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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
8C_131/2020  
 
 
Urteil vom 25. Juni 2020  
 
I. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Maillard, Präsident, 
Bundesrichterinnen Heine, Viscione, 
Gerichtsschreiber Grunder. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Silvan Meier Rhein, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
SOLIDA Versicherungen AG, 
vertreten durch Rechtsanwalt Martin Bürkle, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Unfallversicherung (Invalidenrente; versicherter Verdienst), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 20. Dezember 2019 (UV.2018.00167). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Der 1976 geborene A.________ war als Taglöhner/Hilfskraft bei Landwirt B.________ (im Folgenden: Arbeitgeber), beschäftigt. Er war bei der Agrisano Krankenkasse AG, Brugg (im Folgenden: Agrisano), für die kurzfristigen (Heilbehandlung; Taggeld) und bei der Solida Versicherungen AG, Zürich (im Folgenden: Solida), für die langfristigen Leistungen (Invalidenrente; Integritätsentschädigung; Hilflosenentschädigung) obligatorisch gegen die Folgen von Unfällen versichert. Am 11. Juli 2011 fiel er beim Pflücken von Kirschen vom Baum. Er erlitt eine instabile Berstungsfraktur auf Höhe des Brustwirbelkörpers (BWK) 13, eine Fraktur des Processus articularis inferior auf Höhe des BWK 11 beidseits, eine Fraktur mit ventralem Anteil auf Höhe des BWK 8, eine fragliche Fraktur auf Höhe des BWK 10 sowie eine Fraktur der Stummelrippe auf Höhe des Lendenwirbelkörpers (LKW) 1 rechts mit Prozessus transversus LKW 1 links (Austrittsbericht des Spitals C.________ vom 18. Juli 2011). Die nachbehandelnden Ärzte des Schweizer Paraplegiker-Zentrums, hielten als Grundleiden eine sensomotorisch inkomplette Paraplegie sub Th10 (unterhalb des BWK 10), eine autonome Dysregulation mit Blasen-, Darm- und Sexualfunktionsstörungen sowie eine schwere depressive Episode mit psychotischen Phasen (ICD-10 F32.3) und Verdacht auf eine posttraumatische Belastungsstörung (ICD-10 F43.1) fest (Verlaufsbericht vom 12. Januar 2012). Mit Verfügung vom 9. Juli 2015 sprach die Solida dem Versicherten gestützt auf einen Invaliditätsgrad von 100 % ab dem 1. Juli 2015 eine Invalidenrente von monatlich Fr. 246.70 sowie eine Hilflosenentschädigung mittelschweren Grades im Umfang von monatlich Fr. 1384.- zu. In teilweiser Gutheissung der dagegen erhobenen Einsprache erhöhte die Solida die monatliche Invalidenrente auf Fr. 915.20 (Einspracheentscheid vom 4. Juni 2018). 
 
B.   
Die hiegegen eingereichte Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich ab. 
 
C.   
A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen und beantragen, unter Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids sei in Abänderung des Einspracheentscheids der Solida vom 4. Juni 2018 eine Invalidenrente gestützt auf einen versicherten Verdienst von Fr. 20'592.- jährlich, mithin von Fr. 1372.80 monatlich auszurichten. Ferner wird um Bewilligung der unentgeltlichen Rechtspflege für das bundesgerichtliche Verfahren ersucht. 
Die Solida lässt auf Abweisung der Beschwerde schliessen. Das Bundesamt für Gesundheit verzichtet auf eine Vernehmlassung. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG), doch prüft es, unter Berücksichtigung der allgemeinen Rüge- und Begründungspflicht (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), nur die geltend gemachten Vorbringen, falls allfällige weitere rechtliche Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 138 I 274 E. 1.6 S. 280).  
 
1.2. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann deren Sachverhaltsfeststellung nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). Im Beschwerdeverfahren um die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung hingegen ist das Bundesgericht nicht an die vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden (Art. 97 Abs. 2 und Art. 105 Abs. 3 BGG).  
 
2.  
 
2.1. Streitig und zu prüfen ist die Bestimmung des versicherten Verdiensts als Grundlage für die Bemessung der gestützt auf einen Invaliditätsgrad von 100 % auszurichtenden Invalidenrente aus der obligatorischen Unfallversicherung.  
 
2.2. Gemäss Art. 15 Abs. 1 UVG werden Renten nach dem versicherten Verdienst bemessen. Als versicherter Verdienst gilt der nach der Bundesgesetzgebung über die AHV vor dem Unfall massgeblich gewesene, innerhalb eines Jahres bezogene Lohn (Art. 15 Abs. 2 UVG in Verbindung mit Art. 22 Abs. 2 UVV).  
 
3.  
 
3.1. Das kantonale Gericht hat erkannt, dass der Arbeitgeber mit dem Versicherten keinen schriftlichen Arbeitsvertrag abgeschlossen habe, woraus sich die vereinbarte, zu leistende Arbeitszeit ergeben könnte. Allerdings sei aufgrund der kongruenten und damit überzeugenden Angaben des Arbeitgebers in den Tagesrapporten der Unfallmeldung, dem Fragebogen zum Arbeitsverhältnis sowie der sonstigen Auskünfte davon auszugehen, dass der Versicherte vor dem Unfall vom 11. Juli 2011 an vier Wochentagen (in der Regel von Montag bis Donnerstag) gearbeitet habe und am Abend mit jeweils Fr. 50.- bar auf die Hand entschädigt worden sei. Das Bezirksgericht Andelfingen sei zwar gestützt auf Zeugenbefragungen in dem vom Versicherten angestrengten Haftpflichtprozess gegen seinen ehemaligen Arbeitgeber zum Schluss gelangt, dass er während sechs Tagen pro Woche gearbeitet haben müsse. Indessen sei die Beweiswürdigung dieses Gerichts hinsichtlich der Bemessung des versicherten Verdiensts in Berücksichtigung der Vorschriften des UVG nicht ohne Weiteres nachvollziehbar, wie sich klar aus den Auskünften des Arbeitgebers zu den vom Versicherten im Zeitraum von Anfang März bis zum Unfalltag (11. Juli 2011) geleisteten Stunden ergebe. Zusammenfassend sei festzuhalten, dass der Versicherte an vier Tagen pro Woche arbeitstätig gewesen sei und weitere Beweismassnahmen an diesem Ergebnis nichts zu ändern vermöchten. Daher sei in antizipierter Beweiswürdigung auf die Abnahme zusätzlicher Beweismittel zu verzichten. Abschliessend hat die Vorinstanz festgestellt, der versicherte Verdienst sei aufgrund der Entschädigung von Fr. 50.- zuzüglich der Verpflegungspauschale von Fr. 21.50 (vgl. Art. 11 Abs. 2 AHVV) zu berechnen, was zu einem versicherten Verdienst von Fr. 13'728.- führe ([Fr. 50.- + Fr. 21.50] x 4 x 48). Daraus ergebe sich eine Jahresrente von Fr. 10'982.40 (0,8 x 13'728.-) beziehungsweise von Fr. 915.20 monatlich. Der Einspracheentscheid der Solida vom 4. Juni 2018 sei daher zu bestätigen.  
 
3.2. Der Beschwerdeführer bringt vor, das kantonale Gericht habe den Sachverhalt unvollständig abgeklärt und es habe die vorgelegten Beweismittel unrichtig gewürdigt. Er beruft sich dabei im Wesentlichen auf die vom Bezirksgericht Andelfingen durchgeführten, in dessen Urteil vom 17. Januar 2019 dokumentierten Partei- und Zeugenbefragungen.  
Dem Urteil dieses Gerichts ist indessen zu entnehmen, dass es sich einzig mit der Frage beschäftigte, ob der Arbeitgeber für die Folgen des Unfalls vom 11. Juli 2011 aus zivilrechtlicher Sicht wegen mangelnder Instruktion oder Aufsicht des Versicherten beim Besteigen der Kirschbäume und Pflücken der Früchte hafte. So hielt es im Dispositiv fest, dass es über die Kosten- und Entschädigungsfolgen erst im Endentscheid befinden werde. Inwiefern die Protokolle der Partei- und Zeugenbefragungen des Bezirksgerichts Andelfingen zur Frage, wie der versicherte Verdienst im unfallversicherungsrechtlichen Verfahren zu ermitteln sei, entscheidende Hinweise zum tatsächlich geleisteten Arbeitspensum liefern sollten, ist daher nicht nachzuvollziehen. Der Beschwerdeführer übersieht insgesamt, dass der oder die Angestellte erfahrungsgemäss im landwirtschaftlichen Arbeitsverhältnis oft in die Familie des Arbeitgebers eingebunden sind und mithin auch an Tagen zum Mittag- und Abendessen eingeladen werden, während welchen sie nicht gearbeitet haben. Offensichtlich hat der Gesetzgeber unter anderem aus diesem Grund mit Art. 359 Abs. 1 OR bestimmt, dass die Kantone einen Normalarbeitsvertrag für einzelne Arten von Arbeitsverhältnissen Bestimmungen über deren Abschluss, Inhalt und Beendigung zu erstellen haben (Abs. 1). Für das Arbeitsverhältnis der landwirtschaftlichen Arbeitnehmer und der Arbeitnehmer im Hausdienst haben die Kantone Normalarbeitsverträge zu erlassen, die namentlich die Arbeits- und Ruhezeit ordnen und die Arbeitsbedingungen der weiblichen und jugendlichen Arbeitnehmer regeln (Abs. 2). In Nachachtung dieser bundesrechtlichen Vorgaben hat der Regierungsrat des Kantons Zürich am 2. März 2005 unter dem Titel "Normalarbeitsvertrag für das landwirtschaftliche Arbeitsverhältnis" mehrere Vorschriften erlassen (Zürcher Gesetzessammlung 821.13). Aus diesen lässt sich jedoch entgegen den Vorbringen des Beschwerdeführers für die Bestimmung des versicherten Verdiensts gemäss UVG nichts herleiten. Vielmehr gilt der im OR allgemein gültig verankerte Grundsatz, dass auch im Kanton Zürich im Bereiche der Landwirtschaft mündlich vereinbarte Verträge als rechtskräftig abgeschlossen zu gelten haben. Daher ist der Hinweis des Beschwerdeführers auf § 7 Abs. 1 des Normalarbeitsvertrages, wonach die wöchentliche Arbeitszeit im Jahresdurchschnitt 55 Stunden betragen soll, entgegen seiner Auffassung ein Argument gegen sein Vorbringen, der Arbeitgeber habe sich im zivilrechtlichen Haftpflichtverfahren über ein falsches Verständnis von Teilzeitarbeit geäussert. Vielmehr hat er sich offensichtlich gerade bezogen auf die 55-stündige Woche gemäss § 7 Abs. 1 des Normalarbeitsvertrags als vergleichenden Parameter für die tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden bezogen. Nach dieser Bestimmung beträgt die wöchentliche Arbeitszeit im Jahresdurchschnitt 55 Stunden. Insoweit ist die Aussage des Arbeitgebers im zivilrechtlichen Haftpflichtprozess, er erachte die vom Beschwerdeführer geleisteten Arbeitsstunden als Teilzeitarbeit im landwirtschaftlichen Gewerbe, entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers ohne Weiteres nachzuvollziehen. Inwieweit der Arbeitgeber die Vorschriften des OR oder des Normalarbeitsvertrags des Kantons Zürich ansonsten mit Relevanz für die Bestimmung des versicherten Verdientes nicht eingehalten haben soll, ist der Beschwerde nicht zu entnehmen. Sie ist in allen Teilen abzuweisen. 
 
4.   
Die Gerichtskosten sind dem unterliegenden Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG). Seinem Gesuch um Bewilligung der unentgeltlichen Rechtspflege für das bundesgerichtliche Verfahren ist stattzugeben, da die Bedürftigkeit offenkundig, die Beschwerde nicht als aussichtslos zu bezeichnen und die Verbeiständung durch einen Anwalt geboten war (Art. 64 Abs. 1-3 BGG). Er wird indessen auf Art. 64 Abs. 4 BGG hingewiesen; danach hat er der Bundesgerichtskasse Ersatz zu leisten, wenn er später dazu in der Lage ist. 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.   
Dem Beschwerdeführer wird die unentgeltliche Rechtspflege bewilligt und Silvan Meier Rhein wird als unentgeltlicher Rechtsanwalt des Beschwerdeführers bestellt. 
 
3.   
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt, indes vorläufig auf die Bundesgerichtskasse genommen. 
 
4.   
Dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers wird aus der Bundesgerichtskasse eine Entschädigung von Fr. 2800.- ausgerichtet. 
 
5.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, V. Kammer, und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 25. Juni 2020 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Maillard 
 
Der Gerichtsschreiber: Grunder