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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 7} 
B 138/05 
 
Urteil vom 20. Januar 2007 
II. sozialrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Ursprung, präsidierendes Mitglied, 
Bundesrichterin Widmer und Bundesrichter Frésard, 
Gerichtsschreiberin Durizzo. 
 
Parteien 
R.________, 1949, Beschwerdeführerin, vertreten durch Advokat Ivo Trüeb, Militärstrasse 17, 4410 Liestal, 
 
gegen 
 
Stiftung Y.________, Beschwerdegegnerin, vertreten durch Advokatin Gertrud Baud, Rümelinsplatz 14, 4001 Basel. 
 
Gegenstand 
Berufliche Vorsorge, 
 
Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts Basel-Stadt 
vom 18. August 2005. 
 
Sachverhalt: 
A. 
R.________, geboren 1949, war seit 1. Dezember 2001 bei der Firma X.________ angestellt. Gestützt auf die Anschlussvereinbarung mit der Arbeitgeberin vom 4./5. April 2002, welche rückwirkend per 1. November 2001 in Kraft getreten war, wurde R.________ in die Pensionskasse Stiftung Y.________ aufgenommen. Nachdem sie vom 15. bis 30. März 2002 zu 50 % und ab 1. April 2002 zu 100 % arbeitsunfähig war, meldete sie sich am 16. Dezember 2002 bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an, worauf ihr ab April 2003 eine ganze Invalidenrente gewährt wurde. In der Folge teilte ihr die Pensionskasse Stiftung Y.________ am 17. April 2003 mit, dass sie aufgrund einer Verletzung der Anzeigepflicht in der Gesundheitserklärung vom 10. April 2002 vom Vertrag für überobligatorische Leistungen zurücktrete. 
B. 
Die gegen die Stiftung Y.________ erhobene Klage der R.________ mit dem Antrag auf Zusprechung von Fr. 11'974.50 sowie Zins zu 5 % auf Fr. 5987.25 ab 1. April 2004 und auf Fr. 5987.25 ab 1. Juli 2004 wies das Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt mit Entscheid vom 18. August 2005 ab. 
C. 
R.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen und das vor der Vorinstanz gestellte Rechtsbegehren erneuern. 
Während die Stiftung Y.________ auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliessen lässt, verzichtet das Bundesamt für Sozialversicherungen auf eine Vernehmlassung. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
 
1. 
Am 1. Januar 2007 ist das Bundesgesetz über das Bundesgericht vom 17. Juni 2005 (BGG; SR 173.110) in Kraft getreten (AS 2006 1205, 1243). Damit wurden das Eidgenössische Versicherungsgericht und das Bundesgericht in Lausanne zu einem einheitlichen Bundesgericht (an zwei Standorten) zusammengefügt (Seiler/von Werdt/Güngerich, Bundesgerichtsgesetz [BGG], Bern 2007, S. 10 Rz 75). Dieses Gesetz ist auf die nach seinem Inkrafttreten eingeleiteten Verfahren des Bundesgerichts anwendbar, auf ein Beschwerdeverfahren jedoch nur dann, wenn auch der angefochtene Entscheid nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes ergangen ist (Art. 132 Abs. 1 BGG). Da der kantonale Gerichtsentscheid am 18. August 2005 und somit vor dem 1. Januar 2007 erlassen wurde, richtet sich das Verfahren nach dem bis 31. Dezember 2006 in Kraft gestandenen Bundesgesetz über die Organisation der Bundesrechtspflege (OG) vom 16. Dezember 1943 (vgl. BGE 132 V 395 Erw. 1.2). 
2. 
Zu prüfen ist, ob die Beschwerdeführerin Anspruch auf Invalidenleistungen aus der überobligatorischen beruflichen Vorsorge hat. Unbestritten ist demgegenüber die Leistungspflicht der Pensionskasse im obligatorischen Bereich. 
3. 
Die Vorinstanz hat unter Hinweis auf die Rechtsprechung (BGE 119 V 283, 116 V 218) zutreffend dargelegt, dass sich die Verletzung der Anzeigepflicht und deren Folgen im Bereich der weitergehenden beruflichen Vorsorge nach den statutarischen und den reglementarischen Bestimmungen der Vorsorgeeinrichtung, bei Fehlen entsprechender Normen - wie hier - analogieweise nach Art. 4 ff. VVG beurteilen. Ebenso hat sie richtig festgehalten, dass die Vorsorgeeinrichtung bei Verletzung der Anzeigepflicht durch den Versicherten rechtsprechungsgemäss berechtigt ist, in analoger Anwendung von Art. 4 ff. VVG innert vier Wochen nach Kenntnisnahme der Anzeigepflichtverletzung vom Vorsorgevertrag im überobligatorischen Bereich zurückzutreten, soweit Statuten und Reglemente nichts anderes bestimmen (BGE 119 V 286 Erw. 4). Schliesslich hat sie auch die Rechtsprechung zu den Anforderungen an die Rücktrittserklärung zutreffend ausgeführt (BGE 129 III 713). 
4. 
Mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird gerügt, die Rücktrittserklärung sei zu wenig begründet. Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin genügt das Schreiben des Versicherers vom 17. April 2003 jedoch - selbst ohne die Ergänzungen vom 14. August 2003 und vom 27. Mai 2004 - den Anforderungen, welche eine Erklärung zum Rücktritt vom Vertrag erfüllen muss. 
4.1 So hat der Versicherer schon am 17. April 2003 geltend gemacht, dass die Versicherte ihre Arbeitsunfähigkeit im Zeitpunkt der Beantwortung der Fragen in der Gesundheitserklärung - am 10. April 2002 - nicht erwähnt habe. Zur diesbezüglichen Verletzung der Anzeigepflicht ist später einzugehen (Erw. 4.5). 
4.2 Des Weiteren hat der Versicherer in jenem Schreiben vom 17. April 2003 aber auch ausdrücklich bemängelt, dass die Fraktur des Steissbeines anlässlich eines Treppensturzes - unter deren Folgen die Beschwerdeführerin zum Zeitpunkt der Gesundheitserklärung nachweislich gelitten hat (dazu Erw. 4.1) - und eine Schmerzausstrahlung von den Ellbogen nicht deklariert worden sei. Damit sind offensichtlich die Frage "Bestehen bei Ihnen Folgen einer Krankheit oder eines Unfalls (Ziff. 2)" und die Anschlussfrage, "unter welcher Krankheit oder welchem Unfall" die Versicherte gelitten habe oder noch leide, falsch bzw. unvollständig beantwortet worden. Indem der Versicherer darauf hingewiesen hat, dass die Versicherte auch auf konkrete Frage hin verschiedene Leiden verschwiegen hat, ist sein Rücktrittsschreiben als genügend begründet zu qualifizieren. 
5. 
Zu prüfen bleibt die Verletzung der Anzeigepflicht. 
5.1 Nach Art. 4 VVG hat der Antragsteller dem Versicherer anhand eines Fragebogens oder auf sonstiges schriftliches Befragen alle für die Beurteilung der Gefahr erheblichen Tatsachen, soweit und so wie sie ihm bei Vertragsabschlusse bekannt sind oder bekannt sein müssen, schriftlich mitzuteilen (Abs. 1). Erheblich sind diejenigen Gefahrstatsachen, die geeignet sind, auf den Entschluss des Versicherers, den Vertrag überhaupt oder zu den vereinbarten Bedingungen abzuschliessen, einen Einfluss auszuüben (Abs. 2). Die Gefahrstatsachen, auf welche die schriftlichen Fragen des Versicherers in bestimmter, unzweideutiger Fassung gerichtet sind, werden als erheblich vermutet (Abs. 3). Gefahrstatsachen sind alle Tatsachen, die bei der Beurteilung der Gefahr in Betracht fallen und den Versicherer demzufolge über den Umfang der zu deckenden Gefahr aufklären können; dazu sind nicht nur jene Tatsachen zu rechnen, welche die Gefahr verursachen, sondern auch solche, die bloss einen Rückschluss auf das Vorliegen von Gefahrenursachen gestatten (BGE 116 V 226 Erw. 5a mit zahlreichen Hinweisen auf Lehre und Rechtsprechung; vgl. auch BGE 118 II 333). 
5.2 Im Formular "Gesundheitserklärung" ist, wie schon erwähnt, unter Ziff. 2 der Fragen zur Gesundheit mit "Ja" oder "Nein" anzugeben, ob Folgen einer Krankheit oder eines Unfalls bestehen. Weiter unten wird ergänzt: "Falls Sie eine der obigen Fragen mit Ja beantwortet haben, bitten wir Sie uns mitzuteilen, unter welcher Krankheit oder welchem Unfall Sie litten oder leiden". Die Versicherte hat bei Ziff. 2 "Nein" angekreuzt und unten ausgeführt: "1997 Gebärmutterhalskrebs operiert, 2001 Golfarm links operiert". Unter "Folgen" hat sie angegeben: "keine (Medikament - Premella STS)". 
Aus den Akten der Invalidenversicherung, welche die Vorinstanz beigezogen hat, geht hervor, dass sich die Versicherte 1997 einer Steissbein-Operation unterziehen musste und seither unter anhaltenden rechtsseitigen lumboglutealen, wenig in den Oberschenkel rechts ausstrahlenden Schmerzen leidet (Bericht des Dr. med. M.________, Facharzt FMH für Rheumatologie, vom 27. Juni 2002). Der Unfall, der zur Fraktur des Steissbeines geführt hat, hätte auf die ausdrückliche Frage nach Unfallfolgen gemäss Ziff. 2 der Gesundheitserklärung angegeben werden müssen. Solche waren nach dem genannten Arztbericht vorhanden. 
5.3 Dem Bericht des Dr. med. M.________ ist weiter zu entnehmen, dass die Versicherte den Rheumatologen wegen chronischer Schmerzen in beiden Schultergelenken und im linken Arm konsultierte. In der Anamnese wird angeführt, dass seit 2-3 Jahren eine progrediente diffuse Brachialgie mit distaler Betonung bestehe, zunächst im Ellbogenbereich, später sich diffus auf Unter- und weniger auch Oberarme ausdehnend, häufig im Sinne eines bohrenden, tiefsitzenden Schmerzes empfunden. Die ausstrahlenden Schmerzen der Ellenbogen hätten ebenfalls deklariert werden müssen. Die Versicherte hat zwar in Ziff. 4 der Gesundheitserklärung, in welcher auch ausdrücklich nach Gelenkleiden in den letzten fünf Jahren gefragt wird, "Ja" angekreuzt, die entsprechenden Beschwerden weiter unten jedoch auch auf ausdrückliche Frage hin nicht angegeben. 
5.4 Damit hat der Versicherer in der Rücktrittserklärung zwei Leiden aufgeführt, welche die Versicherte schuldhafterweise nicht deklariert hatte. Wenn der Versicherer in der Rücktrittserklärung davon ausgegangen ist, dass das Beschwerdebild der Versicherten vom Unfall (Treppensturz) herrühre, kann ihm dies nicht schaden, denn es genügt, wenn er die nicht deklarierten Fakten nennt. Ebenso kann ihm nicht schaden, wenn die nicht deklarierten Krankheiten und Unfälle und ihre Folgen nicht die eigentliche Ursache der Invalidisierung sind: Das Bestehen eines Kausalzusammenhangs zwischen der verschwiegenen Gefahrstatsache und dem eingetretenen Schadensereignis ist für das Vorliegen einer Anzeigepflichtverletzung nicht erforderlich (Botschaft zum Entwurf des VVG vom 2. Februar 1904, BBl 1904 I 278; BGE 111 II 391 f. Erw. 3a, 109 II 63 f. Erw. 3c). Auch wenn sich die verschwiegene Gefahrstatsache nicht verwirklicht hat und die Invalidität der versicherten Person möglicherweise auf einer anderen Ursache beruht, hat der Versicherer dennoch ein ihm unbekanntes und infolgedessen unkalkulierbares zusätzliches Risiko getragen und kann das Rücktrittsrecht auch dann geltend machen, wenn sich die versicherte Gefahr nicht verwirklicht hat (Urteil U. vom 6. Juni 2006, B 6/03, Erw. 4.4.2; Urs Ch. Nef, Kommentar zum schweizerischen Privatrecht, Bundesgesetz über den Versicherungsvertrag [VVG], Basel 2001, N 5 ff. zu Art. 6; so jedenfalls nach der bis Ende Dezember 2005 geltenden Rechtslage, anders nunmehr: Art. 6 Abs. 3 VVG in der seit 1. Januar 2006 geltenden Fassung [vgl. auch Nef, a.a.O., N 8 zu Art. 6; Franz Hasenböhler, Schwerpunkte des teilrevidierten Versicherungsvertragsgesetzes [VVG], in: AJP 2006 S. 837). Die Begründung der Invalidisierung durch die Behörden der Invalidenversicherung ist somit nicht relevant: Diese haben der Beschwerdeführerin gestützt auf die Diagnose eines Fibromyalgiesyndroms, welches nach Einschätzung der Hausärztin Frau Dr. med. K.________, allgemeine Medizin FMH, zu einer 100%igen Arbeitsunfähigkeit führt (Berichte vom 24. Dezember 2002 und vom 31. Januar 2003), eine ganze Rente zugesprochen. 
Demnach stellt der verschwiegene Treppensturz mit seinen Folgen eine Verletzung der Anzeigepflicht dar. Was die nicht deklarierten Schmerzen in den Ellenbogen anbelangt, so waren sie gemäss der genannten Stellungnahme des Dr. med. M.________ Teil des zur Invalidität führenden Overuse-Syndroms. Dass der Versicherer alle Erscheinungen dieses Syndroms angeben muss, ist nicht erforderlich. 
5.5 Die im Zeitpunkt der Deklaration vorhandene Arbeitsunfähigkeit der Versicherten musste diese als solche nicht angeben, da in Frage Ziff. 1 nach einer Arbeitsunfähigkeit "bei Versicherungsbeginn" gefragt wurde. Wird davon ausgegangen, dass die Versicherte erst Mitte März 2002 zu 50 % und ab 1. April 2002 zu 100 % arbeitsunfähig wurde, so war sie nicht zum rückwirkend auf den 1. November 2001 festgesetzten Beginn des Arbeitsverhältnisses arbeitsunfähig. Indessen erscheint unter diesem Gesichtspunkt die Verletzung der Anzeigepflicht bei den Fragen Ziff. 2 und 4 (in Verbindung mit der Anschlussfrage nach dem erlittenen Unfall oder der zugrunde liegenden Krankheit) umso gravierender, war die Versicherte doch im Zeitpunkt, als sie nach Folgen von Krankheiten und Unfällen und nach Störungen und Leiden innerhalb der letzten fünf Jahre gefragt wurde, wegen eben diesen Folgen, Störungen und Leiden gar 100%ig arbeitsunfähig. 
6. 
Was das Arztzeugnis von Frau Dr. K.________ vom 17. Februar 2004 betrifft, hat die Vorinstanz ihm zu Recht keine Beachtung geschenkt, nimmt die genannte Ärztin doch im Wesentlichen zu den von der Versicherten deklarierten, nicht aber zu den nicht deklarierten Leiden Stellung. Dabei ist zu präzisieren, dass die Versicherte die Steissbeinfraktur entgegen den Angaben der Ärztin nicht angegeben hat, diesbezüglich aber auch nicht beschwerdefrei war (dazu oben Erw. 4.2). Abgesehen davon ist es Sache des Richters und nicht des Arztes, darüber zu befinden, ob eine Anzeigepflichtverletzung begangen worden ist. In antizipierter Beweiswürdigung (BGE 122 V 162 Erw. 1d) durfte die Vorinstanz daher auf eine Befragung der Ärztin verzichten. 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen. 
2. 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt und dem Bundesamt für Sozialversicherungen zugestellt. 
Luzern, 20. Januar 2007 
 
 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Das präsidierende Mitglied: Die Gerichtsschreiberin: