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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
2F_35/2022  
 
 
Urteil vom 8. Dezember 2022  
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Aubry Girardin, Präsidentin, 
Bundesrichter Beusch, 
Bundesrichterin Ryter, 
Gerichtsschreiberin Rupf. 
 
Verfahrensbeteiligte 
1. A.________, 
2. B.________, 
Gesuchsteller, 
beide handelnd durch C.________, 
und dieser vertreten durch Rechtsanwalt Hanspeter Kümin, 
 
gegen  
 
1. Migrationsamt des Kantons Zürich, Berninastrasse 45, 8090 Zürich, 
2. Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich, Neumühlequai 10, 8090 Zürich, 
Gesuchsgegner, 
 
Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, 4. Abteilung, 4. Kammer, 
Postfach, 8090 Zürich. 
 
Gegenstand 
Familiennachzug, 
 
Revisionsgesuch gegen das Urteil des Schweizerischen Bundesgerichts vom 15. September 2022 (2C_375/2022). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
 
A.a. Am 13. Februar 2020 ersuchten A.________ und B.________ um eine Einreisebewilligung zum Verbleib bei C.________ (nachfolgend: der Kindsvater) im Rahmen des Familiennachzugs. Das Migrationsamt des Kantons Zürich wies die Gesuche um Erteilung einer Einreisebewilligung mit Verfügung vom 14. Juni 2021 ab. Die dagegen erhobenen kantonalen Rechtsmittel blieben erfolglos (Rekursentscheid der Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich vom 2. November 2021; Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich vom 17. März 2022).  
 
A.b. Die gegen das kantonal letztinstanzliche Urteil eingelegte Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 12. Mai 2022 wies das Bundesgericht mit Urteil 2C_375/2022 vom 15. September 2022 ab. Das Urteil wurde dem Vertreter von A.________ und B.________ am 4. Oktober 2022 zugestellt.  
 
B.  
Mit Revisionsgesuch vom 3. November 2022 beantragen A.________ und B.________ (nachfolgend: die Gesuchsteller) die Revision des Urteils der II. zivilrechtlichen (recte: öffentlich-rechtlichen) Abteilung des Bundesgerichts 2C_375/2022 vom 15. September 2022, wonach das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich, 4. Abteilung, vom 17. März 2022 (Geschäfts-Nr.: VB.2021.00812) aufzuheben sei. Eventualiter sei die Sache zu neuem Entscheid im Sinne der Erwägungen der Revision an das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich zurückzuweisen. In beiden Fällen sei der Gesuchsgegner anzuweisen den Gesuchstellern die Einreise- sowie Aufenthaltsbewilligung zu erteilen. Zusätzlich sei den Gesuchstellern für das Revisionsverfahren und für das vorausgegangene bundesgerichtliche Beschwerdeverfahren die unentgeltliche Prozessführung sowie ein unentgeltlicher Rechtsbeistand zu gewähren, unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zulasten der Gesuchsgegner. 
Die Abteilungspräsidentin als Instruktionsrichterin (Art. 32 Abs. 1 BGG) hat von Instruktionsmassnahmen, insbesondere einem Schriftenwechsel (Art. 102 Abs. 1 BGG), abgesehen. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Entscheide des Bundesgerichts erwachsen am Tag ihrer Ausfällung in Rechtskraft (Art. 61 BGG). Eine Beschwerde gegen ein bundesgerichtliches Urteil sieht das Gesetz nicht vor. Das Bundesgericht kann auf eines seiner Urteile nur zurückkommen, soweit ein gesetzlicher Revisionsgrund gegeben ist. Die gesetzlichen Revisionsgründe unterliegen einem Numerus clausus (BGE 142 II 433 E. 3.1). Weitere Aufhebungs- oder Abänderungsgründe als die im Gesetz genannten sind ausgeschlossen. Liegt kein Revisionsgrund vor, hat es bei der Rechtskraft des revisionsbetroffenen Urteils zu bleiben (zum Ganzen: Urteile 2F_33/2022 vom 12. Oktober 2022 E. 3.1; 2F_7/2022 vom 16. Februar 2022 E. 2.1; 2F_36/2021 vom 11. Januar 2022 E. 2.1; 2F_29/2021 vom 11. November 2021 E. 2.1).  
 
1.2. Die um Revision eines bundesgerichtlichen Urteils ersuchende Person hat die allgemeinen Sachurteilsvoraussetzungen zu erfüllen. Sie hat insbesondere in gedrängter Form darzulegen, inwiefern das revisionsbetroffene Urteil an einem revisionserheblichen Mangel leiden soll, ansonsten auf das Gesuch nicht einzutreten ist (Art. 36 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG). Zudem ist im Revisionsgesuch aufzuzeigen, inwieweit das Dispositiv des revisionsbetroffenen Urteils abzuändern sei (BGE 143 II 1 E. 5.1; 136 II 177 E. 2.1; 130 IV 72 E. 2.2; Urteile 2F_33/2022 vom 12. Oktober 2022 E. 3.2; 2F_1/2022 vom 16. März 2022 E. 3.1.2; 2F_7/2022 vom 16. Februar 2022 E. 2.2).  
 
1.3. Erachtet das Bundesgericht ein Revisionsgesuch als zulässig, tritt es darauf ein und prüft, ob der geltend gemachte Revisionsgrund vorliegt (BGE 144 I 214 E. 1.2). Ob ein Grund zur Revision gegeben ist, ist keine Frage des Eintretens, sondern der materiellen Beurteilung (Urteil 2F_4/2022 vom 28. Januar 2022 E. 3.1).  
 
1.4. Die Gesuchsteller machen das Vorliegen der Revisionsgründe (Art. 121 ff. BGG) in vertretbarer, für das Eintreten ausreichender Weise geltend. Die Frist gemäss Art. 124 BGG ist gewahrt. Auf das Revisionsgesuch ist vorbehältlich nachfolgender Ausführungen (E. 2) einzutreten.  
 
2.  
Die Gesuchsteller ersuchen um Revision des Urteils 2C_375/2022 vom 15. September 2022 und um erneute Durchführung des gerichtlichen Verfahrens. Sie berufen sich auf ihren Anspruch auf ein unparteiisches, unvoreingenommenes und unbefangenes Gericht (Art. 30 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK) und verlangen für das Revisionsverfahren eine komplett neue Besetzung der bisherigen Zusammensetzung des Spruchkörpers. Die bisherigen Gerichtspersonen hätten wegen Vorbefassung in den Ausstand zu treten. 
 
2.1. Formelle Beanstandungen - wie namentlich die Rüge der Befangenheit - können ungeachtet der materiellen Begründetheit des Rechtsmittels zur Gutheissung der Beschwerde und zur Aufhebung des angefochtenen Entscheids führen, weshalb sie vorab zu behandeln sind (Urteile 2F_1/2022 vom 16. März 2022 E. 2.1; 2C_551/2021 vom 24. Januar 2022 E. 2.1; 2C_788/2021 vom 27. Oktober 2021 E. 3.1; 2C_196/2017 vom 21. Februar 2019 E. 3, nicht publ. in: BGE 145 II 49).  
 
2.1.1. Will eine Partei den Ausstand einer Gerichtsperson des Bundesgerichts verlangen, so hat sie dem Bundesgericht ein schriftliches Begehren einzureichen, sobald sie vom Ausstandsgrund Kenntnis erhalten hat. Die den Ausstand begründenden objektiven Tatsachen sind glaubhaft zu machen (Art. 36 Abs. 1 BGG). Auf das bloss subjektive Empfinden einer Partei kann bei der Beurteilung nicht abgestellt werden. Die abgelehnte Gerichtsperson muss nicht tatsächlich befangen sein; der Anschein ihrer Befangenheit genügt (Art. 30 Abs. 1 BV; BGE 147 I 173 E. 5.1; 147 III 89 E. 4.1; 147 III 379 E. 2.3.1; 144 I 159 E. 4.3; Urteil 2F_4/2022 vom 28. Januar 2022 E. 3.3). Die Mitwirkung in einem früheren Verfahren des Bundesgerichts bildet für sich allein aber keinen Ausstandsgrund (Art. 34 Abs. 2 BGG; zur procédure antérieure bzw. zur même cause ausführlich BGE 143 IV 69 E. 3.1; Urteile 5F_9/2022 vom 20. Mai 2022 E. 1.2; 5F_24/2021 vom 20. Januar 2022 E. 4.2; FLORENCE AUBRY GIRARDIN, in: Commentaire romand, Loi sur le Tribunal fédéral, N. 43 ff. zu Art. 34 LTF).  
 
2.1.2. Ein hauptsächlich mit der Mitwirkung am früheren Verfahren begründetes Ausstandsbegehren erscheint als rechtsmissbräuchlich, weshalb darauf ohne Ausstandsverfahren nach Art. 37 Abs. 1 BGG unter Mitwirkung der abgelehnten Gerichtspersonen nicht einzutreten ist (BGE 129 III 445 E. 4.2.2; 114 Ia 278 E. 1; 105 Ib 301 E. 1c, je zur analogen Regelung im damaligen Bundesgesetz vom 16. Dezember 1943 über die Organisation der Bundesrechtspflege [OG; AS 60 271]; Urteile 6B_1452/2021 vom 2. Februar 2022 E. 3; 13Y_2/2021 vom 25. Juni 2021 E. 2.3; 4A_194/2021 vom 7. Mai 2021 E. 1). Insbesondere dürfen jene Gerichtspersonen, die an einem Urteil mitgewirkt haben, gegen welches später ein Revisionsgesuch gestellt wird, auch am Revisionsverfahren mitwirken (Urteile 2F_1/2022 vom 16. März 2022 E. 2.2.2; 2C_853/2017 vom 13. Dezember 2017 E. 2.1; 2F_19/2013 vom 4. Oktober 2013 E. 2), es sei denn, sie hätten aus einem anderen Grund in den Ausstand zu treten. Grundsätzlich ist diejenige Abteilung des Bundesgerichts für die Beurteilung eines Revisionsgesuchs zuständig, die das in Revision gezogene Urteil erlassen hat. In der Regel wird auch in derselben Zusammensetzung entschieden.  
 
2.2. Die Gesuchsteller stellen kein Ausstandsbegehren nach Massgabe von Art. 36 Abs. 1 BGG gegen konkret genannte Gerichtspersonen, d.h. gegen die Richterin, die Richter oder die Gerichtsschreiberin, noch nennen sie konkrete oder begründete Ausstandsgründe, abgesehen von der systemimmanenten Vorbefassung oder Befangenheit wegen früherer Mitwirkung. In Anwendung der obigen Ausführungen ist entsprechend auf das Ausstandsgesuch, das für das Revisionsverfahren gestellt wurde, nicht einzutreten.  
 
3.  
Im eigentlichen Revisionsgesuch machen die Gesuchsteller geltend, es seien wesentliche in den Akten liegende Umstände im ergangenen Verfahren unberücksichtigt geblieben (Art. 121 lit. d BGG). Mit Revisionsentscheid sei das ergangene Urteil (2C_375/2022 vom 15. September 2022) aufzuheben und den Gesuchstellern die Einreise- und Aufenthaltsbewilligung zu erteilen. 
 
3.1. Was die Revision zufolge Nichtberücksichtigung von in den Akten liegende erhebliche Tatsachen (Art. 121 lit. d BGG) betrifft, so machen die Gesuchsteller im Wesentlichen geltend, dass die nachgereichten notariell beglaubigten Erklärungen vom 10. Mai 2022, welche den Wegzug der Kindsmutter von Togo nach Ghana belegen würden, aufgrund deren Erheblichkeit für den Ausgang des Verfahrens als unechte Noven hätten berücksichtigt werden müssen. Die notariell beglaubigten Erklärungen vom 10. Mai 2022 würden nochmals, wie die bereits zuvor beglaubigte Erklärung vom 26. November 2021, aufzeigen, dass das Kindswohl nicht sichergestellt sei (vgl. Revisionsgesuch Rz. 20). Wie ausgeführt, seien sowohl die Cousine als auch sämtliche andere Personen, einschliesslich der kranken und senilen Grossmütter in Togo, ausserstande für das Kindswohl der Gesuchsteller zu sorgen. Es sei unmissverständlich und unwiderlegbar ein wichtiger Grund zum nachträglichen Familiennachzug der Gesuchsteller gegeben, da nur der in der Schweiz wohnhafte Kindsvater die Betreuung der Gesuchsteller gewährleisten könne (Art. 47 Abs. 4 AIG, Art. 8 EMRK, Art. 13 BV).  
 
3.2. Wie im Urteil (vgl. 2C_375/2022 vom 15. September 2022 E. 3.2) und auch durch die Gesuchsteller ausgeführt, handelt es sich bei den nachgereichten notariell beglaubigten Erklärungen vom 10. Mai 2022 um unechte Noven. Unechte Noven dürfen nur so weit vorgebracht werden, als erst der Entscheid der Vorinstanz dazu Anlass gibt (Art. 99 Abs. 1 BGG). Der vorinstanzliche Verfahrensausgang allein bildet noch keinen hinreichenden Anlass im Sinne von Art. 99 Abs. 1 BGG für die Zulässigkeit von unechten Noven, die bereits im kantonalen Verfahren ohne Weiteres hätten vorgebracht werden können (vgl. Ausführungen im Urteil 2C_375/2022 vom 15. September 2022 E. 2.2).  
 
3.3. Wie ausgeführt, wurde im Urteil der Vorinstanz (das dem Urteil des Bundesgerichts vorausging) die Betreuungssituation der Gesuchsteller bereits intensiv diskutiert. Das Urteil der Vorinstanz kam zum Schluss, dass die Kindsmutter weiterhin die Betreuung der Beschwerdeführer (hier der Gesuchsteller) übernehmen kann - eine Ausreise nach Ghana wirke nachgeschoben und unglaubhaft, da die entsprechenden Aussagen der Beschwerdeführer (hier der Gesuchsteller) und ihrer Mutter sich mehr und mehr zuspitzen würden, weshalb diese als verfahrenstechnisch motiviert zu gelten hätten (vgl. Urteil 2C_375/2022 vom 15. September 2022 E. 3.3). Da der vorinstanzliche Verfahrensausgang allein nicht ausreichend ist für die Zulässigkeit von unechten Noven, wurden diese, auch mangels unzureichender Begründung, nicht zugelassen. Es zeigt sich, dass im Urteil die wesentlichen in den Akten liegenden Umstände, wie insbesondere die schriftlich notariell beglaubigten Erklärungen vom 10. Mai 2022 - als nicht zugelassene unechte Noven - nicht unberücksichtigt geblieben sind. Mithin ist auch der Revisionsgrund von Art. 121 lit. d BGG nicht gegeben und das Revisionsgesuch abzuweisen.  
 
4.  
 
4.1. Nach dem Unterliegerprinzip sind die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens den Gesuchstellern unter solidarischer Haftbarkeit aufzuerlegen (Art. 65 und Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG).  
 
4.2. Die gestellten Begehren erweisen sich als aussichtslos (BGE 142 III 138 E. 5.1). Das Gesuch um Erteilung der unentgeltlichen Rechtspflege für das bundesgerichtliche Verfahren ist daher abzuweisen (vgl. Art. 29 Abs. 3 BV bzw. Art. 64 Abs. 1 und 2 BGG). Praxisgemäss werden die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens reduziert, wenn erst zusammen mit dem Endentscheid über das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege entschieden wird.  
 
4.3. Der schweizerischen Eidgenossenschaft, die in ihrem amtlichen Wirkungskreis obsiegt, ist keine Entschädigung zuzusprechen (Art. 68 Abs. 3 BGG).  
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Auf das für das Revisionsverfahren gestellte Ausstandsgesuch wird nicht eingetreten. 
 
2.  
Das Revisionsgesuch wird abgewiesen. 
 
3.  
Das Gesuch der Gesuchsteller um unentgeltliche Rechtspflege für das bundesgerichtliche Verfahren wird abgewiesen. 
 
4.  
Die reduzierten Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens von Fr. 1'000.-- werden den Gesuchstellern unter solidarischer Haftbarkeit auferlegt. 
 
5.  
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, 4. Abteilung, 4. Kammer, und dem Staatssekretariat für Migration mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 8. Dezember 2022 
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: F. Aubry Girardin 
 
Die Gerichtsschreiberin: I. Rupf