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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
5A_676/2017  
   
   
 
 
 
Urteil vom 16. Oktober 2017  
 
II. zivilrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter von Werdt, Präsident, 
Bundesrichter Marazzi, Herrmann, 
Gerichtsschreiber von Roten. 
 
Verfahrensbeteiligte 
1. Verein A.________, 
2. B.________, 
beide vertreten durch Rechtsanwalt Andreas Künzli, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
C.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Roger Brändli, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Eigentumsklage, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Kantonsgerichts St. Gallen, I. Zivilkammer, vom 6. Juli 2017 
(BO.2016.56-K1). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
 
A.a. Auf dem Gebiet der Gemeinde U.________ im Weiler V.________ befindet sich das Skigebiet D.________ mit drei Skiliften, die der Verein A.________ betreibt. Dessen Vizepräsident B.________ amtet als Betriebsleiter und führt in der Regel die Pistenfahrzeuge.  
 
A.b. Das Skigebiet D.________ erstreckt sich über mehrere Grundstücke in der Landwirtschaftszone, die von einer Zone für Skiabfahrts- und Skiübungsgelände überlagert wird (sog. Skizone).  
 
A.c. Die Grundstücke Nrn. xxx und yyy (Grundbuch W.________) liegen in der Skizone und dienen als Skipisten, die mit Pistenfahrzeugen präpariert (gewalzt, geglättet usw.) werden. Eigentümer ist C.________, der die Grundstücke landwirtschaftlich nutzt.  
 
B.  
C.________ (Kläger) erhob am 4. November 2014 eine Eigentumsfreiheits- und Besitzesschutzklage gegen den Verein A.________ und gegen B.________ (Beklagte). Er beantragte, es sei den Beklagten zu verbieten, seine Grundstücke insbesondere mit Pistenfahrzeugen zu befahren. Die Beklagten schlossen auf Abweisung der Klage. Das Kreisgericht See-Gaster verbot den Beklagten, die Grundstücke des Klägers mit Pistenfahrzeugen zu befahren unter Strafandrohung gemäss Art. 292 StGB für den Widerhandlungsfall (Entscheid vom 19. April 2016). Die Beklagten legten dagegen Berufung ein, die das Kantonsgericht St. Gallen abwies (Entscheid vom 6. Juli 2017). 
 
C.  
Mit Eingabe vom 6. September 2017 beantragen die Beklagten (fortan: Beschwerdeführer) dem Bundesgericht, die Klage abzuweisen. Ihre Gesuche um aufschiebende Wirkung, Aufschub der Vollstreckbarkeit und um Aussetzung des Beschwerdeverfahrens hat der Präsident der II. zivilrechtlichen Abteilung des Bundesgerichts abgewiesen (Verfügung vom 7. September 2017). Es sind die kantonalen Akten, hingegen keine Vernehmlassungen eingeholt worden. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Der angefochtene Entscheid betrifft die privatrechtlichen Abwehransprüche aus Eigentum (Art. 641 Abs. 2 ZGB) und damit eine Zivilsache (Art. 72 Abs. 1 BGG) in einer vermögensrechtlichen Angelegenheit, deren Streitwert gemäss den kantonsgerichtlichen Feststellungen mehr als Fr. 30'000.-- beträgt und damit die gesetzliche Mindestsumme überschreitet (Art. 74 Abs. 1 lit. b BGG; Urteil 5A_173/2010 vom 15. Juli 2010 E. 1, in: ZBGR 93/2012 S. 174). Er ist kantonal letzt- und oberinstanzlich (Art. 75 BGG), lautet zum Nachteil der Beschwerdeführer (Art. 76 Abs. 1 BGG) und schliesst das kantonale Verfahren ab (Art. 90 BGG). Die - fristgerecht erhobene (Art. 100 Abs. 1 i.V.m. Art. 46 Abs. 1 lit. b BGG) - Beschwerde ist grundsätzlich zulässig. Formelle Einzelfragen werden im Sachzusammenhang zu erörtern sein. 
 
