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Eidgenössisches Versicherungsgericht 
Tribunale federale delle assicurazioni 
Tribunal federal d'assicuranzas 
 
Sozialversicherungsabteilung 
des Bundesgerichts 
 
Prozess 
{T 7} 
H 93/03 
 
Urteil vom 31. Oktober 2003 
II. Kammer 
 
Besetzung 
Präsident Schön, Bundesrichterin Widmer und Bundesrichter Frésard; Gerichtsschreiber Flückiger 
 
Parteien 
C.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Fürsprech Dr. Peter Studer, Neuarlesheimerstr. 15, 4143 Dornach, 
 
gegen 
 
Ausgleichskasse Basel-Stadt, Wettsteinplatz 1, 4058 Basel, Beschwerdegegnerin 
 
Vorinstanz 
Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt, Basel 
 
(Entscheid vom 29. Januar 2003) 
 
Sachverhalt: 
A. 
Mit Verfügung vom 30. Juli 2001 verpflichtete die Ausgleichskasse Basel-Stadt C.________ zur Leistung von Schadenersatz in Höhe von Fr. 56'089.80 für entgangene paritätische Sozialversicherungsbeiträge der Firmen R.________ AG und E.________ AG. C.________ liess am 8. August 2001 Einspruch erheben. 
B. 
Auf Klage der Ausgleichskasse hin verpflichtete das Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt C.________ in solidarischer Haftung mit vier Beklagten eines Parallelverfahrens, der Klägerin den Betrag von Fr. 56'089.80 zu bezahlen (Entscheid vom 29. Januar 2003). 
C. 
C.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit dem Rechtsbegehren, es seien der kantonale Entscheid aufzuheben und die Schadenersatzklage abzuweisen. 
 
Die Ausgleichskasse - unter Hinweis auf ihre früheren Eingaben - und das Bundesamt für Sozialversicherung verzichten auf eine Vernehmlassung. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
1. 
1.1 Da es sich bei der angefochtenen Verfügung nicht um die Bewilligung oder Verweigerung von Versicherungsleistungen handelt, hat das Eidgenössische Versicherungsgericht nur zu prüfen, ob das vorinstanzliche Gericht Bundesrecht verletzt hat, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, oder ob der rechtserhebliche Sachverhalt offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen festgestellt worden ist (Art. 132 in Verbindung mit Art. 104 lit. a und b sowie Art. 105 Abs. 2 OG). 
1.2 Am 1. Januar 2003 ist das Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) vom 6. Oktober 2000 in Kraft getreten. Mit ihm sind zahlreiche Bestimmungen im AHV-Recht, insbesondere auch hinsichtlich der Arbeitgeberhaftung nach Art. 52 AHVG, geändert sowie Art. 81 und 82 AHVV aufgehoben worden. Weil in zeitlicher Hinsicht grundsätzlich diejenigen Rechtssätze massgebend sind, die bei der Erfüllung des zu Rechtsfolgen führenden Tatbestandes Geltung haben (BGE 127 V 467 Erw. 1, 126 V 166 Erw. 4b), kommen im vorliegenden Fall jedoch die bis zum 31. Dezember 2002 geltenden Bestimmungen zur Anwendung. 
1.3 Nach Art. 52 AHVG hat ein Arbeitgeber, der durch absichtliche oder grobfahrlässige Missachtung von Vorschriften einen Schaden verursacht, diesen der Ausgleichskasse zu ersetzen. Ist der Arbeitgeber eine juristische Person, so können subsidiär gegebenenfalls die verantwortlichen Organe in Anspruch genommen werden (BGE 123 V 15 Erw. 5b, 122 V 66 Erw. 4a, 119 V 405 Erw. 2, je mit Hinweisen). 
2. 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist nur insoweit zulässig, als die Schadenersatzforderung kraft Bundesrechts streitig ist. Im vorliegenden Verfahren ist deshalb auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde in dem Umfang nicht einzutreten, als sie sich gegen die Schadenersatzforderung für entgangene Beiträge an die kantonale Familienausgleichskasse richtet (vgl. BGE 124 V 146 Erw. 1 mit Hinweis). 
3. 
Streitig und zu prüfen ist, ob der Beschwerdeführer für Schaden haftet, welcher der Ausgleichskasse dadurch entstanden ist, dass die Firmen R.________ AG und E.________ AG paritätische Sozialversicherungsbeiträge nicht oder nicht rechtzeitig bezahlt haben. Das kantonale Gericht betrachtete, der Ausgleichskasse folgend, den Beschwerdeführer als faktisches Organ der beiden Gesellschaften, was dieser bestreitet. 
3.1 Es steht fest, dass der Beschwerdeführer Alleinaktionär der R.________ AG und der E.________ AG war. Da er jedoch nicht als deren formelles Organ fungierte (Handelsregisterauszüge vom 20. November 2001), setzt seine persönliche subsidiäre Haftung voraus, dass ihm materielle Organstellung zukam (BGE 114 V 214 ff. Erw. 4). Für die Beurteilung der Organstellung von Personen, die nicht Verwaltungsräte sind, ist entscheidend, ob sie tatsächlich die Funktion von Organen erfüllen, indem sie diesen vorbehaltene Entscheide treffen oder die eigentliche Geschäftsführung besorgen und so die Willensbildung der Gesellschaft massgebend bestimmen (BGE 114 V 218 Erw. 4e, 79 f. Erw. 3 mit Hinweisen). Nach der grundsätzlich auch im Bereich von Art. 52 AHVG massgebenden (BGE 114 V 214 Erw. 3) Rechtsprechung zur aktienrechtlichen Verantwortlichkeit kommt die faktische Organstellung nur einer Person zu, die in eigener Verantwortung eine dauernde Zuständigkeit für gewisse das Alltagsgeschäft übersteigende und das Geschäftsergebnis beeinflussende Entscheide wahrnimmt. Ein Handeln im Einzelfall vermag dagegen die spezifische Organhaftung nicht zu begründen (BGE 128 III 33 Erw. 3c). 
3.2 Als einzige Verwaltungsrätin der beiden Gesellschaften fungierte bis zu ihrem Tod im Januar 1999 S.________. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass der Beschwerdeführer während dieses Zeitraums den Organen vorbehaltene Entscheidungen getroffen hätte. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die Verwaltungsrätin als formelles Organ diese Aufgaben (persönlich oder über die ihr gehörende Firma O.________ AG) wahrnahm und insbesondere auch für das Beitragswesen zuständig war. Das persönliche Konto des Beschwerdeführers weist wohl in früheren Jahren grössere Lohnbezüge aus; zuletzt sind Zahlungen der R.________ AG für das ganze Jahr 1995 sowie insgesamt vier Monate des Jahres 1996 verzeichnet. 1997 und 1998 fanden jedoch keine Bezüge mehr statt. Unter diesen Umständen ist eine faktische Organstellung des Beschwerdeführers während der Amtszeit von S.________ als Verwaltungsrätin nicht mit dem erforderlichen Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit (BGE 126 V 360 Erw. 5b mit Hinweisen) erstellt. 
3.3 Am 25. Januar 1999 verstarb S.________. Der Beschwerdeführer als Alleinaktionär widerrief daraufhin namens der R.________ AG und der E.________ AG die Vollmachten zu Gunsten der Verstorbenen bzw. ihrer Firma und stellte am 1. Februar 1999 eine Generalvollmacht aus, lautend auf die Gesellschaft X.________. Ausserdem forderte er die Firma der Verstorbenen auf, der neuen Treuhänderin alle Unterlagen der beiden Gesellschaften herauszugeben, und hinterlegte zur Sicherstellung von Honorarforderungen einen Betrag von rund Fr. 16'000.-. Die weiteren Angelegenheiten der Gesellschaften, welche ab 1. Februar 1999 kein Personal mehr beschäftigten, besorgte nach Lage der Akten die eingesetzte Treuhandgesellschaft. Die aktenkundigen Aktivitäten des Beschwerdeführers gingen nicht über dasjenige Mass hinaus, welches erforderlich war, um die Übertragung der administrativen Aufgaben von der verstorbenen einzigen Verwaltungsrätin auf die neu bestellte Treuhänderin zu bewerkstelligen. Die auf dieses Ziel beschränkten Handlungen vermögen die für die Annahme materieller Organstellung erforderliche dauerhafte Verantwortlichkeit für Bereiche, die im Zusammenhang mit der Erfüllung der Beitragspflicht relevant sind, nicht zu begründen. 
3.4 Nach dem Gesagten ist eine Stellung des Beschwerdeführers als faktisches Organ der R.________ AG und der E.________ AG, welches für die Erfüllung der Beitragspflicht verantwortlich war, nicht ausgewiesen. Weder bestehen hinreichende diesbezügliche Anhaltspunkte für den Zeitraum, als S.________ als einzige Verwaltungsrätin und damit als formelles Organ fungierte, noch lässt sich eine materielle Organstellung aus den Handlungen des Beschwerdeführers nach dem Tod von S.________ ableiten. Der Beschwerdeführer ist somit nicht für den auf Bundesrecht beruhenden Schaden haftbar, welcher der Ausgleichskasse dadurch entstand, dass die R.________ AG und die E.________ AG allenfalls ihre Pflicht zur Beitragsabrechnung und -zahlung verletzt haben. 
4. 
Das Verfahren ist kostenpflichtig, da es nicht die Bewilligung oder Verweigerung von Versicherungsleistungen zum Gegenstand hat (Art. 134 OG e contrario). Die unterliegende Ausgleichskasse hat die Gerichtskosten zu tragen (Art. 156 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 135 OG) und dem Beschwerdeführer eine Parteientschädigung auszurichten (Art. 159 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 135 OG). 
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
1. 
In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, soweit darauf einzutreten ist, wird das Urteil des Sozialversicherungsgerichts Basel-Stadt vom 29. Januar 2003, soweit es eine bundesrechtliche Forderung betrifft, aufgehoben, und es wird die Schadenersatzklage der Ausgleichskasse Basel-Stadt in diesem Umfang abgewiesen. 
2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 4000.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt. 
3. 
Der geleistete Kostenvorschuss von Fr. 4000.- wird dem Beschwerdeführer zurückerstattet. 
 
4. 
Die Ausgleichskasse Basel-Stadt hat dem Beschwerdeführer für das Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht eine Parteientschädigung von Fr. 2500.- (einschliesslich Mehrwertsteuer) zu bezahlen. 
5. 
Das Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt wird über eine Parteientschädigung für das kantonale Verfahren entsprechend dem Ausgang des letztinstanzlichen Prozesses zu befinden haben. 
6. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt. 
Luzern, 31. Oktober 2003 
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
Der Präsident der II. Kammer: Der Gerichtsschreiber: