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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
9C_752/2019  
 
 
Urteil vom 25. Februar 2020  
 
II. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Parrino, Präsident, 
Bundesrichter Meyer, Bundesrichterin Moser-Szeless, 
Gerichtsschreiberin Nünlist. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Davide Loss, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
IV-Stelle des Kantons Aargau, Bahnhofplatz 3C, 5000 Aarau, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungs-gerichts des Kantons Aargau vom 26. September 2019 (VBE.2018.971). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Die 1974 geborene A.________ meldete sich am 22. August 2017 bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an, wobei sie gesundheitliche Beeinträchtigungen im Zusammenhang mit einer Lebertransplantation vom Januar 2017 geltend machte. Nach Abklärungen und durchgeführtem Vorbescheidverfahren verneinte die IV-Stelle des Kantons Aargau mit Verfügung vom 7. November 2018 den Anspruch der Versicherten auf eine Invalidenrente (Invaliditätsgrade: 20 % respektive 32 %). 
 
B.   
Die hiergegen erhobene Beschwerde wies das Versicherungsgericht des Kantons Aargau mit Entscheid vom 26. September 2019 ab. 
 
C.   
A.________ lässt mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragen, unter Aufhebung des angefochtenen Entscheides sei ihr eine Viertelsrente ab 1. November 2017 zuzusprechen. Eventualiter sei die Angelegenheit zur Neubeurteilung an die Beschwerdegegnerin zurückzuweisen. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann eine Rechtsverletzung nach Art. 95 f. BGG gerügt werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Dennoch prüft es - offensichtliche Fehler vorbehalten -nur die in seinem Verfahren gerügten Rechtsmängel (Art. 42 Abs. 1 f. BGG; BGE 135 II 384 E. 2.2.1 S. 389). Es legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann ihre Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Verfahrensausgang entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1, Art. 105 Abs. 2 BGG). 
 
2.   
Streitgegenstand ist der vorinstanzlich verneinte Anspruch auf eine Viertelsrente. Streitiges Element ist einzig und allein die Statusfrage: Während die Vorinstanz, der Beschwerdegegnerin folgend, von einem im Gesundheitsfalle hypothetisch ausgeübten Pensum von 80 % ausgeht, macht die Beschwerdeführerin geltend, sie wäre voll erwerbstätig. Trifft Ersteres zu, besteht kein Anspruch auf eine Viertelsrente, was unbestritten und nicht weiter in Frage zu stellen ist. 
 
3.  
 
3.1. Ob eine versicherte Person als ganztägig oder zeitweilig erwerbstätig oder als nichterwerbstätig einzustufen ist - was je zur Anwendung einer andern Methode der Invaliditätsbemessung (Einkommensvergleich, gemischte Methode, Betätigungsvergleich) führt -, ergibt sich aus der Prüfung, was die Person bei im Übrigen unveränderten Umständen täte, wenn keine gesundheitliche Beeinträchtigung bestünde. Diese Frage beurteilt sich praxisgemäss nach den Verhältnissen, wie sie sich bis zum Erlass der Verwaltungsverfügung entwickelt haben, wobei für die hypothetische Annahme einer im Gesundheitsfall ausgeübten (Teil-) Erwerbstätigkeit der im Sozialversicherungsrecht übliche Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit erforderlich ist (BGE 141 V 15 E. 3.1 S. 20; 137 V 334 E. 3.2 S. 338; 125 V 146 E. 2c S. 150; 117 V 194 E. 3b S. 194 f., je mit Hinweisen).  
 
3.2. Die Vorinstanz hat ihre Feststellung, die Beschwerdeführerin wäre ohne gesundheitliche Beeinträchtigung zu 80 % erwerbstätig, auf der Grundlage einer konkreten Beweiswürdigung getroffen (vorinstanzliche Erwägung 5.). Daher ist diese Feststellung für das Bundesgericht verbindlich, dies unter dem Vorbehalt offensichtlicher Unrichtigkeit oder wenn sie auf einer Rechtsverletzung beruht. Eine Beweiswürdigung ist nicht bereits dann offensichtlich unrichtig, d.h. willkürlich, wenn eine andere Lösung ebenfalls vertretbar erscheint oder gar vorzuziehen wäre, sondern erst dann, wenn der Entscheid - im Ergebnis - offensichtlich unhaltbar ist, zur tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht oder auf einem offenkundigen Fehler beruht (BGE 144 I 28 E. 2.4 S. 31 mit Hinweisen; vgl. E. 1 hiervor).  
 
4.  
 
4.1. Das kantonale Gericht hat seine Beurteilung (E. 2 hiervor) auf den Fragebogen betreffend Erwerbstätigkeit/Haushalt vom 21. Dezember 2017 sowie auf die Angaben im Rahmen der Abklärung an Ort und Stelle vom 27. Juni 2018 und anlässlich des Telefongesprächs vom 22. Januar 2018 gestützt. Danach habe die Beschwerdeführerin ein Pensum von 80 % im Gesundheitsfall angegeben und sich dahingehend geäussert, dass die Pensumsreduktion von 100 auf 80 % im Jahre 2013 nicht aus gesundheitlichen Gründen erfolgt sei. Diese übereinstimmenden Äusserungen habe die Versicherte in Kenntnis der Erkrankung und ihres schleichenden Verlaufs gemacht. Die Stellungnahme im Schreiben vom 23. Mai 2018, wonach ein 100 %-Pensum bereits vor der Operation (Lebertransplantation vom Januar 2017) schwierig gewesen sei, weshalb sie auf 80 % reduziert habe, sei auf Rückfrage der Beschwerdegegnerin hin unter Hinweis auf die Mitwirkungspflicht erfolgt. Dr. med. B.________, Facharzt für Allgemeine Innere Medizin und Gastroenterologie, behandle die Beschwerdeführerin schliesslich erst seit November 2016, weshalb er in retrospektiver Hinsicht nur Aussagen allgemeiner Art treffen könne. Echtzeitliche ärztliche Berichte, die vor dem 21. November 2016 eine Arbeitsunfähigkeit attestierten, fänden sich in den Akten nicht.  
 
4.2. Die Beschwerdeführerin lässt dagegen vorbringen, die vorinstanzliche Sachverhaltsfeststellung sei offensichtlich unrichtig und stelle das Ergebnis einer Verletzung der Beweiswürdigungsregeln dar, indem die Anforderungen an das Beweismass der überwiegenden Wahrscheinlichkeit überspannt worden seien. Bei ihrer Grunderkrankung, dem Morbus Wilson, handle es sich um eine Krankheit mit stetig zunehmenden Beschwerden. Die Beschwerdeführerin sei beim Ausfüllen des Fragebogens betreffend Erwerbstätigkeit/Haushalt davon ausgegangen, sie werde nach dem Arbeitspensum vor der Operation und nicht vor Ausbruch des Morbus Wilson im Jahre 1993 gefragt. Auch dem Schreiben vom 23. Mai 2018 sei zu entnehmen, dass es schwierig für sie sei, vollzeitlich zu arbeiten. Sie habe bereits vor der Lebertransplantation an einer fortgeschrittenen Hepatopathie mit Müdigkeit, nachlassender Konzentration und verminderter Leistungsfähigkeit gelitten. Die Pensumsreduktion 2013 von 100 % auf 80 % sei aus gesundheitlichen Gründen erfolgt. Entsprechendes gehe aus dem Bericht von Dr. med. B.________ vom 28. November 2018 und der Stellungnahme des Arbeitgebers vom 12. Dezember 2018 hervor. Der behandelnde Facharzt sei durchaus in der Lage, den Krankheitsverlauf und damit auch die Arbeitsfähigkeit retrospektiv zu beurteilen. Die Versicherte habe sich schliesslich nie im Sinne der Telefonnotiz vom 22. Januar 2018 geäussert. Sie habe die Notiz weder gesehen noch unterzeichnet. Auf dieses Beweismittel habe die Vorinstanz in willkürlicher Weise abgestellt.  
 
5.   
Die initialen Angabe der Beschwerdeführerin im Administrativverfahren sind klar: So äusserte sie sich am 21. Dezember 2017 im Fragebogen betreffend Erwerbstätigkeit/Haushalt dahingehend, dass sie aktuell, wenn sie gesund wäre, zu 80 % als Pharma-Assistentin arbeiten würde. Dabei wurde sie explizit nach der Erwerbstätigkeit im Gesundheitsfall gefragt und nicht danach, in welchem Umfang sie ohne Operation arbeiten würde. Unklar erscheinen ihre Angaben im Schreiben vom 23. Mai 2018, wonach ein Vollzeitpensum bereits vor ihrer Lebertransplantation vom Januar 2017 schwierig gewesen sei, weshalb sie auf 80 % reduziert habe (Ziffer 1 der Stellungnahme). Im Rahmen der Abklärung an Ort und Stelle vom 27. Juni 2018 und damit lange nach der Operation - folglich nicht mehr unter deren Eindruck stehend - bestätigte die Beschwerdeführerin jedoch integral ihre initialen Angaben (Abklärungsbericht Ziffer 2.4 S. 3). Davon wich sie auch im Rahmen des ihr gewährten rechtlichen Gehörs nicht ab (Schreiben vom 28. Juni 2018 betreffend Zustellung des Abklärungsberichts). Dagegen vermögen der Umstand, dass es sich beim Leiden der Beschwerdeführerin um eine schleichende Krankheit handelt, sowie die nicht echtzeitlichen Angaben des Arbeitgebers und von Dr. med. B.________ (Bericht vom 28. November 2018) nicht aufzukommen. Es steht aktenkundig fest, dass die Erstmanifestation des Morbus Wilson im März 1993 erfolgte und dass dieses chronische Leiden trotz seiner Schwere die Beschwerdeführerin nicht daran hinderte, noch viele Jahre voll erwerbstätig zu sein. Dass sie ab 2013, als sie effektiv das Pensum von 100 auf 80 % reduzierte, krankheitsbedingt zu diesem Schritt gezwungen wurde, ist durch kein medizinisches oder anderweitiges Beweismittel erstellt und auch nicht beweisbar, dies insbesondere nicht durch den Bericht von Dr. med. B.________ vom 28. November 2018. Dieser spricht von der 2016 akut eingetretenen, die nachfolgende Operation nötig machenden Verschlechterung. Was die Zeit davor (ab 2013) anbelangt, äussert er sich aber nur zu allgemein bei solchen Krankheitsbildern medizinisch plausiblen Möglichkeiten, die bei der Beschwerdeführerin nicht erhärtet sind, gibt es ja in den gesamten Akten keine medizinisch attestierten Arbeitsunfähigkeiten vor 2016. 
Von einer offensichtlichen Unrichtigkeit (Willkür) oder einer Verletzung der Regeln über die Beweiswürdigung durch überspannte Anforderungen an den erforderlichen Wahrscheinlichkeitsbeweis kann bei dieser Sach- und Beweislage nicht gesprochen werden. Nach dem Gesagten kann die Frage offen gelassen werden, ob die Telefonnotiz vom 22. Januar 2018 durch die Vorinstanzen als Beweismittel herangezogen werden durfte (vgl. BGE 117 V 282, wonach die Auskunft schriftlich eingeholt werden muss, wenn es um einen wesentlichen Punkt des rechtserheblichen Sachverhalts geht). 
 
6.   
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend werden die Gerichtskosten der unterliegenden Beschwerdeführerin auferlegt (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Aargau, dem Bundesamt für Sozialversicherungen und der Pensionskasse des Schweizerischen Apothekervereins schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 25. Februar 2020 
 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Parrino 
 
Die Gerichtsschreiberin: Nünlist