2.  
Sein Verbotsbegehren hat der Kläger und heutige Beschwerdegegner auf Eigentums- und Besitzesschutz gestützt. 
 
2.1. Der Eigentümer hat das Recht, jede ungerechtfertigte Einwirkung abzuwehren (Art. 641 Abs. 2 ZGB), und der Besitzer kann Klage erheben, wenn der Besitz durch verbotene Eigenmacht gestört wird (Art. 928 Abs. 1 ZGB). Die kantonalen Gerichte haben die Voraussetzungen des Eigentumsschutzes als erfüllt betrachtet und deshalb die Klage gutgeheissen, deren Zulässigkeit aus Besitzesstörung mit Blick auf die Verjährung der Klage gemäss Art. 929 ZGB dagegen offengelassen (E. III/4 S. 23 des angefochtenen Entscheids). Eigentumsschutz setzt eine Einwirkung voraus, die ungerechtfertigt sein muss. Gleich wie im Betreten oder Überfliegen eines Grundstücks (BGE 95 II 397 E. 2a S. 401; 104 II 166 E. 2 S. 167) ist eine Einwirkung gemäss Art. 641 Abs. 2 ZGB darin zu erblicken, dass eine Skipiste durch Pistenfahrzeuge präpariert und von einer Vielzahl von Skifahrern benutzt wird (Urteil P.787/1987 vom 11. Mai 1988 E. 3a/bb, den Kanton St. Gallen betreffend). Streitig ist folglich einzig, ob die daherige Einwirkung ungerechtfertigt ist, d.h. ob eine auf öffentlichem oder privatem Recht gründende Pflicht des Grundeigentümers zu ihrer Duldung besteht (BGE 132 III 651 E. 7 S 654). Da weder eine obligatorische noch eine dingliche Berechtigung, die Grundstücke des Beschwerdegegners für den Skisport zu nutzen, bestanden hat, sind gesetzliche Duldungspflichten zu prüfen gewesen.  
 
2.2. Zutreffend und heute unangefochten sind die kantonalen Gerichte davon ausgegangen, dass sich ein Skisport unter Einsatz von Pistenfahrzeugen auf den Grundstücken des Beschwerdegegners nicht auf das gesetzliche Zutrittsrecht gemäss Art. 699 ZGB stützen lässt (zit. Urteil P.787/1987 E. 3a/bb; D. PIOTET, Commentaire romand, 2016, N. 10, und REY/STREBEL, Basler Kommentar, 2015, N. 14 zu Art. 699 ZGB, je mit Hinweisen).  
 
2.3. Die kantonalen Gerichte haben vorfrageweise geprüft, ob sich eine Pflicht des Beschwerdegegners, das Befahren seiner Grundstücke mit Pistenfahrzeugen zwecks Herstellung und Unterhalt von Skipisten zu dulden, aus dem öffentlichen Recht und dabei aus dem Raumplanungsrecht ergibt (E. III/2b S. 12). Sie sind zum Schluss gelangt, dass die Skizone kantonalen und kommunalen Rechts einzig und allein der Schaffung von Freiflächen für den Skisport dient, aber keine gesetzliche Grundlage dafür abgibt, die den Grundeigentümer verpflichtet, das Befahren seiner Grundstücke mit Pistenfahrzeugen zu dulden (E. III/2d S. 14 ff. des angefochtenen Entscheids). Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde.  
 
3.  
Die Beschwerdeführer behaupten, das Kantonsgericht habe ihr Gesuch abgewiesen, das Berufungsverfahren bis zum Vorliegen eines rechtskräftigen Beschlusses im hängigen öffentlich-rechtlichen Verfahren betreffend Skizone zu sistieren. Sie rügen Willkür (S. 8 f. Ziff. IV der Beschwerdeschrift). Die Rüge erweist sich als unzulässig. Mit Schreiben vom 10. März 2017 hat zwar die verfahrensleitende Richterin dem Gesuch um Sistierung nicht stattgegeben, dabei aber einen formellen Entscheid der I. Zivilkammer in der ordentlichen Besetzung zur Frage der Sistierung vorbehalten, sofern dies ausdrücklich verlangt werde (Beschwerde-Beilage Nr. 4). Gemäss den unangefochtenen Feststellungen des Kantonsgerichts haben die Beschwerdeführer in der Folge keinen Entscheid der Zivilkammer verlangt (E. II/5 S. 9 f. des angefochtenen Entscheids). In Anbetracht des ausdrücklichen Vorbehalts, den die verfahrensleitende Richterin angebracht hat, hätte den Beschwerdeführern Treu und Glauben geboten, die zur Wahrung ihrer Rechte notwendigen Schritte unverzüglich zu unternehmen. Sie haben es indessen unterlassen, den Entscheid der Zivilkammer über ihr Sistierungsgesuch zu verlangen, so dass sie mit ihrer heutigen Rüge, das Verfahren sei willkürlich nicht sistiert worden, verspätet und nicht mehr zu hören sind (BGE 127 II 227 E. 1b S. 230; 138 III 97 E. 3.3.2 S. 102). 
 
4.  
Eine Verweigerung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör erblicken die Beschwerdeführer darin, dass sich das Kantonsgericht weder mit dem Schreiben des Grundbuchinspektorates vom 9. Februar 2012 noch mit demjenigen des Baudepartementes vom 14. Februar 2012 befasst habe, obwohl das Baudepartement erkläre, mit der rechtskräftigen Ausscheidung der Skizone sei eine öffentlich-rechtliche Eigentumsbeschränkung verbunden, die auch für die Präparierung der Piste gelte (S. 9 f. Ziff. V der Beschwerdeschrift). Entgegen ihrer Darstellung hat das Kantonsgericht darauf hingewiesen, die Beschwerdeführer stützten ihre Ansicht, die Zuweisung eines Grundstücks zur Skizone verpflichte den Grundeigentümer, auch die maschinelle Pistenpräparierung zu dulden, auf die genannten Schreiben von Grundbuchinspektorat und Baudepartement (E. III/2c S. 13 f.). Das Kantonsgericht hat die Auskünfte der Behörden somit nicht übersehen, deren Rechtsauffassung aber nicht geteilt (E. III/2d S. 14 ff. des angefochtenen Entscheids). Eine Verletzung der Prüfungs- und Begründungspflicht liegt nicht vor (BGE 141 V 557 E. 3.2.1 S. 564 f.; 143 III 65 E. 5.2 S. 70). 
 
5.  
Das Kantonsgericht hat sich als befugt erachtet, vorfrageweise zu prüfen, ob aufgrund öffentlichen Rechts eine Duldungspflicht bestehe. Die Beschwerdeführer machen als Sachverhaltsrüge geltend, das Kantonsgericht habe unbeachtet gelassen, dass ein öffentlich-rechtliches Verfahren hängig sei, aus dem sich eine Beschränkung der Abwehrrechte des Beschwerdegegners ergeben könne (S. 6 ff. Ziff. II der Beschwerdeschrift). Die Sachverhaltsrüge erweist sich als unbegründet. Denn das Kantonsgericht hat das angesprochene Verfahren betreffend den nicht rechtskräftigen Beschluss des Gemeinderates U.________ vom 5. April 2016 ausdrücklich erwähnt, aber nicht für rechtserheblich gehalten (E. III/2b S. 13 des angefochtenen Entscheids). Es hat sich folglich keine Tatfrage, sondern eine Rechtsfrage gestellt. Das Kantonsgericht ist als Zivilgericht im Rahmen eines Zivilprozesses befugt, über Vorfragen öffentlich-rechtlicher Natur zu entscheiden, solange die hiefür zuständigen Verwaltungsinstanzen im konkreten Fall noch keinen rechtskräftigen Entscheid getroffen haben (BGE 90 II 158 E. 3 S. 161; 138 III 49 E. 4.4.3 S. 56). Mit Beschluss vom 5. April 2016 hat der Gemeinderat U.________ der Beschwerdeführerin 1 zwar gestattet, die Skipisten auf den Grundstücken des Beschwerdegegners zu befahren und zu präparieren (Beschwerde-Beilage Nr. 3). Dieser Beschluss ist jedoch vor den Verwaltungsbeschwerdeinstanzen angefochten und damit nicht rechtskräftig, wie die Beschwerdeführer selber einräumen (Beschwerde-Beilagen Nrn. 5-9). Er kann deshalb der Beurteilung öffentlich-rechtlicher Vorfragen durch das Kantonsgericht als Zivilgericht nicht entgegenstehen. 
 
6.  
In der Sache rügen die Beschwerdeführer die auf Gerichtsnotorietät gestützte Annahme des Kantonsgerichts als willkürlich, wonach der Eingriff in das Eigentum des Beschwerdegegners eher schwer sei. Treffe gegenteils zu, dass das Befahren fremder Grundstücke mit Pistenfahrzeugen zwecks Herstellung und Unterhalt der Skipisten nur einen leichten Eingriff darstelle, hätten Skiliftbetreiber Anspruch auf Pistenpräparation auch auf fremden Grundstücken und sei jedenfalls kein Rechtserwerb durch Privatpersonen vorauszusetzen. Damit erhalte der Beschluss des Gemeinderates U.________ vom 5. April 2016 die Qualität einer hoheitlichen Anordnung an den Beschwerdegegner. Für den hier vorliegenden zweifellos leichten, temporären Eingriff genüge, wenn nicht schon die Zonierung als Ski- und Abfahrtspiste die Abwehrbefugnisse des Grundeigentümers beschränkt haben sollte, der Beschluss des Gemeinderates U.________ vom 5. April 2016. Bei korrekter Beurteilung der Eingriffsintensität ergebe sich ein anderes Ergebnis als dasjenige im angefochtenen Entscheid (S. 10 f. Ziff. VI der Beschwerdeschrift). 
Es trifft zu, dass das Kantonsgericht für die Annahme eines eher schwerwiegenden Eingriffs in das Eigentum des Beschwerdegegners auf eine Gerichtsnotorietät abgestellt hat, wonach durch die maschinelle Pistenpräparation Ertragsausfälle resultieren und bei geringer Schneehöhe mechanische Schäden am Kulturland entstehen können. Das Kantonsgericht hat dann aber dafürgehalten, dass letztlich offenbleiben könne, ob das Befahren mit Pistenfahrzeugen die bestimmungsgemässe Nutzung der betroffenen Grundstücke stark erschwere, weil selbst ein leichter Eingriff voraussetzte, dass sich eine entsprechende Duldungspflicht aus einem Gesetz und hier aus der Einzonung der Grundstücke des Beschwerdegegners in die Skizone ergäbe (E. III/2d/aa S. 14 f. des angefochtenen Entscheids). Der Vorwurf, das Kantonsgericht habe willkürlich einen schweren Eingriff in das Grundeigentum des Beschwerdegegners angenommen, erweist sich somit als unberechtigt. Denn das Kantonsgericht ist vielmehr davon ausgegangen, dass es hier nicht entscheidend darauf ankomme, ob der Eingriff schwer oder leicht sei. 
Ihre Rechtsauffassung, ein leichter Eingriff in die Eigentumsrechte des Beschwerdegegners sei erlaubt, begründen die Beschwerdeführer einzig mit Hinweis auf den Beschluss des Gemeinderates U.________ vom 5. April 2016. Da dieser Beschluss - wie die Beschwerdeführer andernorts selber hervorheben - nicht rechtskräftig ist, war er für die vorfrageweise Prüfung des öffentlichen Rechts durch das Kantonsgericht nicht massgebend (E. 5 oben). In Auslegung der kantonalen und kommunalen Bestimmungen über die Skizone ist das Kantonsgericht zum Ergebnis gelangt, dass sich daraus keine gesetzliche Verpflichtung des Beschwerdegegners ableiten lasse, das Befahren seiner Grundstücke mit Pistenfahrzeugen zu dulden (E. III/2d/bb-ff S. 15 ff. des angefochtenen Entscheids mit Hinweisen auf die Lehre sowie etwa ANDREA GREINER, Errichten und Ändern von Skisportanlagen, 2003, S. 210). Mit diesem Auslegungsergebnis setzen sich die Beschwerdeführer nicht auseinander, so dass in diesem Punkt auf ihre Beschwerde nicht einzutreten ist (BGE 142 III 364 E. 2.4 S. 368). Fehlt es aber heute unangefochten an einer Duldungspflicht, durften die kantonalen Gerichte eine ungerechtfertigte Einwirkung im Sinne von Art. 641 Abs. 2 ZGB bejahen und die Klage des Beschwerdegegners gutheissen. 
 
7.  
Insgesamt muss die Beschwerde abgewiesen werden, soweit darauf einzutreten ist. Die Beschwerdeführer werden damit kosten-, nicht hingegen entschädigungspflichtig, da der Beschwerdegegner nicht zur Vernehmlassung eingeladen wurde (Art. 66 Abs. 1 und 5 BGG). 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden den Beschwerdeführern unter solidarischer Haftbarkeit auferlegt. 
 
3.   
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht St. Gallen, I. Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 16. Oktober 2017 
 
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: von Werdt 
 
Der Gerichtsschreiber: von Roten