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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
4A_382/2021  
 
 
Urteil vom 24. September 2021  
 
I. zivilrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Kiss, präsidierendes Mitglied, 
Bundesrichter Rüedi, 
Bundesrichterin May Canellas, 
Gerichtsschreiber Dürst. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________ GmbH, 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Patrick Stach, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
B.________ Ltd, 
vertreten durch Rechtsanwälte Dr. Markus Fellner, Stefan Sallat und Rechtsanwältin Yoanna Eishold, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Internationale Schiedsgerichtsbarkeit, 
 
Beschwerde gegen das Schiedsurteil 
des ICC Schiedsgerichts mit Sitz in Zürich 
vom 21. Juni 2021 (N° 24824/FS). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Die A.________ GmbH (Klägerin, Beschwerdeführerin) ist eine auf die Entwicklung von Getrieben von Elektrofahrzeugen spezialisierte Gesellschaft mit Sitz in Österreich. 
Die B.________ Ltd (Beklagte, Beschwerdegegnerin) ist spezialisiert auf Entwicklung, Produktion, Verkauf und Lieferung von Hybrid- und Elektrofahrzeugen. Sie hat ihren Sitz in der Volksrepublik China. 
Im Rahmen einer Zusammenarbeit hinsichtlich der Entwicklung von Antriebssystemen für Elektro- und Hybridbusse schlossen die Parteien im August 2016 zwei Verträge ab ("Engineering Service Agreement"; nachfolgend: August-Verträge). Diesen Verträgen vorausgegangen sind vier Vorverträge, abgeschlossen zwischen Januar und Mai 2016 (nachfolgend: Vorverträge), eine Vertraulichkeitsvereinbarung vom 18. November 2015 sowie ein Kaufvertrag vom 25. Juli 2016. 
In der Folge entbrannte zwischen den Parteien ein Streit über die gehörige Erfüllung der August-Verträge sowie über die Verwendung von Immaterialgüterrechten. 
 
B.  
Gestützt auf die Schiedsklausel in Ziffer 10 der August-Verträge leitete die Klägerin am 14. Oktober 2019 bei der Internationalen Handelskammer (ICC) ein Schiedsverfahren gegen die Beklagte ein. 
Mit Schiedsspruch vom 21. Juni 2021 hiess das Schiedsgericht mit Sitz in Zürich die Klage teilweise gut (Dispositiv-Ziffern 1-7), wies jedoch die Klagebegehren hinsichtlich der Ansprüche im Zusammenhang mit der Verwendung von Immaterialgüterrechten ab (Dispositiv-Ziffer 8). 
 
C.  
Mit Beschwerde in Zivilsachen beantragt die Klägerin dem Bundesgericht, es sei Dispositiv-Ziffer 8 des Schiedsspruchs vom 21. Juni 2021 des Schiedsgerichts mit Sitz in Zürich aufzuheben. 
Es wurden keine Vernehmlassungen eingeholt. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Nach Art. 54 Abs. 1 BGG ergeht der Entscheid des Bundesgerichts in einer Amtssprache, in der Regel in jener des angefochtenen Entscheids. Wurde dieser in einer anderen Sprache abgefasst, bedient sich das Bundesgericht praxisgemäss der von den Parteien verwendeten Amtssprache (BGE 142 III 521 E. 1). Wurde die Beschwerdeschrift nach Art. 77 Abs. 2bis BGG (in Kraft seit 1. Januar 2021) in englischer Sprache abgefasst, bestimmt das Bundesgericht die Verfahrenssprache nach freiem Ermessen. Es kann dabei im Interesse des verfassungsmässigen Beschleunigungsgebots (Art. 29 Abs. 1 BV) namentlich die Ausgewogenheit der Arbeitsbelastung der sprachlichen Sektionen der mit der Materie befassten Abteilung des Bundesgerichts berücksichtigen. 
Der angefochtene Entscheid und die Beschwerdeschrift sind in englischer Sprache abgefasst. Da es sich dabei nicht um eine Amtssprache handelt und das Instruktionsverfahren vor Bundesgericht in deutscher Sprache geführt wurde, ergeht der Entscheid des Bundesgerichts in Deutsch. 
 
2.  
Im Bereich der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit ist die Beschwerde in Zivilsachen unter den Voraussetzungen der Art. 190-192 IPRG (SR 291) zulässig (Art. 77 Abs. 1 lit. a BGG). 
 
2.1. Der Sitz des Schiedsgerichts befindet sich vorliegend in Zürich. Beide Parteien hatten im massgebenden Zeitpunkt ihren Sitz ausserhalb der Schweiz (Art. 176 Abs. 1 IPRG). Da die Parteien die Geltung des 12. Kapitels des IPRG nicht ausdrücklich ausgeschlossen haben, gelangen die Bestimmungen dieses Kapitels zur Anwendung (Art. 176 Abs. 2 IPRG).  
 
2.2. Zu prüfen ist, ob die Parteien in der Schiedsklausel gemäss Ziffer 10 der August-Verträge einen gültigen Rechtsmittelverzicht vereinbart haben.  
 
2.2.1. Hat keine der Parteien ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihren Sitz in der Schweiz, so können sie nach Art. 192 Abs. 1 IPRG durch eine Erklärung in der Schiedsvereinbarung oder in einer späteren Übereinkunft Rechtsmittel gegen Schiedsentscheide vollständig oder teilweise ausschliessen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts zu aArt. 192 Abs. 1 IPRG (AS 1988 1776) muss aus der Erklärung der gemeinsame Wille der Parteien unmissverständlich hervorgehen, von der Möglichkeit im Sinne dieser Bestimmung Gebrauch zu machen und auf die Anfechtung des internationalen Schiedsentscheids zu verzichten (vgl. BGE 145 III 266 E. 1.6.1.2; 143 III 589 E. 2.2.1; 143 III 55 E. 3.1; je mit Hinweisen). Ob es sich so verhält, ist durch Auslegung der konkreten Schiedsvereinbarung zu ermitteln (vgl. BGE 143 III 589 E. 2.1.1; Urteil 4A_248/2019 vom 25. August 2020 E. 4.2.2, nicht publ. in: BGE 147 III 49).  
 
2.2.2. Die beiden August-Verträge enthalten in Ziffer 10 jeweils eine Klausel mit folgendem Wortlaut: "10.2 The decision of the Arbitration Committee shall be final and binding upon both parties. Neither part shall seek recourse to a law court or other authorities to appeal for revision of the decision."  
 
Das Bundesgericht befasste sich in seiner bisherigen Rechtsprechung zu aArt. 192 Abs. 1 IPRG bereits mit der Auslegung einer Klausel mit nahezu identischem Wortlaut: Im Urteil 4A_577/2013 vom 3. April 2014 erwog es dazu, dass der Satz "neither party shall seek recourse to a law court nor other authorities to appeal for revision of this decision" nach Treu und Glauben nur so verstanden werden kann, dass die Parteien jegliche Anrufung einer staatlichen Instanz zur Überprüfung des eröffneten Schiedsentscheids ausschliessen wollten. Diese Wendung drückt einen klaren Willen der Parteien aus, jegliches Rechtsmittel bzw. jeglichen Rechtsbehelf gegen den Schiedsentscheid ("of this decision") an staatliche Instanzen - und damit auch die Beschwerde gemäss Art. 190 IPRG an das Bundesgericht - auszuschliessen. Dieser Wille ist trotz der disparaten Verwendung verschiedener Rechtsmittelbegriffe ("recourse", "appeal", "revision") nicht missverständlich, sondern eindeutig (Urteil 4A_577/2013 vom 3. April 2014 E. 3.4: vgl. auch BGE 143 III 589 E. 2.1.2). 
 
2.2.3. Die Beschwerdeführerin stellt sich im Wesentlichen auf den Standpunkt, es sei nicht der wirkliche Wille der Parteien ("true and common intent of the Parties") gewesen, auf Rechtsmittel gegen Schiedsentscheide zu verzichten. Einen vom Wortlaut abweichenden wirklichen Willen der Parteien sieht sie darin begründet, dass es sich bei der Schiedsklausel um eine Standardformulierung bzw. einen Textbaustein handle ("standardized contractual language" bzw. "boilerplate contracts"), welche von den Parteien nicht gesondert ausgehandelt worden sei. Die Schiedsklausel sei vor dem Hintergrund der weiteren Verträge zwischen den Parteien auszulegen: Die August-Verträge hätten ihren Ursprung letztlich in der Vertraulichkeitsvereinbarung vom 18. November 2015, in welcher der streitgegenständliche Ausschluss von Rechtsmitteln nicht enthalten sei. Auch in den Vorverträgen seien diesbezüglich keine Änderungen vorgenommen worden und die Verhandlungen im Zusammenhang mit den August-Verträgen hätten sich nur um Fragen der Exklusivität gedreht. Darüber hinaus beinhalte auch der Kaufvertrag vom 25. Juli 2016 keinen Ausschluss. Letztlich habe sich die Beschwerdeführerin auf eine bisherige Vertragspraxis zwischen den Parteien verlassen ("Parties' consistent course of dealing").  
Diese Begründung überzeugt nicht. Die Beschwerdeführerin vermag keinen vom klaren und eindeutigen Wortlaut der Schiedsvereinbarung in den August-Verträgen abweichenden wirklichen Willen aufzuzeigen. Es ist nicht ersichtlich, inwiefern die Parteien ihrem wirklichen Willen mit der Unterzeichnung der August-Verträge nicht hinreichend Ausdruck und mit der Paraphierung jeder einzelnen Seite zusätzlich Nachdruck verliehen hätten. Der Umstand, dass die Schiedsklausel im Rahmen der Vertragsverhandlungen zu keinen Diskussionen Anlass gab, lässt nicht auf einen anderslautenden wirklichen Willen schliessen. Im Gegenteil liegt vielmehr der Schluss nahe, dass sich die Parteien diesbezüglich ohne Weiteres einig waren. Entgegen dem, was die Beschwerdeführerin anzunehmen scheint, enthielten auch die vier Vorverträge die streitgegenständliche Ausschlussklausel mit identischem Wortlaut. Sie vermag aus dem blossen Umstand, dass in der Vertraulichkeitsvereinbarung und dem Kaufvertrag kein Ausschluss vorgesehen war, keine entsprechende Vertragspraxis zwischen den Parteien abzuleiten, die auch für die August-Verträge gelten würde. 
 
2.2.4. Nicht gehört werden kann die Beschwerdeführerin mit ihren Vorbringen, die August-Verträge seien von den Parteien ohne die Unterstützung von juristischen Fachpersonen entworfen worden und die Parteien seien nicht mit den schweizerischen Rechtsgrundlagen der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit vertraut gewesen. Vorweg ist entgegen dem, was die Beschwerdeführerin vorbringt, nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung ein expliziter Verweis auf Art. 192 Abs. 1 IPRG keine notwendige Voraussetzung für einen gültigen Verzicht (vgl. BGE 143 III 589 E. 2.1.1 mit Hinweisen). Darüber hinaus legt die Beschwerdeführerin nicht dar, inwiefern ihre Zustimmung zum Ausschluss von Rechtsmitteln gemäss Ziffer 10 der August-Verträge mit einem (wesentlichen) Willensmangel behaftet gewesen sein soll (vgl. BGE 145 III 266 E. 1.5).  
 
3.  
Auf die Beschwerde ist damit aufgrund eines gültigen Rechtsmittelverzichts gemäss Art. 192 Abs. 1 IPRG nicht einzutreten. 
Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird die Beschwerdeführerin für das bundesgerichtliche Verfahren kosten- und entschädigungspflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Eine Parteientschädigung ist nicht zu sprechen, da der Beschwerdegegnerin mangels Einholen einer Antwort kein entschädigungspflichtiger Aufwand erwachsen ist (Art. 68 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 6'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.  
Es wird keine Parteientschädigung zugesprochen. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Schiedsgericht mit Sitz in Zürich schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 24. September 2021 
 
Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Das präsidierende Mitglied: Kiss 
 
Der Gerichtsschreiber: Dürst