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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
6P.76/2005 
6S.215/2005 /gnd 
 
Urteil vom 15. November 2005 
Kassationshof 
 
Besetzung 
Bundesrichter Schneider, Präsident, 
Bundesrichter Wiprächtiger, Karlen, 
Gerichtsschreiber Thommen. 
 
Parteien 
X.________, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen 
 
Generalprokurator des Kantons Bern, Hochschulstrasse 17, 3012 Bern, 
Obergericht des Kantons Bern, 1. Strafkammer, Postfach 7475, 3001 Bern. 
 
Gegenstand 
6P.76/2005 
Art. 9 BV (Strafverfahren; willkürliche Beweiswürdigung). 
 
6S.215/2005 
Vorsätzliche Tötung, versuchte vorsätzliche Tötung; Notwehr, Notwehrexzess. 
 
Staatsrechtliche Beschwerde (6P.76/2005) und Nichtigkeitsbeschwerde (6S.215/2005) gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Bern, 1. Strafkammer, vom 11. November 2004. 
 
Sachverhalt: 
A. 
X.________ hat am 22. Februar 2002 B.________ erschossen und dessen Bruder A.________ mit einem Schuss schwer verletzt. 
 
Diesem Ereignis ging ein fehdeähnlicher Streit zwischen den Familien von X.________ und von B.________voraus. An einem Fest jugoslawischer Staatsangehöriger am 13. Oktober 2001 hatte X.________ am Wagen von A.________ einen Pneu zerstochen. Weil er dies in der Folge abstritt, wurde er von den drei Brüdern A.________, B.________ und E.________ bedroht. 
 
Zwei Tage später fuhren die drei Brüder zusammen mit ihrem Freund C.________ an den Wohnort der Familie X.________ in Langenthal. Dort verprügelten sie X.________. Dabei brachen sie ihm das Nasenbein, worauf dieser Strafanzeige erstattete. 
 
Wiederum zwei Tage später fuhr X.________ seinerseits in Begleitung seines Neffen, seines Stiefbruders und seines Schwiegervaters nach Biel. Dort begaben sie sich in ein Tea Room in der Nähe der Wohnung von A.________. Als C.________ den Tea Room betrat, verprügelten sie diesen. Er erlitt Rissquetschwunden und eine Hirnerschütterung. 
 
Nach diesen Vorfällen wurde von der Familie X.________ in Langenthal und der Familie B.________ in Biel ein Vermittler bestimmt. Eine Einigung kam nicht zustande. Auf telefonische Nachfrage des Vermittlers am 21. Februar 2002 gab X.________ zu verstehen, dass er die Strafanzeige gegen die 'Bieler' nicht zurückziehen werde. Damit war allen klar, dass die Vermittlungen definitiv gescheitert waren. 
 
Am Abend des 22. Februar 2002 liessen sich die vier 'Bieler', C.________ sowie die Gebrüder A.________, B.________ und E.________, von einem Freund nach Langenthal fahren. A.________ trug eine Pistole auf sich. Die anderen führten Baseball-Schläger und kantige Stahlrohre mit sich. Sie positionierten sich mit dem Wagen in der Nähe des Hauses von X.________. Als dessen Frau, Sohn und Schwiegervater das Haus verliessen, kamen die 'Bieler' in ihrem Wagen angerast, bremsten und stürmten auf diese zu. Sie hielten Frau X.________ am Arm fest und sagten ihr, dass sie mit ihrem Mann sprechen wollten. Derweilen rannte der 6-jährige Sohn in die Wohnung hinauf und teilte seinem Vater, X.________, mit, dass die 'Männer' wieder da seien, diesmal seien es aber mehr. 
 
X.________ holte seine Waffe, lud sie auf dem Weg nach unten, öffnete die Haustüre und gab einen Warnschuss ab, den er rechts an der direkt vor ihm stehenden Gruppe vorbeischoss. Nach diesem Warnschuss griff A.________ in seine Jackentasche nach seiner Schusswaffe und sagte: "Jetzt wirst Du sehen". Daraufhin feuerte X.________ einen Schuss auf A.________ ab. Die Kugel traf diesen von hinten und durchschlug dessen rechte Rumpfhälfte und dessen rechten Oberarm. A.________ rannte weg. Seine Waffe wurde später ca. 10 Meter vom Hauseingang entfernt gefunden. 
 
Nachdem X.________ den Warnschuss abgegeben hatte, war B.________ nach rechts gelaufen. Nachdem sein Bruder durch den zweiten Schuss getroffen worden war, lief B.________ mit einem Baseballschläger auf X.________ zu. Darauf schoss X.________ ihn aus einer Entfernung von mindestens eineinhalb Metern nieder und verletzte ihn tödlich. 
B. 
Am 11. Dezember 2003 wurde X.________ vom Kreisgericht IV Aarwangen-Wangen unter anderem der vorsätzlichen Tötung sowie der versuchten vorsätzlichen Tötung schuldig gesprochen und mit sieben Jahren Zuchthaus bestraft. Das Obergericht des Kantons Bern hat diese Schuldsprüche am 25. April 2005 bestätigt. 
C. 
Gegen dieses Urteil erhebt X.________ staatsrechtliche Beschwerde mit dem Antrag um Aufhebung. Gleichzeitig führt er eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde und beantragt die Aufhebung des angefochtenen Entscheids und die Rückweisung der Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz. 
 
Für die beiden bundesgerichtlichen Verfahren stellt X.________ überdies Gesuche um unentgeltliche Rechtspflege. 
D. Das Obergericht des Kantons Bern verzichtet auf Gegenbemerkungen. Vernehmlassungen wurden nicht eingeholt. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
I. Staatsrechtliche Beschwerde 
1. 
Der Beschwerdeführer rügt die obergerichtliche Beweiswürdigung als willkürlich im Sinne von Art. 9 BV. Der Sachverhalt sei sowohl hinsichtlich der Schussabgabe auf A.________ als auch in Bezug auf die Tötung von B.________ willkürlich ermittelt worden. 
 
Willkürlich ist eine Tatsachenfeststellung, wenn der Richter den Sinn und die Tragweite eines Beweismittels offensichtlich verkennt, wenn er ein solches ohne ernsthafte Gründe ausser Acht lässt, obwohl es erheblich ist, und schliesslich wenn er aus getroffenen Beweiserhebungen unhaltbare Schlüsse zieht (BGE 129 I 8 E. 2.1). 
2. 
2.1 Der Beschwerdeführer rügt eine willkürliche Feststellung des Standorts von A.________, als dieser getroffen wurde. Das Obergericht gehe davon aus, dass sich A.________ im Treffmoment genau an dem Ort befunden habe, wo später seine Blutspur gefunden worden sei. Weil es aber einen Moment dauere, bis das Blut austrete, könne der Blutfleck nicht als Hinweis dafür dienen, wo sich A.________ im Treffmoment befunden habe. 
 
Der Einwand des Beschwerdeführers geht fehl. Wenn man sich vergegenwärtigt, dass Oberkörper und Arm von A.________ durchschossen wurden, dann ist der Schluss vertretbar, dass der gefundene Blutspritzer von diesem Durchschuss stammte und sich A.________ im Treffmoment an dieser Stelle befand. 
2.2 Nach Ansicht des Beschwerdeführers kann entgegen den obergerichtlichen Ausführungen (angefochtenes Urteil S. 78 und 81) aus der Tatsache, dass A.________ im Rücken getroffen wurde, nicht abgeleitet werden, dass er am Flüchten war. Vielmehr habe sich dieser bloss geduckt oder abgedreht, als der Beschwerdeführer die Waffe auf ihn gerichtet habe (Beschwerde S.7). 
 
Der Beschwerdeführer übt hier rein appellatorische Kritik, was zur Begründung der Willkürrüge nicht genügt. Er legt nicht dar, inwiefern der Schluss vom Rückeneinschuss auf eine Fluchtsituation willkürlich sei. Mangels hinreichender Begründung ist auf die Beschwerde insoweit nicht einzutreten (Art. 90 Abs. 1 lit. b OG). 
2.3 Der Beschwerdeführer rügt weiter eine willkürliche Feststellung des zeitlichen Ablaufs der Geschehnisse. Das Obergericht gehe willkürlich davon aus, dass zwischen dem Griff von A.________ in dessen Jackentasche und der Schussabgabe durch den Beschwerdeführer eine 'deutliche zeitliche Distanz' bestanden habe (angefochtenes Urteil, S. 81). Einerseits soll er, als er aus der Haustür getreten sei, die Schüsse sofort und innert Sekunden abgefeuert haben. Andererseits soll zwischen dem Griff von A.________ in dessen Jackentasche und der Schussabgabe durch den Beschwerdeführer eine 'deutliche zeitliche Distanz' gelegen haben. Diese Feststellungen widersprächen sich (Beschwerde S. 7 f.). 
 
Das Obergericht stellt auf die Aussagen der Zeugin G.________ ab. Diese schätzte den Abstand zwischen dem ersten und zweiten Schuss auf 5-10 Sekunden (angefochtenes Urteil S. 67 f.). Die Annahme eines deutlichen zeitlichen Abstands ist somit nicht unhaltbar. 
3. 
Das Obergericht hat festgestellt, dass die Kugel auf einer Höhe von 141 cm in die Brust von B.________ eingedrungen und auf einer Höhe von 126 cm aus dessen Körper ausgetreten ist. B.________ müsse deshalb in geduckter Stellung getroffen worden sein, was logischerweise ausschliesse, dass er im Begriff gewesen sei, mit erhobenem Baseballschläger auf den Beschwerdeführer zuzugehen (angefochtenes Urteil S. 81 f.). 
3.1 Der Beschwerdeführer macht geltend, diese Schlussfolgerung beruhe auf einer willkürlichen Würdigung des festgestellten Schusskanals. Aus dem Schusskanal lasse sich allenfalls ableiten, dass sich B.________ leicht nach vorne gebeugt habe. Unhaltbar sei indessen der Schluss, dass B.________ sich in kauernder Stellung befunden habe, als er getroffen worden sei. 
 
Der Schluss vom festgestellten abfallenden Einschusskanal auf die geduckte Körperhaltung ist vertretbar. Von 'kauernder Stellung' ist im angefochtenen Urteil nicht die Rede. Ebenso konnte das Obergericht mit Hinweis auf die geduckte Körperhaltung ohne Willkür ausschliessen, dass B.________ mit erhobenem Baseballschläger auf den Beschwerdeführer zugegangen ist. 
3.2 Der Beschwerdeführer macht weiter sinngemäss geltend, die Feststellungen des Obergerichts reichten nicht aus, um eine Angriffssituation definitiv auszuschliessen. Das Willkürverbot sei verletzt, weil über wesentliche Umstände kein Beweis geführt worden sei. Weitere Hinweise, die auf einen Angriff deuteten, hätten beachtet werden sollen. Insbesondere habe das Obergericht die Tatsache ausser Acht gelassen, dass B.________ in unmittelbarer Nähe der Eingangstüre gelegen und dass er einen Baseballschläger bei sich gehabt habe. Daraus folge, dass sich B.________ der Hausmauer entlang genähert habe, um den Beschwerdeführer anzugreifen. Die Schussabgabe auf ihn sei somit als Notwehrhandlung gerechtfertigt gewesen (Beschwerde S. 9). 
 
Auf diese Rügen ist nicht einzutreten. Auch wenn man insoweit von der Sachdarstellung des Beschwerdeführers ausginge, wäre Notwehr zu verneinen. Es kann auf die nachstehenden Ausführungen zur Nichtigkeitsbeschwerde verwiesen werden (Erw. 6). 
II. Nichtigkeitsbeschwerde 
4. 
4.1 Der Beschwerdeführer macht geltend, gegenüber A.________ in Notwehr resp. vermeintlicher Notwehr gehandelt zu haben. Es sei fraglich, ob er das Abdrehen von A.________ tatsächlich als Flucht habe erkennen können. Mit ihrem Schuldspruch habe die Vorinstanz Art. 33 resp. Art. 19 StGB verletzt (Beschwerde S. 4). Eventualiter hätte sie von einem Notwehrexzess in entschuldbarer Aufregung im Sinne von Art. 33 Abs. 2 StGB ausgehen müssen (Beschwerde S. 8). 
4.2 Gemäss den Ausführungen der Vorinstanz fehlte es objektiv an einer Notwehrlage. Der Beschwerdeführer habe 'von hinten, also auf den fliehenden A.________ geschossen' und somit zu einem Zeitpunkt, da die zur Notwehr berechtigende Situation nicht mehr angedauert habe. Der Schuss auf A.________ sei als zeitlicher (extensiver) Notwehrexzess zu werten. Notwehr liege deshalb nicht vor. Mangels einer Notwehrsituation fehlten aber auch die Voraussetzungen einer entschuldbaren Überschreitung des Notwehrrechts im Sinne von Art. 33 Abs. 2 StGB (angefochtenes Urteil S. 81). Zur Frage der Putativnotwehr führt die Vorinstanz aus, dass es 'beim Schuss auf einen Fliehenden keinen Irrtum über das Stadium des Angriffs geben kann' (angefochtenes Urteil S. 81). 
5. 
Wird jemand ohne Recht angegriffen oder unmittelbar mit einem Angriff bedroht, so ist der Angegriffene und jeder andere gemäss Art. 33 Abs. 1 StGB berechtigt, den Angriff in einer den Umständen angemessenen Weise abzuwehren. Überschreitet der Abwehrende die Grenzen der Notwehr, so mildert der Richter die Strafe nach freiem Ermessen (Art. 33 Abs. 2 Satz 1 StGB). Überschreitet der Abwehrende die Grenzen der Notwehr in entschuldbarer Aufregung oder Bestürzung über den Angriff, so bleibt er straflos (Art. 33 Abs. 2 Satz 2 StGB). 
5.1 Zutreffend ist, dass es beim zeitlichen, sog. extensiven Notwehrexzess an einer Notwehrsituation fehlt, da der Angriff entweder noch nicht oder nicht mehr im Gange ist. Eine Strafmilderung nach Art. 33 Abs. 2 StGB kommt somit grundsätzlich nicht in Betracht (Entscheid des Bundesgerichts vom 7. Februar 2005, 6S.384/2004, E. 3.2.2 mit Hinweisen). In der Lehre wird teilweise gefordert, bei geringfügig verfrühten oder geringfügig über die Notwehrsituation hinaus fortgesetzten Abwehrhandlungen dennoch eine Strafmilderung nach Art. 33 Abs. 2 StGB zu gewähren (vgl. Kurt Seelmann, Basler Kommentar, StGB I, Art. 33 N 21; Günter Stratenwerth, Schweizerisches Strafrecht, AT I, 3. Aufl., Bern 2005, § 10 N 85; Jörg Rehberg/Andreas Donatsch, Strafrecht I, 7. Aufl., Zürich 2001, S. 189 f.; José Hurtado Pozo, Droit pénal, Partie générale Bd. II, Zürich 2002, N 597 ff.). Dies wird unter anderem damit begründet, dass die völlige Ausklammerung des extensiven Notwehrexzesses aus dem Anwendungsbereich von Art. 33 StGB zu einem Wertungswiderspruch führen würde, weil beim intensiven Notwehrexzess (in entschuldbarem Affekt) stets schwerste Folgen entschuldigt blieben, während denkbar glimpfliche Folgen vor- oder nachzeitigen Handelns niemals entschuldigt wären (vgl. Seelmann, a.a.O.). In einem Urteil aus dem Jahr 1973 hat das Bundesgericht entschieden, eine zulässige Abwehrhandlung werde nicht dadurch unverhältnismässig, dass sie einen Sekundenbruchteil zu spät vorgenommen werde (BGE 99 IV 187, 188). 
 
Die Vorinstanz geht zu Recht davon aus, dass der Griff von A.________ nach seiner in der Jackentasche verborgenen Waffe verbunden mit Ankündigung, "jetzt wirst du sehen", grundsätzlich eine zur Notwehr berechtigende Angriffssituation darstellen kann. Im Moment, da A.________ sich abwandte und sich vom Beschwerdeführer fortbewegte, endete die Notwehrsituation. Der Beschwerdeführer war nicht länger 'unmittelbar mit einem Angriffe bedroht' im Sinne von Art. 33 Abs. 1 StGB. Seine Schussabgabe in den Rücken des flüchtenden A.________ ist somit als ein extensiver Notwehrexzess zu bewerten, für den Art. 33 Abs. 2 StGB keine Strafmilderung gewährt. Die Situation eines minimalen zeitlichen Notwehrexzesses war vorliegend nicht gegeben, zumal nach verbindlicher und willkürfreier Feststellung der Vorinstanz (vgl. Erw. 2.3 hiervor) zwischen dem Griff von A.________ zur Waffe und der Schussabgabe durch den Beschwerdeführer ein deutlicher Zeitabstand lag. 
5.2 Der Beschwerdeführer macht weiter geltend, die Grenzen der Notwehr in entschuldbarer Aufregung überschritten zu haben. Er habe an einer gutachterlich attestierten 'gestörten Affektivität im Sinne einer vermehrten Reizbarkeit und verminderten Impulsstörung' gelitten. Seine gedankliche und emotionale Einengung auf die seit Monaten als bedrohlich empfundene Fehdesituation habe es nicht zugelassen, die Situation nach dem Abdrehen von A.________ innert Sekunden adäquat neu zu beurteilen. Durch die Nichtanwendung von Art. 33 Abs. 2 Satz 2 StGB sei Bundesrecht verletzt worden (Beschwerde S. 8). 
 
Die Rüge ist unbegründet. Der Beschwerdeführer hat die zeitlichen Grenzen der Notwehr klar überschritten. Mangels einer Notwehrsituation findet Art. 33 Abs. 2 Satz 2 StGB keine Anwendung. Der Beschwerdeführer verkennt im Übrigen die Voraussetzungen der Entschuldbarkeit nach Art. 33 Abs. 2 Satz 2 StGB. Straflosigkeit tritt nur ein, wenn der rechtswidrige Angriff es war, welcher allein oder doch vorwiegend die Aufregung oder die Bestürzung des Täters verursacht hat (BGE 102 IV 1 E. 3b). Der Beschwerdeführer macht indessen nicht geltend, über den Angriff von A.________ bestürzt gewesen zu sein, sondern verweist lediglich auf seine Belastungssituation im Allgemeinen. Hinzu kommt, dass er den Angriff, den er in Notwehrüberschreitung abgewehrt haben will, durch die Abgabe eines Warnschusses selbst schuldhaft verursacht hat. Eine Entschuldbarkeit nach Art. 33 Abs. 2 Satz 2 StGB fällt somit auch unter diesem Aspekt ausser Betracht (vgl. BGE 109 IV 7 E. 3). 
5.3 Der Beschwerdeführer rügt das Fehlen konkreter Ausführungen zur Putativnotwehr im angefochtenen Urteil. Es stelle sich die Frage, ob er das Abdrehen von A.________ tatsächlich als Flucht habe erkennen können. Zwischen dem Griff von A.________ in die Jackentasche und dessen Abdrehen seien nur wenige Sekunden vergangen. Es sei lebensfremd, vom Beschwerdeführer eine Neueinschätzung der Situation in derart kurzer Zeit zu verlangen. Mit der Verneinung der Putativnotwehr habe die Vorinstanz Art. 19 StGB verletzt. 
 
Der vermeintlich Angegriffene muss Umstände nachweisen können, die bei ihm den Glauben erwecken konnten, er befinde sich in einer Notwehrlage. Die blosse Vorstellung von der Möglichkeit eines Angriffs genügt nicht für die Annahme von Putativnotwehr (BGE 93 IV 81 E. b). Der Beschwerdeführer macht zwar geltend, aufgrund der belastenden Fehdesituation in seinen Wahrnehmungsfähigkeiten eingeschränkt gewesen zu sein. Deshalb sei von einem Sachverhaltsirrtum auszugehen (Beschwerde S. 9). Er legt jedoch nicht dar, inwiefern er bei der Schussabgabe auf den bereits abgewandten A.________ vernünftigerweise noch von einem unmittelbar bevorstehenden Angriff ausgehen konnte. Die Belastung alleine kann jedenfalls eine richtige Interpretation vom Abwenden von A.________ nicht verunmöglicht haben, zumal auch die Gutachterin lediglich von einer 'leichtgradigen Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit und des Bewusstseins des Beschwerdeführers bei der Abgabe der Schüsse' ausgeht. 
 
Dem Beschwerdeführer musste auch in der von ihm behaupteten Belastungssituation klar sein, dass ein Angriff nicht mehr und auch nicht bereits wieder unmittelbar drohte, als A.________ sich abwandte und er diesem in den Rücken schoss. Im Übrigen hat die Vorinstanz der Belastungssituation des Beschwerdeführers durch Zubilligung einer leicht verminderten Zurechnungsfähigkeit strafmindernd Rechnung getragen (angefochtenes Urteil S. 96). 
6. 
6.1 Der Beschwerdeführer macht geltend, B.________ in Notwehr erschossen zu haben. Dieser habe einen Baseballschläger bei sich gehabt und, nachdem er getroffen worden sei, in unmittelbarer Nähe der Eingangstüre gelegen. Daraus folge, dass sich B.________ der Hausmauer entlang genähert habe, um den Beschwerdeführer anzugreifen. Von B.________ sei somit eine unmittelbare Gefahr ausgegangen, die eine Schussabgabe in Notwehr gerechtfertigt habe (Beschwerde S. 9). 
6.2 In tatsächlicher Hinsicht ist aufgrund der willkürfreien Feststellungen des Obergerichts davon auszugehen, dass B.________ im Moment, als er getroffen wurde, jedenfalls nicht mit erhobenem Baseballschläger auf den Beschwerdeführer zuging (siehe E. 3.1 hiervor). Was er in diesem Moment genau tat, kann hier dahingestellt bleiben. Selbst wenn das Verhalten von B.________ objektiv als unmittelbar drohender Angriff zu qualifizieren wäre oder vom Beschwerdeführer subjektiv als solcher eingeschätzt werden konnte, wäre die Abgabe des tödlichen Schusses nicht durch Notwehr gerechtfertigt. 
6.3 Der Angegriffene kann sich nicht auf Notwehr berufen, wenn er die Notwehrsituation provoziert, mithin den Angriff absichtlich herbeigeführt hat, um den Angreifer unter dem Deckmantel der Notwehr zu töten oder zu verletzen. Bei dieser sog. Absichtsprovokation findet Art. 33 StGB keine Anwendung. Hat der Angegriffene die Notwehrlage zwar nicht absichtlich provoziert, aber durch sein Verhalten mitverschuldet und mitverursacht, so kann das Notwehrrecht eingeschränkt und eine bestimmte Abwehrhandlung, die bei uneingeschränktem Notwehrrecht noch angemessen wäre, unzulässig sein (Entscheid des Bundesgerichts vom 9. August 2005, 6S.268/2005, mit Hinweisen). 
Zwar hat der Beschwerdeführer den Angriff von B.________ nicht absichtlich provoziert, doch hat er ihn durch sein Verhalten, insbesondere durch die Abgabe eines Schusses auf den Bruder von B.________, erheblich mitverschuldet. Unter diesen Umständen hätte der Beschwerdeführer eine mildere Abwehr wählen oder dem Angriff, etwa durch Rückzug in seine Wohnung, ausweichen müssen. Indem er stattdessen B.________ durch einen Schuss in den Oberkörper tötete, hat er das allenfalls noch bestehende, aber erheblich eingeschränkte Notwehrrecht massiv überschritten. Dieser Exzess wiegt unter den gegebenen Umständen so schwer, dass auch eine Strafmilderung gemäss Art. 33 Abs. 2 Satz 1 StGB ausser Betracht fällt. 
III. Kosten- und Entschädigungsfolgen 
7. 
Der Beschwerdeführer hat für die beiden bundesgerichtlichen Verfahren Gesuche um unentgeltliche Rechtspflege gestellt. Seine Bedürftigkeit ist ausgewiesen, und seine Begehren waren nicht von vornherein aussichtslos. Den Gesuchen ist deshalb zu entsprechen (Art. 152 Abs. 1 OG). Es werden keine Kosten erhoben. 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
1. 
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
2. 
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen. 
3. 
Die Gesuche um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege werden gutgeheissen. 
4. 
Es werden keine Kosten erhoben. 
5. 
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Generalprokurator des Kantons Bern und dem Obergericht des Kantons Bern, 1. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 15. November 2005 
Im Namen des Kassationshofes 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: