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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
1B_290/2022  
 
 
Verfügung vom 23. November 2022  
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Haag, als Einzelrichter, 
Gerichtsschreiber Schurtenberger. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
vertreten durch Rechtsanwalt Daniel Wipf, 
 
gegen  
 
Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl, 
Postfach, 8036 Zürich. 
 
Gegenstand 
Strafverfahren; geheime Überwachungsmassnahmen, 
 
Beschwerde gegen die Verfügung und den Beschluss des Obergerichts des Kantons Zürich, III. Strafkammer, vom 6. Mai 2022 (UH220071-O/U/HEI). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Die Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl (nachfolgend Staatsanwaltschaft) führte eine Strafuntersuchung gegen A.________, welche sie mit Anklage beim Bezirksgericht Zürich wegen verschiedener Delikte zum Abschluss brachte. 
 
B.  
Im Rahmen dieser Strafuntersuchung ordnete die Staatsanwaltschaft am 1. November 2021 die rückwirkende Überwachung zweier auf A.________ registrierter Rufnummern an. Mit Verfügung vom 3. November 2021 entsprach das Zwangsmassnahmengericht dem Gesuch der Staatsanwaltschaft um Genehmigung der angeordneten Überwachung teilweise. Nachdem A.________ am 22. Februar 2022 über die angeordnete Zwangsmassnahme informiert wurde, erhob er am 4. März 2022 dagegen Beschwerde, die das Obergericht des Kantons Zürich mit Verfügung und Beschluss vom 6. Mai 2022 abwies. 
 
C.  
Mit Eingabe vom 8. Juni 2022 erhebt A.________ beim Bundesgericht Beschwerde in Strafsachen. Er beantragt, die Verfügung und den Beschluss des Obergerichts aufzuheben und die angeordneten Überwachungen nicht zu genehmigen. Weiter stellt er ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Rechtsverbeiständung für das bundesgerichtliche Beschwerdeverfahren. 
 
D.  
Aus dem angefochtenen Entscheid sowie den vorinstanzlichen Akten ist ersichtlich, dass der Beschwerdeführer (trotz des hängigen Beschwerdeverfahrens) auf den 13. Juni 2022 zur Hauptverhandlung vor dem Bezirksgericht Zürich vorgeladen wurde. Deshalb wurde von Amtes wegen Auskunft über den Stand des Hauptverfahrens eingeholt (vgl. Art. 29 Abs. 1 BGG). Gemäss dem Urteil des Bezirksgerichts Zürich, Einzelgericht, vom 13. Juni 2022 wurde A.________ von sämtlichen Vorwürfen freigesprochen. Die dagegen eingelegte Berufung wurde gemäss Präsidialentscheid des Obergerichts des Kantons Zürich vom 14. Juli 2022 zurückgezogen. 
Mit Verfügung vom 29. Juli 2022 wurden die Parteien aufgefordert, bis zum 26. August 2022 zur Frage der Gegenstandslosigkeit des bundesgerichtlichen Verfahrens sowie der damit zusammenhängenden Kosten- und Entschädigungsregelung Stellung zu nehmen. Die Staatsanwaltschaft hat auf eine Vernehmlassung verzichtet, das Obergericht hat sich nicht vernehmen lassen. A.________ hat zunächst mit Eingabe vom 26. August 2022 und unter Verweisung auf ein konnexes verwaltungsgerichtliches Verfahren betreffend ein gegen ihn verhängtes Rayonverbot an seinen Anträgen festgehalten. Mit Schreiben vom 11. November 2022 hat er das Bundesgericht jedoch darüber in Kenntnis gesetzt, dass mittlerweile auch dieses konnexe Verfahren abgeschlossen und damit auch sein Rechtsschutzinteresse an der Behandlung der Beschwerde dahingefallen sei. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Die Beschwerde in Strafsachen setzt ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung des angefochtenen Entscheids voraus (Art. 81 Abs. 1 lit. b BGG). Dieses muss aktuell sein; es muss also nicht nur im Zeitpunkt der Beschwerdeeinreichung, sondern auch noch im Zeitpunkt der Urteilsfällung bestehen (BGE 137 I 296 E. 4.2). Mit diesem Erfordernis soll sichergestellt werden, dass das Gericht konkrete und nicht bloss theoretische Fragen entscheidet (BGE 140 IV 74 E. 1.3.1). Fällt das schutzwürdige Interesse im Laufe des Verfahrens dahin, wird die Sache grundsätzlich als erledigt erklärt (BGE 142 I 135 E. 1.3.1). Das Bundesgericht berücksichtigt Tatsachen, welche zur Gegenstandslosigkeit des Verfahrens führen, unabhängig vom Zeitpunkt ihres Eintretens und von Amtes wegen. Dabei obliegt es grundsätzlich den für die Verfahrensleitung zuständigen Behörden (Art. 61 StPO), das Bundesgericht während des hängigen Beschwerdeverfahrens über neue Entscheide, welche zur Gegenstandslosigkeit des Beschwerdeverfahrens führen, zu informieren (Urteil 1B_121/2022 vom 7. Juni 2022 E. 2 mit Hinweisen). 
 
2.  
Es obliegt dem Beschwerdeführer, die Tatsachen darzulegen, aus denen sich sein Rechtsschutzinteresse und damit seine Beschwerdeberechtigung ergibt, sofern diese nicht offensichtlich gegeben ist (Art. 42 Abs. 1 BGG; BGE 141 IV 289 E. 1.3; Urteil 1B_258/2022 vom 20. Juni 2022 E. 1.2; je mit Hinweisen). 
Der Beschwerdeführer vertritt vorliegend selbst die Ansicht, dass mit dem Freispruch und der Beendigung des konnexen verwaltungsgerichtlichen Verfahrens sein Rechtsschutzinteresse dahingefallen sei. Zudem hat der angefochtene Entscheid die Kosten für das vorinstanzliche Beschwerdeverfahren dem Endentscheid vorbehalten, welcher wiederum die entsprechenden Kosten auf die Gerichtskasse genommen hat. Demzufolge ist das bundesgerichtliche Verfahren vom Instruktionsrichter als Einzelrichter (Art. 32 Abs. 2 BGG) als gegenstandslos abzuschreiben (Art. 71 BGG i.V.m. Art. 72 BZP). 
 
3.  
Bei Gegenstandslosigkeit des Verfahrens entscheidet der Einzelrichter mit summarischer Begründung über die Prozesskosten aufgrund der Sachlage vor Eintritt des Erledigungsgrundes (Art. 71 BGG i.V.m. Art. 72 BZP). In erster Linie ist somit auf den mutmasslichen Ausgang des Prozesses abzustellen. Dabei geht es nicht darum, die Prozessaussichten im Einzelfall zu prüfen und dadurch weitere Umtriebe zu verursachen. Auf dem Weg über den Kostenentscheid soll nicht ein materielles Urteil gefällt und unter Umständen der Entscheid in einer heiklen Rechtsfrage präjudiziert werden (zum Ganzen BGE 142 V 551 E. 8.2; Urteil 1B_67/2022 vom 23. Mai 2022 E. 4 mit Hinweis). Lässt sich der mutmassliche Ausgang eines Verfahrens im konkreten Fall nicht ohne Weiteres feststellen, ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts auf allgemeine zivilprozessrechtliche Kriterien zurückzugreifen. Danach wird in erster Linie jene Partei kosten- und entschädigungspflichtig, die das gegenstandslos gewordene Verfahren veranlasst oder bei der die Gründe eingetreten sind, die zur Gegenstandslosigkeit des Verfahrens geführt haben (Urteile 1B_121/2022 vom 7. Juni 2022 E. 2; 1B_67/2022 vom 23. Mai 2022 E. 4; je mit Hinweisen). 
 
3.1. Nach der hiervor zitierten Rechtsprechung ist für die Regelung der Kosten- und Entschädigungsfolgen nur dann auf den mutmasslichen Ausgang des Verfahrens abzustellen, wenn sich dieser ohne Weiteres feststellen lässt. Dies ist vorliegend nicht der Fall: Die Rügen des Beschwerdeführers bedürften einer eingehenden bundesgerichtlichen Prüfung und Abwägung.  
 
3.2. Für die Bestimmung der Kostenfolgen ist demnach auf das Verursacherprinzip abzustellen. Vorliegend hat sich das erstinstanzliche Strafgericht dazu entschlossen, die Hauptverhandlung trotz des am Bundesgericht hängigen Beschwerdeverfahrens durchzuführen, und hat den Beschwerdeführer im Anschluss von allen Anklagepunkten (mittlerweile rechtskräftig) freigesprochen. Die Gründe, die zur Gegenstandslosigkeit des Verfahrens geführt haben, sind somit durch die Strafbehörden des Kantons Zürich zu verantworten. Nach dem Gesagten sind ihnen als Verursacherinnen die Verfahrenskosten zu überbinden (vgl. Urteil 1B_67/2022 vom 23. Mai 2022 E. 4.2 mit Hinweis).  
Die Strafbehörden des Kantons Zürich handelten in ihrem amtlichen Wirkungskreis, weshalb für das bundesgerichtliche Verfahren keine Gerichtskosten zu erheben sind (Art. 66 Abs. 4 BGG). Indessen ist der anwaltlich vertretene Beschwerdeführer vom Kanton Zürich angemessen für das bundesgerichtliche Beschwerdeverfahren zu entschädigen (Art. 68 BGG). Die vom Rechtsvertreter des Beschwerdeführers eingereichte Kostennote vom 26. August 2022 im Betrag von Fr. 2'703.40 gibt zu keinen Bemerkungen Anlass. Damit wird das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege für das Verfahren vor Bundesgericht gegenstandslos. 
 
 
Demnach verfügt der Einzelrichter:  
 
1.  
Das Verfahren 1B_290/2022 wird als gegenstandslos geworden abgeschrieben. 
 
2.  
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
3.  
Der Kanton Zürich hat den Rechtsvertreter des Beschwerdeführers, Rechtsanwalt Daniel Wipf, für das Verfahren vor Bundesgericht mit Fr. 2'703.40 zu entschädigen. 
 
4.  
Diese Verfügung wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl, dem Obergericht des Kantons Zürich, III. Strafkammer, und dem Bezirksgericht Zürich, 8. Abteilung, Einzelgericht, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 23. November 2022 
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Einzelrichter: Haag 
 
Der Gerichtsschreiber: Schurtenberger