Avis important:
Les versions anciennes du navigateur Netscape affichent cette page sans éléments graphiques. La page conserve cependant sa fonctionnalité. Si vous utilisez fréquemment cette page, nous vous recommandons l'installation d'un navigateur plus récent.
 
 
Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
8C_5/2022  
 
 
Urteil vom 3. August 2022  
 
I. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Wirthlin, Präsident, 
Bundesrichter Maillard, Bundesrichterin Viscione, 
Gerichtsschreiberin N. Möckli. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Fürsprecher Hans Luginbühl, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
Allianz Suisse Versicherungs-Gesellschaft AG, 
Richtiplatz 1, 8304 Wallisellen, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Unfallversicherung (Integritätsentschädigung), 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 19. November 2021 
(200 21 230 UV). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Die 1958 geborene A.________ war im Zentrum B.________ als Mitarbeiterin in der Pflege angestellt und dadurch bei der Allianz Suisse Versicherungsgesellschaft AG (Allianz) gegen die Folgen von Unfällen sowie Berufskrankheiten versichert, als sie sich am 23. Januar 2017 bei einem Sturz auf der Skipiste an der rechten Schulter verletzte. Die Allianz erbrachte die gesetzlichen Leistungen (Heilbehandlung und Taggelder). Zur Beurteilung der weiteren Leistungspflicht veranlasste die Unfallversicherung eine Begutachtung in der Gutachterstelle C.________, welche durch Dr. med. D.________, Facharzt für Chirurgie und Handchirurgie, am 30. August 2018 erstattet wurde (vgl. auch ergänzende gutachterliche Stellungnahme vom 23. Oktober 2018). Nachdem am 20. November 2018 eine inverse Schultertotalprothese eingesetzt worden war, wurde der Sachverhalt durch die Gutachterstelle C.________ erneut beurteilt (Expertise vom 26. November 2019). Auf Einwand des behandelnden Orthopäden PD Dr. med. E.________ vom 8./14. Januar 2020 ergänzte der Gutachter Dr. med. D.________ am 29. Januar 2020 seine Ausführungen zum Integritätsschaden. Gestützt auf die gutachterliche Einschätzung stellte die Allianz mit Verfügung vom 7. Februar 2020 die vorübergehenden Versicherungsleistungen per 20. November 2019 ein und sprach der Versicherten eine Integritätsentschädigung von 20 % zu. Ein Rentenanspruch wurde verneint. Die dagegen erhobene Einsprache wies die Allianz nach Eingang verschiedener medizinischer Stellungnahmen (vgl. Berichte des PD Dr. med. E.________ vom 6. März 2020, des Dr. med. D.________ vom 9. September 2020, des Dr. med. F.________, Facharzt für Chirurgie, Vertrauensarzt der Allianz, vom 9. Dezember 2020 und des Dr. med. D.________ vom 3. Februar 2021) ab (Einspracheentscheid vom 22. März 2021). 
 
B.  
Die dagegen erhobene Beschwerde hiess das Verwaltungsgericht des Kantons Bern teilweise gut. Es änderte den angefochtenen Entscheid dahin ab, als es A.________ eine Invalidenrente bei einem Invaliditätsgrad von 34 % zusprach und die Sache zur Berechnung der Rente und deren Ausrichtung an die Allianz zurückwies. Im Übrigen wies es die Beschwerde ab. Ferner verpflichtete das kantonale Gericht die Allianz, eine (reduzierte) Parteientschädigung von Fr. 2164.60 an die Versicherte zu bezahlen (Urteil vom 19. November 2021). 
 
 
C.  
A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen und beantragen, in Abänderung des vorinstanzlichen Urteils sei ihr eine Integritätsentschädigung von 25 % zuzusprechen. Die Sache sei zur Berechnung und Ausrichtung der Integritätsentschädigung an die Allianz zurückzuweisen. Zudem sei ihr für das vorinstanzliche Verfahren eine volle bsp. eine substanzielle Parteientschädigung zuzusprechen. 
Die Allianz verzichtet auf eine Stellungnahme zur Beschwerde. Das Bundesamt für Gesundheit lässt sich nicht vernehmen. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen Rechtsverletzungen gemäss den Art. 95 f. BGG erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Unter Berücksichtigung der allgemeinen Pflicht zur Begründung der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG) prüft es grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 145 V 304 E. 1.1; 145 II 153 E. 2.1).  
 
1.2. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Allerdings ist es im Beschwerdeverfahren um die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen der Unfallversicherung nicht an die vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden (Art. 97 Abs. 2 i.V.m. Art. 105 Abs. 3 BGG; vgl. BGE 140 V 136 E. 1.2.1).  
 
2.  
Strittig ist zuerst, ob die Vorinstanz die Integritätsentschädigung bundesrechtskonform bemessen hat. 
Die Vorinstanz hat die rechtlichen Grundlagen zum Anspruch auf eine Integritätsentschädigung (Art. 24 Abs.1, Art. 25 UVG; Art. 36 UVV) sowie zur Beweiswürdigung (BGE 143 V 124 E. 2.2.2 mit Hinweisen) und zum Beweiswert medizinischer Berichte sowie Gutachten (BGE 137 V 210 E. 1.3.4; 134 V 231 E. 5.1; 125 V 351 E. 3a) zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen. 
 
3.  
 
3.1. Das kantonale Gericht erwog im Wesentlichen, die Beurteilung des Integritätsschadens mit 20 % durch die Gutachterstelle C.________ ausgehend von der Suva-Tabelle 1 "Integritätsschaden bei Funktionsstörungen an den oberen Extremitäten" und der Suva-Tabelle 5 "Integritätsschaden bei Arthrosen" sei nachvollziehbar und medizinisch überzeugend begründet. Der Gutachter habe einen degenerativ bedingten Vorzustand betreffend die Rotatorenmanschette schlüssig dargelegt. Der auf 20 % festgelegte Integritätsschaden überzeuge auch aufgrund der vor dem Einsatz der inversiven Schulterprothese noch vorhandenen mässiggradigen Restfunktionalität des Gelenks. Daran änderten die Einwände des PD Dr. med. E.________, der für die Anerkennung eines Integritätsschadens von 25 % plädiere, nichts.  
 
3.2. Die Beschwerdeführerin erachtet eine Integritätsentschädigung von 25 % für angemessen. Dies begründet sie anhand des Zustands des Schultergelenks vor der Versorgung mit einer Endoprothese gemäss dem Befund im Gutachten der Gutachterstelle C.________ vom 30. August 2018 und der ihrer Meinung nach massgebenden Suva-Tabelle 1, die bei völliger Gebrauchsunfähigkeit der Schulter einen Wert von 50 % bzw. bei einer in Adduktion versteiften Schulter einen Maximalwert von 30 % nenne. Ferner bringt die Beschwerdeführerin unter Anrufung von wissenschaftlichen Studien vor, es habe kein degenerativ bedingter Vorzustand bestanden. Weiter rügt sie, dass die Vorinstanz auf ein Gutachten eines Generalisten abgestellt habe. Schliesslich äussert sie Bedenken an der gutachterlichen Einschätzung wegen der freien Auftragsvergabe durch die Versicherung.  
 
4.  
 
4.1. Die in der Beschwerde erhobenen Bedenken wegen der freien Wahl der Gutachterstelle bei der Auftragsvergabe mit der Begründung, dass die Gutachter von diesen Aufträgen lebten, sind nicht zu hören. Denn die Beschwerdeführerin hatte im Rahmen der Auftragsvergabe Gelegenheit, Ausstandsgründe gegen den Gutachter geltend zu machen, was sie aber nicht getan hat (vgl. BGE 143 V 66 E. 4.3). Davon abgesehen können unter dem Gesichtspunkt der wirtschaftlichen Abhängigkeit der regelmässige Beizug eines medizinischen Experten durch den Versicherungsträger, die Anzahl der beim selben Arzt in Auftrag gegebenen Gutachten und Berichte sowie das daraus resultierende Honorarvolumen für sich allein genommen ohnehin nicht zum Anschein der Befangenheit, mithin zum Ausstand führen (BGE 137 V 210 E. 1.3.3; Urteil 8C_447/2020 vom 7. Oktober 2020 E. 3).  
 
4.2. Die Beschwerde ist auch insoweit unbegründet, als sie die fachliche Qualifikation des Dr. med. D.________ in Frage stellt. Wie dieser in seiner Stellungnahme vom 3. Februar 2021 erklärte und im Wesentlichen auch durch das Medizinalberufsregister bestätigt wird, sei er nicht nur Handchirurg, sondern auch Facharzt für Chirurgie sowie Unfallchirurgie und als solcher auch tätig gewesen.  
 
4.3. Das kantonale Gericht ging von einem Integritätsschaden von 20 % aus. Dabei stellte es insbesondere auch auf die Einschätzung des Dr. med. D.________ im Gutachten vom 30. August 2018, d.h. zum massgeblichen Zustand vor Einsatz der Schultertotalprothese ab (vgl. Urteile 8C_906/2015 vom 12. Mai 2015 E. 5.1; 8C_600/2007 vom 28. April 2008 E. 2.1.2; U 313/02 vom 4. September 2003 E. 3 mit Hinweisen). Darin bezifferte der Gutachter den Integritätsschaden in Berücksichtigung der Bewegungseinschränkung des Schultergelenks, der Schmerzsymptomatik und der Gebrauchsfähigkeit des Arms mit 20 %. Der Gutachter berücksichtigte somit die massgeblichen Kriterien. Die dieser Einschätzung zugrunde liegende Ermessensausübung ist zudem mit Blick auf die Werte der Suva-Tabelle 1 zum Integritätsschaden bei Funktionsstörungen an den oberen Extremitäten nicht bundesrechtswidrig. Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin liegt keine augenfällige Diskrepanz zwischen den Angaben in der Suva-Tabelle 1 und der Höhe der Integritätsentschädigung aufgrund der Beweglichkeit des Schultergelenks sowie der Einsatzfähigkeit des Armes vor. Es kann insbesondere darauf hingewiesen werden, dass gemäss dem Gutachter noch eine gewisse Restbeweglichkeit bestand. Dies wurde auch im Bericht der Haushaltsabklärung der IV-Stelle am 5. April 2018 festgehalten, wonach die Beschwerdeführerin den Arm bis auf Brusthöhe heben könne, wobei die Hand alsdann zittere. Auch erweckt keine Zweifel an der gutachterlichen Einschätzung, dass PD Dr. med. E.________ von einem Integritätsschaden von 25 % ausging, nannte dieser doch keine vom Gutachter unerkannt oder ungewürdigt gebliebenen Aspekte. Die Vorinstanz verletzte auch kein Bundesrecht, indem sie berücksichtigte, dass behandelnde Ärzte in Zweifelsfällen eher zu Gunsten ihrer Patienten aussagen (BGE 135 V 465 E. 4.5; 125 V 351 E. 3b/cc). Ins Leere zielt der Einwand in der Beschwerde, der Gutachter sei von einem degenerativen Vorzustand ausgegangen. Die Beschwerdeführerin zeigt damit nicht auf, inwiefern sich dies zu ihren Ungunsten auf die Bemessung des Integritätsschadens durch Dr. med. D.________ ausgewirkt haben soll. Dies ist sodann auch nicht ersichtlich, nachdem der Gutachter das gesamte Beschwerdeausmass bei der Einschätzung des Integritätsschadens berücksichtigte.  
 
4.4. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Vorbringen der Beschwerdeführerin gegen den festgestellten Integritätsschaden von 20 % keine Verletzung von Bundesrecht aufzeigen.  
 
5.  
Weiter ist zu prüfen, ob das kantonale Gericht der Beschwerdeführerin zu Recht lediglich die Hälfte des geltend gemachten Aufwandes als Parteientschädigung zugesprochen hat. 
 
5.1.  
 
5.1.1. Gemäss Art. 1 Abs. 1 UVG i.V.m. Art. 61 lit. g ATSG hat die obsiegende Beschwerde führende Partei Anspruch auf Ersatz der Parteikosten (Satz 1). Diese werden vom Versicherungsgericht festgesetzt und ohne Rücksicht auf den Streitwert nach der Bedeutung der Streitsache und nach der Schwierigkeit des Prozesses bemessen (Satz 2). Im Übrigen ist die Bemessung der Parteientschädigung für das erstinstanzliche Beschwerdeverfahren in Sozialversicherungsangelegenheiten dem kantonalen Recht überlassen (Art. 61 Ingress ATSG).  
 
5.1.2. Das Bundesgericht prüft frei, ob die vorinstanzliche Festsetzung der Parteientschädigung den in Art. 61 lit. g ATSG statuierten bundesrechtlichen Anforderungen genügt, darüber hinaus nur, ob die Anwendung des kantonalen Rechts zu einer in der Beschwerde substanziiert gerügten (Art. 106 Abs. 2 BGG) Verfassungsverletzung geführt hat, sei es wegen seiner Ausgestaltung oder aufgrund des Ergebnisses im konkreten Fall (SVR 2021 UV Nr. 34 S. 154, 8C_672/2020 E. 5.1).  
 
5.2.  
 
5.2.1. Mit der Beschwerde an die Vorinstanz verlangte die Beschwerdeführerin, der angefochtene Einspracheentscheid sei hinsichtlich der Ablehnung einer Invalidenrente und der Höhe der Integritätsentschädigung aufzuheben. Ihr seien eine angemessene Invalidenrente von mindestens 25 % und eine Integritätsentschädigung von mindestens 25 % zu bezahlen.  
 
 
5.2.2. Mit dem angefochtenen Urteil sprach das kantonale Gericht der Beschwerdeführerin eine Rente aufgrund eines Invaliditätsgrades von 34 % zu. Den von der Beschwerdegegnerin festgesetzten Anspruch hinsichtlich der Integritätsentschädigung bestätigte die Vorinstanz jedoch und wies die Beschwerde insoweit ab. Mit Blick auf den Verfahrensausgang hinsichtlich der verschiedenen Rechtsverhältnisse hat das kantonale Gericht die Beschwerdeführerin zu Recht als nur teilweise obsiegend erachtet. Entsprechend besteht grundsätzlich Anspruch auf eine reduzierte Parteientschädigung (vgl. BGE 117 V 401 E. 4c; Urteile 8C_568/2010 vom 3. Dezember 2010 E. 4.1; I 445/04 vom 24. Februar 2005 E. 2.1). Soweit die Beschwerdeführerin diese Reduktion um die Hälfte aufgrund der höheren Bedeutung des Rentenanspruchs im Vergleich zum Anspruch auf eine Integritätsentschädigung beanstandet, übersieht sie, dass für die Bemessung der Parteientschädigung nach Art. 61 lit. g ATSG nebst der Bedeutung der Streitsache auch die Schwierigkeit des Prozesses, d.h. der entstandene Aufwand relevant ist und diesem Bemessungskriterium rechtsprechungsgemäss vorrangige Bedeutung zukommt (vgl. Urteil 9C_30/2014 vom 6. Mai 2014 E. 2.1 mit Hinweis). Nachdem evident ist, dass die Beurteilung mehrerer Rechtsverhältnisse den Prozessaufwand beeinflusst, verletzt die hälftige Kürzung der Parteientschädigung nach vorinstanzlichem Ermessen kein Bundesrecht.  
 
6.  
Die Beschwerde ist nach dem Dargelegten unbegründet. Die Gerichtskosten werden der unterliegenden Beschwerdeführerin auferlegt (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 3. August 2022 
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Wirthlin 
 
Die Gerichtsschreiberin: Möckli