fiktion der Vermeid-/Überwindbarkeit und der Hinweis auf das Selbstverschulden nichts daran, dass sie seit Jahren keiner Erwerbstätigkeit mehr nachgehen könne.  
 
5.7. Das BSV ist der Ansicht, dass sämtliche Gesundheitsschädigungen dem strukturierten Beweisverfahren gemäss BGE 141 V 281 zu unterziehen seien. Es habe bereits im März 2016 Rz. 1013 des Kreisschreibens über Invalidität und Hilflosigkeit in der Invalidenversicherung (KSIH) aufgehoben, wonach Süchte, worunter es auch die Fettleibigkeit subsumiert habe, für sich alleine keine Arbeitsunfähigkeit begründen würden. Durch die konsequente Anwendung der Indikatoren unter Berücksichtigung aller medizinischer Anhaltspunkte bestehe in Analogie zu den anderen Suchtgeschehen kein Raum mehr für die Annahme, dass die Adipositas zum vornherein invalidenversicherungsrechtlich irrelevant und deshalb auszuscheiden sei. Mithin könne die Fiktion der willentlichen Überwindbarkeit der Adipositas und der dadurch verursachten Erwerbsunfähigkeit nicht aufrechterhalten werden.  
 
5.8. Es steht fest und ist unbestritten, dass die Beschwerdeführerin unter Berücksichtigung sämtlicher gesundheitlicher Beeinträchtigungen in ihrer angestammten wie auch in einer anderen angepassten Tätigkeit erheblich eingeschränkt ist. Die BEGAZ-Gutachter gaben an, das rechte Kniegelenk der Beschwerdeführerin sei minderbelastbar und in seiner Beweglichkeit nicht ganz normal. Weiter bestünden eine verminderte Belastbarkeit des Achsenskeletts und des linken Kniegelenks. Die massive Adipositas wirke sich erschwerend auf die Beweglichkeit aus und führe zu einer zusätzlichen ungünstigen statischen Belastung des Achsenskeletts und der Kniegelenke. Ferner liege eine generalisierte Dekonditionierung und eine insuffiziente muskuläre Stabilisation vor. Aktuell bestehe eine Arbeitsfähigkeit von maximal zwei Mal eine Stunde pro Tag in einer leichten, vorwiegend sitzenden Tätigkeit. Die Sachverständigen betonten, es handle sich um eine sehr unglückliche "Verquickung" von verschiedenen Problemen, die sich gegenseitig negativ verstärkten (Veränderungen am Bewegungsapparat, eingeschränkte Mobilität, Übergewicht, Dekonditionierung). Theoretisch sei zu erwarten, dass durch ein Ausdauer- und Krafttraining und idealerweise auch durch Gewichtsreduktion eine Verbesserung erreicht werden könne, so dass die Belastbarkeit bis zum medizinisch-theoretisch rheumatologisch zumutbaren Endpensum von 70 % in einer leichten, mehrheitlich sitzenden Tätigkeit gesteigert werden könne, wobei aufgrund des aktuellen Zustands der Beschwerdeführerin dafür mindestens neun Monate zugestanden werden müssten. Durch entsprechende Massnahmen, welche aus medizinischer Sicht zumutbar seien, könne die gesamte Situation verbessert werden. Angesichts des bisherigen Verlaufs sei es jedoch fraglich, ob diese Massnahmen umgesetzt werden könnten.  
Auch die Gutachter des ZMB gingen von einer Einschränkung der Arbeitsfähigkeit von 80 % in angepassten Tätigkeiten aus, und zwar seit April 2016. Sie begründeten dies mit der ausgeprägt reduzierten Mobilität der Beschwerdeführerin. Der Gesundheitszustand habe sich im Vergleich zur Begutachtung im Jahr 2014 wegen der massiv ausgeprägten Adipositas deutlich verschlechtert. Die Sachverständigen mahnten aufgrund des protrahierten Verlaufs nach der Knieoperation zur Vorsicht bei der Auferlegung einer Schadenminderungspflicht. Auf die an den Allgemeinmediziner gerichtete ergänzende Frage der IV-Stelle, ob es sich bei der gestellten Diagnose um eine therapeutisch nicht angehbare Krankheit handle, antwortete der Gutachter in seiner Stellungnahme vom 11. September 2019, aufgrund des bisherigen Verlaufs sei die Adipositas nicht erfolgreich therapierbar. 
 
5.9. Wie bereits aufgezeigt entwickelte sich die Sonderrechtsprechung zur Adipositas auf der Grundlage der Rechtsprechung zu den Suchterkrankungen. Nachdem letztere - wie im Übrigen auch die frühere Depressionsrechtsprechung - mittlerweile aufgegeben wurde, lässt sich eine Sonderrechtsprechung betreffend Adipositas nicht mehr aufrechterhalten. Wie die Vorinstanz richtig festhielt, werden die in BGE 145 V 215 thematisierten Abhängigkeitssyndrome zwar gemäss ICD-10-Codierung den psychischen Krankheiten zugeordnet, während die Adipositas im Kapitel IV unter Endokrine, Ernährungs- und Stoffwechselkrankheiten aufgeführt wird. Das in BGE 145 V 215 Erwogene gilt grundsätzlich aber - zumindest teilweise - auch für die Adipositas: Bei der final konzipierten Invalidenversicherung kann ein allfälliges Selbstverschulden jedenfalls nicht dazu führen, dass von vornherein auf eine Prüfung der funktionellen Einschränkungen verzichtet wird. Desgleichen ist für eine namhafte Gewichtsreduktion und das Verhindern einer erneuten Gewichtszunahme vorausgesetzt, dass die versicherte Person beträchtliche Ressourcen mobilisieren kann. Weiter gilt es zu berücksichtigen, dass das Bundesgericht mit BGE 143 V 409 die Rechtsprechung aufgegeben hat, wonach leichte bis mittelschwere Depressionen aufgrund der regelmässig guten Therapierbarkeit der Störung keine invalidenversicherungsrechlich relevante Einschränkung der Arbeitsfähigkeit zu begründen vermögen. Es hat dabei festgehalten, dass die Behandelbarkeit, für sich allein betrachtet, nichts über den invalidisierenden Charakter einer psychischen Störung aussage (E. 4.2.1 mit Hinweisen). Auch in BGE 145 V 215 wurde daran erinnert, dass eine ausgewiesene Therapieresistenz in der Invalidenversicherung nicht zwingende Anspruchsvoraussetzung sei (E. 8.2 mit Hinweisen). Weshalb demgegenüber die Adipositas bei grundsätzlich zumutbarer Behandlung resp. Gewichtsabnahme zum vornherein invalidenversicherungsrechtlich irrelevant und damit anders zu behandeln sein soll als andere (auch somatische) Erkrankungen, ist nicht einzusehen und hält vor dem verfassungsmässigen Gleichbehandlungsgrundsatz auch nicht stand (vgl. Art. 8 Abs. 1 BV; vgl. auch BGE 127 V 294 E. 4c in Bezug auf die Behandelbarkeit von psychischen Störungen). Art. 4 IVG, Art. 7 und 8 ATSG unterscheiden hinsichtlich der Folgen denn auch nicht danach, ob die Erwerbsunfähigkeit resp. die Invalidität durch eine Beeinträchtigung der körperlichen oder psychischen Gesundheit verursacht wird. Im Übrigen ist daran zu erinnern, dass ein Rentenanspruch entstehen kann, wenn die versicherte Person nach Ablauf der einjährigen Wartezeit nicht oder noch nicht eingliederungsfähig ist. Die grundsätzliche Behandelbarkeit einer Gesundheitsbeeinträchtigung schliesst einen Rentenanspruch somit auch mit Blick auf Art. 28 Abs. 1 lit. a IVG nicht per se aus (SVR 2020 IV Nr. 11 S. 41, 9C_309/2019 E.4.3.1 mit Hinweisen; Urteil 9C_367/2024 vom 31. Juli 2024 E. 4.2).  
Eine Spezialrechtsprechung für die Diagnose Adipositas rechtfertigt sich auch deshalb nicht, weil das Bundesgericht stets betont hat, dass es für die Belange der Invalidenversicherung nicht auf die Diagnose ankommt, sondern einzig darauf, welche Auswirkungen eine Erkrankung auf die Arbeitsfähigkeit hat (BGE 136 V 279 E. 3.2.1; Urteil 9C_571/2023 vom 11. Januar 2024 E. 6.4), und dass von einer Diagnose denn auch nicht direkt auf die Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit geschlossen werden kann (BGE 145 V 215 E. 6.1; 143 V 409 E. 4.2.1 und 418 E. 6). Kommt hinzu, dass es sich bei der Adipositas gemäss Beschreibung in der deutschen Entwurfsfassung der ICD-11 (Code 5B81) um eine chronische, komplexe - in den meisten Fällen multifaktorielle - Krankheit handelt. Sie ist auf ein übergewichtsförderndes Umfeld, psychosoziale Faktoren und genetische Variation zurückzuführen. Bei einer Untergruppe von Patienten können einzelne bedeutende ätiologische Faktoren identifiziert werden (Medikamente, Krankheiten, Immobilisierung, medizinische Eingriffe, monogene Krankheiten/genetische Syndrome). Die Adipositas wird bei Erwachsenen in folgende drei Schweregrade unterteilt: Grad 1 mit einem BMI von 30 - 34,9 kg/m2, Grad 2 mit einem BMI von 35 - 39,9 kg/m2 und Grad 3 mit einem BMI von mehr als 40 kg/m2. Die Beschwerdeführerin gehört mit einem BMI von weit über 50 zur letzten Kategorie. Gerade mit Blick auf die Komplexität und die multifaktorielle Ätiologie der Krankheit lässt sich die Fiktion der willentlichen Überwindbarkeit der Adipositas und der dadurch verursachten Erwerbsunfähigkeit nicht länger halten, wie auch das BSV konstatiert (vgl. E. 5.7 hiervor). Bei einer Sonderrechtsprechung besteht ferner die Gefahr, dass das Ausmass der Gesamtbehinderung durch das Aufteilen in einzelne Diagnosen verkannt wird (vgl. JÖRG JEGER, Rechtsprechung je nach Diagnose?, in: HAVE 3/2023 S. 275). 
 
5.10. Selbstredend gilt die Schadenminderungspflicht (Art. 7 IVG) auch bei der Adipositas, so dass von der versicherten Person etwa die aktive Teilnahme an zumutbaren diätischen und medikamentösen Therapien resp. Verhaltenstherapien und Bewegungsprogrammen verlangt werden kann (Art. 7 Abs. 2 lit. d IVG). Kommt sie den ihr auferlegten Schadenminderungspflichten nicht nach, sondern erhält sie willentlich den krankhaften Zustand aufrecht, ist gemäss Art. 7b Abs. 1 IVG i.V.m. Art. 21 Abs. 4 ATSG - mithin nach entsprechender Mahnung und Einräumung einer Bedenkzeit - eine Verweigerung oder Kürzung der Leistungen möglich (vgl. betreffend Abhängigkeitssyndrom: BGE 145 V 215 E. 5.3.1 und Urteil 9C_367/2024 vom 31. Juli 2024 E. 4.2; betreffend die Anrechnung fiktiver Therapie- resp. Trainingserfolge: Urteil I 33/03 vom 12. Dezember 2003 E. 3.3.2).  
Dass der Beschwerdeführerin im hier relevanten Beurteilungszeitraum von der IV-Stelle eine entsprechende Schadenminderungspflicht auferlegt worden wäre, ist nicht ersichtlich. 
 
5.11. Zusammenfassend ist die Rechtsprechung zur Adipositas dahingehend zu ändern, dass die grundsätzliche Behandelbarkeit des Leidens einem Rentenanspruch nicht per se entgegensteht. Die versicherte Person ist aber an ihre Schadenminderungspflicht zu erinnern (vgl. Urteile 8C_219/2009 vom 25. August 2009 E. 4.2; I 22/05 vom 6. Juni 2006 E. 7.1.3; I 291/05 vom 31. März 2006 E. 3.2).  
Daraus ist nun aber - entgegen der Auffassung des BSV - nicht zu schliessen, dass es zur Beurteilung der Arbeitsfähigkeit zwingend eines strukturierten Beweisverfahrens im Sinne von BGE 141 V 281 bedarf. Letzterer Grundsatzentscheid war in erster Linie eine Antwort auf die markante Beweisproblematik im Zusammenhang mit den psychosomatischen Störungen (ANDREAS TRAUB, BGE 141 V 281 - Auswirkungen des Urteils auf weitere Fragestellungen, in: Ueli Kieser (Hrsg.), Sozialversicherungsrechtstagung 2016, Zürich/St. Gallen 2017, S. 148). Später hat das Bundesgericht erkannt, dass psychische Leiden generell wegen ihres Mangels an objektivierbarem Substrat dem direkten Beweis einer anspruchsbegründenden Arbeitsunfähigkeit nicht zugänglich seien, weshalb dieser Beweis indirekt, behelfsweise, mittels Indikatoren zu führen sei (BGE 143 V 418 E. 7.1). Bei einer Adipositas - wie auch bei anderen körperlichen Leiden - zeigt sich die Beweisproblematik in der Regel nicht in gleicher Weise. Es ist deshalb von der Sache her weder gerechtfertigt noch effizient, sämtliche Indikatoren aus BGE 141 V 281 auf alle Erkrankungen zu übertragen (vgl. auch JÖRG JEGER, BGE 141 V 281: Ein Sommernachtstraum oder viel Lärm um nichts?, in: HAVE 2/2018, S. 16). Wie bei jeder geltend gemachten gesundheitsbedingten Erwerbsunfähigkeit ist im Einzelfall (einzig) danach zu fragen, ob und wie sich die Krankheit leistungslimitierend auswirkt (vgl. BGE 143 V 409 E. 4.5.2 betreffend depressive Störungen). Je nach Grösse der Beweislücke zwischen strukturellem Befund und funktioneller Folge kann sich dabei ein grösserer oder geringerer Beurteilungsaufwand ergeben (vgl. ANDREAS TRAUB, a.a.O., S. 149). 
 
6.  
 
6.1. Fallspezifisch ergibt sich aus den vorangehenden Erwägungen Folgendes: Die Beschwerdeführerin ist nach gutachterlicher Einschätzung aufgrund der Kniebeschwerden, der verminderten Belastbarkeit des Achsenskeletts, der massiven Adipositas und der generalisierten Dekonditionierung seit April 2016 selbst in einer angepassten Tätigkeit zu 80 % eingeschränkt. Eine erhebliche Verbesserung der Erwerbsfähigkeit ist frühestens nach neun Monaten zu erwarten, wobei die ärztlichen Angaben zur Therapierbarkeit der Adipositas im hier zu beurteilenden Fall nicht aufschlussreich sind, wie auch das BSV bemerkt hat. Wohl wird der Beschwerdeführerin eine Gewichtsabnahme empfohlen und bei Erfolg eine Arbeitsfähigkeit von 70 bis 80 % prognostiziert. Die Gutachter erachten entsprechende Massnahmen auch als medizinisch zumutbar. Gleichzeitig scheinen sie aber hinsichtlich der Erfolgsaussichten wenig optimistisch zu sein. Der Grund dieser Zurückhaltung geht aus den beiden Expertisen nicht eindeutig hervor. Insbesondere bleibt unklar, was die Experten mit dem Hinweis auf den bisherigen Verlauf meinen. Aktenkundig ist ein stationärer Aufenthalt in der RehaClinic Baden vom 30. Januar bis zum 2. März 2018. Daraus resultierte offenbar eine Gewichtsreduktion von gerade einmal 2 kg (von 139 kg zu 137 kg), wie die Vorinstanz verbindlich feststellte. Allerdings erfolgte diese Therapie in erster Linie mit dem Ziel der Schmerzreduktion und der Verbesserung der Mobilität. Immerhin war die Beschwerdeführerin bei Austritt an einem Rollator für maximal 30 m "klinikmobil". Gehversuche ausserhalb der Klinik führten offenbar regelmässig zu schmerzhaften periartikulären Knieschwellungen. Im November 2021 wog die Beschwerdeführerin bereits wieder 149 kg.  
Mit Blick auf die Angaben in den beiden Administrativgutachten steht zumindest fest, dass es die Beschwerdeführerin nicht in der Hand hat, per sofort eine 100%ige Arbeitsfähigkeit herzustellen. Damit unterscheidet sich der hier zu beurteilende Fall massgeblich von dem in BGE 148 V 397 beurteilten Sachverhalt (vgl. E. 7.2.3 des zitierten Urteils). Soweit die Vorinstanz im Übrigen davon ausgeht, der bisherige frustrane Verlauf sei Folge der von der Beschwerdeführerin präsentierten, mit den somatischen Befunden nicht "korrelierbaren" Beschwerden sowie ihrer faktischen Immobilität und Passivität und nicht im Sinne einer objektiven Unmöglichkeit zu beurteilen, steht dies im Widerspruch zu den Angaben im BEGAZ-Gutachten. So bezeichneten die Gutachter etwa die Schmerzen im Bereich der Wirbelsäule im Gesamtkontext der Fehlform der Wirbelsäule und vor allem der Adipositas und Dekonditionierung als nachvollziehbar. Die Validität der erhobenen Befunde sei gewährleistet. 
 
6.2. Die Beschwerde ist somit begründet. Die Sache ist an die IV-Stelle zurückzuweisen, damit diese über den Rentenanspruch der Beschwerdeführerin unter Einbezug der Auswirkungen der Adipositas und der diese begleitenden Dekonditionierung neu entscheide. Da entgegen der Verfügung der IV-Stelle vom 4. Mai 2023 im massgeblichen Vergleichszeitraum keine gesundheitliche Verbesserung, sondern eine Verschlechterung eingetreten ist, gilt es auch die Einschränkung im Aufgabenbereich neu abzuklären. Mit Blick auf die Schadenminderungslast der Beschwerdeführerin (vgl. E. 5.10 hiervor) wird die IV-Stelle in Bezug auf die zumutbaren Massnahmen und das individuelle Therapiekonzept ferner die notwendigen medizinischen Abklärungen zu tätigen haben. Sie wird sich nach dem Gesagten nicht auf den Standpunkt stellen können, die Beschwerdeführerin habe aufgrund der Empfehlungen der Ärzte seit langem gewusst, dass sie im Rahmen ihrer Schadenminderungspflicht eine Gewichtsreduktion und ein Ausdauer-/Krafttraining hätte durchführen müssen. Denn der Zustand, wie er bei Ausschöpfung aller zumutbaren schadenmindernden Vorkehren erreicht werden könnte, ist nur anrechenbar, wenn das Mahn- und Bedenkzeitverfahren nach Art. 21 Abs. 4 ATSG durchgeführt wurde (Urteil 8C_219/2009 vom 25. August 2009 E. 5.5). Die Beschwerde ist in diesem Sinne begründet.  
 
7.  
 
7.1. Hinsichtlich der Prozesskosten gilt die Rückweisung der Sache zu neuem Entscheid als volles Obsiegen im Sinne von Art. 66 Abs. 1 sowie Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG, unabhängig davon, ob sie beantragt oder das Begehren im Haupt- oder Eventualantrag gestellt wird (BGE 146 V 28 E. 7; 141 V 281 E. 11.1; Urteil 8C_663/2022 vom 30. November 2023 E. 11). Die unterliegende Beschwerdegegnerin hat die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG) und der Beschwerdeführerin eine Parteientschädigung zu bezahlen (Art. 68 Abs. 2 BGG).  
 
7.2. Zur Neuverlegung der Kosten und der Parteientschädigung des kantonalen Verfahrens ist die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen (Art. 67 und Art. 68 Abs. 5 BGG).  
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen. Das Urteil des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau vom 8. Dezember 2023 und die Verfügung der IV-Stelle des Kantons Aargau vom 4. Mai 2023 werden aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verfügung an die IV-Stelle zurückgewiesen. Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt. 
 
3.  
Die Beschwerdegegnerin hat die Beschwerdeführerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2'800.- zu entschädigen. 
 
4.  
Die Sache wird zur Neuverlegung der Kosten und der Parteientschädigung des vorangegangenen Verfahrens an das Versicherungsgericht des Kantons Aargau zurückgewiesen. 
 
5.  
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Aargau, der Vorsorgestiftung der Basler Versicherung AG, Basel, und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 22. Oktober 2024 
 
Im Namen der IV. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Wirthlin 
 
Der Gerichtsschreiber: Wüest