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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
2C_1002/2020  
 
 
Urteil vom 28. Dezember 2020  
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Seiler, Präsident, 
Bundesrichter Zünd, 
Bundesrichterin Aubry Girardin, 
Gerichtsschreiber Kocher. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________ GmbH, 
Beschwerdeführerin, 
vertreten durch Herrn Marcel Wieser, 
 
gegen  
 
Eidgenössische Steuerverwaltung, 
Hauptabteilung Mehrwertsteuer, 
Schwarztorstrasse 50, 3003 Bern. 
 
Gegenstand 
Mehrwertsteuer, Steuerperioden 2007-2012, 
 
Beschwerde gegen die Zwischenverfügung 
des Bundesverwaltungsgerichts, Abteilung I, 
vom 5. November 2020 (A-1336/2020). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
 
A.a. Der statutarische Zweck der B.________ GmbH mit Sitz in U.________/SG bestand im gewerblichen Transport von Gütern und Personen, darin enthalten ein Limousinenservice. A.C.________ war Alleingesellschafterin und wirkte als Geschäftsführerin. Ihr Vater, B.C.________, hatte den Vorsitz der Geschäftsführung inne. Am 16. Juni 2016 verlegte die Gesellschaft ihren Sitz nach V.________/ AG und firmierte in D.________ GbmH um. Gleichzeitig übernahm der Vater die Gesellschaftsanteile. Am 19. Mai 2017 wurde über die Gesellschaft der Konkurs eröffnet und das Konkursverfahren am 19. Juni 2017 mangels Aktiven eingestellt.  
 
A.b. Anlässlich einer Mehrwertsteuerkontrolle in den Jahren 2012 und 2014 stellte die Eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV) fest, dass die Geschäftsbücher der B.________ GmbH sowohl in formeller als auch materieller Hinsicht ordnungswidrig geführt worden seien. Dies führte am 23. Mai 2014 zu zwei Einschätzungsmitteilungen. Daraus ergaben sich Steuerkorrekturen zugunsten der ESTV von Fr. 43'139.-- (Steuerjahre 2007-2009) bzw. Fr. 16'642.-- (Steuerperioden 2010-2012).  
 
A.c. Am 11. Dezember 2015 schlossen die B.________ GmbH (nachfolgend: Übertragerin) und die A.________ GmbH in Gründung (nachfolgend: Übernehmerin), deren Alleingesellschafterin A.C.________ ist, einen Vertrag unter dem Titel "Verkauf Fahrzeuge und Übertragung der Taxibewilligung/Betriebsbewilligung". Darin vereinbarten die Parteien, dass "der Taxibetrieb" von der Übernehmerin übernommen werde. Die Übertragerin werde hierzu "ihren Fahrzeugpark zur Führung der Geschäftstätigkeit" auf die Übernehmerin übertragen und die Übertragerin "neu ausschliesslich einen Limousinen-service im Grossraum" W.________ betreiben. Die Taxibetriebsbewilligung für den Betrieb von neun Taxis ging am 8. März 2016 auf die Übernehmerin über.  
 
A.d. Mit Verfügungen vom 5. April 2016 bestätigte die ESTV gegenüber der Übertragerin die Nachbelastungen von Fr. 43'139.-- bzw. Fr. 16'642.--. Mit zwei Einspracheentscheiden vom 11. September 2017, die nunmehr an die Übernehmerin adressiert waren, wies die ESTV die Einsprachen der Übertragerin ab und stellte sie fest, dass die Übernehmerin als Steuernachfolgerin in die Rechte und Pflichten der Steuerpflichtigen eingetreten sei. Die Übertragerin wurde zur Zahlung der Steuernachforderungen von Fr. 43'139.-- bzw. Fr. 16'642.-- (nebst Verzugszins) verpflichtet. Das Bundesverwaltungsgericht hiess die dagegen gerichteten Beschwerden der Übernehmerin vom 2. Oktober 2017 gut (Entscheide A-5649/2017 / A-5657/2017 vom 6. September 2018). Dagegen gelangte die ESTV an das Bundesgericht, das deren Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten guthiess, den angefochtenen Entscheid aufhob und die Sache zur materiellen Prüfung an die Vorinstanz zurückwies (Urteil 2C_923/2018 vom 21. Februar 2020, publ. in: BGE 146 II 73).  
 
A.e. Das Bundesgericht erkannte in BGE 146 II 73, nach dem Mehrwertsteuerrecht von 1994 und 1999 habe die Steuernachfolge der übernehmenden Person vorausgesetzt, dass diese eine Unternehmung "mit Aktiven und Passiven" übernommen habe. Entsprechend habe der bisherige Unternehmensträger wegzufallen gehabt (E. 2.2). Hingegen knüpfe Art. 16 Abs. 2 MWSTG 2009 an das Fusionsrecht an, weshalb die Steuersukzession auch bei der Übertragung eines Teilvermögens eintreten könne. Die partielle Steuernachfolge sei allerdings auf die mit dem Teilvermögen zusammenhängenden Mehrwertsteuern beschränkt (E. 2.3). Die Voraussetzungen der Steuernachfolge seien sowohl alt- als auch neurechtlich erfüllt (E. 3.2.6 und 3.2.8).  
 
B.   
 
B.a. In der Folge nahm das Bundesverwaltungsgericht die Sache wieder auf. In der Zwischenverfügung vom 5. November 2020 im Verfahren A-1336/2020 hielt das Bundesverwaltungsgericht fest, die Übernehmerin habe in ihren Beschwerden vom 2. Oktober 2017 im Sinne eines Eventualbegehrens beantragt, dass ihr eine "Nachfrist zur Beibringung der materiellrechtlichen Begründung der Beschwerde einzuräumen" und "vollständige Akteneinsicht in die Revisionsakten [der ESTV]" zu gewähren sei. Diesem Antrag sei nicht zu entsprechen.  
 
B.b. Das Bundesverwaltungsgericht erwog, gemäss Art. 53 VwVG sei es der beschwerdeführenden Person zwar zu gestatten, die Begründung innert einer angemessenen Nachfrist zu ergänzen, wenn der aussergewöhnliche Umfang oder die besondere Schwierigkeit einer Beschwerdesache dies erfordere und die Beschwerde im Übrigen ordnungsgemäss eingereicht worden sei. Die Übernehmerin bringe allerdings nur vor, dass die "aufwändige Auseinandersetzung" mit der Frage der Steuernachforderung erlässlich wäre, wenn das Gericht im beantragten "Teilentscheid" zum Schluss käme, dass keine Steuernachfolge gegeben sei. Dass und weshalb eine Beschwerdesache von besonderer Schwierigkeit oder aussergewöhnlichem Umfang vorliege, mache die Übernehmerin aber nicht geltend. Es scheine ihr darum zu gehen, einen "Teilentscheid" zur Steuernachfolge abzuwarten. Zunächst einen kassatorischen Antrag zu stellen und dann erst materiell Stellung zu beziehen, wenn der kassatorische Antrag erfolglos geblieben sei, gehe praxisgemäss aber nicht an. Entsprechend sei dem Antrag nicht zu entsprechen, wobei die Übernehmerin darauf hinzuweisen sei, dass es ihr unbenommen sei, unaufgefordert weitere Eingaben anzubringen (Art. 32 Abs. 2 VwVG).  
 
C.  
Mit Eingabe vom 30. November 2011 erhebt die Übernehmerin beim Bundesgericht Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten. Sie beantragt, die angefochtene Zwischenverfügung vom 5. November 2020 sei aufzuheben und die Vorinstanz anzuweisen, ihr das rechtliche Gehör zu gewähren und insbesondere Zugang zu allen Geschäftsakten und fallrelevanten Akten zu den Steuerperioden 2007 bis 2012 der Übertragerin zu gewähren. Anschliessend sei ihr eine angemessene Frist zur Ergänzung der Beschwerdeschrift vom 2. Oktober 2017 anzusetzen. Eventualiter sei die angefochtene Zwischenverfügung aufzuheben und das am 2. Oktober 2017 eingeleitete Beschwerdeverfahren einzustellen. Das Verfahren sei an die ESTV zurückzuweisen mit der Anweisung, das Einspracheverfahren - unter Gewährung des rechtlichen Gehörs - neu zu eröffnen. Die ESTV sei weiter anzuweisen, der Übernehmerin Zugang zu allen Geschäftsakten und fallrelevanten Akten zu den Steuerperioden 2007 bis 2012 der Übertragerin zu gewähren. Anschliessend sei ihr eine angemessene Frist zur Stellungnahme einzuräumen und schliesslich ein neuer Einspracheentscheid zu eröffnen. Zudem sei der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. 
 
D.   
Der Abteilungspräsident als Instruktionsrichter (Art. 32 Abs. 1 BGG [SR 173.110]) hat von Instruktionsmassnahmen, namentlich von einem Schriftenwechsel (Art. 102 Abs. 1 BGG), abgesehen. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
 
1.1. Die allgemeinen Voraussetzungen der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten liegen vor (Art. 82 lit. a, Art. 83 e contrario, Art. 86 Abs. 1 lit. a, Art. 89 Abs. 1, Art. 100 Abs. 1 BGG). Wie es sich mit der selbständigen Anfechtbarkeit der angefochtenen Zwischenverfügung verhält (Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG; BGE 144 III 475 E. 1.2 S. 479; 144 III 253 E. 1.3 S. 253 f.; je mit Hinweisen), wovon die Übernehmerin mit Blick auf den angeblich nicht wieder gutzumachenden Nachteil ausgeht, muss nicht entschieden werden. Die Beschwerde ist, wie zu zeigen bleibt, ohnehin abzuweisen.  
 
1.2. Die Übernehmerin beantragt im bundesgerichtlichen Verfahren auch, die Vorinstanz sei anzuweisen, ihr umfassende Akteneinsicht zu gewähren. Zur Beurteilung eines solchen Begehrens ist das Bundesgericht nicht zuständig. Gesuche um Akteneinsicht sind bei der verfahrensleitenden Behörde zu erheben, hier beim Bundesverwaltungsgericht (iudex a quo). Insofern ist auf die Beschwerde von vornherein nicht einzutreten.  
 
1.3. Das Bundesgericht wendet das Bundesgesetzesrecht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG; BGE 146 IV 88 E. 1.3.2 S. 92) und prüft es mit uneingeschränkter (voller) Kognition (Art. 95 lit. a BGG; BGE 145 I 239 E. 2 S. 241).  
 
1.4. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG; BGE 146 IV 114 E. 2.1 S. 118).  
 
2.   
 
2.1. Gemäss Art. 53 des Bundesgesetzes vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (VwVG; SR 172.021) gilt:  
 
"Erfordert es der aussergewöhnliche Umfang oder die besondere Schwierigkeit einer Beschwerdesache, so gestattet die Beschwerdeinstanz dem Beschwerdeführer, der darum in seiner sonst ordnungsgemäss eingereichten Beschwerde nachsucht, deren Begründung innert einer angemessenen Nachfrist zu ergänzen; in diesem Falle findet Art. 32 Abs. 2 keine Anwendung." 
 
Abgesehen von den gesetzlichen Erfordernissen (aussergewöhnlicher Umfang oder besondere Schwierigkeit der Sache) ist die Rechtswohltat der ergänzenden Beschwerdeschrift restriktiv zu handhaben ("art. 53 ne saurait avoir pour effet de prolonger le délai légal de recours. Par conséquent, si les conclusions adoptées dans le délai légal peuvent faire l'objet ultérieurement d'une motivation complémentaire, elles ne sauraient en revanche être modifiées, en tout cas pas dans le sens d'une extension"; Urteil 2C_292/2010 vom 28. April 2011 E. 1.4.2). Wie die Vorinstanz zutreffend ausgeführt hat, kann Art. 53 VwVG ebenso wenig dazu dienen, das Verfahren zu verzögern (Urteil 2A.160/2004 vom 9. Juni 2005 E. 3.1, nicht publ. in: BGE 131 II 533). 
 
2.2. Die Übernehmerin hat mit der Übertragerin am 11. Dezember 2015 einen Kaufvertrag geschlossen, in dessen Rahmen der Taxibetrieb überführt wurde (Sachverhalt, lit. A.c). Die Verfügungen der ESTV ergingen alsdann am 5. April 2016 und die Einspracheentscheide, adressiert an die Übernehmerin, am 11. September 2017 (Sachverhalt, lit. A.d). Der Übernehmerin musste spätestens ab dem 11. September 2017 bewusst gewesen sein, dass die ESTV sie als Steuernachfolgerin der Übertragerin ins Recht fassen könnte. Dies ändert nichts daran, dass die Steuernachfolge - wie sie vom Bundesgericht in BGE 146 II 73 im Anwendungsbereich des vorrevidierten und des geltenden Mehrwertsteuerrechts bestätigt wurde - von Gesetzes wegen am 11. Dezember 2015 eingetreten war.  
 
2.3. Die Vorinstanz führt in ihrer Zwischenverfügung vom 5. November 2020 aus, dass die Übernehmerin in ihren Beschwerdeschriften vom 2. Oktober 2017 nicht vorgebracht habe, die Sache erweise sich als aussergewöhnlich umfangreich oder besonders schwierig (Art. 53 VwVG; Sachverhalt, lit. B.b). Diese tatsächliche Feststellung ist für das Bundesgericht verbindlich (Art. 105 Abs. 1 BGG; vorne E. 1.4), nachdem die Übernehmerin nicht geltend macht, die vorinstanzliche Feststellung sei offensichtlich unrichtig (Art. 105 Abs. 2 und Art. 97 Abs. 1 BGG; BGE 146 I 83 E. 1.3 S. 86). "Offensichtlich unrichtig" ist mit "willkürlich" gleichzusetzen (BGE 146 IV 88 E. 1.3.1 S. 91 f.). Die Übernehmerin betont vielmehr, dass sie im Einspracheverfahren keine Parteieigenschaft eingenommen und die Akten nicht zur Verfügung gehabt habe.  
 
2.4. Diese Einwände überzeugen nicht: Bei der Übertragung des Taxibetriebs hat es sich offenkundig um ein Rechtsgeschäft zwischen zwei Gesellschaften gehandelt, die ihrerseits von nahestehenden Personen gehalten werden. Wie dem Handelsregister entnommen werden kann, in welches das Bundesgericht Einblick nehmen darf (BGE 139 II 404 E. 7.3.3 S. 431), war der Vater (B.C.________) zeitweilig als Gesellschafter und Geschäftsführer, zeitweilig als Vorsitzender der Geschäftsführung der Übertragerin tätig, während die Tochter (A.C.________) zeitweilig als Gesellschafterin und Geschäftsführerin wirkte. Auf Ebene der Übernehmerin ist der Vater bis heute als Vorsitzender der Geschäftsführung und die Tochter als Gesellschafterin und Geschäftsführerin eingetragen. Die angebliche Ahnungslosigkeit über die geschäftlichen Vorgänge auf Ebene der Übertragerin, welche die Übernehmerin für sich beansprucht, wirkt vor diesem Hintergrund als konstruiert und höchst unglaubwürdig.  
 
2.5. Von einer "Verkürzung des Rechtswegs um eine Instanz", welche die Übernehmerin ferner beanstandet, kann ebenso wenig die Rede sein. Die Steuernachfolge äussert sich verfahrensrechtlich dahingehend, dass die Übernehmerin anstelle der Übertragerin in das Verfahren eintritt. Etwaige prozessuale Unterlassungen der Übertragerin hat die Übernehmerin sich aufgrund der eingetretenen Universalsukzession (Art. 69 ff. des Bundesgesetzes vom 3. Oktober 2003 über Fusion, Spaltung, Umwandlung und Vermögensübertragung [FusG; SR 221.301]; BGE 146 II 73 E. 2.3.3 S. 78) anrechnen zu lassen.  
 
2.6. Die Beschwerde erweist sich damit als unbegründet. Sie ist abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Die Vorinstanz hat die Übernehmerin bereits auf die Möglichkeit von Art. 32 Abs. 2 VwVG ("Verspätete Parteivorbringen, die ausschlaggebend erscheinen, kann sie trotz der Verspätung berücksichtigen") hingewiesen (Sachverhalt, lit. B.b). Mit dem vorliegenden Entscheid wird das Gesuch, der Beschwerde sei die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen (Art. 103 Abs. 3 BGG), gegenstandslos (BGE 144 V 388 E. 10 S. 410).  
 
3.  
Nach dem Unterliegerprinzip hat die Übernehmerin die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Der Eidgenossenschaft, die in ihrem amtlichen Wirkungskreis obsiegt, ist keine Parteientschädigung zuzusprechen (Art. 68 Abs. 3 BGG). 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.  
Die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens von Fr. 2'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten und dem Bundesverwaltungsgericht, Abteilung I, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 28. Dezember 2020 
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Seiler 
 
Der Gerichtsschreiber: Kocher