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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
5P.141/2003 /min 
 
Urteil vom 23. Juni 2003 
II. Zivilabteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Raselli, Präsident, 
Bundesrichterinnen Nordmann, Escher, 
Hohl, Bundesrichter Marazzi, 
Gerichtsschreiber Möckli. 
 
Parteien 
K.________, 
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Martin Grossmann, Börsenstrasse 16, Postfach 4877, 8022 Zürich, 
 
gegen 
 
Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben (BvS), Deutschland, 
Beschwerdegegnerin, vertreten durch Rechtsanwältin Dr. Martina Altenpohl, Postfach, 8032 Zürich, 
Obergericht des Kantons Zürich, II. Zivilkammer, Postfach, 8023 Zürich. 
 
Gegenstand 
LugÜ (Vollstreckbarerklärung, Rechtsöffnung), 
 
Staatsrechtliche Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons Zürich, II. Zivilkammer, vom 4. März 2003. 
 
Sachverhalt: 
A. 
In einem Urkundenprozess gemäss § 592 ff. der deutschen ZPO verurteilte das Landgericht Düsseldorf K.________ mit rechtskräftigem Vorbehalts-/ Anerkenntnisurteil vom 8. Juli 1997, der Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben DM 1'890'949.12 nebst Zins zu 5% seit 6. Juli 1995 zu zahlen. 
B. 
In Gutheissung des Gesuches der Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben vom 5. September 2002 um Vollstreckbarerklärung und definitive Rechtsöffnung erteilte der Einzelrichter im summarischen Verfahren des Bezirkes Uster in der Betreibung Nr. ... des Betreibungsamtes R.________ für Fr. 1'418'426.-- nebst Zins definitive Rechtsöffnung. Die dagegen erhobenen Rechtsmittel des Rekurses und der Nichtigkeitsbeschwerde wies das Obergericht des Kantons Zürich, II. Zivilkammer, mit Beschluss vom 4. März 2003 ab. 
C. 
Dagegen hat K.________ am 2. April 2003 staatsrechtliche Beschwerde eingereicht mit dem Begehren um Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und Erteilung der aufschiebenden Wirkung. Mit Präsidialverfügung vom 6. Mai 2003 ist diese erteilt worden. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Der Beschwerdeführer rügt die Verletzung von Art. 30 und 38 des Lugano-Übereinkommens (LugÜ; SR 0.275.11). Bei der Staatsvertragsbeschwerde gemäss Art. 84 Abs. 1 lit. c OG überprüft das Bundesgericht Konventionsverletzungen mit freier Kognition (BGE 119 II 380 E. 3b S. 382; 126 III 438 E. 3 S. 439). Demgegenüber prüft es den Sachverhalt gemäss einer kürzlich vollzogenen Praxisänderung auch bei der Staatsvertragsbeschwerde nur noch auf Willkür, wenn eine gerichtliche Vorinstanz den Sachverhalt festgestellt hat (BGE 129 I 110 E 1.3 S. 111 f.). In einer bereits früher eingeleiteten Änderung der Rechtsprechung wurde im Übrigen für die Staatsvertragsbeschwerde auch ein Novenverbot eingeführt (BGE 128 I 354 E. 6c S. 357); entsprechend ist die Noveneingabe des Beschwerdeführers vom 15. Mai 2003 aus dem Recht zu weisen. 
2. 
Das Obergericht hat erwogen, eine Sistierung des Vollstreckungsverfahrens gemäss Art. 38 Abs. 1 LugÜ komme nicht in Frage. Das Vorbehaltsurteil sei nach deutscher ZPO vorläufig vollstreckbar und der Beschwerdeführer habe das Nachverfahren mehr als fünf Jahre nicht eingeleitet. Offenbar gehe er davon aus, dass dieses ohne Rücksicht auf eine Frist zulässig sei. Der ordentliche Rechtsbehelf im Sinne von Art. 38 Abs. 1 LugÜ müsse indes fristgebunden sein, ansonsten der Antragsteller den Zeitpunkt des Rechtsbehelfs beliebig bestimmen und diesen erst und gerade dann einlegen könnte, wenn das Begehren um Vollstreckbarerklärung im Zweitstaat anhängig gemacht werde. Im Übrigen spreche der Zeitablauf von über fünf Jahren mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit dafür, dass das Nachklagerecht verwirkt sei. 
 
Der Beschwerdeführer wirft dem Obergericht vor, das Lugano-Übereinkommen nicht vertragsautonom, sondern nach Landesrecht ausgelegt zu haben. Der Begriff des ordentlichen Rechtsbehelfes sei weit auszulegen und das Nachverfahren sei inzwischen eingeleitet; diesfalls sei auf das Fristerfordernis zu verzichten. 
3. 
Gemäss Art. 38 Abs. 1 LugÜ kann das obere Gericht des Zweitstaates das Vollstreckungsverfahren aussetzen, wenn gegen die Entscheidung im Ursprungsstaat ein ordentlicher Rechtsbehelf eingelegt worden ist oder die Frist hierfür noch läuft. Analoges sieht Art. 30 Abs. 1 LugÜ für das Anerkennungsverfahren vor. 
 
