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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
5C.260/2002 /bnm 
 
Sitzung vom 6. März 2003 
II. Zivilabteilung 
 
Bundesrichter Raselli, Präsident, 
Bundesrichterinnen Nordmann, Escher, 
Bundesrichter Meyer, Marazzi, 
Gerichtsschreiberin Scholl. 
 
A.________, 
Klägerin und Berufungsklägerin, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Heinz Mäusli, Pestalozzistrasse 2, 9000 St. Gallen, 
 
gegen 
 
B.________, 
Beklagten und Berufungsbeklagten, vertreten durch Rechtsanwalt Gian Moeri, Kuttelgasse 8, Postfach 2322, 
8022 Zürich. 
 
Mündigenunterhalt, 
 
Berufung gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons Zürich, II. Zivilkammer, vom 14. Oktober 2002. 
 
Sachverhalt: 
A. 
Die Ehe der Eltern von A.________, geb. 1978, wurde am 15. Februar 1989 geschieden. Sie und ihre beiden Geschwister wurden unter die elterliche Gewalt der Mutter gestellt. Der Vater, B.________, wurde verpflichtet, an den Unterhalt von A.________ monatlich einen indexierten Beitrag von Fr. 700.-- zuzüglich Kinderzulagen zu leisten, bis zum Eintritt seiner Tochter ins volle Erwerbsleben, längstens jedoch bis zum vollendeten 20. Lebensjahr. B.________ kam dieser Verpflichtung über die Mündigkeit seiner Tochter hinaus nach und leistete bis zu der im Sommer 1999 bestandenen Matura den vollen Unterhaltsbeitrag. Danach stellte er seine Unterhaltszahlungen ein. A._________ begann im Herbst 2000 mit dem Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Zürich. 
B. 
A.________ erhob am 5. November 2001 beim Bezirksgericht Zürich Unterhaltsklage gegen B.________. Mit Urteil vom 30. November 2001 verpflichtete die Einzelrichterin B.________ in teilweiser Gutheissung der Klage zur Zahlung von indexierten Unterhaltsbeiträgen von Fr. 1'250.-- für den Zeitraum vom 1. Oktober 2000 bis 31. März 2002, sowie von Fr. 1'000.-- ab 1. April 2002 bis zum ordentlichen Abschluss der Erstausbildung. Das Obergericht des Kantons Zürich hiess mit Beschluss vom 14. Oktober 2002 eine von B.________ dagegen erhobene Berufung gut und wies die Klage ab. 
C. 
Mit Berufung beantragt A.________ dem Bundesgericht, den Beschluss des Obergerichts vom 14. Oktober 2002 aufzuheben und die Unterhaltsklage gutzuheissen. Der Beklagte schliesst in seiner Berufungsantwort auf Abweisung der Berufung. Das Obergericht hat keine Gegenbemerkungen angebracht. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Im vorliegenden Fall handelt es sich um eine vermögensrechtliche Zivilrechtsstreitigkeit im Sinne von Art. 46 OG. Der erforderliche Streitwert für das Berufungsverfahren ist gegeben. Die Berufung ist rechtzeitig erhoben worden und richtet sich gegen einen Endentscheid eines oberen kantonalen Gerichts, der nicht mehr durch ein ordentliches kantonales Rechtsmittel angefochten werden kann (Art. 54 Abs. 1 und Art. 48 Abs. 1 OG). 
2. 
Das Bundesgericht ist im Berufungsverfahren an die tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz gebunden, sofern sie nicht offensichtlich auf einem Versehen beruhen, unter Verletzung bundesrechtlicher Beweisvorschriften zu Stande gekommen sind (Art. 63 Abs. 2 OG) oder zu ergänzen sind (Art. 64 OG). Ansonsten gelten Vorbringen, die über die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil hinausgehen, als unzulässig (Art. 55 Abs. 1 lit. c OG; BGE 115 II 484 E. 2a S. 485; 126 III 187 E. 2a S. 188). Insofern sind die von der Klägerin in der Berufungsschrift vorgebrachten Ergänzungen des Sachverhaltes nicht zu berücksichtigen. Dies gilt insbesondere in Bezug auf den Vorwurf, der Beklagte habe sich an der Klägerin in sittlicher Hinsicht vergangen, sowie für die Hinweise auf die psychologischen Berichte, sofern sich eine Würdigung nicht aus dem angefochtenen Entscheid ergibt. Ausserdem ist für Kritik an der Beweiswürdigung des Sachrichters, soweit nicht Vorschriften des Bundesrechts in Frage stehen, die Berufung nicht gegeben (BGE 117 II 609 E. 3c S. 613; 128 III 390 E. 4.3.3 S. 398). 
3. 
Gemäss Art. 277 Abs. 2 ZGB ist die Verpflichtung der Eltern zur Leistung von Unterhalt an ihr mündiges Kind unter anderem davon abhängig, ob es ihnen nach den gesamten Umständen zugemutet werden kann. Unter dem Gesichtspunkt der Zumutbarkeit sind nicht nur die wirtschaftlichen Verhältnisse der Eltern, sondern auch die persönliche Beziehung zwischen ihnen und ihrem Kind zu beachten (BGE 113 II 374 E. 2 S. 376; 120 II 177 E. 3c S. 179). Strittig ist im vorliegenden Fall einzig, ob auf Grund der fehlenden persönlichen Beziehung zwischen Vater und Tochter die Leistung von Unterhaltsbeiträgen dem Beklagten unzumutbar ist. 
3.1 Ob Mündigenunterhalt geschuldet ist oder nicht, hängt unter anderem davon ab, ob die Schwelle der Unzumutbarkeit hoch oder tief anzusetzen ist. Hat der Mündigenunterhalt als Ausnahme zu gelten, liegt es nahe, ihn zurückhaltend zu gewähren und die Schwelle der Unzumutbarkeit entsprechend tief anzusetzen. Mit Blick auf die per 1. Januar 1996 erfolgte Herabsetzung des Mündigkeitsalters von 20 auf 18 Jahre (AS 1995 S. 1127) stellt sich die Frage, ob dem Mündigenunterhalt weiterhin Ausnahmecharakter zukommt, wie dies vom Bundesgericht mit Bezug auf die bis Ende 1995 gültige Fassung von Art. 277 Abs. 2 ZGB stets betont wurde (BGE 111 II 413 E. 2 S. 416; 113 II 374 E. 2 S. 376; 114 II 205 E. 3a S. 207; 115 II 123 E. 4d S. 128; 117 II 127 E. 3b S. 129; 118 II 97 E. 4a S. 98). 
3.2 Im Zuge der Herabsetzung des Mündigkeitsalters wurde auch Art. 277 Abs. 2 ZGB neu formuliert, wobei die Kernaussage der Bestimmung - "soweit es ihnen nach den gesamten Umständen zugemutet werden darf" - unverändert geblieben ist. Die bundesrätliche Botschaft stellt fest, durch die Herabsetzung des Mündigkeitsalters erlösche die voraussetzungslose Unterhaltspflicht zwei Jahre früher; diese Entlastung der Eltern sei als Folge der Symmetrie von Rechten und Pflichten grundsätzlich in Kauf zu nehmen (BBl 1993 I 1183). Es folgen sodann Verweise auf die bundesgerichtlichen Entscheide, die Art. 277 Abs. 2 aZGB als Ausnahmenorm charakterisierten, sowie eine Zusammenstellung der Rechtsprechung (S. 1183 unten). Schliesslich werden diese Voraussetzungen und Schranken des Mündigenunterhalts als sachgerecht bezeichnet und bemerkt, die Herabsetzung des Mündigkeitsalters erfordere keine Änderungen (S. 1184 oben). 
3.3 Nicht zu übersehen ist allerdings, dass die ordentliche Ausbildung seit der Herabsetzung des Mündigkeitsalters nur noch selten vor der Volljährigkeit abgeschlossen werden kann. Daran anknüpfend befürwortet ein beachtlicher Teil der Lehre, den Ausnahmecharakter des Mündigenunterhalts zu relativieren (Breitschmid, Basler Kommentar, N. 10 zu Art. 277 ZGB; Stephan Wullschleger, in: Praxiskommentar zum Scheidungsrecht, N. 23 der Allg. Bem. zu Art. 276-293 ZGB; Rolando Forni, Die Unterhaltspflicht der Eltern nach der Mündigkeit des Kindes, ZBJV 132/1996 S. 432 f.; Hausheer/Spycher, Handbuch des Unterhaltsrechts, 1997, N. 6.60). Der Mündigenunterhalt steht in engem Zusammenhang mit der elterlichen Erziehungspflicht, zu der gemäss Art. 302 Abs. 2 ZGB insbesondere gehört, dem Kind eine seinen Fähigkeiten und Neigungen entsprechende allgemeine und berufliche Ausbildung zu verschaffen. Freilich hat der Konnex zwischen Unterhalts- und Erziehungspflicht schon unter altem Recht bestanden; doch hat er durch die Herabsetzung des Mündigkeitsalters eine Akzentuierung erfahren. Sind die meisten Jugendlichen während ihrer Ausbildung auch nach erlangter Mündigkeit noch auf Unterhalt angewiesen, ist es realitätsfremd, den Mündigenunterhalt als Ausnahmeerscheinung zu charakterisieren. Er kann umgekehrt aber auch nicht als Regel gelten, dürfte doch ein grosser Teil der Jugendlichen ungefähr mit 20 Jahren über eine angemessene Ausbildung verfügen. Die letztlich gekünstelt wirkende Differenzierung zwischen Regel und Ausnahme ist für die Entscheidfindung im konkreten Einzelfall kaum hilfreich, zumal nicht ohne Ausnahmen von der Ausnahme auszukommen wäre. Im Übrigen hat das Bundesgericht bereits im Urteil 5C.186/1998 vom 2. November 1998 den Ausnahmecharakter des Mündigenunterhalts hinsichtlich Jugendlicher zwischen dem 18. und 20. Altersjahr relativiert (Hinweis in BGE 127 I 202 E. 3f S. 208). 
3.4 Hingegen kommt bei der Beurteilung der Zumutbarkeit des Mündigenunterhalts dem Alter des Kindes grosse, unter Umständen ausschlaggebende Bedeutung zu: Je jünger ein Kind ist, desto mehr ist es auf Ausbildungsunterhalt angewiesen, aber auch umso weniger dazu fähig, von traumatisierenden Erfahrungen in der Kind-Eltern-Beziehung Abstand zu gewinnen; entsprechend höhere Anforderungen sind daher an die Einrede der Unzumutbarkeit eines sich darauf berufenden Elternteils zu stellen. Je älter hingegen ein Kind ist, desto weniger ist es im Allgemeinen auf Ausbildungsunterhalt angewiesen, aber auch umso eher sollte es in der Lage sein, zu früheren Vorkommnissen Abstand zu gewinnen; dies wiederum rechtfertigt es, entsprechend weniger hohe Anforderungen an die Einrede der Unzumutbarkeit des in Anspruch genommenen Elternteils zu stellen. 
3.5 Im angefochtenen Urteil hat sich das Obergericht insoweit an solchen Überlegungen orientiert, als es einerseits der Klägerin zugebilligt hat, dass sie infolge der Scheidung ihrer Eltern, aber auch der Pubertät, von ihrem Vater nichts mehr wissen wollte, andererseits aber auch erwogen hat, dass von einer nunmehr erwachsenen Person von 24 Jahren erwartet werden dürfe, dass die Fähigkeit zur distanzierten Einordnung und Bewertung früherer familiärer Konflikte und früherer Ablehnung eines Elternteils wachse. 
4. 
Gemäss dem angefochtenen Entscheid haben sich die Eltern der Klägerin scheiden lassen, als diese zehn Jahre alt war, nachdem zwischen den Eheleuten bereits seit einigen Jahren massive Spannungen bestanden hatten. Auf die Scheidung sind schwere Auseinandersetzungen um das Besuchsrecht des Beklagten gefolgt, bis die Klägerin den Kontakt zu ihm vollständig verweigert hat. Seit 1992 hat die Klägerin ihren Vater - bis auf wenige Ausnahmen im Zusammenhang mit dem vorliegenden Verfahren im Herbst 2001 - nie mehr persönlich getroffen und hat auch keinen sonstigen Kontakt mit ihm gehabt. Der Beklagte hat sich in den letzten Jahren mehrfach um einen persönlichen Kontakt mit der Klägerin bemüht, worauf diese jeweils aber nicht eingegangen ist. 
4.1 Angesichts der schwierigen und spannungsgeladenen Familiengeschichte der Klägerin ist es zwar nachvollziehbar, dass es für sie schwierig ist, die Konflikte ihrer Kindheit zu verarbeiten und Distanz zu gewinnen. Indes muss beachtet werden, dass die Scheidung der Eltern unterdessen bereits dreizehn Jahre, der letzte Kontakt mit dem Beklagten rund zehn Jahre zurückliegt. Die Klägerin bringt gegen ihren Vater vor, dass er stur, autoritär, egoistisch und unfähig sei, auf die Belange seiner Kinder einzugehen. Sie habe es nie gewagt, ihm zu widersprechen, was sie in ihrem Selbstwertgefühl sehr gestört habe. Diese allgemein gehaltenen Vorwürfe erscheinen als zu wenig greifbar, um nachzuvollziehen, warum es noch heute für die Klägerin unzumutbar sein soll, mit ihrem Vater nicht einmal einen minimalen Kontakt zu pflegen. Zudem stützen sie sich auf Erfahrungen, die sie zuletzt als 14-jährige Jugendliche mit ihm gemacht hat. Durch ihre totale Ablehnung ist es ihr auch nicht möglich nachzuprüfen, ob ihre Eindrücke vom Vater aus der Jugendzeit heute noch zutreffen. Die Klägerin ist mittlerweile eine erwachsene Frau; insofern kann von ihr auch eine gewisse Anstrengung in Bezug auf die persönliche Beziehung mit ihrem Vater verlangt werden. 
4.2 Es ist zudem ein Ausgleich zu finden zwischen den Interessen der Tochter, einen genügenden Ausbildungsunterhalt zu erhalten, und jenen des Vaters, nicht zur blossen Zahlstelle degradiert zu werden. Wenn die Klägerin vorliegend ihren Vater vollständig ignoriert und jeglichen Kontakt ablehnt, gleichzeitig ihn aber zur Zahlung von Unterhaltsbeiträgen zwingen will, ist ihr Handeln inkonsequent und nicht nachvollziehbar. Insbesondere in Anbetracht des Alters der Klägerin führt ein solches Verhalten regelmässig dazu, dass die Unterhaltsleistung für den Verpflichteten unzumutbar ist. Ausnahmen sind in Fällen angezeigt, wo sich der pflichtige Elternteil gegenüber seinem Kind dermassen schuldig gemacht hat, dass der Abbruch jeglicher Beziehung geradezu als natürliche Folge erscheint und das Gegenteil nicht nachvollziehbar wäre. Würde man einem Elternteil auch in einem solchen Fall wegen der vollständigen Kontaktverweigerung des Kindes Unzumutbarkeit zur Leistung von Unterhaltsbeiträgen zubilligen, könnte er sich dank seines grossen Verschuldens am Zerwürfnis auch noch aus seiner Unterhaltspflicht befreien, was in hohem Masse stossend wäre. Eine solche Ausnahme liegt hier indes nicht vor. Die Vorwürfe der Klägerin an den Beklagten erscheinen, insbesondere auch angesichts der seither verflossenen Zeitspanne, nicht als gewichtig genug, dass die vollständige Kontaktverweigerung als natürliches, ohne weiteres nachvollziehbares Verhalten erscheint. 
 
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass es dem Beklagten auf Grund der vollständigen Kontaktverweigerung durch die Klägerin nicht zuzumuten ist, ihr Unterhaltsbeiträge zu leisten. Der Beschluss des Obergerichts verletzt daher Bundesrecht nicht. 
5. 
Soweit die Klägerin ohne nähere Begründung weiter geltend macht, Art. 8 ZGB sei verletzt, ist darauf nicht einzutreten. Gemäss Art. 55 Abs. 1 lit. c OG ist in der Berufungsschrift anzugeben, welche Bundesrechtssätze der angefochtene Entscheid inwiefern verletzt. Die von der Klägerin erhobene Rüge der Verletzung von Art. 8 ZGB erfordert, dass im Einzelnen dargestellt wird, welche dem angefochtenen Entscheid zu Grunde gelegten Tatsachen umstritten und rechtserheblich sind, sowie welche Beweise für jede von ihnen angeboten worden sind (BGE 118 II 441 E. 1 S. 443). Diesen Anforderungen genügen die Vorbringen in der Berufungsschrift nicht, aus denen sich nicht ergibt, für welche rechtserheblichen Sachvorbringen die Klägerin nicht zum Beweis zugelassen worden sei. 
6. 
Damit ist die Berufung abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird die Klägerin kostenpflichtig (Art. 156 Abs. 1 OG) und schuldet dem Beklagten für das bundesgerichtliche Verfahren eine Parteientschädigung. 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Berufung wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
2. 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird der Klägerin auferlegt. 
3. 
Die Klägerin hat den Beklagten für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2'000.-- zu entschädigen. 
4. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, II. Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 6. März 2003 
Im Namen der II. Zivilabteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin: