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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
1A.131/2005 /gij 
 
Urteil vom 9. November 2005 
I. Öffentlichrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Féraud, Präsident, 
Bundesrichter Aemisegger, Nay, 
Gerichtsschreiberin Gerber. 
 
Parteien 
X.________, Beschwerdeführer, 
 
gegen 
 
Politische Gemeinde Sirnach, 8370 Sirnach, vertreten durch den Gemeinderat Sirnach, Kirchplatz 5, 8370 Sirnach, 
Departement für Bau und Umwelt des Kantons Thurgau, Verwaltungsgebäude, Postfach, 8510 Frauenfeld, 
Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau, Frauenfelderstrasse 16, 8570 Weinfelden. 
 
Gegenstand 
Gestaltungsplan "Rüti", Einspracheberechtigung, 
 
Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Thurgau vom 16. März 2005. 
 
Sachverhalt: 
A. 
Am 17. Juni 2002 beschloss der Gemeinderat Sirnach den Gestaltungsplan "Rüti". Das Gebiet "Rüti" liegt im südwestlichen Teil von Sirnach und wird von einem historischen Industriekanal durchquert. Es soll mit Wohn- und Gewerbebauten überbaut werden. Die bisherige Breitestrasse, die das Plangebiet diagonal quert, soll nördlich des Kanals als Sackgasse mit Kehrplatz bis zum neuen Kanalverlauf führen. Der weiter südlich, entlang des Kanals verlaufende Teil der Breitestrasse soll überbaut werden. 
B. 
Gegen den Gestaltungsplan erhob X.________ Einsprache. Er befürchtet, dass die Umgestaltung der Breitestrasse in eine Sackgasse zu einem höheren Verkehrsaufkommen an der "Engelkreuzung", in der ohnehin schon stark belasteten Sirnacher Dorfmitte, führen werde, wo sich seine Liegenschaft "Tuechhof" befindet. Auf diese Einsprache trat der Gemeinderat aufgrund fehlender Legitimation nicht ein. 
C. 
Gegen den Nichteintretensentscheid der Gemeinde rekurrierte X.________ erfolglos an das Departement für Bau und Umwelt des Kantons Thurgau (DBU); auch eine Beschwerde an das Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau blieb erfolglos. Am 9. Februar 2004 hiess das Bundesgericht die Verwaltungsgerichtsbeschwerde von X.________ gut, weil das Verwaltungsgericht nicht geprüft habe, inwieweit die Umgestaltung der Breitestrasse zur Sackgasse zu einer Verlagerung des Verkehrs in die Dorfmitte und damit zu einer spürbaren zusätzlichen Belastung der Liegenschaft des Beschwerdeführers am Kirchplatz führen könne (1A.227/2003). 
D. 
Das Verwaltungsgericht hiess daraufhin die Beschwerde von X.________ in dem Sinne teilweise gut, als es die Sache zur weiteren Abklärung und zum Neuentscheid an das DBU zurückwies. Dieses forderte den Gemeinderat Sirnach auf, die entsprechenden Erhebungen und Berechnungen vorzunehmen. Die Gemeinde beauftragte das Ingenieurbüro Widmer mit der Erstellung eines Berichts. 
E. 
Am 2. Dezember 2004 wies das DBU den Rekurs von X.________ ab: Der Bericht des Ingenieurbüros Widmer zeige, dass im ungünstigsten Falle mit einer Zunahme des Verkehrs auf der Engelkreuzung von 6,5% zu rechnen sei. Diese prognostizierte Verkehrszunahme führe bei der Liegenschaft von X.________ weder beim Verkehrslärm noch bei den Luftschadstoffen zu zusätzlichen Immissionen, welche deutlich wahrnehmbar seien. 
F. 
Am 16. März 2005 wies das Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau die gegen den Rekursentscheid gerichtete Beschwerde von X.________ ab. 
G. 
Daraufhin hat X.________ erneut Verwaltungsgerichtsbeschwerde ans Bundesgericht erhoben. Er beantragt, der Entscheid des Verwaltungsgerichts sei aufzuheben und ihm sei die Legitimation zur Einsprache gegen den Gestaltungsplan "Rüti" zu gewähren. 
H. 
Das Verwaltungsgericht und das DBU beantragen die Abweisung der Beschwerde. 
 
Das BUWAL kommt in seiner Vernehmlassung zum Ergebnis, dass auf die Verkehrsprognose des Berichts Widmer abgestellt werden könne, und die Umgestaltung der Breitestrasse zu einer nicht wahrnehmbaren Zunahme der Lärm- und Luftschadstoffimmissionen bei der Liegenschaft des Beschwerdeführers führen werde. 
 
Den Beteiligten wurde Gelegenheit gegeben, sich zur Vernehmlassung des BUWAL zu äussern. Daraufhin beantragte auch die Gemeinde Sirnach die Abweisung der Beschwerde. 
Mit Schreiben vom 14. Oktober 2005 nahm der Beschwerdeführer zur Eingabe der Gemeinde Stellung. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher Entscheid des Verwaltungsgerichts Thurgau zur Einspracheberechtigung gegen einen kommunalen Gestaltungsplan. Da die Einsprache Aspekte des bundesrechtlich geordneten Umweltrechts betrifft (Schutz vor Verkehrslärm und Abgasen), stünde in der Hauptsache die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ans Bundesgericht offen. Dann aber kann mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde auch gerügt werden, die kantonalen Behörden hätten die Einspracheberechtigung zu eng gefasst und damit Art. 33 Abs. 3 lit. a RPG verletzt (BGE 125 II 10 E. 2 S. 12 ff.). 
 
Da alle Sachurteilsvoraussetzungen vorliegen, ist auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde einzutreten. 
2. 
Art. 33 Abs. 3 lit. a RPG schreibt für das Nutzungsplanverfahren vor, das kantonale Recht habe die Legitimation mindestens im gleichen Umfang wie für die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht zu gewährleisten. 
 
Nach Art. 103 lit. a OG ist zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde berechtigt, wer durch die angefochtene Verfügung berührt ist und ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung oder Änderung hat. Das setzt voraus, dass der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Entscheid oder Plan stärker als jedermann betroffen ist und in einer besonderen, beachtenswerten und nahen Beziehung zur Streitsache steht. 
 
Die Legitimation zur Anfechtung eines Bauprojekts ist zu bejahen, wenn der Bau oder der Betrieb der projektierten Anlage mit Sicherheit oder grosser Wahrscheinlichkeit zu Immissionen führt, die auf dem Grundstück des Beschwerdeführers aufgrund ihrer Art und Intensität deutlich wahrnehmbar sind (vgl. BGE 120 Ib 379 E. 4c S. 387 mit Hinweisen). 
 
Das Verwaltungsgericht geht von einer Verkehrszunahme um 10% als Richtwert für die Bejahung der Legitimation aus. Das BUWAL schliesst sich in seiner Vernehmlassung dieser Meinung aus luftreinhalterischer Sicht an; für den Strassenlärm müsse dagegen die Erhöhung des Beurteilungsdezibels mindestens ein Dezibel betragen, um noch wahrgenommen zu werden; dies entspreche einer Steigerung des durchschnittlichen täglichen Verkehrs (DTV) um 25%. 
3. 
Der Beschwerdeführer bestreitet in erster Linie das Ergebnis des Berichts Widmer, wonach die Verkehrszunahme an der Engelkreuzung durch die Umgestaltung der Breitestrasse maximal 6,5% betragen werde. 
3.1 Hat - wie im vorliegenden Fall - eine richterliche Behörde als Vorinstanz entschieden, ist das Bundesgericht an den festgestellten Sachverhalt gebunden, es sei denn, dieser sei offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen festgestellt worden (Art. 105 Abs. 2 OG). Bei der Überprüfung von Prognosen über künftige Verkehrsaufkommen übt das Bundesgericht besondere Zurückhaltung, weil solche Prognosen zwangsläufig mit beträchtlichen Unsicherheiten verbunden sind (Urteil 1E.17/1999 vom 25. April 2001 E. 3a mit Hinweisen, publ. in ZBl 103/2002 S. 375). 
3.2 Der Beschwerdeführer macht geltend, der Bericht Widmer habe zu Unrecht nur den Verkehr des Gestaltungsplangebiets berücksichtigt, nicht aber den Verkehr des anschliessenden Gewerbe- und Industriegebiets sowie der umliegenden Dörfer, in denen noch grosse unüberbaute Flächen von Gewerbe- und Industrieland vorhanden seien. 
 
In der Tat wird im Bericht Widmer nur der bereits bestehende Durchgangsverkehr aus und in die umliegenden Gewerbe- und Industriegebiete berücksichtigt (vgl. Abschnitt 5 "Verkehrsverlagerung heutiger Verkehr"), nicht dagegen der Zusatzverkehr, der bei einer weiteren Überbauung dieser Gebiete entstehen könnte: Der 6. Abschnitt des Berichts berechnet zusätzlich nur den von der Überbauung "Rüti" generierten Neuverkehr. 
3.2.1 Das BUWAL vertritt in seiner Vernehmlassung die Auffassung, dass sich am Ergebnis nichts ändern würde, selbst wenn auch der künftige Zusatzverkehr aus den ausserhalb des Gestaltungsplangebiets gelegenen Gewerbe- und Industriegebieten berücksichtigt würde: Der Bericht Widmer beruhe auf der Annahme, dass der gesamte Verkehr der Breitestrasse nach deren Umgestaltung über die Engelkreuzung und nicht über alternative Routen fahren werde. Diese Annahme führe zu einer Überschätzung des zukünftigen Verkehrs an der Engelkreuzung, weshalb eine Reserve für Neuverkehr aus anderen Gebieten bestehe. Eine erneute Beurteilung würde somit keine neuen Erkenntnisse liefern. 
3.2.2 Dieser Einschätzung ist zuzustimmen: 
 
Die vom Büro Widmer durchgeführte Verkehrszählung belegt, dass der grösste Teil des Durchgangsverkehrs in Sirnach über die Engelkreuzung (ca. 14'000 Fz/Tag) fährt, via Fischingerstrasse (6'600 Fz/Tag), Wilerstrasse (10'200 Fz/Tag) und Winterthurerstrasse (11'300 Fz/Tag). Die Breitestrasse nimmt gegenwärtig mit 510 Fz/Tag nur einen geringen Teil des Durchgangsverkehrs auf (ca. 3,5%, unter der Annahme, dass es sich beim gesamten gezählten Verkehr um Durchgangsverkehr handelt). Folglich führte die (teilweise) Sperrung dieser Strasse nur zu einer unbedeutenden zusätzlichen Belastung des Dorfzentrums mit Durchgangsverkehr. 
 
Dies gilt auch für den Zusatzverkehr aus erst künftig zu überbauenden Gewerbe- und Industriegebieten in Sirnach und Umgebung: Aufgrund der bisherigen Verkehrsverteilung ist davon auszugehen, dass dieser Zusatzverkehr auch ohne die geplante Umgestaltung der Breitestrasse in erster Linie die Fischinger-, Wiler- und Winterthurerstrasse und damit die Engelkreuzung belastet hätte. 
 
Insofern kann offen bleiben, ob Baulandreserven ausserhalb des Gestaltungsplangebiets für die Einspracheberechtigung zu berücksichtigen sind und welcher Mehrverkehr hierfür zu prognostizieren wäre. 
3.3 Der Beschwerdeführer rügt auch die Berechnung des durch die Überbauung "Rüti" generierten Mehrverkehrs (375 Fz/Tag) als falsch: Das Gestaltungsplangebiet enthalte ein Gewerbegebiet, auf dem bis zu vier Betriebe gebaut werden könnten. Es bestehe deshalb ein Potential von 200-300 Arbeitsplätzen mit entsprechendem Verkehrsaufkommen; hinzu kämen die Lastwagenfahrten der Betriebe und ihrer Zubringer. 
 
Der Bericht Widmer geht dagegen von insgesamt 134 Arbeitsplätzen im Gestaltungsplangebiet aus. Er stützt sich hierfür auf die Angaben der Fa. A.________ AG, die das Bebauungskonzept erarbeitet hat. 
 
Welche Betriebe sich mit wie viel Arbeitsplätzen im Gestaltungsplangebiet ansiedeln werden, lässt sich nur schwer vorhersehen. Immerhin erscheint die Zahl von 134 angesichts der eher bescheidenen Ausmasse des Gewerbegebiets nicht als offensichtlich unrichtig. 
3.4 Weiter rügt der Beschwerdeführer, dass für den gegenwärtigen Verkehr in der Breitestrasse auf einen wöchentlichen Durchschnittswert von 510 Fz/Tag abgestellt worden sei, obwohl die Spitzenbelastung bei 609 Fz/Tag liege. 
 
Dagegen ist einzuwenden, dass auch für den bestehenden Verkehr an der Engelkreuzung mit Durchschnittswerten gerechnet worden ist. Würde stattdessen durchgehend auf die Spitzenbelastung abgestellt, würde sich an den Relationen bzw. der prozentual zu erwartenden Verkehrszunahme wenig ändern. 
3.5 Schliesslich weist der Beschwerdeführer darauf hin, dass der zu erwartende Mehrverkehr aufgrund der besonderen Verkehrsverhältnisse an der Engelkreuzung zu Staus führen werde, welche die schädigenden Immissionen noch verstärken würden. 
 
Das Verwaltungsgericht hat dem zu Recht entgegengehalten, dass Verkehrsregelungsmassnahmen in Betracht gezogen werden müssten, falls sich die Befürchtung des Beschwerdeführers bewahrheiten sollte, diese aber nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens seien. 
3.6 Nach dem Gesagten ist die Prognose der kantonalen Behörden, wonach aufgrund der Umgestaltung der Breitestrasse mit einer Verkehrszunahme von weniger als 10% zu rechnen sei, nicht offensichtlich unrichtig, weshalb darauf abzustellen ist. Aufgrund dieser Sachlage durfte das Verwaltungsgericht ohne Verletzung von Bundesrecht die Legitimation des Beschwerdeführers verneinen. 
4. 
Schliesslich rügt der Beschwerdeführer die Ausführungen des Verwaltungsgerichts zur Unbefangenheit des DBU: 
 
Nach der Rechtsprechung des Thurgauer Verwaltungsgerichts kann eine kommunale Planungsbehörde nicht mehr als unbefangen und unparteiisch angesehen werden, wenn das Gemeinwesen einen erheblichen Anteil Land in ein Gestaltungsplangebiet einwirft, mit der Folge, dass diesfalls ein allfälliges Einspracheverfahren analog § 109 Abs. 1 des Planungs- und Baugesetzes vom 16. August 1995 (PBG) durch das DBU durchzuführen sei. Es führte aus, dass Analoges in Anwendung von § 109 Abs. 2 PBG gelten dürfte, wenn der Kanton Partei sei. Im vorliegenden Fall sei jedoch der Landanteil des Gemeinwesens im Wesentlichen auf Strassenland beschränkt; insgesamt falle dieser Landanteil nicht ins Gewicht und es seien auch keine anderen Abhängigkeiten ersichtlich. 
 
Der Beschwerdeführer macht dagegen geltend, dass die dem Kanton gehörende Parzelle Nr. 841 durch den Einbezug als Bauland in den Gestaltungsplan eine Wertsteigerung von über einer Million Franken erfahre. 
Dies kann jedoch nicht genügen, um die Unparteilichkeit des DBU in Zweifel zu ziehen: Das DBU ist im vorliegenden Verfahren nicht Planungs- sondern Rekursbehörde. Vom Rechtsdienst des mit der Wahrung des Bau- und Umweltrechts beauftragen Departements kann und muss erwartet werden, dass er Rekurse ohne Rücksichtnahme auf allfällige finanzielle Interessen des Kantons prüft. Die blosse Wertsteigerung einer einzelnen Parzelle durch die angefochtene Planungsmassnahme kann jedenfalls für sich allein nicht genügen, um die Befangenheit der kantonalen Rekursinstanz zu begründen. 
5. 
Nach dem Gesagten erweist sich die Verwaltungsgerichtsbeschwerde als unbegründet und ist abzuweisen. Bei diesem Ausgang des Verfahrens trägt der Beschwerdeführer die Gerichtskosten (Art. 156 OG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
1. 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen. 
2. 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'500.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt. 
3. 
Es werden keine Parteientschädigungen zugesprochen. 
4. 
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Politischen Gemeinde Sirnach, dem Departement für Bau und Umwelt und dem Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau sowie dem Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 9. November 2005 
Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin: