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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
9C_335/2020  
 
 
Urteil vom 25. August 2020  
 
II. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Parrino, Präsident, 
Bundesrichter Stadelmann, Bundesrichterin Glanzmann, 
Gerichtsschreiberin Dormann. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Daniel Frischknecht, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
Politische Gemeinde Eschenbach, Kontrollstelle Krankenversicherung, 
Rickenstrasse 12, 8733 Eschenbach, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Krankenversicherung, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen 
vom 15. April 2020 (KV 2019/4; KV 2019/5). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
 
A.a. Die 1950 geborene A.________ ist beim deutschen Debeka Krankenversicherungsverein a.G. (nachfolgend: Debeka) versichert. Nach Wohnsitznahme in der Schweiz ersuchte sie im Oktober 2016 um Befreiung von der Versicherungspflicht nach KVG. Das Departement Finanzen und Gesundheit des Kantons Glarus wies das Gesuch mit Verfügung vom 20. Januar 2017 ab; gleichzeitig verpflichtete es A.________, eine Krankenversicherung gemäss KVG abzuschliessen und die entsprechende Police binnen 30 Tagen an die Gemeinsame Einrichtung KVG und an die Wohngemeinde zu senden. Daran hielt es mit Einspracheentscheid vom 4. April 2017 fest. Dieser wurde mit Entscheid VG.2017.00031 des Verwaltungsgerichts des Kantons Glarus vom 26. Oktober 2017 resp. mit Urteil 9C_875/2017 vom 20. Februar 2018 bestätigt.  
 
A.b. Am x. August 2018 verlegte A.________ ihren Wohnsitz nach Eschenbach im Kanton St. Gallen. Im November 2018 ersuchte sie die neue Wohngemeinde sinngemäss - unter Vorlage eines Versicherungsscheines und weiterer Dokumente der Debeka - um Befreiung von der Versicherungspflicht nach KVG. Die Kontrollstelle für Krankenversicherung der Politischen Gemeinde Eschenbach (nachfolgend: Kontrollstelle) wies das Gesuch mit Verfügung vom 28. November 2018 ab; gleichzeitig verpflichtete sie A.________, bis zum 13. Dezember 2018 eine Krankenversicherung gemäss KVG ab dem x. August 2018 abzuschliessen und den entsprechenden Versicherungsnachweis vorzulegen, ansonsten sie "umgehend in Anerkennung des Bundesgerichtsurteils" amtlich einem KVG-Versicherer zugewiesen werde. Daran hielt sie mit Einspracheentscheid vom 16. Januar 2019 fest.  
Mit Verfügung vom 24. Januar 2019, bestätigt mit Einspracheentscheid vom 25. Februar 2019, wies die Kontrollstelle A.________ für die obligatorische Krankenpflegeversicherung ab dem x. August 2018 der CSS Krankenversicherung AG zu. 
 
B.   
Die Beschwerden gegen die Einspracheentscheide vom 16. Januar 2019 (Verfahren KV 2019/4) und vom 25. Februar 2019 (Verfahren KV 2019/5) wies das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen nach Vereinigung der Verfahren mit Entscheid vom 15. April 2020 ab. 
 
C.   
A.________ lässt mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragen, der Entscheid vom 15. April 2020 sei aufzuheben und die Sache sei zur Neubeurteilung an das kantonale Gericht zurückzuweisen; eventuell sei ihr eine Ausnahmebewilligung gemäss Art. 2 Abs. 8 KVV [SR 832.102] zu erteilen. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Umstritten ist lediglich die Versicherungspflicht nach KVG resp. der Anspruch auf Befreiung davon. Gegen die konkrete Zuweisung zur CSS Krankenversicherung AG bringt die Beschwerdeführerin auch nicht ansatzweise etwas vor (vgl. Art. 42 Abs. 1 f. BGG).  
 
1.2. Das Bundesgericht prüft in Bezug auf dieses und das vorinstanzliche Beschwerdeverfahren die Zuständigkeit und die weiteren Eintretensvoraussetzungen von Amtes wegen und mit freier Kognition (BGE 145 V 304 E. 1.2 S. 306 mit Hinweisen).  
 
1.3. Über die Unanfechtbarkeit (formelle Rechtskraft) hinaus kann das Dispositiv einer Verfügung resp. eines Urteils materielle Rechtskraft entfalten (Unabänderbarkeit). Als Folge der materiellen Rechtskraft ist es ausgeschlossen, denselben Streitgegenstand zur Hauptfrage (negative Wirkung; Einmaligkeits- oder Sperrwirkung) oder Vorfrage bzw. Einrede eines späteren Verfahrens zu verwenden (positive Wirkung; res iudicata bzw. Präjudiz- oder Bindungswirkung). Mithin ist das Gericht aufgrund der positiven Wirkung in einem späteren Prozess an alles gebunden, was im Urteilsdispositiv des früheren Prozesses festgestellt worden ist. In persönlicher Hinsicht erstreckt sich die Rechtskraftwirkung eines Urteils auf die Parteien des Ersturteils, in sachlicher Hinsicht auf den im Ersturteil beurteilten Streitgegenstand und in zeitlicher Hinsicht auf die Tatsachen- und Rechtslage, die dem Ersturteil zugrunde gelegen hat (Urteil 2C_723/2013 vom 1. Dezember 2014 E. 2.8.1 mit Hinweisen; vgl. auch BGE 145 III 143 E. 5.1 S. 150; 142 III 210 E. 2.2 S. 212 f.).  
 
1.4. Bereits im Verfahren 9C_875/2017 war unbestritten, dass die Beschwerdeführerin grundsätzlich der schweizerischen Versicherungspflicht gemäss Art. 3 Abs. 1 KVG untersteht. Fraglich und zu prüfen war einzig, ob sie Anspruch auf ausnahmsweise Befreiung von der schweizerischen Versicherungsunterstellung hatte, wobei - mit Blick auf ihre Versicherung bei der Debeka - als Ausnahmetatbestand nur Art. 2 Abs. 8 KVV (SR 832.102) in Betracht fiel. Nach dieser Bestimmung sind insbesondere Personen, für welche eine Unterstellung unter die schweizerische Versicherung eine klare Verschlechterung des bisherigen Versicherungsschutzes oder der bisherigen Kostendeckung zur Folge hätte und die sich aufgrund ihres Alters und/oder ihres Gesundheitszustandes nicht oder nur zu kaum tragbaren Bedingungen im bisherigen Umfang zusatzversichern könnten, auf Gesuch hin von der Versicherungspflicht ausgenommen.  
Mit Urteil 9C_875/2017 vom 20. Februar 2018 verneinte das Bundesgericht einen Befreiungsanspruch. Dabei war entscheidend, dass die limitierte Deckung für Pflegekosten - wie sie die Debeka vorsieht - einen schweren Mangel darstellt, weshalb die schweizerische Versicherungspflicht keine klare Verschlechterung des Versicherungsschutzes bewirkt (a.a.O. E. 2.2 und 3.3). 
 
1.5. Um nichts anderes ging resp. geht es beim zweiten, am neuen Wohnort eingereichten Befreiungsgesuch und bei den entsprechenden Verfahren. In diesen versucht (e) die Beschwerdeführerin, unter Berufung auf vervollständigte Unterlagen, den bereits abschlägig beurteilten Befreiungsanspruch doch noch durchzusetzen. Dabei macht (e) sie weder einen anderen Befreiungstatbestand als Art. 2 Abs. 8 KVV noch eine zwischenzeitlich veränderte Versicherungsdeckung geltend. Somit liegt im Vergleich zum Urteil 9C_875/2017 eine unveränderte Sach- und Rechtslage vor. Anders als die Vorinstanz anzunehmen scheint, gilt dies auch hinsichtlich des fortschreitenden Alters der Beschwerdeführerin, gehört (e) doch dieses - genauer: die altersbedingte Unmöglichkeit einer Zusatzversicherung im bisherigen Umfang - weder im genannten Urteil noch heute zum entscheidrelevanten Sachverhalt (vgl. BGE 142 III 210 E. 2.1 S. 212 f.). Die Beschwerdeführerin muss sich die materielle Rechtskraft des Urteils 9C_875/2017 vom 20. Februar 2018 entgegenhalten lassen (vgl. Urteil 6B_178/2019 vom 1. April 2020 E. 5.4.5). Daran ändert auch nichts, dass aufgrund des Wohnsitzwechsels die Kontrollstelle der neuen Wohngemeinde für die Kontrolle des Versicherungsbeitritts, die (formelle) Behandlung des Befreiungsgesuchs und die Zuweisung an einen Versicherer zuständig wurde (vgl. Art. 6 KVG und die in E. 3 des angefochtenen Entscheids genannten kantonalen Bestimmungen).  
 
1.6. Nach dem Gesagten liegt bezüglich des Anspruchs auf Befreiung von der Versicherungspflicht eine res iudicata vor. Die Kontrollstelle ist auf das Befreiungsgesuch vom November 2018 und folglich die Vorinstanz auf die bei ihr erhobene Beschwerde zu Unrecht eingetreten. Die entsprechende Änderung des angefochtenen Entscheids erübrigt sich, nachdem die Beschwerdeführerin weder bei der Verwaltung noch bei der Vorinstanz durchgedrungen ist. Auch in diesem Verfahren ist auf die Beschwerde nicht einzutreten.  
 
2.   
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat die Beschwerdeführerin die Kosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 25. August 2020 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Parrino 
 
Die Gerichtsschreiberin: Dormann