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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
1C_68/2022  
 
 
Urteil vom 24. November 2022  
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Kneubühler, Präsident, 
Bundesrichterin Jametti, 
Nebenamtlicher Bundesrichter Weber. 
Gerichtsschreiber Gelzer. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführerin, 
vertreten durch Rechtsanwalt Gregor Marcolli, 
 
gegen  
 
B.________, 
Beschwerdegegner, 
vertreten durch Fürsprecher Ernst Hauser und/oder Rechtsanwältin Evelyne Toh, 
 
Einwohnergemeinde Saanen, Abteilung Bauinspektorat, Raumplanung, Infrastrukturen, Schönriedstrasse 8, 3792 Saanen, 
Bau- und Verkehrsdirektion des Kantons Bern, Rechtsamt, Reiterstrasse 11, 3013 Bern. 
 
Gegenstand 
Baupolizei, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern, Verwaltungsrechtliche Abteilung, vom 15. Dezember 2021 (100.2020.441U). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
B.________ (nachstehend: Bauherr) ist Eigentümer der mit einem Chalet überbauten Parzelle Gbbl. Nr. 5506 der Einwohnergemeinde (EG) Saanen (nachstehend: Bauparzelle). Sie wurde der Wohnzone W3a zugeordnet und liegt in Gstaad an einem von der Montesanostrasse gegen Süd-Osten ansteigenden Hang. A.________ (nachstehend: Nachbarin) ist Nutzniesserin der nord-westlich dieser Strasse gelegenen Parzelle Gbbl. Nr. 4849. 
 
B.  
Am 20. September 2016 bewilligte die EG Saanen ein Baugesuch des Bauherrn, das bezüglich des auf der Bauparzelle errichteten Chalets die Erweiterung der Untergeschosse, die energetische Sanierung, den Ersatz der Heizung, einen Giebeleinbau und diverse Fassaden-, Grundriss- und Umgebungsarbeiten vorsah. 
Nach Baubeginn reichte der Bauherr am 24. April 2017 ein Projektänderungsgesuch ein (1. Projektänderung). Die EG Saanen hielt diesbezüglich mit Schreiben vom 12. Mai 2017 namentlich fest, die Gestaltung und Einordnung der Garageneinfahrt, Stützmauern und vorgelagerten Bauten in das Terrain sei schlecht vorstellbar, weshalb die Bau- und Planungskommission am 22. Mai 2017 eine Begehung durchführe, für die eine Profilierung erforderlich sei. In der Folge wurden zumindest teilweise Profile aufgestellt. 
Am 22. Mai 2017 reichte der Bauherr bei der EG Saanen bezüglich der 1. Projektänderung revidierte Pläne der Untergeschosse (2.UG/1.UG) ein, die auf dem Niveau des Zwischen- bzw. 1. Untergeschosses neben dem Spa-Bereich eine 8 m lange und 7,47 m tiefe Terrasse (nachstehend: Spa-Terrasse) vorsehen. Am 27. Juni 2017 gingen bei der EG Saanen hinsichtlich der 1. Projektänderung revidierte Pläne in Bezug auf oberirdische Geschosse, Schnitte und Fassaden ein. Gemäss dem Plan "Schnitte" sollte die Spa-Terrasse in den gegen die Montesanostrasse abfallenden Hang eingegraben und gegen diesen durch eine ca. 2 m hohe (senkrechte) Betonmauer begrenzt werden, wobei der Hang bis zur Oberkante dieser Mauer ca. 90 cm über das bestehende Terrain hinaus aufgeschüttet werden soll (Schnitte; Schnitt H-H). 
Nachdem gegen das publizierte Baugesuch betreffend die 1. Projektänderung während der Einsprachefrist keine Einsprachen eingegangen waren, erteilte die EG Saanen dafür am 9. Oktober 2017 die Baubewilligung. 
 
In der Folge liess der Bauherr die Spa-Terrasse in Abweichung von den am 9. Oktober 2017 bewilligten Plänen nicht mit einer vertikalen, sondern mit einer gegen die Montesanostrasse geneigten Stützmauer errichten, was zu einem schräg zu dieser Strasse gerichteten Lichtschacht bzw. "Betonbehälter" führte. Vom Bau der entsprechenden Mauern nahm die Nachbarin im April 2018 Kenntnis, worauf sie sich per E-Mail an den Bauherrn wandte. Dieser ersuchte die EG Saanen am 12. Juni 2018 darum, die in Abweichung von den bewilligten Plänen errichtete Spa-Terrasse bzw. deren Mauern nachträglich zu bewilligen (2. Projektänderung). Die Nachbarin erkundigte sich am 11. Juli 2018 bei der EG Saanen nach dem Vorgehen bei fehlender Profilierung und nach den Bauplänen. Am 12. Juli 2018 verfügte die EG Saanen die Baueinstellung hinsichtlich der Stützmauern im Bereich der Einfahrt zur Einstellhalle. Am 23. Juli 2018 führte die EG Saanen einen Augenschein mit Beteiligung der Nachbarin durch und gewährte dieser am gleichen Tag Einsicht in die bewilligten Pläne, ohne ihr zu erlauben, davon Kopien zu erstellen. 
Am 8. August 2018 erhob die Nachbarin gegen die 2. Projektänderung Einsprache, in der sie unter anderem geltend machte, die Spa-Terrasse sei nicht bewilligungsfähig und zu Unrecht nicht profiliert worden. Mit Schreiben vom 10. August 2018 übermittelte die EG Saanen dem Anwalt der Nachbarin Kopien der Pläne der ursprünglichen Baubewilligung und der Bewilligung der 1. Projektänderung, wobei der Plan «Untergeschosse» dieser Projektänderung auf Nachfrage hin erst später zugestellt wurde. Mit Verfügung vom 18. September 2018 hob die Gemeinde die Baueinstellungsverfügung vom 12. Juli 2018 hinsichtlich der Stützmauern auf. Dagegen erhob die Nachbarin Beschwerde bei der Bau- und Verkehrsdirektion des Kantons Bern (BVD). 
Mit Schreiben vom 21. September 2018 zog der Bauherr die 2. Projektänderung zurück und verpflichtete sich, innert vier Wochen das Bauvorhaben gemäss den bewilligten Plänen der 1. Projektänderung auszuführen und die Abweichungen davon rückgängig zu machen. Daraufhin schrieb die EG Saanen das Baubewilligungs- und Einspracheverfahren bezüglich der 2. Projektänderung am 17. Oktober 2018 ab. 
 
Am 26. Oktober 2018 ersuchte die Nachbarin die EG Saanen unter anderem um Erlass einer Verfügung betreffend die nachträgliche Profilierung der Spa-Terrasse nach Art. 16 Abs. 4 des Dekrets vom 22. März 1994 über das Baubewilligungsverfahren des Kantons Bern (Baubewilligungsdekret; BewD; BSG 725.1). 
Mit Verfügung vom 30. November 2018 ordnete die EG Saanen gegenüber dem Bauherrn einen zweiten Baustopp an und wies den Antrag der Nachbarin betreffend die erneute Profilierung ab. Dagegen erhob die Nachbarin Beschwerde bei der BVD. 
Mit Entscheid vom 7. Januar 2019 hob die BVD die Verfügung der EG Saanen vom 18. September 2018 betreffend Aufhebung der ersten Baueinstellung in Gutheissung der dagegen von der Nachbarin erhobenen Beschwerde auf und verpflichtete die EG Saanen, in Weiterführung des eingeleiteten Baupolizeiverfahrens eine unmissverständliche Wiederherstellungsverfügung zu erlassen. 
Am 18. März 2019 verfügte die EG Saanen den Rückbau respektive die Wiederherstellung des Zustands von verschiedenen Bauteilen, darunter die Einfassung der Spa-Terrasse, gemäss den bewilligten Plänen der 1. Projektänderung. Hierauf reichte der Bauherr am 1. April 2019 ein nachträgliches Baugesuch ein (3. Projektänderung), gegen das die Nachbarin Einsprache erhob. Am 15. Juli 2019 reichte der Bauherr überarbeitete Pläne ein, worauf die EG Saanen einen Planaustausch vornahm. 
Mit Gesamtentscheid vom 6. April 2020 bewilligte die EG Saanen das nachträgliche Baugesuch betreffend die 3. Projektänderung. Zur Begründung führte die Gemeinde namentlich an, sowohl das ursprüngliche Baugesuch als auch die 1. Projektänderung seien ordentlich publiziert und soweit gemäss Art. 16 BewD notwendig profiliert worden. Namentlich aus dem «Schnitt H-H» der 1. Projektänderung ergebe sich, dass die Einfassung der Spa-Terrasse nicht mehr als 1,2 m über das gewachsene Terrain hinausrage und daher nicht habe profiliert werden müssen. 
Gegen die Baubewilligung vom 6. April 2020 erhob die Nachbarin Beschwerde bei der BVD, die das Verfahren mit jenem betreffend des Antrags auf neue Profilierung und Publikation des Baugesuchs betreffend die 1. Projektänderung vereinigte. 
Nach einem Hinweis der BVD auf Unterschiede zwischen den Plänen der 1. Projektänderung und des nachträglichen Baugesuchs (3. Projektänderung) reichte der Bauherr überarbeitete Pläne ein (4. Projektänderung). Zur Dimensionierung der Spa-Terrasse führte er aus, die Öffnung sei gegenüber der 1. Projektänderung geringfügig abgeändert worden, indem die Breite um 19 cm vergrössert und die Tiefe um ca. 60 cm reduziert worden seien, was die Integration in das Gelände verbessere. 
Mit Entscheid vom 3. November 2020 wies die BVD die Beschwerde vom 8. Januar 2019 betreffend die Neuprofilierung und Neupublikation ab, bewilligte die 4. Projektänderung und wies die Beschwerde gegen den Gesamtentscheid vom 6. April 2020 ab, soweit sie nicht gegenstandslos geworden war und sie darauf eintrat. Zur Begründung führte die BVD namentlich aus, die Nachbarin könne die Bewilligungen des ursprünglichen Baugesuchs und der 1. Projektänderung nicht mehr in Frage stellen, weil sie dagegen keine Einsprachen erhoben habe. Aus einer allfällig mangelhaften Profilierung könne sie nichts zu ihren Gunsten ableiten. Die 4. Projektänderung müsse nicht publiziert werden, weil das Bauprojekt in den Grundzügen gleich bleibe. Dass die damit gegenüber der bereits bewilligten Plänen vorgesehenen Änderungen nicht bewilligt werden könnten, werde nicht geltend gemacht und sei auch nicht ersichtlich. 
Eine von der Nachbarin gegen diesen Entscheid der BVD gerichtete Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Bern mit Urteil vom 15. Dezember 2021 ab, soweit es darauf eintrat. 
 
C.  
Die Nachbarin erhebt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit den Anträgen, das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 15. Dezember 2021 sei aufzuheben (Ziff.1), es sei festzustellen, dass die auf dem Baugrundstück erstellte Spa-Terrasse und das zusätzlich eingebaute Geschoss oberhalb der Einstellhalle nicht rechtskräftig bewilligt worden seien (Ziff. 2) und die Akten seien zur Prüfung der Bewilligungsfähigkeit der Spa-Terrasse und des zusätzlichen Geschosses an die Vorinstanz zurückzuweisen (Ziff. 3). 
Die BVD und das Verwaltungsgericht schliessen auf Abweisung der Beschwerde. Das Bauinspektorat der EG Saanen und der Bauherr beantragen, die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Gegen den kantonal letztinstanzlichen Endentscheid der Vorinstanz im Bereich des Baurechts steht die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten grundsätzlich offen (Art. 82 ff. BGG; BGE 133 II 353 E. 2). Die Beschwerdeführerin hat am vorinstanzlichen Verfahren teilgenommen und ist als Nutzniesserin eines Nachbargrundstücks der Bauparzelle vom strittigen Bauvorhaben besonders betroffen. Damit ist sie zur Beschwerdeführung legitimiert (Art. 89 Abs. 1 BGG).  
Den von der Beschwerdeführerin gestellten Feststellungsanträgen (Ziff. 2) kommt neben ihrem Antrag auf Rückweisung der Sache zur (materiellen) Prüfung der Bewilligungsfähigkeit der Spa-Terrasse und des Zwischengeschosses keine selbstständige Bedeutung zu. Dieser Rückweisungsantrag ist zulässig, weil das Bundesgericht in der Sache nicht entscheiden könnte, wenn gemäss der Annahme der Beschwerdeführerin die Bewilligungen des ursprünglichen Baugesuchs und der 1. Projektänderung ihr gegenüber nicht in Rechtskraft erwachsen wären und sie deshalb berechtigt wäre, diese Bewilligungen nachträglich anzufechten. 
 
Da auch die weiteren Sachurteilsvoraussetzungen erfüllt sind, ist auf die Beschwerde grundsätzlich einzutreten. 
 
1.2. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann geltend gemacht werden, der angefochtene Entscheid verletze Bundes- oder Völkerrecht (Art. 95 lit. a und b BGG). Zulässig ist auch die Rüge der Verletzung von kantonalen verfassungsmässigen Rechten sowie von kantonalen Bestimmungen über die politische Stimmberechtigung der Bürger und über Volkswahlen und -abstimmungen (Art. 95 lit. c und d BGG). Abgesehen davon ist die Rüge der Verletzung kantonalen Rechts unzulässig. Jedoch kann gerügt werden, die Anwendung kantonalen Rechts widerspreche dem Bundesrecht, namentlich dem Willkürverbot gemäss Art. 9 BV (BGE 142 II 369 E. 2.1 mit Hinweisen). Nach der Rechtsprechung verstösst ein Entscheid gegen dieses Verbot, wenn er im Ergebnis offensichtlich unhaltbar ist, weil er zum Beispiel eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass verletzt. Dass eine andere Lösung ebenfalls als vertretbar erscheint, genügt nicht (BGE 141 I 70 E. 2.2 mit Hinweisen).  
 
2.  
 
2.1. Die Vorinstanz erwog zusammengefasst, gegen die von der BVD als 4. Projektänderung nachträglich bewilligten Abweichungen von den zuvor bewilligten Plänen bringe die Beschwerdeführerin nichts vor. Sie sei vielmehr der Ansicht, die Spa-Terrasse und das Zwischengeschoss oberhalb der Einstellhalle seien mangels genügender Profilierung insgesamt nicht rechtskräftig bewilligt worden. Somit sei zu prüfen, ob die Beschwerdeführerin diese Teile des Bauprojekts zufolge einer aus ihrer Sicht ungenügenden Profilierung nachträglich noch habe anfechten können, obwohl sie gegen das ursprüngliche Baugesuch und die 1. Projektänderung keine Einsprachen erhoben habe.  
Die Vorinstanz führte diesbezüglich in rechtlicher Hinsicht zusammengefasst aus, die Profilierung habe Informations- und Warnfunktion, indem sie erkennen lasse, dass ein Baugesuch hängig sei. Zudem komme der Profilierung Visualisierungsfunktion zu, weil mit der Absteckung der äusseren Umrisse von Bauten und Anlagen im Gelände die für das Erscheinungsbild wesentlichen Abmessungen kenntlich gemacht würden. Um Details über das Vorhaben zu erfahren, müssten die Interessierten jedoch die Baugesuchsakten einsehen. Nach erfolgter Profilierung habe die Gemeindeverwaltung deren Vollständigkeit und Richtigkeit zu prüfen und bei unterlassener oder nur mangelhafter Profilierung die sofortige Verbesserung zu verlangen (Art. 17 Abs. 3 BewD). Werde dieser Mangel erst nach erfolgter Bekanntmachung des Bauvorhabens behoben, müsse die Bekanntmachung wiederholt werden, was die Einsprachefrist entsprechend verlängere (Art. 16 Abs. 4 BewD). Die Profilierung bilde neben der öffentlichen Publikation Teil der Eröffnung eines Baugesuchs, weshalb allfällige Profilierungsmängel entsprechend den Grundsätzen über die fehlerhafte Eröffnung von Verfügungen für die davon betroffenen Personen nicht zu einem Nachteil führen dürften (Art. 44 Abs. 6 VRPG). Gegenüber diesen Personen erwachse ein mangelhaft eröffneter Bauentscheid nicht in Rechtskraft (sog. hinkende Rechtskraft) und könne von ihnen auch nach Ablauf der Rechtsmittelfrist innert 30 Tagen seit Kenntnis des massgebenden Sachverhalts angefochten werden (sog. nachträgliche Beschwerde). Die fristauslösende Sachverhaltskenntnis sei gegeben, wenn die betroffene Person im Besitz aller für die erfolgreiche Wahrung ihrer Interessen wesentlichen Informationen sei bzw. bei gebührender Aufmerksamkeit hätte sein können. Dabei sei nicht erforderlich, dass sie alle Einzelheiten der behördlichen Anordnung erfahre, vielmehr genüge die Kenntnis der wesentlichen Elemente. Die Person sei alsdann nach Treu und Glauben verpflichtet, die ihr zumutbaren Schritte zur Fristwahrung zu unternehmen. Welches Mass an Aufmerksamkeit der von einem Eröffnungsmangel betroffenen Person zugemutet werden dürfe, hänge von den Umständen des Einzelfalls ab. Mangelhafte Profilierung sei nach Treu und Glauben sofort zu rügen. Wer seine Verfahrensrechte habe ausüben können, könne aus einer mangelhaften Profilierung keine Rechte ableiten. 
 
2.2. Dass diese allgemeinen rechtlichen Erwägungen der Vorinstanz bundesrechtswidrig sein sollen, macht die Beschwerdeführerin nicht geltend und ist auch nicht ersichtlich. So ist nach der Rechtsprechung die fehlende oder mangelhafte Profilierung eines Bauvorhabens nach Treu und Glauben unverzüglich geltend zu machen, sobald dieser formelle Mangel von der betroffenen Person erkannt werden konnte (Urteil 1A.114/2001 vom 14. März 2002 E. 4.1 mit Hinweis). Zudem erachtete das Bundesgericht es als zulässig, dass im Fall der "hinkenden Rechtskraft" einer bereits erteilten Baubewilligung grundsätzlich nicht die Neueröffnung des Einspracheverfahrens durch nachträgliche Publikation des Baugesuchs verlangt werden kann, sondern Beschwerde gegen die Baubewilligung geführt werden muss (Urteil 1C_217/2010 vom 3. Februar 2011 E. 2.3.2 mit Hinweis).  
 
3.  
 
3.1. In Bezug auf den vorliegenden Fall führte die Vorinstanz zusammengefasst aus, gemäss den Angaben der Beschwerdeführerin habe diese gegen das ihr bekannte ursprüngliche Baugesuch und das Gesuch betreffend die 1. Projektänderung keine Einsprachen erhoben, weil sie gestützt auf einen ihr (vom Bauherrn) vorgelegten Fassadenplan davon ausgegangen sei, das äussere Erscheinungsbild und die Silhouette des Nachbarchalets würden nicht verändert. Die Beschwerdeführerin sei damit im Zeitpunkt der öffentlichen Auflage über das Bauvorhaben informiert gewesen und hätte die Baugesuchsakten mit den Plänen einsehen können. Die zumindest teilweise aufgestellten Profile hätten damit ihre Informationsfunktion erfüllt. Ob die Profile tatsächlich vollständig und ordnungsgemäss gewesen seien, lasse sich nachträglich nicht mehr feststellen, könne aber aus mehreren Gründen offengelassen werden:  
So sei die nachträgliche Anfechtung der bereits erteilten Baubewilligungen nach ausgeführtem Bauvorhaben ausgeschlossen, weil die Beschwerdeführerin durch eine zumindest teilweise Profilierung auf das Bauvorhaben im fraglichen Bereich hingewiesen worden sei und sie daher bei pflichtgemässer Aufmerksamkeit die aufgelegten Baupläne hätte konsultieren müssen. Diese Pläne hätten die Spa-Terrasse und das Zwischengeschoss in genügender Klarheit erkennen lassen, auch wenn die Einordnung der Spa-Terrasse anhand des Fassaden- und Grundrissplanes schwer vorstellbar gewesen sei. Selbst wenn die Profilierung fehlerhaft gewesen wäre, hätte die Beschwerdeführerin demnach bei pflichtgemässer Einsichtnahme in die aufgelegten Pläne den angeblichen Profilierungsmangel erkennen können. In einer solchen Situation sei eine nachträgliche Anfechtung der Baubewilligung oder eine Wiederholung der Profilierung nicht gerechtfertigt. 
Zudem sei die mangelhafte Profilierung von der Beschwerdeführerin nicht rechtzeitig gerügt worden. Diese habe gemäss den Akten spätestens im April 2018 vom Bau der Spa-Terrasse Kenntnis genommen und sich diesbezüglich per E-Mail an den Beschwerdegegner gewandt. Bei der Gemeinde habe sie sich am 11. Juli 2018 nach dem Vorgehen bei fehlender Profilierung und nach den Bauplänen erkundigt. Am 23. Juli 2018 habe ihr die Gemeinde Einsicht in diese Pläne gewährt, ohne ihr zu erlauben davon Kopien/Fotos zu erstellen. Mit Schreiben vom 10. August 2018 habe die Gemeinde dem Anwalt der Beschwerdeführerin Kopien der Pläne der ursprünglichen Bewilligung und der Projektänderung 1 übermittelt, wobei der Plan «Untergeschosse» der 1. Projektänderung erst auf Nachfrage hin am 17. Juli 2019 zugestellt worden sei. In der Einsprache vom 8. August 2018 gegen die 2. Projektänderung habe die Beschwerdeführerin neben der Verletzung des rechtlichen Gehörs (Akteneinsicht) die fehlende Profilierung und Bewilligungsfähigkeit der Spa-Terrasse gerügt. Nach der Abschreibung des Verfahrens betreffend die 2. Projektänderung habe die Beschwerdeführerin erstmals mit Schreiben vom 26. Oktober 2018 eine Verfügung der Gemeinde hinsichtlich der Profilierung verlangt. Damit habe sie trotz Kenntnis der wesentlichen Elemente im April 2018 bzw. spätestens am 23. Juli 2018 nicht innert 30 Tagen eine nachträgliche Beschwerde eingereicht. Die Beschwerdeführerin habe demnach eine mangelhafte Profilierung ohnehin verspätet gerügt und könne daher aus einem Profilierungsmangel nichts zu ihren Gunsten ableiten. 
 
3.2. Die Beschwerdeführerin rügt, die vorinstanzliche Annahme, wonach sie gehalten gewesen sei, innert 30 Tagen nach April 2018 die unterlassene Profilierung mit einem Rechtsmittel zu rügen, verstosse gegen die bundesrechtlichen Grundsätze zu den Rechtsfolgen mangelhafter Verfügungen. Als im April 2018 mit dem Baufortschritt die Dimensionierung der Spa-Terrasse für die Beschwerdeführerin sichtbar geworden sei, habe sie angenommen, diese Terrasse bzw. die sie umgebenden Betonmauern seien nicht nach den bewilligten Plänen gebaut worden und habe daher bei der Baubehörde eine baupolizeiliche Anzeige erhoben. Damit habe sie ihre Sorgfaltspflichten vollumfänglich erfüllt. Nach der Einsicht in die Bauakten am 23. Juli 2018 habe die Beschwerdeführerin innert weniger als 30 Tagen in ihrer Einsprache vom 8. August 2018 die Bewilligungsfähigkeit der Spa-Terrasse insgesamt in Frage gestellt, was für eine fristwahrende Anfechtung genüge.  
 
3.3. Die amtlich publizierten Baubegehren betreffend das ursprüngliche Baugesuch und die 1. Planänderung waren der Beschwerdeführerin bekannt, weshalb eine Profilierung ihr gegenüber insoweit keine Informations-, sondern nur eine Visualisierungsfunktion zukommen konnte. Diese Funktion wurde nachträglich damit erfüllt, dass die optische Wirkung der Spa-Terrasse und der sie umgebenden Mauern mit deren Errichtung im April 2018 für die Beschwerdeführerin erkennbar wurden. Aus den Akten geht hervor, dass diese sich mit E-Mail vom 10. April 2018 beim Beschwerdegegner über diese Mauern beschwerte und ihn zur Überprüfung der Baute mit den bewilligten Plänen aufforderte. Diese Mail leitete die Nachbarin am 11. April 2018 als Anzeige an das Bauinspektorat der EG Saanen weiter, das daraufhin eine Kontrolle durch einen Geometer veranlasste. Insoweit kann der vorinstanzliche festgestellte Sachverhalt ergänzt werden (Art. 105 Abs. 2 BGG). Demnach wurde am 10. bzw. 11. April 2018 die Visualisierungsfunktion einer möglicherweise zu Unrecht unterlassenen Profilierung aufgrund der damals für die Beschwerdeführerin erkennbaren Ausmasse der Spa-Terrasse bzw. der sie umgebenden Mauern nachträglich erfüllt, auch wenn diese zum Teil von den bewilligten Plänen abwichen. Die Beschwerdeführerin wäre daher spätestens ab diesem Zeitpunkt gehalten gewesen, unverzüglich Einsicht in die bewilligten Baupläne zu verlangen, um sich darüber im Hinblick auf eine eventuelle nachträgliche Erhebung von Einwänden bzw. Rechtsmitteln zu informieren. Dies unterliess die Beschwerdeführerin jedoch, weil sie ein entsprechendes Einsichts- bzw. Zustellungsgesuch erst am 11. Juli 2018, d.h. etwa drei Monate später stellte. Unter diesen Umständen verletzte die Vorinstanz keine bundesrechtlichen Rechtsgrundsätze bezüglich der Rechtswirkungen von möglichen Profilierungsmängeln, wenn sie davon ausging, die Beschwerdeführerin habe die in der Einsprache vom 8. August 2018 gegen die 2. Projektänderung erhobene Rüge der fehlenden Profilierung und Bewilligungsfähigkeit der bereits bewilligten Spa-Terrasse verspätet erhoben.  
 
Daraus folgt, dass die Vorinstanz entgegen der Meinung der Beschwerdeführerin weder deren Anspruch auf rechtliches Gehör verletzte noch eine Rechtsverweigerung beging, wenn sie die rechtsgenügliche Profilierung der Spa-Terrasse nicht prüfte. Die Vorinstanz brauchte daher nicht abzuklären, ob die Mauern der Spa-Terrasse entgegen den mit der 1. Projektänderung bewilligten Bauplänen das gewachsene Terrain um 1,2 m überstiegen. Sie traf diesbezüglich keine tatsächlichen Feststellungen, weshalb die von der Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhang erhobene Rüge der willkürlichen Sachverhaltsfeststellung gegenstandslos ist. 
 
3.4. Nach dem Gesagten ist nicht entscheidrelevant, ob die Vorinstanz davon ausgehen durfte, unter Berücksichtigung der teilweise Profilierung des Bauvorhabens hätte es der Beschwerdeführerin bereits während der Einsprachefrist bezüglich der 1. Projektänderung oblegen, in die entsprechenden Baupläne Einsicht zu nehmen. Auf die dagegen gerichteten Einwände der Beschwerdeführerin braucht daher nicht eingegangen zu werden. Damit kann offen bleiben, ob die Baupläne zur 1. Projektänderung die optische Wirkung der Mauern der Spa-Terrasse auch ohne Profilierung hinreichend klar zum Ausdruck brachten und die Beschwerdeführerin vor Baubeginn auf die durch einen (unvollständigen) Fassadenplan untermauerte Angabe des Beschwerdegegners, die 1. Projektänderung werde nicht zu einer wahrnehmbaren Veränderung des äusseren Erscheinungsbilds seines Chalets führen, vertrauen durfte.  
 
4. Gemäss den vorstehenden Erwägungen ist die Beschwerde abzuweisen. Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die Gerichtskosten der unterliegenden Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Diese hat dem obsiegenden, anwaltlich vertretenen Beschwerdegegner für das bundesgerichtliche Verfahren eine angemessene Parteientschädigung zu bezahlen (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG).  
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 4'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.  
Die Beschwerdeführerin hat den Beschwerdegegner für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 3'000.-- zu entschädigen. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Parteien, der Einwohnergemeinde Saanen, der Bau- und Verkehrsdirektion und dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 24. November 2022 
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Kneubühler 
 
Der Gerichtsschreiber: Gelzer