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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
4A_338/2022  
 
 
Urteil vom 19. Dezember 2022  
 
I. zivilrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Hohl, Präsidentin, 
Bundesrichterinnen Kiss, Niquille, 
Gerichtsschreiber Brugger. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________ AG, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
B.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Christoph Häberli, Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Versicherungsvertrag, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts Luzern, 1. Abteilung, vom 14. Juni 2022 (1B 21 49). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
C.________ unterzeichnete am 22. Mai 2001 für ihre damals 14,5 jährige Tochter, B.________ (Klägerin, Beschwerdegegnerin), den Versicherungsantrag für die Risikoversicherung X.________ der A.________ AG (Beklagte, Beschwerdeführerin). Versichert war ein Todesfallkapital bei Krankheit und Unfall von Fr. 10'000.-- sowie ein Invaliditätskapital bei Krankheit und Unfall von Fr. 100'000.--. In der Gesundheitserklärung gab C.________ an, dass ihre zu versichernde Tochter zum damaligen Zeitpunkt an Augenproblemen sowie an allergischem Asthma leide und diesbezüglich in Behandlung sei. 
Mit Verfügung vom 25. Februar 2019 sprach die Invalidenversicherung der Klägerin eine ganze Invalidenrente zu. Mit Schreiben vom 9. April 2019 stellte das Sozialzentrum der Stadt U.________ der Beklagten den Leistungsantrag der Klägerin zu. Die Beklagte lehnte diesen mit Schreiben vom 17. April 2019 ab, da die Gesundheitsfragen im Versicherungsantrag von 2001 nicht korrekt beantwortet worden seien und damit eine Anzeigepflichtverletzung vorliege, die zu einer Verweigerung der Leistungen berechtige. 
 
B.  
Am 29. September 2020 reichte die Klägerin Klage beim Bezirksgericht Luzern ein. Sie begehrte, die Beklagte sei zu verpflichten, ihr Fr. 100'000.-- nebst 5 % Zins seit dem 17. April 2019 zu bezahlen. 
Mit Urteil vom 21. September 2021 hiess das Bezirksgericht Luzern die Klage gut und verpflichtete die Beklagte, der Klägerin Fr. 100'000.-- zuzüglich 5 % Zins seit dem 17. April 2019 zu bezahlen. 
Die dagegen von der Beklagten erhobene Berufung wies das Kantonsgericht Luzern mit Urteil vom 14. Juni 2022 ab und bestätigte den bezirksgerichtlichen Entscheid. Das Kantonsgericht erwog, das Bezirksgericht habe zu Recht nur darauf abgestellt, was die Mutter der Klägerin im Zeitpunkt des Versicherungsantrags gewusst habe oder hätte wissen müssen. Aufgrund der Vorbringen und den aufgelegten Urkunden habe das Bezirksgericht auch zu Recht geschlossen, dass die Mutter der Klägerin im Zeitpunkt des Versicherungsantrags am 22. Mai 2001 von einer anhaltenden depressiven oder nervösen Störung (oder einer anderen gesundheitlichen Beeinträchtigung) der Klägerin nichts gewusst habe und auch nicht habe wissen müssen. Die für eine Leistungsverweigerung notwendige Anzeigepflichtverletzung liege nicht vor. 
 
C.  
Gegen das Urteil des Kantonsgerichts erhebt die Beschwerdeführerin Beschwerde in Zivilsachen an das Bundesgericht. Sie beantragt, das angefochtene Urteil sei aufzuheben und die Klage sei abzuweisen. Mit Eingabe vom 12. Oktober 2022 ersucht sie sodann um Gewährung der aufschiebenden Wirkung für die Beschwerde. 
Die Vorinstanz beantragt die Abweisung der Beschwerde. Auch die Beschwerdegegnerin beantragt die Abweisung der Beschwerde und ersucht um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege samt unentgeltlichem Rechtsbeistand für das bundesgerichtliche Verfahren. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Die Sachurteilsvoraussetzungen sind erfüllt und geben zu keinen Bemerkungen Anlass. Unter Vorbehalt einer rechtsgenüglichen Begründung (Art. 42 Abs. 2 und Art. 106 Abs. 2 BGG; vgl. Erwägung 2) ist daher auf die Beschwerde einzutreten. 
 
2.  
 
2.1. Mit Beschwerde in Zivilsachen können Rechtsverletzungen nach Art. 95 und 96 BGG gerügt werden. Die Beschwerde ist hinreichend zu begründen, andernfalls wird darauf nicht eingetreten (BGE 134 II 244 E. 2.1). In der Beschwerdeschrift ist in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Akt Recht verletzt (Art. 42 Abs. 2 BGG). Unerlässlich ist, dass die Beschwerde auf die Begründung des angefochtenen Entscheids eingeht und im Einzelnen aufzeigt, worin eine Verletzung von Bundesrecht liegt. Die beschwerdeführende Partei soll in der Beschwerdeschrift nicht bloss die Rechtsstandpunkte, die sie im kantonalen Verfahren eingenommen hat, erneut bekräftigen, sondern mit ihrer Kritik an den als rechtsfehlerhaft erachteten Erwägungen der Vorinstanz ansetzen (BGE 140 III 86 E. 2, 115 E. 2).  
 
2.2. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Dazu gehören sowohl die Feststellungen über den streitgegenständlichen Lebenssachverhalt als auch jene über den Ablauf des vor- und erstinstanzlichen Verfahrens, also die Feststellungen über den Prozesssachverhalt (BGE 140 III 16 E. 1.3.1 mit Hinweisen). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). "Offensichtlich unrichtig" bedeutet dabei "willkürlich" (BGE 140 III 115 E. 2 S. 117; 135 III 397 E. 1.5). Überdies muss die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein können (Art. 97 Abs. 1 BGG).  
Für eine Kritik am festgestellten Sachverhalt gilt das strenge Rügeprinzip von Art. 106 Abs. 2 BGG (BGE 140 III 264 E. 2.3 mit Hinweisen). Die Partei, welche die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz anfechten will, muss klar und substanziiert aufzeigen, inwiefern diese Voraussetzungen erfüllt sein sollen (BGE 140 III 16 E. 1.3.1 mit Hinweisen). Wenn sie den Sachverhalt ergänzen will, hat sie zudem mit präzisen Aktenhinweisen darzulegen, dass sie entsprechende rechtsrelevante Tatsachen und taugliche Beweismittel bereits bei den Vorinstanzen prozesskonform eingebracht hat (BGE 140 III 86 E. 2). Genügt die Kritik diesen Anforderungen nicht, können Vorbringen mit Bezug auf einen Sachverhalt, der vom angefochtenen Entscheid abweicht, nicht berücksichtigt werden (BGE 140 III 16 E. 1.3.1). 
 
2.3. Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdeführerin nicht, soweit sie erklärt, dass der Vorinstanz ein Rechenfehler unterlaufen und die Parteientschädigung um Fr. 50.-- zu hoch sei, ohne den behaupteten Rechenfehler nachvollziehbar darzulegen (Erwägung 2.1).  
Ebensowenig genügt die Beschwerdeführerin den Anforderungen, wenn sie in ihrer Beschwerdeschrift unter dem Titel "Sachverhalt" das Geschehene aus eigener Sicht schildert und dabei über die Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanz hinausgeht, ohne eine rechtsgenügliche Sachverhaltsrüge nach den oben genannten Grundsätzen zu erheben (Erwägung 2.2). Darauf kann sie sich im Folgenden nicht stützen. Das Gleiche gilt, wenn sie später in ihrer Beschwerdeschrift den vorinstanzlich festgestellten Sachverhalt erweitert, ohne dafür eine hinreichende Sachverhaltsrüge zu erheben. 
 
3.  
 
3.1. Das Bundesgesetz über den Versicherungsvertrag vom 2. April 1908 ist mehrfach revidiert worden, zuletzt mit Wirkung auf 1. Januar 2022. Intertemporal gilt die Fassung des Versicherungsvertragsgesetzes, die beim Abschluss des Vertrages in Kraft war (Art. 1 Abs. 1 Schlusstitel ZGB; BGE 134 III 224 E. 3.2.1); im vorliegenden Fall also diejenige aus dem Jahre 2001. In der damaligen und hier anwendbaren Fassung bestimmt das Versicherungsvertragsgesetz das Folgende.  
 
3.2. Art. 4 Abs. 1 VVG regelt, dass der Antragsteller dem Versicherer an Hand eines Fragebogens oder auf sonstiges schriftliches Befragen alle für die Beurteilung der Gefahr erheblichen Tatsachen, soweit und so wie sie ihm beim Vertragsabschluss bekannt sind oder bekannt sein müssen, schriftlich mitzuteilen hat. Erheblich sind diejenigen Gefahrstatsachen, die geeignet sind, auf den Entschluss des Versicherers, den Vertrag überhaupt oder zu den vereinbarten Bedingungen abzuschliessen, einen Einfluss auszuüben (Art. 4 Abs. 2). Gemäss Art. 4 Abs. 3 VVG gilt eine Vermutung dafür, dass die Gefahrstatsachen, auf welche die schriftlichen Fragen des Versicherers "in bestimmter, unzweideutiger Fassung gerichtet sind", erheblich sind. Der Sinn und die Tragweite der gestellten Fragen sind nach denselben Auslegungsgrundsätzen zu ermitteln, wie sie für Verträge gelten, somit normativ nach dem Grundsatz von Treu und Glauben (Vertrauensprinzip) sowie unter Berücksichtigung der speziell für den Versicherungsvertrag im Gesetz (Art. 4 Abs. 3 VVG) statuierten Erfordernisse der Bestimmtheit und Unzweideutigkeit der Fragenformulierung (dazu: BGE 134 III 511 E. 3.3.4).  
Der Antragsteller ist ohne entsprechende Fragen nicht verpflichtet, von sich aus über bestehende Gefahren Auskunft zu geben (BGE 134 III 511 E. 3.3.2). Bei sehr umfassend und weit formulierten bzw. offengehaltenen Fragen, in denen nicht näher spezifizierte Begriffe verwendet werden, ist eine Anzeigepflichtverletzung nur restriktiv anzunehmen. Dies gilt umso mehr, wenn der Versicherer dem Antragsteller im Anschluss an solche Fragen nicht genügend Raum in Form von Leerzeilen zur Verfügung stellt, um allfällige Zweifel oder Erläuterungen zu seiner Antwort anzubringen (Urteil 4A_134/2013 vom 11. September 2013 E. 4.1; vgl. BGE 134 III 511 E. 5.2.1). 
 
3.3. Hat der Antragsteller beim Abschluss einer Versicherung eine für ihn erkennbare erhebliche Gefahrstatsache nach der er ausdrücklich und in unzweideutiger Art gefragt worden war, unrichtig beantwortet oder verschwiegen, so steht dem Versicherer nach Art. 6 VVG (in der bis Ende 2005 gültig gewesenen, hier anwendbaren Fassung) das Recht zu, binnen vier Wochen seit Kenntnis der Verletzung der Anzeigepflicht vom Vertrag zurückzutreten (dazu: BGE 134 III 511 E. 3.3.2 mit Hinweisen). Gemäss der bis Ende 2005 gültigen Fassung von Art. 6 VVG ist für das Rücktrittsrecht des Versicherers bei einer Anzeigepflichtverletzung ein Kausalzusammenhang zwischen der verschwiegenen Gefahrstatsache und dem Schaden nicht erforderlich (Urteil 4A_285/2009 vom 22. Oktober 2009 E. 4.1; vgl. BGE 136 III 334 E. 2.2).  
 
4.  
 
4.1. Die Erst- und die Vorinstanz stellten bei der Beurteilung der Anzeigepflichtverletzung nach Art. 4 VVG einzig auf das Wissen und Wissenmüssen der Mutter der Beschwerdegegnerin als Inhaberin der elterlichen Sorge ab. Dagegen macht die Beschwerdeführerin geltend, dass gestützt auf Art. 5 Abs. 1 VVG auch das Wissen und Wissenmüssen der damals 14,5 jährigen Beschwerdegegnerin hätte berücksichtigt werden müssen.  
 
4.2. Wird der Versicherungsvertrag durch einen Stellvertreter geschlossen, regelt Art. 5 Abs. 1 VGG, dass die erheblichen Gefahrstatsachen anzuzeigen sind, die dem Vertretenen, als auch diejenigen, die dem Vertreter bekannt sind oder bekannt sein müssen. Art. 5 Abs. 1 VGG erweitert damit den Kreis der von der vorvertraglichen Anzeigepflicht nach Art. 4 VVG betroffenen Personen. Ob die Bestimmung von Art. 5 Abs. 1 VVG für die gesetzliche Vertretung des unmündigen Kindes durch seine Eltern anwendbar ist und dem Wissen und Wissenmüssen des urteilsfähigen Kindes Bedeutung zukommt, braucht hier nicht entschieden zu werden (vgl. dazu: Alexandre Lehmann, in: Commentaire romand, Loi sur le contrat d'assurance, 2022, N. 17 zu Art. 5 VVG mit weiteren Hinweisen). Die Beschwerdeführerin postuliert in diesem Fall zwar allgemein eine Wissenszurechnung, legt aber in concreto nicht dar, geschweige denn weist sie nach, dass die Beschwerdegegnerin im massgeblichen Zeitpunkt der Antragsstellung von den strittigen gesundheitlichen Beeinträchtigungen wusste oder hätte wissen müssen. Selbst wenn also vom rechtlichen Standpunkt der Beschwerdeführerin ausgegangen würde, wonach für die Anzeigepflichtverletzung auf das Wissen und Wissenmüssen der Beschwerdegegnerin und ihrer Mutter abzustellen ist, dringt die Beschwerdeführerin mit ihrer Argumentation nicht durch, wie nachfolgend gezeigt wird.  
 
5.  
Der Schluss, dass die Beschwerdegegnerin oder ihre Mutter im Zeitpunkt des Versicherungsantrags von der depressiven oder nervösen Störung (oder einer anderen gesundheitlichen Beeinträchtigung) gewusst haben oder hätten wissen müssen, misslingt der Beschwerdeführerin im Wesentlichen, weil im vorliegenden Fall echtzeitliche Unterlagen vollständig fehlen und auch aus den Jahre später erstellten, ärztlichen Berichten nicht klar hervorgeht, wann genau die gesundheitlichen Beschwerden bei der Beschwerdegegnerin aufgetreten waren bzw. ärztlich diagnostiziert wurden. Im Einzelnen: 
 
5.1. Die Beschwerdeführerin stellt für ihren Standpunkt auf einen Bericht der psychiatrischen Klinik D.________ vom 11. Oktober 2006 und auf Berichte der psychiatrischen Klinik E.________ aus den Jahren 2017 und 2018 ab.  
Die Beschwerdeführerin reichte diese Unterlagen bereits vor der Vorinstanz ein, welche ihr aber darlegte, dass diese Unterlagen aufgrund der Regelung von Art. 317 Abs. 1 ZPO unbeachtlich seien. Mit diesen Erwägungen setzt sich die Beschwerdeführerin vor Bundesgericht nicht auseinander, zumindest offensichtlich nicht hinreichend (Erwägung 2.1). Die Unterlagen und die darauf gestützten Ausführungen wurden von der Vorinstanz daher zu Recht nicht beachtet und bleiben auch vor Bundesgericht unbeachtlich. 
 
5.2. Die Beschwerdeführerin stützt sich im Weiteren auf die Angaben der Beschwerdegegnerin in ihrem Leistungsantrag vom 21. März 2019, auf ein psychiatrisches Gutachten von Dr.med. F.________ vom 2. Mai 2007 und die Bescheinigung von Dr.med. G.________ vom 2. April 2019.  
 
5.2.1. Bereits die Erst- und die Vorinstanz prüften diese Unterlagen ausführlich und verneinten ein Wissen oder Wissenmüssen der Mutter der Beschwerdegegnerin.  
Wie die Erst- und die Vorinstanz diesbezüglich bereits darlegten, geht es entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin nicht darum, ob verschiedene Fachpersonen im Nachhinein die gesundheitlichen Beschwerden bzw. Störungen der Beschwerdegegnerin bestätigten oder die Beschwerdegegnerin im Jahre 2019 in einem Leistungsantrag angab, "seit dem Jahr 2000" an verschiedenen gesundheitlichen Problemen zu leiden (ADHS, bipolare Störung, Borderline, Traumafolgestörung). Vielmehr ist einzig relevant, ob die Beschwerdegegnerin oder ihre Mutter solches im Zeitpunkt des Versicherungsantrages am 22. Mai 2001 gewusst haben oder hätte wissen müssen. 
 
5.2.2. Soweit die Beschwerdeführerin den dies verneinenden Standpunkt der Vorinstanz als "realitätsfremd" bezeichnet, setzt sie sich mit dieser pauschalen Behauptung nicht hinreichend mit den ausführlichen Erwägungen der Vorinstanz auseinander (Erwägung 2.1), noch zeigt sie damit auf, inwiefern der Vorinstanz eine Bundesrechtsverletzung vorzuwerfen wäre.  
 
5.2.3. Die Beschwerdeführerin stützt sich sodann auf die die Jahre nach dem Versicherungsantrag erfolgten ärztlichen Diagnosen aus den Jahren 2007 und 2019. Sie legt damit aber weder rechtsgenüglich dar noch ist ersichtlich (Erwägung 2.1), inwiefern die Beschwerdegegnerin oder ihre Mutter gestützt auf diese Unterlagen im Antragszeitpunkt im Jahre 2001 von den angeblichen Beschwerden gewusst haben oder hätte wissen sollen. Es mag zwar zutreffen, dass die behandelnden Fachärzte später ADHS und Depressionen bei der Beschwerdegegnerin feststellten. Wie bereits erwogen (Erwägung 5), hat aber keiner der Ärzte klar angegeben, wann genau die gesundheitlichen Beschwerden bei der Beschwerdegegnerin aufgetreten sind.  
 
5.2.4. Die Beschwerdeführerin stellt auch auf die mehr als 18 Jahre nach dem Versicherungsantrag gemachten Aussagen der Beschwerdegegnerin im genannten Leistungsantrag ab. Dort hat die Beschwerdegegnerin geschrieben, dass sie "seit dem Jahr 2000" an verschiedensten Beschwerden leide. Diesbezüglich legte die Vorinstanz der Beschwerdeführerin bereits dar, dass mangels Arztberichten nicht rechtsgenüglich nachgewiesen sei, dass diese Beschwerden bereits im Jahr 2000 diagnostiziert worden seien, und auch der Mutter als Inhaberin der elterlichen Sorge hätten bekannt sein müssen. Zudem sei diese Zeitangabe der Beschwerdegegnerin mit Vorsicht zu geniessen, da sie die Angabe im Hinblick auf die nachzuweisende Invalidität gemacht habe und demzufolge wohl "betont" worden sei.  
Auch mit diesen Erwägungen setzt sich die Beschwerdeführerin vor Bundesgericht nicht auseinander, zumindest offensichtlich nicht rechtsgenüglich (Erwägung 2.1), womit es bezüglich dem Wissen und Wissenmüssen der Mutter der Beschwerdegegnerin bei den vorinstanzlichen Erwägungen bleibt. Bezüglich dem Wissen und Wissenmüssen der Beschwerdegegnerin bringt die Beschwerdeführerin diesbezüglich nichts Weiteres vor, zumindest nicht rechtsgenüglich (Erwägung 2.1). Unter diesen Umständen kann aus den gleichen Gründen, mit welchen die Vorinstanz ein Wissen und Wissenmüssen der Mutter der Beschwerdegegnerin im Antragszeitpunkt negierte, auch ein solches bei der Beschwerdegegnerin verneint werden. 
 
5.3.  
 
5.3.1. Schliesslich macht die Beschwerdeführerin geltend, eine Anzeigepflichtverletzung liege vor, weil in der Gesundheitserklärung die mehrjährige Behandlung der Beschwerdegegnerin durch eine Kinderpsychologin verschwiegen und damit die Fragen 1, 2, 5 sowie die Anschlussfrage unrichtig beantwortet worden seien.  
 
5.3.2. Die Vorinstanz stellte bezüglich dieser Behandlung einzig fest, dass Dr.med. F.________ in seinem psychiatrischen Gutachten vom 2. Mai 2007 in der Anamnese festhalte, dass die Beschwerdegegnerin vom sechsten bis zum zwölften Altersjahr bei der Kinderpsychologin H.________ in Behandlung gewesen sei. Aufgrund des Jahrgangs der Beschwerdegegnerin (1986) sei zu schliessen, dass diese Behandlung folglich "ca. zwischen 1992 und 1998" stattgefunden habe. Mangels Angaben von konkreten Gründen könne diese Behandlung bei der Kinderpsychologin zahlreiche Gründe gehabt haben, insbesondere auch die von der Beschwerdegegnerin vorgetragene Verarbeitung der Scheidung ihrer Eltern. Im Übrigen fehlen im vorinstanzlichen Sachverhalt jegliche Feststellungen über den Grund, den Gang oder die Intensität der Behandlung.  
Vor dem Hintergrund dieser Feststellungen und dem Umstand, dass nicht festgestellt ist, wann die (zum Versicherungsfall führenden) gesundheitlichen Beschwerden bei der Beschwerdegegnerin aufgetreten sind (oben Erwägung 5), vermag die Beschwerdeführerin unter den gegebenen Umständen aus der blossen mehrjährigen Begleitung durch die Kinderpsychologin nichts zu ihren Gunsten ableiten. 
 
5.3.3. Eine Anzeigepflichtverletzung bezüglich der Frage 2 ist von vornherein nicht gegeben. Diese Frage bezieht sich auf "körperliche Beeinträchtigungen". Eine solche ist im Zeitpunkt der Antragsstellung nicht festgestellt. Psychische Probleme bilden nicht Thema dieser Frage.  
 
5.3.4. Die Frage 1 der Gesundheitserklärung erkundigt sich danach, ob das zu versichernde Kind zur Zeit vollständig gesund ist. Die Frage 5 fragt unter anderem danach, ob das zu versichernde Kind in den letzten fünf Jahren "Krankheiten der Atmungsorgane" und "depressive oder nervöse Störungen" hatte. Am Ende des Gesundheitsfragebogens bittet die Beschwerdeführerin um "folgende Angaben", falls eine der Fragen 2-7 mit "Ja" beantwortet wurde "oder eine andere, noch nicht erwähnte gesundheitliche Beeinträchtigung vorliegt". Unter den erbetenen "folgenden Angaben" fragte die Beschwerdeführerin in Tabellenform mit drei Zeilen insbesondere Angaben zu "Art der Krankheit, Verletzung, Gebrechen, welche Operationen?".  
Die Mutter der Beschwerdegegnerin bejahte die Frage 1, ob die Beschwerdegegnerin zur Zeit vollständig gesund sei, mit "Nein" und ergänzte bei der Anschlussfrage, dass diese an Augenproblemen leide. Die Frage 5 beantwortete sie mit "Ja" und führte in der Folge aus, dass die Beschwerdegegnerin "Asthma (allergisch) " habe. Die Behandlung bei der Kinderpsychologin erwähnte sie nicht. 
 
5.3.5. In diesem Vorgehen liegt keine Anzeigepflichtverletzung: Die Frage 1 erkundigt sich ausdrücklich nur danach, ob das Kind "zur Zeit" vollständig gesund ist. Auch die allgemeine Anschlussfrage, ob eine weitere nicht erwähnte gesundheitliche Beeinträchtigung "vorliegt", stellt auf den Zeitpunkt des Versicherungsantrags ab. Zurückliegende gesundheitliche Probleme sind bei diesen Fragen nicht relevant. Dass im Zeitpunkt des Versicherungsantrags bei der Beschwerdegegnerin eine psychische Beeinträchtigung bestanden hätte, ist nicht festgestellt. Der blosse Umstand, dass die Beschwerdegegnerin bis drei Jahre vor dem Versicherungsantrag, mithin von "ca. zwischen 1992 und 1998", in Behandlung bei einer Kinderpsychologin war, ist für diese Fragen nicht relevant. Hinzukommt, dass beide Fragen sehr offen und weit gefasst sind und bei solchen Fragen eine Verletzung der Anzeigepflicht ohnehin nur restriktiv anzunehmen ist (dazu oben Erwägung 3.2).  
Bleibt zu beurteilen, ob die Behandlung bei der Kinderpsychologin in der Tabelle als Ergänzung zu Frage 5 hätte erwähnt werden müssen, da diese Frage im Gegensatz zu den anderen beiden nicht auf den gegenwärtigen Zustand abstellt, sondern ausdrücklich danach fragt, ob das Kind in den letzten fünf Jahren eine depressive oder nervöse Störung hatte. Unter den in der Tabelle nachgesuchten "folgenden Angaben" wird explizit nur nach der "Art der Krankheit" gefragt. Aufgrund dieser Formulierung durfte und musste die Frage so verstanden werden, dass hier nach Störungen oder psychischen Beeinträchtigungen mit Krankheitswert gefragt wird (vgl. Urteil 4A_134/2013 vom 11. September 2013 E. 4.2.2). Dass bei der Beschwerdegegnerin im Zeitpunkt des Versicherungsantrags oder fünf Jahre zuvor eine psychische Störung oder eine psychische Beeinträchtigung mit Krankheitswert vorgelegen hätte, oder sie wegen einer solchen die Psychologin konsultierte, ist nicht festgestellt.  
Der Umstand, dass die Beschwerdegegnerin als junges Mädchen sechs Jahre lang durch eine Kinderpsychologin begleitet wurde, lässt darauf schliessen, dass bei ihr bereits in jungen Jahren Unterstützungsbedarf in psychologischer Hinsicht bestand. Daraus kann aber nicht ohne weiteres abgeleitet werden, dass sie dannzumal unter einer psychischen Störung oder einer psychischen Krankheit litt. Da jegliche Sachverhaltsfeststellungen zum Grund, zum Gang und zur Intensität der Behandlung fehlen, kann einzig aus einer, wenn auch in der Tat längeren Begleitung durch eine Kinderpsychologin, welche nach den Angaben der Beschwerdegegnerin der Bewältigung einer schwierigen Lebensphase (Scheidung der Eltern) diente, unter den vorliegenden Umständen des konkreten Einzelfalls entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin nicht geschlossen werden, dass bei der Beschwerdegegnerin eine depressive oder nervöse Störung oder psychische Krankheit vorgelegen hätte, welche in der Gesundheitserklärung bei den ergänzenden Angaben zu Frage 5 der Gesundheitserklärung hätte aufgeführt werden müssen. Entsprechend kann der Beschwerdegegnerin und ihrer Mutter kein Vorwurf gemacht werden, wenn sie die Behandlung bei der Kinderpsychologin nicht unter den Anschlussfragen erwähnte. 
 
6.  
Es bleibt damit beim Entscheid der Vorinstanz, dass keine für eine Leistungsverweigerung nachgewiesene Anzeigepflichtverletzung vorliegt. 
 
7.  
Nach dem Ausgeführten ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Entsprechend wird die Beschwerdeführerin kosten- und entschädigungspflichtig (Art. 66 Abs. 1 und Art. 68 Abs. 2 BGG). 
 
8.  
Das Gesuch der Beschwerdegegnerin um unentgeltliche Rechtspflege wird damit in Bezug auf die Gerichtskosten gegenstandslos. Bezüglich der Parteientschädigung kann bei der Beschwerdeführerin als Versicherung von der Einbringlichkeit ausgegangen werden. Für den unwahrscheinlichen Fall der Uneinbringlichkeit der Parteientschädigung ist dem Rechtsvertreter der Beschwerdegegnerin aus der Bundesgerichtskasse ein Honorar zu bezahlen (Art. 64 Abs. 2 BGG). Da die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind (Art. 64 Abs. 1 und 2 BGG) und auch die Notwendigkeit einer rechtlichen Verbeiständung zu bejahen ist, ist das Gesuch daher insoweit gutzuheissen. 
 
9.  
Das Gesuch um Erteilung der aufschiebenden Wirkung wird mit dem Entscheid in der Sache selbst gegenstandslos. 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 5'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.  
Das Gesuch der Beschwerdegegnerin um unentgeltliche Rechtspflege für das bundesgerichtliche Verfahren wird gutgeheissen, soweit es nicht gegenstandslos geworden ist, und ihr wird in der Person von Rechtsanwalt Christoph Häberli, Zürich, ein Rechtsbeistand beigegeben.  
 
4.  
Die Beschwerdeführerin hat den Rechtsvertreter der Beschwerdegegnerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 6'000.-- zu entschädigen. Im Fall der Uneinbringlichkeit der Parteientschädigung wird Rechtsanwalt Christoph Häberli, Zürich, als unentgeltlichem Rechtsbeistand der Beschwerdegegnerin aus der Bundesgerichtskasse ein Honorar von Fr. 6'000.-- ausgerichtet. 
 
5.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht Luzern, 1. Abteilung, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 19. Dezember 2022 
 
Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: Hohl 
 
Der Gerichtsschreiber: Brugger