Wie der Beschwerdeführer zu Recht ausführt, ist der Begriff des ordentlichen Rechtsbehelfs vertragsautonom auszulegen. Der Europäische Gerichtshof hat diesbezüglich in seinem Entscheid vom 22. November 1977 erkannt, ordentliches Rechtsmittel im Sinne der Konvention sei jeder Rechtsbehelf, der zur Aufhebung oder Abänderung der für vollstreckbar zu erklärenden Entscheidung führen könne und für dessen Einlegung im Erststaat eine gesetzliche Frist gesetzt sei, die durch die Entscheidung selbst ausgelöst werde (Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht, Kommentar zu EuGVÜ und LugÜ, München 1997, N. 6 zu Art. 38; Kropholler, Europäisches Zivilprozessrecht, Kommentar zu EuGVO und LugÜ, 7. Aufl., Heidelberg 2002, N. 3 zu Art. 37). 
 
Ein Vorbehalts-/Anerkenntnisurteil bedeutet, dass die beklagte Partei den Klageanspruch bestreitet und nur für den Urkundenprozess anerkennt. Das Vorbehaltsurteil ist auflösend bedingt, weil es unter dem Vorbehalt des Nachverfahrens steht, das den Rechtsstreit vor gleicher Instanz ohne Beschränkung der Beweismittel fortsetzt (Rosenberg/ Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, 15. Aufl., München 1993, S. 318 ff.). Nichtsdestoweniger erwächst das Vorbehaltsurteil in formelle Rechtskraft, und gemäss § 599 Abs. 3 ZPO stellt es binnenstaatlich einen Vollstreckungstitel dar. 
 
Aus § 600 ZPO ist keine Frist für das Nachverfahren ersichtlich; der Beschwerdeführer weist denn auch mit Nachdruck auf diesen Umstand hin. Nach den vorstehenden Erwägungen handelt es sich beim Nachverfahren folglich nicht um einen ordentlichen Rechtsbehelf im Sinne des autonom ausgelegten Art. 38 LugÜ. Etwas anderes lässt sich auch aus dem Entscheid des Bundesgerichtshofes vom 12. Juni 1986 und der einschlägigen Literatur nicht ableiten: Zwar plädiert diese dafür, das vom Europäischen Gerichtshof aufgestellte Kriterium der Fristgebundenheit des Rechtsbehelfs nur dann zu verwenden, wenn dieser im Zeitpunkt der Befassung des Zweitgerichts noch nicht eingelegt ist (Kropholler, a.a.O., N. 4 zu Art. 37). Eine nach mehr als fünf Jahren am 28. November 2002 und damit just einen Tag vor Rekurs und Nichtigkeitsklage an das Obergericht des Kantons Zürich eingereichte Nachklage beim Landgericht Düsseldorf bietet jedoch keinen Anlass, von der Definition des ordentlichen Rechtsmittels, wie sie vom Europäischen Gerichtshof vorgenommen worden ist, abzuweichen. 
 
Das Obergericht hat folglich mit seinen Erwägungen kein Staatsvertragsrecht verletzt, umso weniger als Art. 30 Abs. 1 und Art. 38 Abs. 1 LugÜ die Sistierung des Anerkennungs- und Vollstreckungsverfahrens ins Ermessen des hierfür zuständigen Gerichts stellt und das Bundesgericht bei der Beurteilung von Ermessensentscheiden Zurückhaltung übt (vgl. exemplarisch BGE 118 II 50 E. 4 S. 55 f.; 123 III 274 E. 1a/cc S. 279 f.; 126 III 305 E. 4a S. 306). 
4. 
Mit den vorstehenden Erwägungen stösst die weitere Rüge, die Vorinstanz hätte wenigstens eine Sicherheitsleistung nach Art. 38 Abs. 3 LugÜ anordnen müssen, ins Leere. Die Sicherheitsleistung gemäss Abs. 3 setzt nämlich nicht anders als die Verfahrenssistierung gemäss Abs. 1 voraus, dass im Erststaat ein ordentlicher Rechtsbehelf im Sinne der Konvention eingelegt worden ist (Kropholler, N. 3 zu Art. 46). Da sich bei der vorliegenden Nachklage nicht von einem solchen sprechen lässt, fällt eine Sicherheitsleistung ausser Betracht. 
5. 
Der Beschwerdeführer rügt schliesslich eine willkürliche Anwendung von Art. 38 LugÜ. Nachdem die vorinstanzlichen Erwägungen der freien Prüfung standgehalten haben (E. 3 und 4), erübrigt sich eine Prüfung unter dem Gesichtspunkt der Willkür. 
6. 
Zusammenfassend ergibt sich, dass die staatsrechtliche Beschwerde abzuweisen ist. Die Gerichtsgebühr ist somit dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 156 Abs. 1 OG). Da in der Sache selbst keine Vernehmlassung eingeholt worden ist, wird dieser keine Parteientschädigung zugesprochen. 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
1. 
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen. 
2. 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 8'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt. 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, II. Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 23. Juni 2003 
Im Namen der II. Zivilabteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: