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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
5A_807/2018  
 
 
Urteil vom 28. Februar 2019  
 
II. zivilrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Herrmann, Präsident, 
Bundesrichter von Werdt, Bovey, 
Gerichtsschreiberin Gutzwiller. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Reto Fischer, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
B.A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Wilfried Caviezel, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Scheidungsfolgen (nachehelicher Unterhalt / Güterrecht), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Kantonsgerichts St. Gallen, II. Zivilkammer, vom 20. August 2018 (FO.2016.13-K2). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
 
A.a. A.A.________ (geb. 1961) und B.A.________ (geb. 1957) sind die seit 1985 miteinander verheirateten, seit 2013 getrennt lebenden Eltern zweier mittlerweile volljähriger Kinder.  
 
A.b. Am 7. März 2014 reichten die Eltern beim Kreisgericht Werdenberg-Sarganserland ein gemeinsames Scheidungsbegehren ein. Im Rahmen vorsorglicher Massnahmen für die Dauer des Scheidungsverfahrens verpflichtete das Kreisgericht den Ehemann zur Leistung von Unterhaltsbeiträgen an den noch in Ausbildung stehenden jüngeren Sohn wie auch an die Ehefrau (Entscheid vom 13. Mai 2015). Mit Berufungsentscheid vom 23. September 2015 modifizierte das Kantonsgericht St. Gallen die kreisgerichtliche Unterhaltsregelung. Soweit für das vorliegende Verfahren von Interesse, reduzierte es den Unterhaltsbeitrag für den jüngeren Sohn ab 1. August 2015 bis 31. Juli 2016 (voraussichtlicher Abschluss der Berufsmaturität) auf Fr. 2'200.-- und beliess den ab 1. August 2016 für A.A.________ geschuldeten Betrag bei Fr. 1'600.--.  
 
A.c. Mit Entscheid vom 9. März 2016 (versandt am 12. Mai 2016) schied das Kreisgericht die Ehe der Parteien und regelte die Nebenfolgen. Es sprach dem jüngeren Sohn einen Unterhaltsbeitrag von Fr. 2'200.-- zu und limitierte die Unterhaltspflicht bis zum 31. Juli 2016. Den nachehelich geschuldeten Unterhalt legte es bis zum 31. Juli 2016 auf Fr. 1'600.-- und für die Zeit danach bis zum Eintritt von B.A.________ in das ordentliche Pensionsalter gemäss liechtensteinischer AHV per 31. März 2021 auf Fr. 3'000.-- fest.  
 
B.   
Gegen diesen Entscheid erhob B.A.________ am 13. Juni 2016 Berufung beim Kantonsgericht St. Gallen. Er beantragte, den Unterhaltsbeitrag für A.A.________ ab Rechtskraft des Scheidungsurteils bis zu seinem Eintritt in das ordentliche Pensionierungsalter auf Fr. 1'600.-- festzusetzen. Anschlussberufungsweise beantragte A.A.________, der nacheheliche Unterhalt sei ab Rechtskraft der Scheidung bis zum Eintritt ihres Ehemannes in das ordentliche Pensionsalter mit Fr. 3'000.-- und anschliessend bis zu ihrem Eintritt ins ordentliche Pensionsalter mit Fr. 475.-- zu bemessen. Mit Urteil vom 20. August 2018 setzte das Kantonsgericht, soweit hier von Interesse, den nachehelichen Unterhalt "ab Rechtskraft dieses Entscheides" bis zum Eintritt von B.A.________ in das ordentliche Pensionsalter der liechtensteinischen AHV auf Fr. 3'000.-- fest und danach bis zum Eintritt von A.A.________ ins ordentliche Pensionsalter bei der liechtensteinischen AHV auf Fr. 220.--. 
 
C.   
Mit Eingabe vom 26. September 2018 wendet sich A.A.________ (Beschwerdeführerin) an das Bundesgericht, dem sie beantragt, B.A.________ (Beschwerdegegner) sei zu verpflichten, ihr nacheheliche Unterhaltsbeiträge von Fr. 3'000.-- ab Rechtskraft der Scheidung bis zum Eintritt in sein ordentliches Pensionsalter zu bezahlen; alles unter Kosten- und Entschädigungsfolgen. 
Das Bundesgericht hat die kantonalen Akten, aber keine Vernehmlassungen eingeholt. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Die Beschwerde richtet sich gegen den Endentscheid einer letzten kantonalen Instanz, der die vermögensrechtlichen Folgen einer Ehescheidung, also eine Zivilsache zum Gegenstand hat (Art. 72 Abs. 1, Art. 75 Abs. 1 und Art. 90 BGG). Der Streitwert übersteigt Fr. 30'000.-- (Art. 74 Abs. 1 lit. b i.V.m. Art. 51 Abs. 1 lit. a und Abs. 4 BGG). Die Beschwerde in Zivilsachen ist damit grundsätzlich zulässig. Die Beschwerdeführerin ist gemäss Art. 76 Abs. 1 BGG zur Beschwerde berechtigt und die Beschwerdefrist wurde eingehalten (Art. 100 Abs. 1 BGG). Insofern kann auf die Beschwerde eingetreten werden.  
 
1.2. Zulässig sind rechtliche Vorbringen im Sinn von Art. 95 f. BGG. Hingegen ist die obergerichtliche Sachverhaltsfeststellung für das Bundesgericht grundsätzlich verbindlich (Art. 105 Abs. 1 BGG).  
 
2.   
Anlass zur Beschwerde gibt der Zeitpunkt des Beginns des nachehelichen Unterhalts. Die Beschwerdeführerin meint, der nacheheliche Unterhalt sei im konkreten Fall ab Rechtskraft des Scheidungspunktes und nicht ab Rechtskraft des oberinstanzlichen Urteils über die Nebenfolgen der Ehescheidung zuzusprechen. 
 
2.1. Das Kantonsgericht erwog, dem Antrag der Beschwerdeführerin sei nicht stattzugeben, weil der nacheheliche Unterhalt grundsätzlich ab Rechtskraft des Berufungsentscheids zu zahlen sei. Zwar könne das Gericht dem Pflichtigen gestützt auf Art. 126 ZGB auch bei einer weiterhin geltenden Massnahmeregelung rückwirkend auf den Zeitpunkt der Teilrechtskraft eine nacheheliche Pflicht auferlegen. Dabei handle es sich indessen um eine Ausnahme. Diese könne nicht schon allein deshalb angenommen werden, weil damit eine Abänderung der Massnahmeregelung ungeachtet des Vorliegens der betreffenden Voraussetzungen entbehrlich werde, andernfalls der Hinweis in der Rechtsprechung auf die Möglichkeit der rückwirkenden Festsetzung trotz Massnahmeregelung keinen Sinn machen würde. Vielmehr könne in einem solchen Fall vom berechtigten Ehegatten erwartet werden, dass er konkret aufzeigt, dass die Voraussetzungen für eine Abänderung der Massnahmeregelung erfüllt wären und er nur deshalb darauf verzichtet, weil sie im Ergebnis auch über die rückwirkende Zusprechung eines nachehelichen Unterhalts erwirkt werden kann. Dies aber habe die Beschwerdeführerin nicht, zumindest nicht substanziiert getan, weshalb es beim Grundsatz der Nichtrückwirkung bleibe.  
 
2.2.  
 
2.2.1. Die Beschwerdeführerin wendet zunächst ein, mit der Pflicht zum Nachweis, dass die Voraussetzungen für eine Abänderung der Massnahmeregelung erfüllt wären, stelle das Kantonsgericht eine allgemeine, nicht auf die Einzelfallgerechtigkeit bezogene Anforderung auf, für welche kein Präjudiz bestehe. Mit dieser Argumentation habe das Kantonsgericht ein Kriterium zur Anwendung gebracht, welches bei pflichtgemässer Ausübung des Ermessens unwesentlich, zumindest aber nicht primär entscheidend bleiben müsse.  
 
2.2.2. Nach Art. 126 Abs. 1 ZGB bestimmt das Gericht den Beginn der Beitragspflicht. Das Gesetz äussert sich nicht zum Zeitpunkt der ersten Zahlung des Beitrages gestützt auf Art. 125 ZGB. Grundsätzlich beginnt die Beitragspflicht im Zeitpunkt des Eintritts der formellen Rechtskraft des Scheidungsurteils. Im Rahmen des pflichtgemässen Ermessens kann das Sachgericht dem Pflichtigen rückwirkend auf den Zeitpunkt des Eintritts der Teilrechtskraft (im Scheidungspunkt) eine nacheheliche Unterhaltspflicht auferlegen, und zwar unabhängig von der Frage, ob für die Zeit nach Eintritt der Teilrechtskraft schon gestützt auf einen Massnahmeentscheid eine Unterhaltspflicht besteht (BGE 142 III 193 E. 5.3; 128 III 121 E. 3b/bb und c/aa; Urteil 5A_956/2015 vom 7. September 2016 E. 7.2).  
Der Entscheid, ob das Gericht den Beginn der nachehelichen Unterhaltspflicht abweichend vom Grundsatz auf ein anderes Datum festsetzt, erweist sich demnach als ausgesprochener Ermessensentscheid. 
Bei der Überprüfung von Ermessensentscheiden auferlegt sich das Bundesgericht Zurückhaltung. Es schreitet nur ein, wenn die kantonale Instanz grundlos von in Lehre und Rechtsprechung anerkannten Grundsätzen abgewichen ist, wenn sie Gesichtspunkte berücksichtigt hat, die keine Rolle hätten spielen dürfen, oder wenn sie umgekehrt rechtserhebliche Umstände ausser Acht gelassen hat. Aufzuheben und zu korrigieren sind ausserdem Ermessensentscheide, die sich als im Ergebnis offensichtlich unbillig oder als in stossender Weise ungerecht erweisen (BGE 142 III 617 E. 3.2.5; 141 III 97 E. 11.2; je mit Hinweis). 
 
2.2.3. Die im Rahmen eines Eheschutzentscheids bzw. von vorsorglichen Massnahmen zugesprochenen Unterhaltsbeiträge sind grundsätzlich bis zur Beendigung des Scheidungsverfahrens geschuldet (vgl. BGE 137 III 614 E. 3.2.2; 134 III 326 E. 3.2; je mit Hinweis). Sie können nur abgeändert werden, wenn sich die Verhältnisse geändert haben (Art. 179 Abs. 1 ZGB bzw. Art. 276 Abs. 1 ZPO i.V.m. Art. 179 Abs. 1 ZGB). Das Kantonsgericht will den nachehelichen Unterhalt nur dann abweichend vom Grundsatz rückwirkend auf den Zeitpunkt der Rechtskraft des Scheidungspunktes festsetzen, wenn dargetan ist, dass die Voraussetzungen für die Abänderung der Eheschutz- oder vorsorglichen Massnahme gegeben sind. Damit knüpft es an sachlich vertretbare Kriterien an und ihm kann keine bundesrechtswidrige Ermessensausübung vorgehalten werden.  
 
2.3.  
 
2.3.1. Sodann führt die Beschwerdeführerin aus, die Feststellung des Kantonsgerichts, wonach sie nicht substanziiert dargelegt haben soll, dass die Voraussetzungen für eine Abänderung der Massnahmeregelung erfüllt gewesen wären, treffe nicht zu. In der Berufungsantwort und Anschlussberufung habe sie ausgeführt, dass die Massnahmeregelung den zwischenzeitlich eingetretenen Wegfall der Unterhaltspflicht für den jüngeren Sohn und insbesondere auch die aus diesem Umstand folgende steuerliche Mehrbelastung der Beschwerdeführerin nicht berücksichtigt habe, da damals gar nicht geprüft worden sei, welche persönlichen Unterhaltsbeiträge der Beschwerdeführerin nach dem Wegfall der Unterhaltsberechtigung des jüngeren Sohnes zustehen würden. Ausserdem habe sie ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sich gegenüber den Verhältnissen bei der Massnahmeregelung insbesondere ein höherer Grundbetrag, ein Wohnaufwand ohne Wohnbeitrag des Sohnes, höhere Berufskosten, ein Vorsorgeunterhalt und höhere Steuern ergeben, für welche namentlich der Tarif für Alleinstehende statt wie zuvor für Verheiratete zur Anwendung gelange. Damit habe sie die Voraussetzungen für eine allfällige Abänderung der Massnahmeregelung substanziiert vorgebracht. Aufgrund ihrer Vorbringen sei das Kantonsgericht im Sachurteil zum Schluss gelangt, dass entgegen dem Berufungsantrag des Beschwerdegegners nacheheliche Unterhaltsbeiträge nicht wie in der Massnahmeregelung vorgesehen mit Fr. 1'600.--, sondern dem erstinstanzlichen Entscheid entsprechend mit Fr. 3'000.-- zu bemessen seien, und zwar grundsätzlich seit Beendigung der Unterhaltspflicht des Beschwerdegegners für den jüngeren Sohn. Damit sei das Kantonsgericht also selber im Ergebnis zum Schluss gelangt, dass aufgrund der konkreten Vorbringen der Beschwerdeführerin die monatlichen Unterhaltsbeiträge von Fr. 1'600.-- gemäss Massnahmeregelung im konkreten Einzelfall offensichtlich unangemessen, unbillig und in stossender Weise ungerecht wären.  
 
2.3.2. Im Verfahren um nachehelichen Unterhalt gilt der Verhandlungsgrundsatz. Danach haben die Parteien dem Gericht die Tatsachen, auf die sie ihre Begehren stützen, zu behaupten und die Beweismittel anzugeben (Art. 55 Abs. 1 ZPO); gestützt darauf wendet das Gericht das Recht von Amtes wegen an (Art. 57 ZPO). Abgesehen von hier nicht zutreffenden Ausnahmen (Art. 153 Abs. 2 ZPO) darf das Gericht den Sachverhalt nicht selber ermitteln, sondern muss dem Urteil diejenigen Tatsachen zugrunde legen, welche die Parteien als Prozessstoff vortragen. Was von den Parteien nicht behauptet worden ist, darf das Gericht bei seiner Entscheidfindung nicht berücksichtigen.  
In der Berufungsantwort/Anschlussberufung hat die Beschwerdeführerin zum streitgegenständlichen T hema ausgeführt, der Beginn der Unterhaltspflicht mit dem rechtskräftigen Abschluss des Rechtsmittelverfahrens berücksichtige den Wegfall der Unterhaltspflicht für den jüngeren Sohn nicht, ebenso wenig wie den nach dem rechtskräftigen Vorsorgeausgleich im Unterhalt zusätzlich zu beachtenden Vorsorgeunterhalt und die aus diesen Umständen folgenden steuerlichen Mehrbelastungen der Beschwerdeführerin. Aus diesen allgemein gehaltenen, keinen einzigen Betrag nennenden Ausführungen, die zudem teils schwer verständlich bzw. nicht nachvollziehbar sind, durfte das Kantonsgericht ohne Weiteres und ohne Bundesrecht zu verletzen schliessen, die Beschwerdeführerin habe das Vorliegen der Abänderungsvoraussetzungen nicht, jedenfalls nicht substanziiert dargetan. 
Die anderen Ausführungen in der Berufungsantwort/Anschlussberufung, auf welche die Beschwerdeführerin im bundesgerichtlichen Verfahren verweist, erfolgten in einem anderen Zusammenhang als dem vorliegend interessierenden. Namentlich ging es dort nicht um die Abänderung der Unterhaltsbeiträge. Im Übrigen ist es nicht Aufgabe des Sachgerichts, in den Rechtsschriften oder sonstigen Akten nach Tatsachen zu suchen, die zur Stärkung des Standpunkts einer Partei geeignet sein könnten. Schliesslich nannte die Beschwerdeführerin auch dort keinen einzigen Betrag, anhand dessen die gewünschte Rechtsfolge auf der Hand gelegen hätte. Das Kantonsgericht war nicht gehalten, die geltend gemachten Umstände in seine Überlegungen zum Beginn der nachehelichen Unterhaltspflicht einzubeziehen. 
 
3.   
Zusammengefasst ergibt sich, dass die Beschwerde abzuweisen ist. Bei diesem Verfahrensausgang sind die Gerichtskosten der Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Hingegen ist keine Parteientschädigung geschuldet, zumal dem Beschwerdegegner kein entschädigungspflichtiger Aufwand entstanden ist. 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.   
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht St. Gallen, II. Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 28. Februar 2019 
 
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Herrmann 
 
Die Gerichtsschreiberin: Gutzwiller