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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
6B_1152/2017  
 
 
Urteil vom 28. November 2018  
 
Strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Denys, Präsident, 
Bundesrichter Oberholzer, 
Bundesrichterin Jametti, 
Gerichtsschreiber Briw. 
 
Verfahrensbeteiligte 
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Florhofgasse 2, 8090 Zürich, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
X.________, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Landesverweisung (Art. 66a StGB), 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, I. Strafkammer, vom 22. August 2017 (SB170250-O/U/cwo). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Die Staatsanwaltschaft Winterthur wirft X.________, deutscher Staatsangehöriger ohne festen Wohnsitz in der Schweiz, vor, er habe am 12. Februar 2017 um ca. 00.30 Uhr gemeinsam mit fünf anderen Personen A.________ in dessen Wohnung angegriffen. Dieser habe verschiedene Körperverletzungen erlitten. 
 
B.  
Das Bezirksgericht Winterthur verurteilte ihn am 4. Mai 2017 wegen Angriffs im Sinne von Art. 134 StGB zu 8 Monaten Freiheitsstrafe (wovon 80 Tage durch Haft erstanden sind) und schob den Vollzug bei einer Probezeit von 4 Jahren auf. Es widerrief eine mit Strafbefehl des Kantons Schaffhausen am 6. Januar 2015 bedingt ausgesprochene Geldstrafe von 150 Tagessätzen zu Fr. 80.--. Es verwies ihn im Sinne von Art. 66a Abs. 1 lit. b StGB für 5 Jahre des Landes. 
X.________ beantragte mit Berufung, von einer Landesverweisung abzusehen. Die Staatsanwaltschaft beantragte, das bezirksgerichtliche Urteil zu bestätigen. 
Das Obergericht des Kantons Zürich verzichtete am 22. August 2017 auf eine obligatorische Landesverweisung. 
 
C.  
Die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich beantragt mit Beschwerde in Strafsachen, das vorinstanzliche Urteil wegen Nichtanwendung von Art. 66a StGB aufzuheben und die Sache an die Vorinstanz zu neuer Beurteilung zurückzuweisen sowie eventualiter den Beschwerdegegner gestützt auf Art. 66a Abs. 1 lit. b StGB des Landes zu verweisen. 
Das Obergericht verzichtete auf Vernehmlassung. Der von X.________ für die Stellungnahme vor Bundesgericht bevollmächtigte Rechtsvertreter (amtlicher Verteidiger vor der Vorinstanz) teilte dem Bundesgericht mit, sein Mandant verzichte auf eine Vernehmlassung. Er merkt an, das Freizügigkeitsabkommen (FZA) sei an der Abstimmung vom 21. Mai 2000 vom Volk mit 67,2% der Stimmen angenommen worden. Die Ausschaffungsinitiative habe den Tatbestand des Angriffs nicht vorgesehen. Das FZA sei in seinem Fall besser legitimiert als die Landesverweisung im StGB. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Die Beschwerdeführerin stützt sich für ihre Beschwerdeberechtigung mit Recht auf BGE 134 IV 36 (ferner Urteile 6B_564/2018 vom 2. August 2018 E. 1 und 6B_1091/2017 vom 15. August 2018 E. 1). 
 
2.  
Die Beschwerdeführerin richtet sich gegen den Verzicht der Vorinstanz auf eine Landesverweisung, wobei diese den Vorrang des Freizügigkeitsabkommens (FZA) festgestellt habe. 
 
2.1. Die Beschwerdeführerin macht geltend, die Vorinstanz befasse sich mit der Vorrangfrage im Falle eines echten Normenkonflikts zwischen dem Völkerrecht und widersprechendem Gesetzesrecht. Sie stelle fest, nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung gingen grundsätzlich die völkerrechtlichen Verpflichtungen vor (BGE 138 II 524 E. 5.1 S. 532 f.). In der Folge nenne sie die sog. Schubert-Rechtsprechung (BGE 99 Ib 39) wie auch die Gegenausnahme der PKK-Rechtsprechung (BGE 125 II 417) und stelle weiter fest, dass umstritten sei, ob es sich bei BGE 142 II 35 E. 3.2 f. S. 38 ff. um ein blosses "obiter dictum" handle oder um einen verbindlichen Ausdruck bundesgerichtlicher Rechtsprechung. Die Vorinstanz schliesse mit der Prognose, dass die wohl herrschende Lehre davon ausgehe, dass das Bundesgericht bzw. die Strafrechtliche Abteilung an dieser Rechtsprechung festhalte, und konkludiere, dass daher vom Vorrang des FZA gegenüber den Art. 66a ff. StGB auszugehen sei.  
Die Vorinstanz verkenne, dass der in BGE 142 II 35 zitierte BGE 139 I 16 den noch nicht auf Gesetzesstufe umgesetzten Art. 121 BV zur Ausgangslage habe. Das Bundesgericht führe in BGE 139 I 16 E. 4.3.3 S. 27 aus, die Umsetzung der Ausschaffungsinitiative stelle heikle verfassungs- und völkerrechtliche Probleme, weil bei einem Ausschaffungsautomatismus die Anforderungen aus dem FZA nicht mehr erfüllt werden könnten; es führe sodann in E. 4.3.4 S. 27 f. explizit aus, dass die Feinabstimmung auf Gesetzesstufe im Verhältnis zu anderen Verfassungsbestimmungen und -prinzipien zu gegebener Zeit einer Klärung bedürfe, die im damaligen Zeitpunkt aus Gründen der Gewaltenteilung noch gar nicht möglich gewesen sei. 
Inzwischen sei Art. 66a StGB in Kraft. In der Verfassung und in der Rechtsprechung des Bundesgerichts finde sich keine eindeutige Vorgabe zur Normenhierarchie. Art. 190 BV lasse die Rangfrage offen. Art. 5 Abs. 4 BV eröffne die Möglichkeit, das Verhältnis von Völkerrecht und Bundesgesetz von Fall zu Fall zu beurteilen. Die Sache sei umstritten. Weil der neue Verfassungsartikel im Konflikt mit bestehenden rechtstaatlichen Garantien der Bundesverfassung stehe, habe der Bundesrat eine vermittelnde Lösung angestrebt, welche im Verhältnismässigkeitsprinzip ihren Niederschlag gefunden habe. 
In der Debatte des Nationalrats vom 20. März 2014 sei mit 106 zu 65 Stimmen (bei 11 Enthaltungen) entschieden worden, dass der Ausschaffungsautomatismus im StGB Eingang finden solle. Damit sei ein bewusster Bruch mit der Verfassung in Kauf genommen worden. Der Ständerat habe sich in der Debatte vom 10. Dezember 2014 im Ergebnis auf die Härtefallklausel geeinigt, um die sich widersprechenden Verfassungsbestimmungen zu versöhnen. Anlässlich der Debatte im Nationalrat vom 11. März 2015 sei die Härtefallklausel angenommen und mit der Debatte im Ständerat vom 16. März 2015 die Umsetzung der Ausschaffungsinitiative bereinigt worden. In der Schlussabstimmung im Nationalrat seien 109 Stimmen dafür und 68 Stimmen dagegen gewesen (bei 18 Enthaltungen), während im Ständerat 36 Stimmen für die Annahme des Entwurfs und 3 Stimmen dagegen gewesen seien (bei 5 Enthaltungen). 
Das Parlament habe ein Abweichen vom Völkerrecht im Sinne der Schubert-Praxis bewusst in Kauf genommen, weshalb Art. 66a StGB in concreto Vorrang eingeräumt werden müsse. Die Vorinstanz verkenne, dass die Erstinstanz in Übereinstimmung mit Art. 5 BV und Art. 190 BV bei der Auslegung und Anwendung von Art. 66a Abs. 2 StGB nicht nur das Verhältnismässigkeitsprinzip herangezogen und eine sorgfältige Einzelfallprüfung durchgeführt habe, sondern die Prüfung auch unter dem Aspekt des FZA vorgenommen habe. 
 
2.2.  
 
2.2.1. Die Vorinstanz hält fest, einerseits sehe das StGB vor, dass Ausländer bei einer Katalogtat obligatorisch bzw. fakultativ des Landes verwiesen werden können; andererseits garantiere das FZA den Staatsangehörigen der Vertragsparteien (sowie ihren Familienangehörigen) verschiedene Einreise-, Aufenthalts und Verbleiberechte nach Massgabe seines Anhangs I, wobei sich nach BGE 129 II 249 E. 4 S. 258 ff. alle Staatsangehörigen der EU-Mitgliedstaaten auf das FZA berufen können. Der Beschwerdegegner könne sich als deutscher Staatsangehöriger auf das FZA berufen. Die Vorinstanz schliesst, dass nach der wohl herrschenden Lehre das Bundesgericht und die Strafrechtliche Abteilung an der zitierten Rechtsprechung festhalten werden. Es sei vom Vorrang des FZA gegenüber Art. 66a ff. StGB auszugehen. Gemäss Art. 5 Anhang I FZA seien Massnahmen zulässig, wobei in jedem Fall eine Einzelfallprüfung vorzunehmen und ein Wegweisungsautomatismus ausgeschlossen seien. Seien diese Voraussetzungen nicht erfüllt, sei eine Landesverweisung überhaupt ausgeschlossen, ohne dass ein Härtefall zu prüfen wäre. Entgegen der erstinstanzlichen Prüfungsreihenfolge seien vorab die Voraussetzungen von Art. 5 Anhang I FZA zu prüfen.  
Die Vorinstanz zitiert das Urteil 2C_108/2016 vom 7. September 2016 E. 2.3 zur Auslegung und Anwendung von Art. 5 Anhang I FZA, d.h. die massgebende Rechtsprechung zur ausländerrechtlichen Wegweisung. Die Vorinstanz schliesst, eine Schmälerung der vom FZA eingeräumten Rechte sei somit bloss zulässig, wenn sie durch ein persönliches Verhalten der betroffenen Person gerechtfertigt werden könne. Das Verhalten müsse überdies widerrechtlich sein und ausserdem eine gegenwärtige und hinreichend schwere, das Grundinteresse der Gesellschaft berührende Gefahr für die öffentliche Ordnung darstellen. Daher genüge eine strafrechtliche Verurteilung nur, wenn die Straftat und das Verschulden des Täters auf eine anhaltende schwere Gefährdung der öffentlichen Ordnung schliessen liessen. 
 
2.2.2. Die Vorinstanz führt in der Sache aus: Der Beschwerdegegner sei 1990 in B.________ geboren, habe 1996-2003 die Schulen in C.________ besucht, bis 2007 in einem Jugendheim in Deutschland geweilt, anschliessend in Trier die Berufsfachschule besucht und ein Jahr Metallfachkunde gelernt. Es folgte eine Rückkehr ins Jugendheim, wo er ein halbes Jahr Schreiner lernte. Schliesslich zog er mit seiner Familie in die Schweiz. Hier machte er eine einjährige Vorlehre und eine reguläre Lehre, die er nach Ende des zweiten Lehrjahres abbrach. Seit 2012 hatte er in der Schweiz keine Arbeitsbewilligung mehr. Er habe "keinen Job mehr gemacht und sei umhergereist". Nach seiner Abmeldung vom schweizerischen Wohnort der Familie lebte er abwechselnd in Deutschland und in der Schweiz bei verschiedenen Personen. Anfangs 2017 kehrte er in die Schweiz zurück. In jener Zeit habe er vom Geld seiner Grossmutter und seiner Eltern gelebt.  
Der Beschwerdegegner weise zwei Vorstrafen auf: Im Strafbefehl der Staatsanwaltschaft des Kantons Schaffhausen vom 7. März 2011 sei er wegen einfacher Körperverletzung mit einer Geldstrafe von 45 Tagessätzen bestraft worden (Auseinandersetzung vor einem Jugendkeller). Mit Strafbefehl derselben Amtsstelle vom 6. Januar 2015 sei er wegen Übertretung des BetmG (Marihuana) und Vergehens gegen das Waffengesetz (Schlagring) mit einer Geldstrafe von 150 Tagessätzen sowie einer Busse bestraft worden. 
Die Vorinstanz stellt fest, dass der Beschwerdegegner nur wenig Respekt vor der körperlichen Integrität anderer Personen zeigt, "sondern grundlos zuschlägt" (Urteil S. 11). Entgegen der Verteidigung könne eine gegenwärtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung nach der EuGH-Rechtsprechung auch aus dem früheren Verhalten abgeleitet werden (BGE 130 II 176 E. 4.3.1 S. 186). Die Rückfallgefahr beurteilt die Vorinstanz unter Zugrundelegung der im Urteil 2C_406/2014 vom 2. Juli 2015 E. 4.2 f. dargelegten Rechtsprechung. Die Erstinstanz habe dem Beschwerdegegner im Sinne einer letzten Chance, aber immerhin, eine günstige Legalprognose attestiert. Dieser Umstand spreche eher gegen das Vorliegen einer hinreichenden Rückfallgefahr (Urteil S. 12). Die Umstände insgesamt (Art der Rechtsgutverletzung, Vorstrafen bzw. früheres Verhalten und aktuelle Tat, Alter im Zeitpunkt der Tatbegehung, Integrationsgrad und persönliche Verhältnisse) sprächen aber für das Vorliegen einer gegenwärtigen und hinreichend schweren Rückfallgefahr (Urteil S. 13). 
 
2.2.3. Die Vorinstanz schliesst, allerdings seien Beschränkungen der Freizügigkeitsrechte in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des EuGH eng auszulegen. Sie liessen sich nur unter qualifizierten Voraussetzungen rechtfertigen. Unter diesen Umständen könne keine hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung festgestellt werden, dies auch im Vergleich mit weiteren bundesgerichtlich entschiedenen Fällen. Demzufolge sei von einer Landesverweisung abzusehen (Urteil S. 15).  
 
2.3. Die Erstinstanz nahm an, der Beschwerdegegner habe mit dem Angriff eine Katalogtat nach Art. 66a Abs. 1 lit. b StGB begangen und sei daher grundsätzlich obligatorisch des Landes zu verweisen.  
Zu den Lebensumständen hielt die Erstinstanz insbesondere fest, der Beschwerdegegner verfüge seit 2012 in der Schweiz über keine Arbeitsbewilligung mehr und sei seit damals in der Schweiz und in Deutschland keiner (festen) Arbeitstätigkeit nachgegangen. Er verfüge in der Schweiz über keine Aufenthaltsbewilligung und habe offensichtlich keine besonders enge persönliche Beziehungen in der Schweiz. Er habe zu seinen Eltern und seinem jüngeren Bruder nur sporadisch Kontakt. Die Familie wohne in der Nähe zur deutschen Grenze. Es sei nicht erkennbar, inwiefern eine Landesverweisung zu einer besonderen persönlichen Härte führen sollte. Vor seiner Verhaftung habe er weder Wohnsitz noch Arbeitsstelle in der Schweiz gehabt. Die Erstinstanz verweist auf die beiden Vorstrafen und stellt fest, dem Beschwerdegegner sei es zweimal nicht gelungen, sich während laufender Probezeit zu bewähren, obschon 2015 die 2011 ausgefällte Geldstrafe widerrufen worden sei, und er habe sich erneut an einem Gewaltdelikt beteiligt. 
In erster Linie komme das StGB zur Anwendung. Dieses habe das FZA insofern umgesetzt, als auch nach diesem eine Einschränkung unter anderem aus Gründen der öffentlichen Ordnung erlaubt sei. Diese habe der Beschwerdegegner gestört. Mit einer Landesverweisung würde er nicht aus seinem gewohnten Leben gerissen. Es ergebe sich nicht ansatzweise, dass ihm Leben und Arbeiten in der Schweiz wichtig gewesen wären. Ein Leben in Deutschland wäre für ihn mit keiner irgendwie gearteten Härte verbunden. Das FZA ändere nichts daran, dass er des Landes zu verweisen sei. 
 
2.4. Der Beschwerdegegner beging während laufender Probezeit mit der Anlasstat erneut eine Gewalttat. Die Härtefallklausel ist restriktiv ("in modo restrittivo") anzuwenden (Urteil 6B_371/2018 vom 21. August 2018 E. 2.5). Dass die Strafe bedingt ausgesprochen wurde, steht der Landesverweisung nicht grundsätzlich entgegen (BGE 144 IV 168 E. 1.4.1 S. 171 mit Hinweis auf die Botschaft).  
 
2.5. Die von der Beschwerdeführerin und dem Beschwerdegegner aufgeworfene Vorrangfrage zwischen dem Freizügigkeitsabkommen (Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit [FZA; SR 0.142.112.681]) und Art. 66a StGB braucht vorliegend aus den nachfolgenden Erwägungen nicht entschieden zu werden.  
 
2.5.1. Das FZA besteht aus einem 25 Artikel umfassenden Hauptteil und drei ausführlichen Anhängen, welche sowohl die Freizügigkeit zugunsten gewisser Personengruppen gewähren (Art. 1-7 FZA und Anhang I FZA) als auch Systeme der sozialen Sicherheit koordinieren (Art. 8 FZA und Anhang II FZA) sowie die gegenseitige Anerkennung von Diplomen, Zeugnissen und sonstigen Befähigungsnachweisen erleichtern (Art. 9 FZA und Anhang III FZA; vgl. zur Veröffentlichung vorgesehenes Urteil 6B_235/2018 vom 1. November 2018 E. 3.2).  
 
2.5.2. Die Zielsetzung wie die Bestimmungen in den umfangreichen Anhängen des FZA regeln das Recht auf Freizügigkeit der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen (Urteil 2C_1005/2017 vom 20. August 2018 E. 2.3; GREGOR T. CHATTON, Die Arbeitnehmereigenschaft gemäss Freizügigkeitsabkommen - eine Bestandesaufnahme, in: Achermann/Epiney/Gnädinger, Migrationsrecht in der Europäischen Union und im Verhältnis Schweiz - EU, Freiburger Schriften zum Europarecht Nr. 24, 2018, S. 17 ff.) und Selbständigerwerbenden sowie ihrer Familienangehörigen (diesbezüglich regelt Art. 3 Anhang I FZA das Recht von Familienangehörigen, bei einer aufenthaltsberechtigten Person Wohnung zu nehmen; BGE 144 II 1 E. 3 S. 4 ff.; CHATON, a.a.O., S. 22 f.), ferner gemäss Art. 24 Anhang I FZA von Personen, die keine Erwerbstätigkeit ausüben. Mit dem Abschluss des FZA hat die Schweiz Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten der EU im Wesentlichen ein weitgehendes und reziprokes Recht auf Erwerbstätigkeit eingeräumt, allerdings unter dem Vorbehalt eines rechtskonformen Verhaltens im Sinne von Art. 5 Ziff. 1 Anhang I FZA.  
Das FZA berechtigt somit lediglich zu einem doppelt bedingten Aufenthalt in der Schweiz, nämlich einerseits nach Massgabe der spezifischen Vertragsvereinbarungen als Voraussetzung eines rechtmässigen Aufenthalts und andererseits nach Massgabe des rechtskonformen Verhaltens im Sinne von Art. 5 Ziff. 1 Anhang I FZA (zur Veröffentlichung vorgesehenes Urteil 6B_235/2018 vom 1. November 2018 E. 3.3). Dieser Artikel bestimmt unter dem Randtitel "Öffentliche Ordnung": "Die auf Grund dieses Abkommens eingeräumten Rechte dürfen nur durch Massnahmen, die aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit gerechtfertigt sind, eingeschränkt werden." Der schuldig gesprochene Straftäter hatte sich evidentermassen nicht an diese Konformitätsbedingungen gehalten. Jede Straftat stört die soziale Ordnung im Sinne von Art. 5 Ziff. 1 Anhang I FZA (BGE 139 II 121 E. 5.3 S. 126). 
 
2.5.3. In casu entscheidet bereits der folgende Sachverhalt: Der Beschwerdegegner war vor der Anlasstat seit sieben Jahren in der Schweiz nicht mehr offiziell wohnhaft (erstinstanzliches Urteil S. 15). Er verfügte weder über eine Arbeits- noch eine Aufenthaltsbewilligung. Mit seiner hier wohnhaften Familie hatte er lediglich sporadischen Kontakt. Es ergibt sich nicht ansatzweise, dass ihm Leben und Arbeiten in der Schweiz wichtig gewesen wären. Nach Art. 3 Abs. 2 lit. a Anhang I FZA gelten als Familienangehörige Verwandte in absteigender Linie, die noch nicht 21 Jahre alt sind oder denen Unterhalt gewährt wird. Dabei handelt es sich um eine Nachzugsregelung. Abs. 2 lit. a betrifft nach Abs. 1 dieser Bestimmung nur das "Recht, bei ihr [d.h. bei der Person mit Aufenthaltsrecht] Wohnung zu nehmen". Das tat der Beschwerdegegner nicht. Es ist unter keinem Titel ein Aufenthaltsrecht des Beschwerdegegners ersichtlich. Das FZA gewährt kein umfassendes Aufenthaltsrecht. Nur wenn ein Einreise- bzw. Aufenthaltsrecht besteht, kann sich die Frage nach den Möglichkeiten seiner Einschränkung stellen (GLESS/PETRIG/TOBLER, Ein fachübergreifendes Prüfprogramm für die obligatorische Landesverweisung nach Art. 66a StGB, in: forumpoenale 2/2018 S. 97 ff., 101).  
 
2.6. Zusammengefasst hielt sich der Beschwerdegegner nicht "rechtmässig" im Sinne des FZA in der Schweiz auf (und wurde dreimal strafrechtlich verurteilt). Daran ändert auch das den Unionsbürgern von der Schweiz völkervertragsrechtlich eingeräumte Einreiserecht, wie es in BGE 143 IV 97 dargelegt wird, nichts. Das Völkerrecht ist nicht auf einen systematischen Schutz gegen eine Landesverweisung nach Art. 66a StGB angelegt; das gilt ebenso für das FZA (GLESS/PETRIG/TOBLER, a.a.O., S. 103). Da der Beschwerdegegner über kein Aufenthaltsrecht verfügte, hat die Vorinstanz zu Unrecht entschieden, das FZA stehe einer Landesverweisung nach Art. 66a StGB entgegen. Die Beschwerde ist demnach gutzuheissen.  
 
2.7. Die Beschwerdeführerin beantragt eventualiter, den Beschwerdegegner gestützt auf Art. 66a Abs. 1 lit. b StGB des Landes zu verweisen. Die Vorinstanz beurteilt die Sache unter dem Titel von Art. 66a StGB nicht abschliessend. Nach der Vernehmlassung hat der Beschwerdegegner heute Wohnsitz in Deutschland. Ihm wurde vor Bundesgericht das rechtliche Gehör gewährt. Indes entscheidet das Bundesgericht nur zurückhaltend reformatorisch (Art. 107 Abs. 1 BGG). Auch wird über die Kostenfolgen des kantonalen Strafverfahrens neu zu entscheiden sein. Die Sache ist deshalb zur Prüfung einer allfälligen Landesverweisung an die Vorinstanz zurückzuweisen.  
 
3.  
Die Beschwerde ist gutzuheissen, das Urteil aufzuheben und die Sache zu neuer Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Der Beschwerdegegner stellt weder Anträge noch ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege. Entsprechend sind weder Kosten zu erheben noch Entschädigungen auszurichten (Art. 68 Abs. 3 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird gutgeheissen, das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich vom 22. August 2017 aufgehoben und die Sache zu neuer Beurteilung an die Vorinstanz zurückgewiesen. 
 
2.  
Es werden keine Kosten erhoben und keine Entschädigungen ausgerichtet. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, I. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 28. November 2018 
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Denys 
 
Der Gerichtsschreiber: Briw