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Eidgenössisches Versicherungsgericht 
Tribunale federale delle assicurazioni 
Tribunal federal d'assicuranzas 
 
Sozialversicherungsabteilung 
des Bundesgerichts 
 
Prozess 
{T 7} 
U 435/05 
 
Urteil vom 18. April 2006 
III. Kammer 
 
Besetzung 
Präsident Ferrari, Bundesrichter Lustenberger und Seiler; Gerichtsschreiber Widmer 
 
Parteien 
H.________, 1960, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwältin Yolanda Schweri, Militärstrasse 76, 8004 Zürich, 
 
gegen 
 
Zürich Versicherungs-Gesellschaft, Mythenquai 2, 8002 Zürich, Beschwerdegegnerin 
 
Vorinstanz 
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur 
 
(Entscheid vom 30. September 2005) 
 
Sachverhalt: 
A. 
Mit Verfügung vom 14. Oktober 2003, bestätigt mit Einspracheentscheid vom 1. April 2004, sprach die Zürich Versicherungs-Gesellschaft (nachstehend: Zürich) dem 1960 geborenen H.________ für die Folgen eines Unfalls vom 20. Juli 2000 eine Invalidenrente auf der Grundlage einer Erwerbsunfähigkeit von 25 % sowie eine Integritätsentschädigung von 10 % zu. 
B. 
Mit Eingabe vom 8. Juli 2004 liess H.________ Beschwerde führen mit den Anträgen, unter Aufhebung des Einspracheentscheides sei ihm eine höhere Invalidenrente zuzusprechen; eventuell sei ein medizinisches Gutachten zu veranlassen. Mit Verfügung vom 15. Juli 2004 gab die Referentin des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich dem Versicherten Gelegenheit, sich zur Rechtzeitigkeit seiner Beschwerde zu äussern, wovon dieser mit Eingabe vom 27. Juli 2004 Gebrauch machte und gleichzeitig ein Gesuch um Wiederherstellung der Beschwerdefrist stellte. Mit Verfügung vom 15. September 2004 sistierte die Referentin des Sozialversicherungsgerichts das Verfahren bis zur Erledigung eines am Eidgenössischen Versicherungsgericht hängigen Prozesses betreffend einen vom kantonalen Gericht zufolge Fristversäumnisses erlassenen Nichteintretensentscheid. Mit Entscheid vom 30. September 2005 hob das Sozialversicherungsgericht die am 15. September 2004 angeordnete Sistierung des Verfahrens auf und trat auf die Beschwerde nicht ein. 
C. 
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt H.________ beantragen, unter Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides sei das Sozialversicherungsgericht zu verpflichten, auf die Beschwerde vom 8. Juli 2004 einzutreten. 
 
Die Zürich und das Bundesamt für Gesundheit verzichten auf eine Vernehmlassung. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Mit dem Entscheid vom 30. September 2005 hat die Vorinstanz auch die am 15. September 2004 angeordnete Sistierung des Verfahrens aufgehoben. In diesem Punkt ist der kantonale Gerichtsentscheid unangefochten geblieben. Streitig und zu prüfen ist einzig, ob die Vorinstanz zu Recht nicht auf die Beschwerde eingetreten ist. 
2. 
Die strittige Verfügung hat nicht die Bewilligung oder Verweigerung von Versicherungsleistungen zum Gegenstand. Das Eidgenössische Versicherungsgericht prüft daher nur, ob das vorinstanzliche Gericht Bundesrecht verletzte, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, oder ob der rechtserhebliche Sachverhalt offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen festgestellt wurde (Art. 132 in Verbindung mit Art. 104 lit. a und b sowie Art. 105 Abs. 2 OG). 
3. 
3.1 Es ist nicht mehr streitig, dass die Beschwerde bei der Vorinstanz nach Massgabe der Grundsatzentscheide des Eidgenössischen Versicherungsgerichts zum Fristenstillstand im Rahmen des auf den 1. Januar 2003 in Kraft getretenen Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts vom 6. Oktober 2000 (ATSG) verspätet eingereicht wurde (BGE 131 V 314 und 325). Zu entscheiden bleibt, ob das Sozialversicherungsgericht das Gesuch um Wiederherstellung der versäumten Beschwerdefrist zu Recht abgelehnt hat. 
3.2 Ist die Gesuch stellende Person oder ihre Vertretung unverschuldeterweise abgehalten worden, binnen Frist zu handeln, so wird diese wieder hergestellt, sofern sie unter Angabe des Grundes binnen 10 Tagen nach Wegfall des Hindernisses darum ersucht (Art. 41 Abs. 1 ATSG). Diese Bestimmung gilt nach Art. 60 Abs. 2 ATSG sinngemäss auch im Rechtspflegeverfahren. 
 
Nach § 199 Abs. 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes des Kantons Zürich (GVG), auf das Verfahren vor dem Sozialversicherungsgericht gestützt auf Art. 12 des Gesetzes über das Sozialversicherungsgericht (GSVGer) ergänzend sinngemäss anwendbar (vgl. Zünd, Kommentar zum Gesetz über das Sozialversicherungsgericht vom 7. März 1993, Zürich 1998, § 12 Rz 6k), kann das Gericht auf Antrag einer säumigen Partei eine Frist wiederherstellen und eine Verhandlung neu ansetzen, bei grobem Verschulden der Partei oder ihres Vertreters aber nur mit Einwilligung der Gegenpartei. Nach der Gerichtspraxis des Kantons Zürich ist für die Wiederherstellung einer versäumten Frist massgebend, ob der säumigen Partei das Ausbleiben der ihr obliegenden prozessualen Handlung nach den gegebenen Umständen im Licht des objektiven Sorgfaltsmassstabs zum Vorwurf gereicht (Hauser/Schweri, Kommentar zum zürcherischen Gerichtsverfassungsgesetz, Zürich 2002, § 199 Rz 30). Der Rechtsirrtum kann entschuldbar sein, doch ist es in diesem Fall mit der Zulassung als Wiederherstellungsgrund streng zu nehmen, weil sonst dem Rechtsmissbrauch Tür und Tor geöffnet würde (Hauser/Schweri, a.a.O., § 199 Rz 31). Wieder herzustellen ist die Frist beispielsweise, wenn sich eine Partei auf eine langjährige und unangefochtene Rechtsprechung verlassen hat, welche unerwartet geändert wird (Hauser/Schweri, a.a.O., Rz 31). Demgegenüber gelten die mit der Einführung neuer gesetzlicher Regelungen verbundenen Unsicherheiten nicht als entschuldbare Gründe für eine Fristversäumnis (Zünd, a.a.O., S. 105 f.). Die Unterscheidung zwischen grobem und leichtem Verschulden ist gradueller Art und lässt sich nur im Einzelfall durch das Ermessen des Richters bestimmen (Hauser/Schweri, a.a.O., § 199 Rz 32). Rechts- und Verfahrenskundigkeit führen zu erhöhter Verantwortung. Hat der Gesuchsteller lediglich nicht beachtet, was ein sehr sorgfältiger Mensch unter den gleichen Umständen beachten würde, ist leichte Nachlässigkeit anzunehmen. Wurde dagegen eine Sorgfaltspflicht verletzt, deren Beachtung unter den gegebenen Umständen auch den durchschnittlich Sorgfältigen zuzumuten ist, dann ist grobe Nachlässigkeit gegeben (Hauser/Schweri, a.a.O., § 199 Rz 34). 
3.3 Die Vorinstanz hat die Frage, ob die versäumte Beschwerdefrist wiederherzustellen sei, in erster Linie auf Grund von Art. 41 Abs. 1 ATSG geprüft und verneint. Sie hat des Weiteren aber auch dargelegt, dass eine Wiederherstellung der Frist ebenso in Anwendung der weniger restriktiven Vorschrift des kantonalen Rechts (§ 199 GVG) ausser Betracht falle: Ein Rechtsirrtum, wie vom Beschwerdeführer geltend gemacht, sei nicht ohne weiteres als entschuldbar im Sinne dieser Bestimmung einzustufen. Nach der langjährigen Praxis des kantonalen Gerichts habe die dreimonatige Frist zur Beschwerde gegen Einspracheentscheide der Unfallversicherer nicht still gestanden, währenddem sich in Bezug auf den Fristenstillstand nach In-Kraft-Treten des ATSG im Zeitpunkt der Einreichung der Beschwerde noch keine Gerichtspraxis herausgebildet habe. 
4. 
4.1 Da die Vorinstanz die Rechtsfrage nicht nur unter dem Blickwinkel des hier nicht zur Anwendung gelangenden Art. 41 Abs. 1 ATSG (Art. 82 Abs. 2 ATSG; Art. 60 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 41 ATSG; BGE 131 V 323 Erw. 5.2, 328 Erw. 4.4), sondern auch gestützt auf das massgebende kantonale Recht (§ 199 GVG des Kantons Zürich) geprüft hat, kann ihr keine Bundesrechtsverletzung vorgeworfen werden, die im Umstand zu erblicken wäre, dass unzutreffenderweise Bundes-, statt kantonales Recht angewendet wird (BGE 131 V 324 Erw. 5.3, 116 Ib 171 Erw. 1). Aus diesem Grund zielt der Vorwurf ins Leere, das kantonale Gericht lege für den Beschwerdeführer einen wesentlich strengeren Massstab an die Sorgfaltspflicht an als für sich selbst, da es verkannt habe, dass Art. 41 ATSG auf das am 27. Juli 2004 eingereichte Wiederherstellungsgesuch nicht anwendbar sei. 
 
Das Eidgenössische Versicherungsgericht kann die Anwendung kantonalen Verfahrensrechts nicht frei überprüfen. Art. 104 lit. a OG beschränkt die Überprüfungsbefugnis auf die Verletzung von Bundesrecht einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens; dabei fällt praktisch vor allem eine Prüfung der Verletzung verfassungsmässiger Rechte und Grundsätze, namentlich des Willkürverbots, in Betracht (BGE 114 V 205 Erw. 1a; vgl. BGE 120 V 416 Erw. 4a). 
Nach der Rechtsprechung ist eine Entscheidung willkürlich, wenn sie eine Norm oder einen klaren und unumstrittenen Rechtsgrundsatz offensichtlich schwer verletzt, sich mit sachlichen Gründen schlechthin nicht vertreten lässt oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft. Willkürliche Rechtsanwendung liegt nicht schon vor, wenn eine andere Lösung in Betracht zu ziehen oder sogar vorzuziehen wäre (BGE 131 I 61 Erw. 2, 129 I 9 Erw. 2.1, 58 Erw. 4, 127 I 41 Erw. 2a; zu Art. 4 Abs. 1 aBV ergangene, weiterhin geltende Rechtsprechung: BGE 125 I 168 Erw. 2a, 125 II 15 Erw. 3a, 124 I 316 Erw. 5a, 124 V 139 Erw. 2b, je mit Hinweisen). 
4.2 Der angefochtene Entscheid hält einer Überprüfung auf die Verfassungsmässigkeit stand und kann insbesondere nicht als willkürlich bezeichnet werden. Der geltend gemachte Rechtsirrtum ist richtigerweise nicht als Fristwiederherstellungsgrund anerkannt worden, weil der Beschwerdeführer sich für seinen Standpunkt auf keine einschlägige Gerichtspraxis zu berufen vermag, wie die Vorinstanz zu Recht festgestellt hat. Entscheidend ist jedoch, dass niemand aus Rechtsunkenntnis Vorteile ableiten kann (BGE 124 V 220 Erw. 2b/aa mit Hinweisen), wie das Eidgenössische Versicherungsgericht in einem Verfahren, in welchem u.a. ebenfalls die Wiederherstellung einer versäumten Beschwerdefrist gestützt auf § 199 GVG des Kantons Zürich streitig war, erkannt hat (Urteil A. vom 24. Oktober 2005, U 86/05). Blosse Rechtsunkenntnis gilt dementsprechend nach kantonaler Praxis nicht als Wiederherstellungsgrund (Hauser/Schweri, a.a.O., § 199 Rz 26). 
4.3 Wenn die Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers bei der Berechnung des Fristenlaufs nicht den geringsten Zweifel daran hatte, dass die Fristenstillstandsregelung des Art. 38 ATSG vorliegend anwendbar sei und nicht einmal auf den Gedanken kam, dass sich die Übergangsbestimmung des Art. 82 ATSG auch auf Fristberechnung und Stillstand der Beschwerdefrist nach Art. 60 ATSG in Verbindung mit Art. 106 UVG beziehen könnte, kann dies an sich schon nicht als leichtes Verschulden gewertet werden, dies auch nicht im Zusammenhang mit dem In-Kraft-Treten des ATSG, das u.a. auf Vereinheitlichung des Verfahrensrechts angelegt ist. Art. 82 Abs. 2 ATSG behält übergangsrechtlich die bisherigen Bestimmungen der Kantone über die Rechtspflege vor, worunter offensichtlich der im dritten Abschnitt des Gesetzes (Rechtspflegeverfahren) enthaltene Art. 60 fällt, der in Abs. 2 seinerseits auf Art. 38 (Berechnung und Stillstand der Fristen) verweist. Bei dieser Rechtslage war es äusserst riskant, die Beschwerdefrist unter Einschluss des Fristenstillstandes zu berechnen. Die Tatsache, dass die Tragweite der Übergangsbestimmung des Art. 82 Abs. 2 ATSG erst durch die Urteile des Eidgenössischen Versicherungsgericht vom 26. August 2005 (BGE 131 V 314 und 325) geklärt wurde, spricht nicht zu Gunsten des Beschwerdeführers, wie bereits das kantonale Gericht festgestellt hat. Vielmehr wäre auf Grund dieser Tatsache hinsichtlich der Berechnung der Beschwerdefrist besondere Vorsicht geboten gewesen. Bei zahlreichen Gesetzesänderungen, namentlich Totalrevisionen, sind intertemporale Rechtsunsicherheiten gegeben. Auch der Umstand, dass die Frage, ob die Fristenstillstandsbestimmungen sofort anwendbar seien oder nicht, laut Schreiben von Rechtsanwalt Dr. K.________ vom 18. Oktober 2005 in den Jahren 2003 und 2004 als Problem "in weitesten Kreisen noch gar nicht erkannt" gewesen sei, lässt ebenfalls nicht auf nur leichtes Verschulden schliessen. Es war auf Grund der Übergangsbestimmungen keineswegs naheliegend, dass kantonalrechtliche Normen über den Fristenstillstand in der Übergangszeit nicht mehr gelten sollten. Im Gegenteil: Wenn mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde eine Weisung des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 23. September 2003 betreffend die künftige Praxis aufgelegt wird, bestätigt dies nur die Rechtsunsicherheit. Der Beschwerdeführer beruft sich denn auch nicht darauf, im Vertrauen auf diese Weisung den Fristenstillstand mitberechnet zu haben. Die kantonale Rechtsordnung und die langjährige, vom Eidgenössischen Versicherungsgericht in SVR 1998 UV Nr. 10 S. 25 bestätigte Praxis des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich zum Fristenstillstand bei mehrmonatigen Fristen, u.a. des UVG, war klar und unmissverständlich. Für den Standpunkt des Beschwerdeführers spricht auch nicht die aus Gründen der Zweckmässigkeit verfügte Sistierung des kantonalen Verfahrens. 
4.4 Nach dem Gesagten verbietet sich der Schluss, die Verweigerung der Wiederherstellung der Beschwerdefrist durch das kantonale Gericht sei nicht haltbar und verletze das Legalitätsprinzip. 
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
1. 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen. 
2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt und mit dem geleisteten Kostenvorschuss verrechnet. 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Gesundheit zugestellt. 
Luzern, 18. April 2006 
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
 
Der Präsident der III. Kammer: Der Gerichtsschreiber: