Avis important:
Les versions anciennes du navigateur Netscape affichent cette page sans éléments graphiques. La page conserve cependant sa fonctionnalité. Si vous utilisez fréquemment cette page, nous vous recommandons l'installation d'un navigateur plus récent.
 
 
Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
6B_777/2020  
 
 
Urteil vom 23. September 2020  
 
Strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Denys, Präsident, 
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari, 
Bundesrichter Muschietti, 
Gerichtsschreiber Weber. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Andres Büsser, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Thurgau, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Grobe Verletzung der Verkehrsregeln; Anklagegrundsatz, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts 
des Kantons Thurgau vom 10. Februar 2020 (SBR.2019.78). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Das Bezirksgericht Arbon sprach A.________ am 8. Juli 2019 der groben Verletzung der Verkehrsregeln schuldig und verurteilte ihn zu einer Geldstrafe von 180 Tagessätzen zu je Fr. 90.--. Eine mit Entscheid des Kreisgerichts Toggenburg vom 11. Mai 2017 bedingt ausgesprochene Freiheitsstrafe von 18 Monaten widerrief es nicht, jedoch verlängerte es die Probezeit um ein Jahr auf fünf Jahre. 
 
B.   
Die dagegen von A.________ erhobene Berufung hiess das Obergericht des Kantons Thurgau am 10. Februar 2020 teilweise gut. Es sprach A.________ ebenso der groben Verletzung der Verkehrsregeln schuldig und bestrafte ihn mit einer Geldstrafe von 180 Tagessätzen zu je Fr. 90.--, indessen unter Gewährung des bedingten Strafvollzugs bei einer Probezeit von vier Jahren. Zusätzlich bestrafte es A.________ mit einer Busse von Fr. 3'000.--. Die mit Entscheid des Kreisgerichts Toggenburg bedingt ausgesprochene Freiheitsstrafe widerrief auch das Obergericht nicht und verlängerte diese Probezeit ebenfalls um ein Jahr auf fünf Jahre. 
Das Obergericht hält zusammengefasst folgenden Sachverhalt für erwiesen: 
A.________ überholte am 4. September 2018, zwischen 19.15 und 19.30 Uhr, das Fahrzeug von B.________ auf der Radmühlestrasse in Amriswil in Fahrtrichtung Oberaach mit nicht angepasster, zu hoher Geschwindigkeit von etwa 100 bis 110 km/h. Danach spurte er vor der Linkskurve wieder auf seine Fahrbahn ein und reduzierte seine Geschwindigkeit leicht. Er fuhr alsdann aber noch immer mit unangepasster Geschwindigkeit in die Linkskurve, wobei er sich mit den linken Reifen auf oder nahe der weissen Mittellinie befand, als er das entgegenkommende Fahrzeug von C.________ erblickte. Aufgrund des geringen Abstands zum entgegenkommenden Fahrzeug erschrak A.________, lenkte deshalb nach rechts und bremste ab. Dadurch kam sein Fahrzeug ins Schleudern und geriet rechts ins angrenzende Wiesland. Er fuhr während zirka 10 Metern parallel zur Fahrbahn im rechten Wiesland, ehe sein Auto über die Gegenfahrbahn ins links angrenzende Wiesland schleuderte, sich um 180 Grad drehte und im Bach stehen blieb. 
 
C.   
A.________ beantragt mit Beschwerde in Strafsachen, das Urteil des Obergerichts sei aufzuheben, er sei der einfachen Verkehrsregelverletzung schuldig zu sprechen und mit einer angemessenen Busse zu bestrafen. Auf eine Verlängerung der Probezeit sei zu verzichten. Eventualiter sei die Sache zu neuer Entscheidung an das Obergericht zurückzuweisen. A.________ ersucht um aufschiebende Wirkung. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung des Anklagegrundsatzes. Laut Anklageschrift habe er gebremst und das Fahrzeug nach rechts gesteuert, nicht aber, wie die Vorinstanz festgestellt habe, nach rechts gesteuert und das Fahrzeug gebremst. Eine zusätzliche Verletzung des Rechtsfahrgebots sei nicht angeklagt, sondern nur, dass er sich aufgrund der unangepassten Geschwindigkeit ausgangs der Kurve mit den linken Rädern auf der Mittellinie befunden habe. Der vorinstanzliche Vorwurf der Verletzung des Rechtsfahrgebots sei neu und unerwartet.  
 
1.2. Die Vorinstanz erwägt zur rechtlichen Würdigung des von ihr festgestellten Sachverhalts (vgl. Sachverhalt B. hiervor) im Wesentlichen, indem der Beschwerdeführer auf oder zu nahe an der Mittellinie gefahren sei, sei er seinen Vorsichtspflichten nicht nachgekommen. Infolge des daraus resultierenden, zu geringen Abstands zum entgegenkommenden Fahrzeug von C.________ - und nicht allein aufgrund der unangepassten Geschwindigkeit - sei der Beschwerdeführer erschrocken und habe nach rechts gelenkt und abgebremst, was schliesslich zum Kontrollverlust über das Fahrzeug und zum Unfall geführt habe. Entgegen seiner Auffassung sei ihm in erster Linie nicht seine Reaktion nach dem Schreckmoment vorzuhalten. Vielmehr sei ihm nebst der unangepassten Geschwindigkeit vorzuwerfen, dass er auf oder zu nahe an der Mittellinie und nicht möglichst weit rechts gefahren sei. Dies habe auch der Beschwerdeführer selbst als fehlerhaft beurteilt. Überdies gelte zu berücksichtigen, dass nicht die unangepasste Geschwindigkeit Ursache dafür sein könne, dass er auf oder zu nahe an der Mittellinie gefahren sei, denn infolge der Fliehkraft hätte es sein Fahrzeug wegen der Geschwindigkeit eher an den rechten Strassenrand gezogen als in die Mitte. Damit sei zusätzlich zur unangepassten Geschwindigkeit durch das Fahren auf oder zu nahe an der Mittellinie von einem weiteren Fehlverhalten im Sinne einer Nichtbeherrschung des Fahrzeugs auszugehen, die dazu geführt habe, dass der Beschwerdeführer ab dem entgegenkommenden Fahrzeug erschrocken sei und bedingt dadurch nach rechts gelenkt sowie abgebremst und schliesslich die Kontrolle über sein Fahrzeug verloren habe und verunfallt sei. Dies gelte umso mehr, als er die Strecke gekannt habe (angefochtener Entscheid, E. 3/d S. 19 f.).  
 
1.3. Nach dem Anklagegrundsatz bestimmt die Anklageschrift den Gegenstand des Gerichtsverfahrens (Umgrenzungsfunktion; Art. 9 und Art. 325 StPO; Art. 29 Abs. 2 und Art. 32 Abs. 2 BV; Art. 6 Ziff. 1 und Ziff. 3 lit. a und b EMRK). Die Anklage hat die der beschuldigten Person zur Last gelegten Delikte in ihrem Sachverhalt so präzise zu umschreiben, dass die Vorwürfe in objektiver und subjektiver Hinsicht genügend konkretisiert sind. Zugleich bezweckt das Anklageprinzip den Schutz der Verteidigungsrechte der beschuldigten Person und garantiert den Anspruch auf rechtliches Gehör (Informationsfunktion). Entscheidend ist, dass die beschuldigte Person genau weiss, welcher konkreter Handlungen sie beschuldigt und wie ihr Verhalten rechtlich qualifiziert wird, damit sie sich in ihrer Verteidigung richtig vorbereiten kann. Solange klar ist, welcher Sachverhalt der beschuldigten Person vorgeworfen wird, kann auch eine fehlerhafte und unpräzise Anklage nicht dazu führen, dass es zu keinem Schuldspruch kommen darf. Die nähere Begründung der Anklage erfolgt an Schranken; es ist Sache des Gerichts, den Sachverhalt verbindlich festzustellen. Dieses ist an den in der Anklage umschriebenen Sachverhalt, nicht aber an die darin vorgenommene rechtliche Würdigung gebunden (Art. 350 Abs. 1 StPO; BGE 143 IV 63 E. 2.2; Urteil 6B_332/2019 vom 29. Oktober 2019 E. 1.1; je mit Hinweisen).  
 
1.4. Mit Anklageschrift vom 28. März 2019 legt die Staatsanwaltschaft Bischofszell dem Beschwerdeführer eine grobe Verletzung der Verkehrsregeln gemäss Art. 90 Abs. 2 SVG i.V.m. Art. 31 Abs. 1 SVG, Art. 32 Abs. 1 und 2 SVG, Art. 34 Abs. 1 SVG, Art. 4 Abs. 1 VRV sowie Art. 4a Abs. 1 lit. b VRV zur Last. Sie wirft ihm soweit vorliegend relevant vor, er habe die Linkskurve aufgrund seiner dem Strassenverlauf unangepassten Geschwindigkeit geschnitten, sodass er sich ausgangs der Kurve mit den linken Rädern seines Fahrzeugs noch immer auf der Mittellinie befunden habe, als ihm das von C.________ gelenkte Fahrzeug entgegen gekommen sei. Folglich habe der Beschwerdeführer C.________ gekreuzt, wobei er aufgrund des geringen seitlichen Abstands zu dessen Fahrzeug erschrocken sei, abgebremst und sein Fahrzeug nach rechts gesteuert habe. Infolgedessen sei er mit den rechten Rädern seines Fahrzeugs ins angrenzende Wiesland geraten und während ca. 19 Metern parallel zur Fahrbahn im Wiesland weitergefahren (vgl. kant. Akten, act. 8).  
Der Beschwerdeführer wusste, dass ihm unangemessene Geschwindigkeit und zudem vorgeworfen wird, er habe sich mit den linken Rädern seines Fahrzeugs auf der Mittellinie befunden. Dies ist der Anklageschrift ausdrücklich zu entnehmen. Auch erklärt die Anklageschrift mehrere Gesetzesbestimmungen für anwendbar, darunter Art. 32 SVG (Geschwindigkeit) und Art. 34 SVG (Rechtsfahrgebot). Entgegen dem Standpunkt des Beschwerdeführers ist angesichts der Anklageschrift nicht zu beanstanden, dass die Vorinstanz nebst der unangemessenen Geschwindigkeit ein zusätzliches Fehlverhalten darin erblickt, dass der Beschwerdeführer in der Linkskurve auf oder zu nahe an der Mittellinie fuhr. Inwiefern von Bedeutung sein soll, ob dieses zusätzliche Fehlverhalten auf die unangemessene Geschwindigkeit zurückzuführen ist, ist nicht ersichtlich. Dass die Position des Fahrzeugs in der Kurve ausschliesslich auf die Geschwindigkeitsüberschreitung zurückzuführen wäre, ist denn auch nicht nachvollziehbar. Und wie dargelegt war für den Beschwerdeführer klar, dass ihm nicht einzig unangemessene Geschwindigkeit, sondern ebenso zu geringer seitlicher Abstand zum links auf der Gegenfahrbahn entgegenkommenden Fahrzeug vorgeworfen wird. Somit konnte er seine Verteidigung bezüglich beider Vorwürfe ausreichend vorbereiten und der Anklagegrundsatz ist nicht verletzt. Daran ändert nichts, dass die Vorinstanz feststellte, dass der Beschwerdeführer nach rechts lenkte und abbremste. Aus dieser Feststellung und Formulierung resultiert keine feste chronologische Abfolge und der Beschwerdeführer legt ohnehin nicht dar, inwiefern eine solche entscheidwesentlich wäre. 
 
2.   
Die Beschwerde ist abzuweisen. Die Gerichtskosten sind ausgangsgemäss dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Mit dem Entscheid in der Sache wird dessen Gesuch um aufschiebende Wirkung gegenstandslos. 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.   
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Thurgau schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 23. September 2020 
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Denys 
 
Der Gerichtsschreiber: Weber